Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13.12.2017, Az. 5 AZA 84/17

5. Senat | REWIS RS 2017, 700

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Gegenstand

Prozesskostenhilfe - Entschädigung für überlange Verfahrensdauer - Revisionsverfahren


Tenor

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe nebst Beiordnung von [X.] für die beabsichtigte Einlegung einer Entschädigungsklage hinsichtlich der Dauer des Verfahrens vor dem [X.] zum Aktenzeichen - 8 [X.] - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

I. [X.]er Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe vom 27. Mai 2017 ist unbegründet. [X.]ie beabsichtigte Klage auf Entschädigung wegen der [X.]auer des Verfahrens vor dem [X.] zum Aktenzeichen - 8 [X.] - bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Von einer unangemessenen Verfahrensdauer, wie sie der Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG voraussetzt, ist nach den beigezogenen Akten des [X.] des [X.]s nicht auszugehen.

2

1. [X.]as [X.] ist gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 ArbGG iVm. § 201 Abs. 1 Satz 2 GVG für die beabsichtigte Klage gegen den [X.] zuständig. [X.]ementsprechend hat der [X.]esgerichtshof mit [X.]eschluss vom 24. August 2017 (- III ZA 15/17 -) das bei ihm von der Antragstellerin anhängig gemachte „Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren“ an das [X.] abgegeben.

3

2. [X.]ie Antragstellerin hat mit [X.] vom 21. März 2016 und damit mehr als sechs Monate vor der Anbringung des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage auf Entschädigung eine Verzögerungsrüge iSv. § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG erhoben.

4

3. Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener [X.]auer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet.

5

a) [X.]ie Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und [X.]edeutung des Verfahrens sowie nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und [X.]ritter. Hierbei handelt es sich um eine beispielhafte, nicht abschließende Auflistung von Umständen, die für die [X.]eurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind ( [X.]. 17/3802 S. 18). Weitere gewichtige [X.]eurteilungskriterien sind die Verfahrensführung durch das Gericht sowie die zur Verfahrensbeschleunigung gegenläufigen Rechtsgüter der Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit von Entscheidungen, der [X.]eachtung der richterlichen Unabhängigkeit und des gesetzlichen Richters. [X.]em Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungs- und [X.]earbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Abgesehen von zwingenden gesetzlichen Vorgaben besteht deshalb ein Ermessen des verantwortlichen Gerichts hinsichtlich der Verfahrensgestaltung ([X.] 13. Februar 2014 - III [X.] - Rn. 26 ff. [X.]). Einem Revisionsgericht ist, auch wenn das Interesse der Parteien an einer umgehenden Entscheidung nicht völlig zurücktreten darf, angesichts seiner besonderen Verantwortung für die Wahrung der Einheitlichkeit und für die Fortentwicklung der Rechtsprechung in angemessenem Umfang [X.] für eine intensive Vorbereitung der Entscheidung und eine damit einhergehende Sichtung und [X.]ewertung der vorliegenden Rechtsprechung und des [X.] im Schrifttum einzuräumen (vgl. [X.] 7. Juni 2011 - 1 [X.] - Rn. 34 ff.).

6

b) [X.]ie Angemessenheit der Verfahrensdauer ist dabei stets im Lichte der aus Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 6 Abs. 1 [X.] folgenden Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener [X.] zum Abschluss zu bringen, zu beurteilen ([X.] 13. Februar 2014 - III [X.] - Rn. 27 [X.]). [X.]er [X.] ([X.]) gibt dabei allerdings ebenso wenig wie das [X.]esverfassungsgericht feste Fristen vor, sondern stellt auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls ab. [X.]er Rechtsprechung des [X.] ist jedoch zu entnehmen, dass vorbehaltlich dieser besonderen Umstände eine Verfahrensdauer von eineinhalb bis zu zwei Jahren je Instanz in der Regel nicht gegen Art. 6 [X.] verstößt (vgl. [X.]/[X.]/[X.] in [X.]/[X.]/von Raumer [X.] 4. Aufl. Art. 6 Rn. 199; [X.] in [X.]/[X.] [X.]-Kommentar 3. Aufl. Art. 6 Rn. 249, jeweils [X.]).

7

c) [X.]ezugspunkt für die [X.]eurteilung der Angemessenheit ist grundsätzlich die in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierte [X.] von der Einleitung des gerichtlichen Verfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss (§ 705 ZPO). [X.]ies gilt auch dann, wenn es über mehrere Instanzen und/oder bei verschiedenen Gerichten geführt worden ist ([X.]VerwG 11. Juli 2013 - 5 C 23/12 [X.] - Rn. 17, [X.]VerwGE 147, 146). Nach der Rechtsprechung des [X.] ist die [X.] bis zur Zustellung der Entscheidung hinzuzurechnen (vgl. [X.] 30. März 2010 - 46682/07 - Rn. 36).

8

d) Im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung ist unter Abwägung aller Einzelfallumstände zu prüfen, ob die Verfahrensdauer die äußerste Grenze des Angemessenen deutlich überschritten und deshalb das Recht auf Rechtsschutz in angemessener [X.] verletzt hat ([X.]SG 5. Mai 2015 - [X.] 10 ÜG 8/14 R - Rn. 36). Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden [X.]efugnisse ist dem Gericht dabei ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen. [X.]ementsprechend wird die Verfahrensführung des Gerichts im nachfolgenden [X.] nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der [X.]elange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist ([X.] 13. Februar 2014 - III [X.] - Rn. 30 [X.]). [X.]a der Rechtsuchende keinen Anspruch auf eine optimale Verfahrensförderung hat (vgl. [X.]VerwG 11. Juli 2013 - 5 C 23/12 [X.] - Rn. 39, [X.]VerwGE 147, 146), begründen eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben ([X.] 12. Februar 2015 - III [X.]/14 - Rn. 26, [X.]Z 204, 184; vgl. Schlick WM 2016, 485, 487).

9

4. Nach diesen Grundsätzen bietet die von der Antragstellerin beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg iSv. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

a) [X.]er [X.]egründung des [X.] ist zu entnehmen, dass die Antragstellerin mit ihrer beabsichtigten Klage eine Entschädigung wegen unangemessen langer [X.]auer des Revisionsverfahrens verlangt. Ob im Hinblick auf die nach § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG maßgebliche [X.] von der Einleitung des gerichtlichen Verfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss eine solche Teilklage zulässig ist (dafür [X.]/[X.] Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren 2013 Teil 2 A § 198 GVG Rn. 52), bedarf hier keiner Entscheidung. Auch bei einer isolierten [X.]etrachtung des Verfahrens vor dem [X.] bestehen offensichtlich keine Anhaltspunkte für eine unangemessene [X.]auer des Revisionsverfahrens.

aa) [X.]as Verfahren vor dem [X.] begann am 3. August 2015 mit Zustellung des [X.]eschlusses zur Zulassung der Revision. Formelle Rechtskraft (§ 705 ZPO) trat mit Verkündung des Revisionsurteils am 15. [X.]ezember 2016 ein (vgl. [X.]/[X.] ZPO 32. Aufl. § 705 Rn. 8). [X.]as Urteil wurde der Antragstellerin am 21. April 2017 zugestellt. [X.]ie [X.] betrug damit knapp 21 Monate.

bb) [X.]ie Verfahrensführung durch den Senat nach Eingang der Revisionsbegründung am 2. Oktober 2015 bis zur Terminierung der mündlichen Verhandlung mit Verfügung vom 4. Mai 2016 ist bei Würdigung aller Umstände nicht zu beanstanden. [X.]er Termin zur mündlichen Revisionsverhandlung ist entsprechend § 74 Abs. 2 Satz 1 ArbGG unverzüglich bestimmt worden. Ausgehend vom gerichtlichen Hinweis vom 8. Januar 2016, dass wegen der Geschäftslage des Senats ein Termin zur mündlichen Verhandlung frühestens im vierten Quartal 2016 möglich sei, sowie vom weiteren gerichtlichen Hinweis vom 23. März 2016, wonach eine Terminierung der Revisionsverfahren grundsätzlich in der Reihenfolge des Eingangs erfolge und nach wie vor eine solche im vierten Quartal 2016 beabsichtigt sei, liegt eine ordnungsgemäße Verfahrensleitung vor.

cc) Auch der [X.]raum zwischen der Verfügung der Terminierung vom 4. Mai 2016 bis zur mündlichen Verhandlung und Verkündung des Revisionsurteils am 15. [X.]ezember 2016 hat keine [X.]auer erreicht, die sachlich nicht mehr zu rechtfertigen wäre. [X.]abei ist zu berücksichtigen, dass die in dem Rechtsstreit aufgeworfenen Rechtsfragen hinsichtlich der [X.]enachteiligung von [X.]ewerbern im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes als schwierig einzustufen sind. [X.]ies entspricht im Übrigen auch der Einschätzung der Antragstellerin. [X.]ie Vorbereitungs- und [X.]earbeitungszeit für dieses Revisionsverfahren hat damit offensichtlich kein zeitlich unvertretbares Ausmaß angenommen, welches das persönliche Interesse der Antragstellerin an einer zeitnahen Entscheidung unangemessen beeinträchtigen würde.

dd) Schließlich bildet auch der [X.]raum von Verkündung des Revisionsurteils am 15. [X.]ezember 2016 bis zur Zustellung der schriftlich abgefassten Entscheidungsgründe am 21. April 2017 an den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin keine Verfahrensdauer ab, die sich als unverhältnismäßig darstellen könnte. Hierbei darf nicht außer [X.] bleiben, dass die Antragstellerin selbst durch erkennbar aussichtslose Anträge - [X.]efangenheitsantrag der Antragstellerin vom 16. [X.]ezember 2016, Anhörungsrüge vom 23. [X.]ezember 2016 und [X.] vom 2. Januar 2017 - das Verfahren in dieser [X.] verzögert hat.

ee) In Gesamtheit all dieser Umstände ist eine unangemessene [X.]auer des Revisionsverfahrens nicht ansatzweise erkennbar.

b) [X.]ie von der Antragstellerin beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet damit offensichtlich keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. [X.]er Antrag auf [X.]ewilligung von Prozesskostenhilfe war daher abzuweisen.

5. Mangels [X.]egründetheit des Antrags auf [X.]ewilligung von Prozesskostenhilfe kommt die [X.]eiordnung eines Rechtsanwalts nach § 121 Abs. 1 ZPO nicht in [X.]etracht.

6. Eine Stellungnahme der [X.]esrepublik [X.]eutschland wurde wegen der Unbegründetheit des [X.] nicht eingeholt.

II. [X.]ie Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

        

    [X.]    

        

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Meta

5 AZA 84/17

13.12.2017

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZA

vorgehend ArbG Hamburg, 17. April 2014, Az: 5 Ca 411/13, Urteil

§ 114 Abs 1 S 1 ZPO, § 198 Abs 1 S 1 GVG, § 198 Abs 1 S 2 GVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13.12.2017, Az. 5 AZA 84/17 (REWIS RS 2017, 700)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 700

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Wird zitiert von

B 10 ÜG 4/21 R

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