Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.02.2023, Az. III R 23/22

3. Senat | REWIS RS 2023, 2312

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Gegenstand

Selbstunterhalt des behinderten Kindes aus einer durch Vermögensumschichtung begründeten privaten Rente


Leitsatz

1. Die Fähigkeit des volljährigen behinderten Kindes zum Selbstunterhalt ist anhand eines Vergleichs seines gesamten existenziellen Lebensbedarfs einerseits und der finanziellen Mittel --seiner Einkünfte und Bezüge-- andererseits zu prüfen; das Vermögen des Kindes bleibt dabei unberücksichtigt (ständige Rechtsprechung).

2. Bezieht ein behindertes volljähriges Kind eine Rente, die durch Vermögensumschichtung begründet wurde --hier: Einzahlung der dem Kind von einem Kindergeldberechtigten zweckgebunden zugewandten Mittel in einen privaten Versicherungsvertrag--, so sind die den Ertragsanteil übersteigenden Teile der Rentenzahlungen nicht als Bezug zu berücksichtigen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 14.04.2022 - 1 K 2137/21 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

[X.]treitig ist im Revisionsverfahren noch der Kindergeldanspruch von April bis Juli 2021.

2

Der im Jahr 1961 geborene [X.] ([X.]) des [X.] und Revisionsbeklagten (Kläger) ist seit 1980 aufgrund einer seelischen [X.]törung behindert; ab 01.01.2018 wurde ein Grad der Behinderung von 80 festgestellt. Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit scheidet aus.

3

Im November 2017 teilte der Kläger der Beklagten und Revisionsklägerin (Familienkasse) mit, dass [X.] seit dem 01.02.2017 eine Rente von monatlich 1.000 € und --wie in den [X.] Einnahmen aus Kapitalvermögen beziehe. Die Familienkasse setzte mit [X.] vom 30.01.2018 Kindergeld fest, weil [X.] wegen einer Behinderung außerstande sei, sich selbst zu unterhalten.

4

Mit [X.]chreiben vom 22.07.2020 teilte der Kläger der Familienkasse abermals mit, dass [X.] seit dem 01.02.2017 eine Rente und zudem Einkünfte aus Kapitalvermögen beziehe.

5

Die Rente wird lebenslänglich aufgrund eines Vertrages gezahlt, auf den [X.] zum Vertragsbeginn per 01.01.2017 einen Einmalbeitrag in Höhe von 400.000 € entrichtet hatte. Dazu verwendete er 379.820 €, die nach dem Tode seiner Mutter mit dem Verwendungszweck "wg [X.]. Testament" am 09.11.2016 auf sein Konto überwiesen worden waren und mit denen er aufgrund einer testamentarischen Zweckbindung eine private Rentenversicherung zu begründen hatte. Die weiteren 20.180 € für die am 02.01.2017 vorgenommene Überweisung an den [X.] stammten aus bereits vorher vorhandenen eigenen Mitteln des [X.].

6

Mit zwei [X.]en vom 10.03.2021 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für Dezember 2019 bis einschließlich März 2021 sowie ab April 2021 auf, weil [X.] seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten könne, und wies die dagegen gerichteten Einsprüche des [X.] mit Einspruchsentscheidung vom [X.] als unbegründet zurück.

7

Im dagegen geführten finanzgerichtlichen Verfahren stellte das Finanzgericht ([X.]) Einkünfte und Bezüge sowie Aufwendungen des [X.] im Hinblick auf die behinderungsbedingte Unfähigkeit zum [X.]elbstunterhalt für das Kalenderjahr 2021 wie folgt fest:

-     

[X.] hatte Einnahmen aus der privaten Rentenversicherung in Höhe von 12.740,88 €.

-     

[X.]eine Kapitalerträge wurden vom [X.] nach Abzug des [X.]parer-Pauschbetrags auf 3.599 € geschätzt. Der [X.]chätzung lagen die Kapitalerträge für das [X.] in Höhe von 4.565,14 € und für das [X.] in Höhe von 4.404,72 € (jeweils ohne Abzug des [X.]parer-Pauschbetrags) zugrunde.

-    

[X.] zahlte Beiträge zur privaten Krankenversicherung (Basis) in Höhe von 593,65 €, zur Pflegeversicherung in Höhe von 356,28 € und zur Krankenversicherung (Wahl) in Höhe von 100,07 €.

8

Das [X.] gab der Klage hinsichtlich des im Revisionsverfahren noch streitigen [X.] statt. Es führte aus, der Kläger könne Kindergeld beanspruchen. Da der Kapitalstamm der privaten Rente mit Zuwendungen der Kindsmutter im Rahmen einer [X.]aft und eigenen Ersparnissen des Kindes dotiert worden sei, werde die Rente nur in Höhe des steuerpflichtigen Ertragsanteils berücksichtigt.

9

Für 2021 ergebe sich durch Addition des dem Grundfreibetrag in Höhe von 9.744 € (§ 32a Abs. 1 [X.]atz 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der im [X.]treitzeitraum geltenden Fassung --E[X.]tG--) entsprechenden [X.] und des behinderungsbedingten Mehrbedarfs in Höhe des [X.] von 2.120 € (§ 33b Abs. 3 [X.]atz 2 E[X.]tG) ein Bedarf in Höhe von 11.864 €, monatlich also 988,67 €.

Als Einnahmen seien nach den Grundsätzen des [X.]enatsurteils vom [X.] ([X.], 13, B[X.]tBl II 2021, 807, Rz 22, betreffend Erwerbsminderungsrente) der um den [X.] nach § 9a [X.]atz 1 Nr. 3 E[X.]tG in Höhe von 102 € (monatlich 8,50 €) zu kürzende Ertragsanteil der Rente in Höhe von 3.574,32 € anzusetzen sowie die um den [X.]parer-Pauschbetrag nach § 20 Abs. 9 [X.]atz 1 E[X.]tG in Höhe von 801 € zu mindernden Kapitalerträge, da der [X.]parer-Pauschbetrag in unteren Einkommensgruppen den ausgeschlossenen Werbungskostenabzug kompensiere (Urteil des [X.] --BFH-- vom 01.07.2014 - VIII R 53/12, [X.], 332, B[X.]tBl II 2014, 975, Rz 11; a.A. A 19.5 [X.]atz 1 der Dienstanweisung des Bundeszentralamts für [X.]teuern zum Kindergeld nach dem E[X.]tG vom 17.09.2021, B[X.]tBl I 2021, 1599). [X.] seien Aufwendungen für die Basisabsicherung der Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 949,93 €. Danach beliefen sich die Einkünfte und Bezüge für 2021 auf 6.121,39 €, so dass [X.] sich behinderungsbedingt nicht selbst unterhalten könne. Das [X.] ging insoweit von monatlich gleich bleibenden Verhältnissen aus.

Die Familienkasse trägt zur Begründung ihrer auf den Kindergeldanspruch für die Monate April bis Juli 2021 beschränkten Revision vor, das [X.]-Urteil beruhe auf einer unzutreffenden Auslegung des § 32 Abs. 4 [X.]atz 1 Nr. 3 E[X.]tG und somit auf der Verletzung materiellen Bundesrechts.

Die Familienkasse beantragt,
das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als der Klage hinsichtlich des [X.] für die Monate April bis Juli 2021 stattgegeben wurde und die Klage insoweit abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Familienkasse ist unbegründet und wird daher zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass [X.] sich in den Monaten April bis Juli 2021 behinderungsbedingt nicht selbst unterhalten konnte.

1. Für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, besteht gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 [X.]ätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 [X.]atz 1 Nr. 3 E[X.]tG ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, sofern die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist, wenn nicht aufgrund der Übergangsregelung des § 52 Abs. 40 [X.]atz 5 E[X.]tG i.d.F. des [X.]teueränderungsgesetzes 2007 vom [X.] ([X.], 1652), inzwischen § 52 Abs. 32 [X.]atz 1 E[X.]tG, die zuvor geltende Altersgrenze (Vollendung des 27. Lebensjahres) weiterhin maßgeblich ist.

a) Das Tatbestandsmerkmal "außerstande ist, sich selbst zu unterhalten" wird im Gesetz nicht näher umschrieben. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist ein behindertes Kind dann außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann (z.B. [X.]-Urteil vom 15.10.1999 - VI R 183/97, [X.]E 189, 442, B[X.]tBl II 2000, 72, unter 1.b; [X.]enatsurteile vom 05.02.2015 - III R 31/13, [X.]E 249, 144, B[X.]tBl II 2015, 1017, Rz 13, sowie vom 13.04.2016 - III R 28/15, [X.]E 253, 249, B[X.]tBl II 2016, 648, Rz 10, m.w.N.). Die Fähigkeit zum [X.]elbstunterhalt ist anhand eines Vergleichs zweier Bezugsgrößen zu prüfen, nämlich des gesamten existenziellen Lebensbedarfs des Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits (z.B. [X.]enatsurteile in [X.]E 253, 249, B[X.]tBl II 2016, 648, Rz 10; vom 19.01.2017 - III R 44/14, [X.]/NV 2017, 735, Rz 29, und in [X.]E 268, 13, B[X.]tBl II 2021, 807, Rz 16).

b) Zu den finanziellen Mitteln des behinderten volljährigen Kindes gehören seine Einkünfte und Bezüge ([X.]enatsurteil in [X.]E 253, 249, B[X.]tBl II 2016, 648, Rz 15, m.w.N.), d.h. grundsätzlich alle Mittel, die zur Deckung seines Lebensunterhalts geeignet und bestimmt sind und ihm im maßgeblichen Zeitraum zufließen, nicht jedoch sein Vermögen.

[X.]) Der Begriff der Einkünfte wird durch § 2 Abs. 2 E[X.]tG definiert. Er umfasst den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit sowie den Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung und sonstigen Einkünften ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 32 E[X.]tG Rz 118).

[X.]) Bezüge sind alle Zuflüsse in Geld oder [X.], die nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkünfteermittlung erfasst werden (vgl. z.B. [X.]enatsurteil vom 28.05.2009 - III R 8/06, [X.]E 225, 141, B[X.]tBl II 2010, 346, unter [X.]; [X.]-Urteil vom 20.03.2013 - XI R 51/10, [X.]/NV 2013, 1088, Rz 16), also nicht steuerbare oder für steuerfrei erklärte Einnahmen ([X.]enatsurteil vom 17.12.2009 - III R 74/07, [X.]E 228, 72, B[X.]tBl II 2010, 552, unter II.2.).

Da es festzustellen gilt, ob das Kind sich aus eigenen Mitteln unterhalten kann oder ob es auf Mittel des [X.] angewiesen ist, sind als Einnahmen auch laufende oder einmalige Geldzuwendungen von dritter [X.]eite zu berücksichtigen, soweit sie nicht der Kapitalanlage dienen, sondern den Unterhaltsbedarf des Kindes decken oder die Berufsausbildung sichern und damit die Eltern bei ihren Unterhaltsleistungen entlasten sollen ([X.]enatsurteil in [X.]E 268, 13, B[X.]tBl II 2021, 807, Rz 27). Daher können z.B. freigiebige und nicht zweckgebundene Zuwendungen der nicht kindergeldberechtigten Großeltern an das Kind den Kindergeldanspruch der Eltern ausschließen.

Vermögensübertragungen von Eltern auf ihre Kinder sind bei der Ermittlung der Bezüge des Kindes dagegen stets außer Betracht zu lassen. Als Bezüge anzusetzen sind allein Zuflüsse "von außen", sofern sie zur Finanzierung des Unterhalts oder der Berufsausbildung geeignet oder bestimmt sind ([X.]enatsurteil vom 04.08.2011 - III R 22/10, [X.]E 234, 329, B[X.]tBl II 2012, 337, Rz 11 zur bis zum Veranlagungszeitraum 2011 geltenden Grenzbetragsregelung in § 32 Abs. 4 [X.]atz 2 E[X.]tG). Für die Eignung genügt es, dass der Zufluss entsprechend verwendet werden kann. Wie er tatsächlich verwendet wird, spielt keine Rolle.

c) Das Vermögen des behinderten Kindes gehört nicht zu den finanziellen Mitteln, die es für den [X.]elbstunterhalt einzusetzen hat. Hätte der Gesetzgeber die Einbeziehung von Kindesvermögen im Rahmen des § 32 Abs. 4 [X.]atz 1 Nr. 3 E[X.]tG beabsichtigt, so hätte es nahegelegen, dies --wie in § 33a Abs. 1 [X.]atz 4 E[X.]tG-- in der Vorschrift selbst zum Ausdruck zu bringen und zugleich zu regeln, unter welchen Voraussetzungen das Vermögen berücksichtigt werden soll ([X.]-Urteil vom [X.] - VIII R 51/01, [X.]E 200, 212, B[X.]tBl II 2003, 91, unter [X.]). Mangels sachlicher Änderung von § 32 Abs. 4 [X.]atz 1 Nr. 3 E[X.]tG ist auch nach Wegfall der --ausschließlich die Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes [X.] (§ 32 Abs. 4 [X.]atz 2 E[X.]tG in der bis zum Veranlagungszeitraum 2011 geltenden Fassung) allein auf die Einkünfte und Bezüge des Kindes abzustellen ([X.]enatsurteile in [X.]E 253, 249, B[X.]tBl II 2016, 648, Rz 15, betreffend [X.]chmerzensgeldrente; vom 27.10.2021 - III R 19/19, [X.]E 275, 44, B[X.]tBl II 2022, 469, Rz 23, sowie vom 15.12.2021 - III R 48/20, [X.]E 275, 169, B[X.]tBl II 2022, 444, Rz 16, betreffend Kapitalleistung aus Rentenversicherung mit Gewinnbeteiligung).

[X.]omit sind Einkünfte und Bezüge einerseits und Vermögen sowie [X.] andererseits voneinander abzugrenzen. Während Einkünfte und Bezüge im Grundsatz alle finanziellen Mittel sind, die jemandem im maßgeblichen Zeitraum zusätzlich zufließen, die er also wertmäßig dazu erhält, ist Vermögen das, was er vor diesem Zeitraum bereits hatte ([X.]enatsurteil in [X.]E 275, 169, B[X.]tBl II 2022, 444, Rz 23).

2. Vom Kind bezogene Renten gehören grundsätzlich zu dessen Einkünften, soweit sie mit ihrem Besteuerungsanteil gemäß § 22 Nr. 1 [X.]atz 3 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] E[X.]tG oder --wie hier-- ihrem Ertragsanteil gemäß § 22 Nr. 1 [X.]atz 3 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] E[X.]tG der Besteuerung unterliegen; im Übrigen zählen sie zu den Bezügen ([X.]enatsurteile vom [X.], [X.]E 268, 13, B[X.]tBl II 2021, 807, betreffend Erwerbsminderungsrente, sowie vom 09.02.2012 - III R 73/09, [X.]E 236, 407, B[X.]tBl II 2012, 463, Rz 11, betreffend Halbwaisenrente; [X.]-Urteil vom 16.04.2002 - VIII R 76/01, [X.]E 199, 116, B[X.]tBl II 2002, 525, betreffend Waisenrente).

a) Leibrenten, die --wie im [X.]treitfall-- auf eigenen Einzahlungen beruhen, welche ausschließlich oder überwiegend aus versteuertem Einkommen erbracht wurden, werden verfassungsgemäß typisierend nicht mit ihrem gesamten Betrag, sondern nur mit ihrem Ertragsanteil (§ 22 Nr. 1 [X.]atz 3 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] E[X.]tG) besteuert. Dies beruht auf der Vorstellung, dass mit den Renten teilweise eigenes Vermögen zurückfließt, die Rentenzahlungen also einen Kapitalrückzahlungsanteil (Tilgungsanteil) enthalten, teils aber auch --in Abhängigkeit von einer durchschnittlichen Lebensdauer und dem Alter des [X.] bei Beginn der [X.] aufgrund einer Verzinsung Erträge erzielt werden (z.B. [X.]/[X.]mann/Nacke, § 22 E[X.]tG Rz 87 f.; [X.] in Kirchhof/[X.]eer, E[X.]tG, 21. Aufl., § 22 Rz 1).

b) Der den Ertragsanteil übersteigende Teil der Rentenzahlungen ist nicht als Bezug zu erfassen, wenn der Rentenanspruch durch eine Vermögensumschichtung begründet wurde. [X.]oweit es sich bei Rentenzahlungen nicht um vom Versicherer erwirtschaftete Erträge handelt, sondern das Kind lediglich bereits vorher vorhandenes Vermögen zurückerhält, d.h. vom Kind oder einem [X.] zuvor --z.B. bei Banken oder [X.] angesparte Mittel, handelt es sich nicht um Bezüge, aus denen das Kind i.[X.]. von § 32 Abs. 4 [X.]atz 1 Nr. 3 E[X.]tG seinen Unterhalt zu decken hat. Denn andernfalls würde der Rückgriff auf Erspartes unzulässig erneut als Einkommen gewertet ([X.]enatsurteil in [X.]E 275, 169, B[X.]tBl II 2022, 444, Rz 25; Urteil des [X.] vom 18.02.1999 - 5 [X.] 35/97, [X.], 296, Rz 17; Urteil des [X.] vom 30.09.2008 - B 4 A[X.] 57/07 R, [X.]ozialrecht 4-4200 § 11 Nr. 16, Rz 17, betreffend [X.]parguthaben und Zinsen).

Insoweit ist unerheblich, dass volljährige Personen unterhaltsrechtlich vor der Inanspruchnahme der Eltern auch ihren Vermögensstamm verwerten müssen (vgl. [X.]/von Pückler, [X.], 82. Aufl., § 1602 Rz 3), denn die bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflichten folgen anderen Maßstäben als der steuerliche Familienleistungsausgleich ([X.]enatsurteil in [X.]E 275, 44, B[X.]tBl II 2022, 469, Rz 21).

[X.]) Ob Geld in einer [X.]umme zurückgezahlt wird --z.B. bei einer Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht, wie in der vom [X.]enat im Urteil in [X.]E 275, 169, B[X.]tBl II 2022, 444 entschiedenen [X.]ache--, in [X.] --z.B. bei Entnahmen im Rahmen eines [X.]parplanes oder der Veräußerung einer [X.]ache gegen [X.] oder, wie hier, als Teil einer lebenslangen Rente, ist unerheblich. In allen vorgenannten Fällen handelt es sich um den Rückgriff auf Vermögen, soweit nur eine Rückzahlung vorliegt und keine Einkünfte --z.B. aus Kapitalvermögen oder sonstige Einkünfte-- erzielt werden.

[X.]) Die Aufteilung der Rentenzahlungen in vermögensumschichtende Rückflüsse einerseits und Einkünfte andererseits hat anhand der [X.] zu erfolgen. Eine von der steuerlichen Betrachtung abweichende fallbezogene konkrete Berechnung, welcher Anteil der Zahlungen auf Einkünfte und welcher Anteil daher auf die Rückgewähr des angesparten Vermögens entfällt, kommt nicht in Betracht, da der Begriff der Einkünfte § 2 Abs. 1 und 2 E[X.]tG zu entnehmen ist. Für eine andere Aufteilung fehlen zudem regelmäßig die Maßstäbe, die Kenntnis der konkreten Lebensdauer des Rentenbeziehers sowie der wirtschaftlichen Daten des Rentenzahlers.

cc) Die von der Familienkasse aufgeworfene Frage der Verfügungsbefugnis des [X.] über die nach dem Tod seiner Mutter erlangten Mittel ist unerheblich. Der Begriff des Vermögens setzt nicht voraus, dass damit nach freiem Belieben verfahren werden kann. Vermögen hat auch, wer zweckgebundene Mittel erhält (z.B. einen Zuschuss der Eltern für den Immobilienerwerb) oder einen ertragbringenden Vermögensgegenstand --z.B. als Vorerbe (§ 2113 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches)-- nicht veräußern darf oder kann.

Der [X.]enat hat zwar im Hinblick auf § 33a Abs. 1 [X.]atz 3 E[X.]tG a.F. (jetzt [X.]atz 4) entschieden, dass der Verkehrswert eines Mietwohngrundstücks nicht nur durch einen Nießbrauchsvorbehalt, sondern auch durch ein dinglich gesichertes Veräußerungs- und Belastungsverbot gemindert wird ([X.]enatsurteil vom 29.05.2008 - III R 48/05, [X.]E 221, 221, B[X.]tBl II 2009, 361). Dabei ging es aber nicht --wie im [X.]treitfall-- darum, ob ein Gegenstand (dort: Mietwohngrundstück) oder ein Recht (hier: die vor Einzahlung des Einmalbetrags bestehende Forderung gegen die kontoführende Bank) überhaupt als Vermögen anzusehen ist, sondern um die Frage, welchen Wert das betreffende Vermögen hat. Dafür war der Verkehrswert des mit einem Nießbrauchsvorbehalt sowie einem dinglich gesicherten Veräußerungs- und Belastungsverbot belasteten Mietwohngrundstücks entscheidend. Für die Nichtberücksichtigung der den Ertragsanteil übersteigenden Rentenzahlungen des [X.]treitfalls als Bezug im Rahmen des § 32 Abs. 4 [X.]atz 1 Nr. 3 E[X.]tG ist demgegenüber maßgeblich, dass der Rentenanspruch durch Mittel des [X.], mithin dessen Vermögen, begründet wurde.

3. Die Betrachtung der Fähigkeit des Kindes zum [X.]elbstunterhalt ist grundsätzlich monatsbezogen vorzunehmen. [X.]oweit das [X.] dazu neben den Rentenzahlungen auch die --über die Jahre in annähernd gleich bleibender Höhe erzielten und für das [X.] geschätzten-- Kapitaleinkünfte (konkludent) in monatlich gleich bleibenden Beträgen angesetzt hat, wurde dies von der Revision nicht gerügt und ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Offenbleiben kann, ob das [X.] den [X.]parer-Pauschbetrag zu Recht nicht als Bezug berücksichtigt hat. Denn dieser hat keinen entscheidenden Einfluss auf die Deckung des Bedarfs durch die Einkünfte und Bezüge des [X.].

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

III R 23/22

16.02.2023

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 14. April 2022, Az: 1 K 2137/21, Urteil

§ 32 Abs 4 S 1 Nr 3 EStG 2009, § 22 Nr 1 S 3 Buchst a DBuchst aa EStG 2009, § 22 Nr 1 S 3 Buchst a DBuchst bb EStG 2009, § 20 Abs 9 EStG 2009, EStG VZ 2021

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.02.2023, Az. III R 23/22 (REWIS RS 2023, 2312)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 2312 NJW 2023, 2448 REWIS RS 2023, 2312

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