Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.10.2022, Az. III R 13/21

3. Senat | REWIS RS 2022, 9114

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Gegenstand

Kindergeldanspruch für ein volljähriges behindertes Kind; Pflegegeld; Unterhaltsanspruch gegenüber dem Ehegatten des behinderten Kindes


Leitsatz

1. Das für ein behindertes Kind gezahlte Pflegegeld ist bei den dem Kind zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln als Bezug zu berücksichtigen.

2. Bei der Prüfung, ob dem behinderten Kind gegenüber seinem Ehegatten ein Unterhaltsanspruch zusteht, mindern die vom Ehegatten auf sein Einkommen geleisteten Steuern (Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer) und Sozialversicherungsbeiträge das diesem zur Unterhaltsleistung zur Verfügung stehende Einkommen.

3. Der vom Ehegatten des behinderten Kindes an ein (gemeinsames oder nicht gemeinsames) minderjähriges Kind geleistete Unterhalt mindert die diesem für den Ehegattenunterhalt zur Verfügung stehenden Mittel.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des [X.] vom 25.02.2021 - 4 K 392/19 und der Aufhebungsbescheid der Beklagten sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom [X.] aufgehoben, soweit sie das Kindergeld für die Monate Januar und Februar 2019 betreffen.

Insoweit wird die Familienkasse verpflichtet, Kindergeld zugunsten der Klägerin festzusetzen.

Im Übrigen --hinsichtlich der Monate November und Dezember 2018-- ist die Revision unbegründet.

Die Kosten des gesamten Verfahrens tragen die Beklagte und die Klägerin zu je 1/2.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Mutter einer im März 1987 geborenen [[[X.].].]ochter ([[[X.].].]), deren Schwerbehindertenausweis einen Grad der Behinderung von 70 und das Merkzeichen G aufweist. [[[X.].].] war im Streitzeitraum --November 2018 bis Februar 2019-- verheiratet und hatte mit ihrem [[[X.].].]hemann einen im Jahr 2017 geborenen [[[X.].].] ([[[X.].].]), den [[[X.].].]nkel der Klägerin. Der [[[X.].].]hemann ist zudem Vater eines weiteren Kindes aus einer früheren Beziehung ([[X.].]), für das er Unterhalt in Höhe von monatlich 305 € zahlt.

2

Die Klägerin erhielt aufgrund eines Bescheides vom 28.01.2014 laufend Kindergeld. Nach dem [[[X.].].]ingang angeforderter Belege über die finanzielle Situation der Familie der [[[X.].].] hob die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) die Festsetzung des Kindergeldes ab November 2018 gemäß § 70 Abs. 2 des [[[X.].].]inkommensteuergesetzes ([[[X.].].]StG) auf und wies den [[[X.].].]inspruch der Klägerin mit [[[X.].].]inspruchsentscheidung vom [[X.].] als unbegründet zurück.

3

Die Klage hatte keinen [[[X.].].]rfolg. Das Finanzgericht ([[X.].]) ermittelte durch Addition des anteiligen Grundfreibetrages sowie des von [[[X.].].] bezogenen Pflegegeldes in Höhe von monatlich 316 € einen Bedarf der [[[X.].].] für November und Dezember 2018 in Höhe von 1.066 € und für die Monate Januar und Februar 2019 in Höhe von 1.080 €.

4

[[[X.].].]inkünfte und Bezüge der [[[X.].].] setzte das [[X.].] wie folgt an:

        

November 2018

  Dezember 2018

  Januar 2019

  Februar 2019

        

      

                          

[[[X.].].]lterngeld

150 € 

150 € 

150 € 

150 € 

Familiengeld

250 € 

250 € 

250 € 

250 € 

Pflegegeld

316 € 

316 € 

316 € 

316 € 

- Kostenpauschale

- 15 €

- 15 €

- 15 €

- 15 €

[[[X.].].]hegattenunterhalt

783 € 

650 € 

392 € 

392 € 

                                            

Summe 

1.486 €

1.351 €

1.093 €

1.093 €

5

Die von der Familienkasse ermittelten [[[X.].].]inkünfte und Bezüge der [[[X.].].] lagen somit im November 2018 um 420 €, im Dezember 2018 um 285 € und im Januar und Februar 2019 um jeweils 13 € über dem --unstreitigen-- Bedarf.

6

Bei der Berechnung des [[[X.].].]hegattenunterhalts zog das [[X.].] die Lohnsteuer, den [[X.].] und die Kirchensteuer vom [[[X.].].]inkommen des [[[X.].].]hemannes der [[[X.].].] ab und wies darauf hin, dass der [[X.].] ([[X.].]) die Frage, ob bei dieser Berechnung das [[[X.].].]inkommen des [[[X.].].]hemannes um die abgeführten Beträge zu mindern ist, zuletzt offengelassen habe (Senatsurteil vom 23.11.2011 - III R 76/09, [[X.].][[[X.].].] 236, 79, [[X.].], 413, Rz 13). Die vom Arbeitgeber des [[[X.].].]hemannes gewährten vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von monatlich 26,59 € wurden einkommenserhöhend und die im November 2018 bezogene Jahressonderzahlung sowie das Urlaubsgeld jeweils anteilig mit einem Zwölftel im Monat des Zuflusses und den nachfolgenden elf Monaten berücksichtigt. Im Gleichklang damit zog das [[X.].] auch die darauf entfallenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge mit jeweils einem Zwölftel im Monat der Zahlung und den nachfolgenden elf Monaten ab. Unterhaltsleistungen an [[[X.].].] und an [[X.].] zog das [[X.].] nicht ab, weil es anderenfalls im Sinne des [X.] vom 09.02.2012 - III R 73/09 ([[X.].][[[X.].].] 236, 407, [[X.].], 463) zu einer doppelten Berücksichtigung des Bedarfs des Kindeskindes käme.

7

Zur Begründung ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Bundesrechts.

8

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das [[X.].]-Urteil sowie den Bescheid vom 28.11.2018 in Gestalt der [[[X.].].]inspruchsentscheidung vom [[X.].] aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, Kindergeld für die Monate November 2018 bis Februar 2019 zugunsten der Klägerin festzusetzen.

9

Die Familienkasse beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet, soweit sie das Kindergeld für die Monate Januar und Februar 2019 betrifft; insoweit wird die Familienkasse verpflichtet, Kindergeld festzusetzen. Im Übrigen, also hinsichtlich der Monate November und Dezember 2018, wird sie als unbegründet zurückgewiesen.

1. Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 [[X.].]StG besteht für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, und die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist, sofern nicht aufgrund der Übergangsregelung des § 52 Abs. 40 Satz 5 [[X.].]StG i.d.[[[[[[X.].].].].].] 2007 vom [[[[[[X.].].].].].] ([[[[[[X.].].].].].], 1652), inzwischen § 52 Abs. 32 Satz 1 [[X.].]StG, weiterhin die vorher geltende Altersgrenze (Vollendung des 27. Lebensjahres) maßgeblich ist.

Das [[[[[[X.].].].].].]atbestandsmerkmal "außerstande [...] , sich selbst zu unterhalten" wird im Gesetz nicht näher umschrieben. Nach ständiger Rechtsprechung des [[[[[[X.].].].].].] ist ein behindertes Kind dann außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann (z.B. [[[[[[X.].].].].].]-Urteil vom 15.10.1999 - VI R 183/97, [[[[[[X.].].].].].][[X.].] 189, 442, [[[[[[X.].].].].].], 72, unter 1.b; Senatsurteile vom 05.02.2015 - III R 31/13, [[[[[[X.].].].].].][[X.].] 249, 144, [[[[[[X.].].].].].], 1017, Rz 13, und vom 13.04.2016 - III R 28/15, [[[[[[X.].].].].].][[X.].] 253, 249, [[[[[[X.].].].].].], 648, Rz 10, m.w.N.). Die Fähigkeit zum Selbstunterhalt ist dabei anhand eines Vergleichs zweier Bezugsgrößen zu prüfen, nämlich des aus dem Grundbedarf und dem behinderungsbedingten Mehrbedarf bestehenden gesamten existenziellen Lebensbedarfs des Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits (z.B. Senatsurteile in [[[[[[X.].].].].].][[X.].] 253, 249, [[[[[[X.].].].].].], 648, Rz 10; vom 19.01.2017 - III R 44/14, [[[[[[X.].].].].].]/NV 2017, 735, Rz 29, und vom [[[[[[X.].].].].].], [[[[[[X.].].].].].][[X.].] 268, 13, [[[[[[X.].].].].].] 2021, 807, Rz 16). Diese Prüfung hat für jeden Monat gesondert zu erfolgen (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 11.04.2013 - III R 35/11, [[[[[[X.].].].].].][[X.].] 241, 499, [[[[[[X.].].].].].] 2013, 1037).

Der behinderungsbedingte Mehrbedarf umfasst Aufwendungen, die gesunde Kinder nicht haben. Dazu gehören alle mit einer Behinderung zusammenhängenden außergewöhnlichen Belastungen, insbesondere solche für Hilfen bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens (Senatsurteil in [[[[[[X.].].].].].][[X.].] 268, 13, [[[[[[X.].].].].].] 2021, 807, Rz 19). Diese können einzeln nachgewiesen oder mit dem maßgeblichen Pauschbetrag (§ 33b Abs. 1 bis 3 [[X.].]StG) angesetzt werden. Wird Pflegegeld gezahlt, welches den Behinderten-Pauschbetrag übersteigt, so ist zu vermuten, dass mindestens ein Mehrbedarf in Höhe des gezahlten Pflegegeldes besteht (Senatsurteil vom 27.10.2021 - III R 19/19, [[[[[[X.].].].].].][[X.].] 275, 44, [[[[[[X.].].].].].] 2022, 469, Rz 16). Da im Streitfall das Pflegegeld in Höhe von monatlich 316 € den anteiligen monatlichen Pauschbetrag für Menschen mit Behinderungen in Höhe von 74,17 € übersteigt, ist es vom [[[[[[X.].].].].].] zu Recht als Mehrbedarf angesetzt worden.

2. Das [[[[[[X.].].].].].] hat das Pflegegeld zutreffend bei den [[[[[[X.].].].].].] zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln als Bezug berücksichtigt.

a) Bezüge sind alle Zuflüsse in Geld oder [[[[[[X.].].].].].], die nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen [[X.].]inkünfteermittlung erfasst werden (zuletzt Senatsurteil in [[[[[[X.].].].].].][[X.].] 275, 44, [[[[[[X.].].].].].] 2022, 469, Rz 17, m.w.N.). Sozialleistungen, mit deren Hilfe das Kind seinen existenziellen Grundbedarf oder behinderungsbedingten Mehrbedarf decken kann, sind zu berücksichtigen, soweit das Kind nicht vom Sozialleistungsträger zu einem Kostenbeitrag herangezogen wird. Dies gilt auch für nachrangige Sozialleistungen, soweit der Sozialleistungsträger nicht bei den [[X.].]ltern Regress nimmt (Senatsurteil in [[[[[[X.].].].].].][[X.].] 268, 13, [[[[[[X.].].].].].] 2021, 807, Rz 23 und 24, m.w.N., betreffend [[X.].]ingliederungshilfeleistungen nach §§ 53 ff. des [[[[[[X.].].].].].] und Hilfe zum Lebensunterhalt).

b) Bezüge, die nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Kindes bestimmt oder geeignet sind, werden allerdings nicht als dem Kind zur Verfügung stehende Mittel berücksichtigt. Schmerzensgeld nimmt --unabhängig davon, ob es in einem [[X.].]inmalbetrag oder in Rentenform gezahlt wird-- eine Sonderstellung innerhalb der sonstigen [[X.].]inkommens- und Vermögensarten ein, da es einen Ausgleich für Schäden und Lebenshemmungen nicht vermögensrechtlicher Art bieten und zugleich Genugtuung verschaffen soll. Wegen dieser Sonderfunktion, immaterielle Beeinträchtigungen zu mildern oder auszugleichen, ist eine Schmerzensgeldrente nicht als Bezug des Kindes zu berücksichtigen (Senatsurteil in [[[[[[X.].].].].].][[X.].] 253, 249, [[[[[[X.].].].].].], 648, Rz 16 ff.).

Pflegegeld kommt dagegen --wie auch dem Blindengeld und anderen Sozialleistungen, die besonderen Bedarf abdecken sollen-- eine derartige besondere Funktion nicht zu. [[X.].]s ist daher als ein für den Unterhalt geeigneter Bezug anzusetzen. Die Berücksichtigung derartiger Sozialleistungen als Bezüge ist auch sachgerecht. Denn bei volljährigen behinderten Kindern wird hinsichtlich der Frage der Unfähigkeit zum Selbstunterhalt immer an die tatsächlich verwirklichten Verhältnisse und somit an die tatsächlich gezahlten Sozialleistungen angeknüpft (Senatsurteil in [[[[[[X.].].].].].][[X.].] 275, 44, [[[[[[X.].].].].].] 2022, 469, Rz 18); die materielle Lage eines Kindes, dessen behinderungsbedingter Mehrbedarf durch eine Leistung wie das Pflegegeld abgedeckt wird, ist günstiger als die eines Kindes mit einem Mehrbedarf in gleicher Höhe, das diese Leistung nicht erhält. Infolge des Pflegegeldes ist [[[[[[X.].].].].].] mithin in geringerem Maße auf Mittel der Klägerin angewiesen.

3. Bei der [[X.].]rmittlung der Unterhaltsleistungen, die [[[[[[X.].].].].].] von ihrem [[X.].]hemann bezogen hat, hat das [[[[[[X.].].].].].] dessen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zu Recht abgezogen.

a) Zu den dem behinderten Kind zur Verfügung stehenden eigenen finanziellen Mitteln gehören auch Leistungen Dritter, soweit diese zur Bestreitung des Lebensunterhalts bestimmt und geeignet sind (z.B. Senatsurteile in [[[[[[X.].].].].].][[X.].] 253, 249, [[[[[[X.].].].].].], 648, Rz 17, und vom 09.02.2012 - III R 53/10, [[[[[[X.].].].].].][[X.].] 236, 417, [[[[[[X.].].].].].] 2014, 391, Rz 11). Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie aufgrund einer tatsächlich bestehenden zivilrechtlichen Verpflichtung (z.B. § 1615 des Bürgerlichen Gesetzbuches --[[[[[[X.].].].].].]--), einer vermeintlichen Verpflichtung oder freiwillig erbracht werden (z.B. Senatsurteile vom 11.04.2013 - III R 24/12, [[[[[[X.].].].].].][[X.].] 241, 255, [[[[[[X.].].].].].] 2013, 866, und vom 12.09.2013 - III R 55/12, [[[[[[X.].].].].].]/NV 2014, 36, Rz 12, betreffend Unterhaltsleistungen des Kindsvaters als Bezüge).

b) Unter den Begriff der Bezüge sind daher auch Unterhaltsleistungen des verheirateten oder geschiedenen [[X.].]hegatten (§ 1360, § 1360a, § 1361, §§ 1569 ff. [[[[[[X.].].].].].]) zu fassen. Diese können bei [[X.].]hepartnern, die in einem gemeinsamen Haushalt leben, regelmäßig nur geschätzt werden. Dabei ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:

-       

Bei einer kinderlosen [[X.].]he fließt nach der Lebenserfahrung dem nicht verdienenden [[X.].]hepartner etwa die Hälfte des gemeinsamen verfügbaren Nettoeinkommens in Form von Geld- und Sachleistungen als Unterhalt zu, sofern dem unterhaltsverpflichteten [[X.].]hepartner ein verfügbares [[X.].]inkommen in Höhe des steuerlichen [[X.].]xistenzminimums verbleibt (Senatsurteile in [[[[[[X.].].].].].][[X.].] 236, 79, [[[[[[X.].].].].].] 2012, 413, Rz 10, und in [[[[[[X.].].].].].][[X.].] 241, 255, [[[[[[X.].].].].].] 2013, 866, Rz 15; [[[[[[X.].].].].].]-Urteil vom 25.02.2015 - [[[[[X.].].].].]I R 14/13, [[[[[[X.].].].].].]/NV 2015, 836, Rz 17).

-    

Verfügt das Kind auch über eigene Mittel, so ist zu unterstellen, dass sich die [[X.].]heleute ihr gemeinsames verfügbares [[X.].]inkommen teilen. Haben die [[X.].]hegatten eigene Kinder, so werden die [[X.].]inkünfte desjenigen [[X.].]hegatten, für den Kindergeld begehrt wird, durch dessen Unterhaltsleistungen an sein eigenes Kind grundsätzlich nicht gemindert (Senatsurteil in [[[[[[X.].].].].].][[X.].] 236, 407, [[[[[[X.].].].].].] 2012, 463, Rz 18 ff.).

Soweit nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Senats eine Halbteilung der verfügbaren Mittel durch die in intakter [[X.].]he zusammenlebenden Partner anzunehmen ist, wird zugunsten des erwerbstätigen [[X.].]hegatten kein [[X.].]rwerbstätigenbonus abgezogen (ebenso Niedersächsisches [[[[[[X.].].].].].], Urteil vom 03.09.2020 - 1 K 129/17, juris, Rz 46; a.A. [[[[[[X.].].].].].] Münster, Urteil vom 21.02.2013 - 13 K 1968/11 Kg, [[X.].]ntscheidungen der Finanzgerichte 2013, 790).

Reichen die so verteilten [[X.].]inkünfte und Bezüge des [[X.].]hepartners --allein oder zusammen mit [[X.].]inkünften und Bezügen des behinderten [[[[[[X.].].].].].] für den vollständigen Unterhalt des behinderten Kindes aus und liegt kein weiterer Berücksichtigungstatbestand gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 und 2 [[X.].]StG vor, so entfällt der Kindergeldanspruch.

c) Bei der [[X.].]rmittlung des Unterhaltsanspruchs der [[[[[[X.].].].].].] hat das [[[[[[X.].].].].].] die Lohnsteuer, den [[[[[[X.].].].].].] und die Kirchensteuer vom [[X.].]inkommen des [[X.].]hemannes der [[[[[[X.].].].].].] bei der [[X.].]rmittlung ihres Unterhaltsanspruchs zu Recht abgezogen. Diese Posten mindern das zur Verfügung stehende "Nettoeinkommen" im Sinne der Senatsurteile in [[[[[[X.].].].].].][[X.].] 236, 79, [[[[[[X.].].].].].] 2012, 413, in [[[[[[X.].].].].].][[X.].] 241, 255, [[[[[[X.].].].].].] 2013, 866 und in [[[[[[X.].].].].].]/NV 2015, 836 und stehen für den Verbrauch tatsächlich nicht zur Verfügung (ebenso A 19.5 Satz 2 der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem [[X.].]StG 2022). Die auf das [[X.].]inkommen entfallenden Steuern mindern im Übrigen --unbeschadet der Obliegenheit, Steuervorteile in zumutbarem Rahmen in Anspruch zu nehmen-- auch zivilrechtliche Unterhaltsansprüche (z.B. Unterhaltsgrundsätze des [[[[[[X.].].].].].], Stand: 01.01.2022, unter 10.1; Urteil des [[[[[[X.].].].].].] vom 25.06.1980 - [[[[[[X.].].].].].] ZR 530/80, Neue Juristische Wochenschrift 1980, 2251).

Soweit der [[[[[[X.].].].].].] (§ 32 Abs. 4 Satz 2 [[X.].]StG a.F.) entschieden hat, dass die [[X.].]inkünfte durch Steuern nicht gemindert werden (Senatsurteil vom 26.09.2007 - III R 4/07, [[[[[[X.].].].].].][[X.].] 219, 112, [[[[[[X.].].].].].] 2008, 738), beruhte dies darauf, dass die [[X.].]inkommensteuer erstattet wird, wenn das zu versteuernde [[X.].]inkommen den Grundfreibetrag nicht übersteigt und ein Kind einbehaltene Lohnsteuer unter den Voraussetzungen des § 42b [[X.].]StG schon im Rahmen des [[[[[[X.].].].].].] durch den Arbeitgeber bei der Lohnabrechnung für den letzten im Ausgleichsjahr endenden Lohnzahlungszeitraum zurückerhalten konnte. Auf die [[X.].]rmittlung eines Unterhaltsanspruchs des Kindes gegen seinen steuerpflichtige [[X.].]inkünfte erzielenden [[X.].]hegatten, bei dem eine Steuerschuld verbleibt, ist das nicht zu übertragen.

d) Die Sozialversicherungsbeiträge des Kindes sind ebenfalls nicht zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt, da sie von Gesetzes wegen dem Kind oder dessen [[X.].]ltern nicht zur Verfügung stehen (Senatsurteil vom 19.10.2006 - III R 55/06, [[[[[[X.].].].].].]/NV 2007, 420). Werden die Sozialversicherungsbeiträge vom [[X.].]hegatten des Kindes geleistet, so stehen sie dem [[X.].]hegatten gleichfalls weder für den eigenen Verbrauch noch für den [[X.].]hegattenunterhalt zur Verfügung. Das [[[[[[X.].].].].].] hat sie daher zu Recht bei der [[X.].]rmittlung des [[[[[X.].].].].] abgezogen.

4. Das [[[[[[X.].].].].].] hat jedoch die Unterhaltszahlungen des [[X.].]hemannes für sein Kind [[[[[X.].].].].] bei der [[X.].]rmittlung des [[[[[X.].].].].] an [[[[[[X.].].].].].] zu Unrecht unberücksichtigt gelassen.

a) Das [[[[[[X.].].].].].] ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die [[X.].]inkünfte und Bezüge des behinderten Kindes, für das Kindergeld begehrt wird, nicht wegen Unterhaltsverpflichtungen des Kindes gegenüber seinem Kind, d.h. dem [[X.].]nkel der [[X.].]ltern des behinderten Kindes, zu kürzen sind. Denn eine unmittelbare Berücksichtigung der vom [[X.].]nkelkind ausgelösten Unterhaltslasten im Rahmen der Prüfung der behinderungsbedingten Unfähigkeit zum Selbstunterhalt ist ausgeschlossen, weil sich die behinderungsbedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt danach bestimmt, ob [[X.].]inkünfte und Bezüge des behinderten Kindes dessen existenziellen Lebensbedarf decken. Der Unterhaltsbedarf des [[[[[X.].].].].] vermindert jedoch weder die [[X.].]inkünfte und Bezüge des behinderten Kindes noch erhöht er dessen existenziellen Lebensbedarf.

Der Senat hat in seinem Urteil in [[[[[[X.].].].].].][[X.].] 236, 407, [[[[[[X.].].].].].] 2012, 463, Rz 20 zudem darauf hingewiesen, dass nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 [[X.].]StG nur Kinder, die mit dem Steuerpflichtigen im ersten Grad verwandt sind, berücksichtigt werden und Belastungen für den Unterhalt eines [[X.].]nkelkindes bei der [[X.].]inkommensbesteuerung der Großeltern als Steuerpflichtige deshalb nicht berücksichtigt würden; anderenfalls wären [[X.].]inkünfte und Bezüge des Kindes faktisch bis zur doppelten Höhe des [[X.].]xistenzminimums unschädlich, nämlich für das Kind selbst und für das Kindeskind. Die vom [[X.].]nkelkind ausgelösten Unterhaltslasten würden ausschließlich durch den für dieses ([[[[[X.].].].].] bestehenden Anspruch auf Kindergeld oder die Freibeträge des § 32 Abs. 6 [[X.].]StG abgegolten.

b) Im Streitfall geht es jedoch nicht wie im Senatsurteil in [[[[[[X.].].].].].][[X.].] 236, 407, [[[[[[X.].].].].].] 2012, 463 um die Frage, ob der Grundsatz des Vergleichs des gesamten existenziellen Lebensbedarfs des behinderten Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits in der Weise zu modifizieren ist, dass entweder dessen Lebensbedarf über den eigenen Grundbedarf und behinderungsbedingten Mehrbedarf hinaus um den Bedarf seines Kindes --des [[[[[X.].].].].]-- erhöht oder aber die [[X.].]inkünfte und Bezüge des behinderten Kindes wegen seiner Unterhaltsverpflichtung um einen besonderen Abzugsposten vermindert werden. Maßgeblich ist vielmehr, ob die als Bezug der [[[[[[X.].].].].].] anzusetzenden Unterhaltsleistungen ihres [[X.].]hemannes durch dessen Unterhaltspflicht gegenüber [[[[[X.].].].].] beeinflusst werden.

Der vom [[X.].]hemann an [[[[[X.].].].].] gezahlte Unterhalt mindert danach den an [[[[[[X.].].].].].] zu leistenden Unterhalt. Dies gilt unabhängig davon, ob insofern auf die tatsächlich zur Verfügung stehenden Mittel oder auf die Zivilrechtslage abgestellt wird. Denn der Anspruch des [[X.].]hegatten auf [[X.].]hegattenunterhalt ist gegenüber dem Unterhaltsanspruch minderjähriger Kinder rechtlich nachrangig (§ 1609 [[[[[[X.].].].].].]), und tatsächlich stehen Mittel, die vom [[X.].]hegatten an ein nicht im gemeinsamen Haushalt lebendes Kind gezahlt werden, auch nicht für den Unterhalt des [[X.].]hegatten und weiterer Haushaltsmitglieder zur Verfügung.

Das [[X.].]xistenzminimum von [[[[[X.].].].].] wird damit kindergeldrechtlich nicht unzulässig sowohl bei [[[[[X.].].].].] als auch bei [[[[[[X.].].].].].] berücksichtigt, sondern mindert in Höhe der Hälfte des vom [[X.].]hemann gezahlten Unterhalts den [[X.].]hegattenunterhalt, der bei [[[[[[X.].].].].].] als Bezug zu erfassen ist. Dieser [[[[[[X.].].].].].] als Bezug zuzurechnende [[X.].]hegattenunterhalt mindert sich somit um die Hälfte der vom [[X.].]hemann monatlich gezahlten 305 €, also um monatlich 152,50 €. Die Revision ist bereits aus diesem Grunde für die Monate Januar und Februar 2019 begründet.

5. [[X.].]ine unmittelbare Berücksichtigung der Belastung der [[[[[[X.].].].].].] mit Unterhaltsleistungen für das gemeinsame Kind [[X.].] hat das [[[[[[X.].].].].].] ebenfalls zu Recht abgelehnt. [[X.].]ine mittelbare Berücksichtigung der Unterhaltslasten für [[X.].] infolge geminderten [[[[[X.].].].].] wird durch die Grundsätze des [[X.].] in [[[[[[X.].].].].].][[X.].] 236, 407, [[[[[[X.].].].].].] 2012, 463 jedoch nicht ausgeschlossen.

a) Beide [[X.].]lternteile sind ihrem mit ihnen im gemeinsamen Haushalt lebenden unverheirateten minderjährigen Kind gleichermaßen zum Unterhalt verpflichtet; diese Verpflichtung geht der zum Unterhalt des [[X.].]hepartners vor (§ 1609 [[[[[[X.].].].].].]). Für den Streitfall ergibt sich daraus, dass [[[[[[X.].].].].].] von ihrem [[X.].]hemann keinen Unterhalt beanspruchen kann, soweit dieser mit seinen Mitteln [[X.].] unterhalten muss. [[[[[[X.].].].].].]atsächlich stehen die vom [[X.].]hemann notwendig für den Kindesunterhalt aufgewendeten Beträge für seinen und den Unterhalt der [[[[[[X.].].].].].] auch nicht zur Verfügung.

b) Der notwendige finanzielle Aufwand für den Unterhalt von [[X.].] kann nach dem Mindestunterhalt der [[X.].] [[[[[[X.].].].].].]abelle bemessen werden; das waren im Jahr 2018 für bis zu 5 Jahre alte Kinder monatlich 348 €. Unerheblich ist, dass der sich daraus ergebende Jahresbetrag in Höhe von 4.176 € unter dem (doppelten) Freibetrag für das sächliche [[X.].]xistenzminimum eines Kindes in Höhe von 4.788 € liegt (§ 32 Abs. 6 Satz 1 [[X.].]StG). Denn der Freibetrag differenziert nicht nach dem Alter des Kinder, während der Mindestunterhalt nach der [[X.].] [[[[[[X.].].].].].]abelle entsprechend dem typischen Unterhaltsbedarf mit dem Alter des Kindes zunimmt und den Freibetrag bereits bei Kindern im Alter von 6 bis 11 Jahren erreicht und ihn bei mindestens 18 Jahre alten Kindern deutlich übersteigt.

c) Der Senat neigt dazu, in Anlehnung an die Zivilrechtslage (§ 1612b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [[[[[[X.].].].].].]) und weil das Kindergeld auch der Deckung des Betreuungs-, [[X.].]rziehungs- und Ausbildungsbedarfs dient, von dem für den Barunterhalt erforderlichen Betrag lediglich das halbe Kindergeld abzuziehen.

Da dies für den Streitfall im [[X.].]rgebnis unerheblich ist (s. unten [[X.].]), kann jedoch dahingestellt bleiben, ob der für den Barunterhalt erforderliche Betrag nicht sogar um das volle Kindergeld zu kürzen ist, weil es für Zwecke der [[X.].]rmittlung des [[[[[X.].].].].] nur auf die Verteilung der zur Verfügung stehenden Geldmittel innerhalb der Familie ankommt.

Die dem [[X.].]hemann für sich und für [[[[[[X.].].].].].] zur Verfügung stehenden Mittel vermindern sich wegen des Unterhalts für [[X.].] damit --bei Abzug des vollen [[X.].] höchstens um weitere 154 € und der [[X.].]hegattenunterhalt der [[[[[[X.].].].].].] somit um die Hälfte dieses Betrages, also um monatlich 77 €.

d) Der bei [[[[[[X.].].].].].] als Bezug zu erfassende [[X.].]hegattenunterhalt mindert sich mithin aufgrund der Belastung ihres [[X.].]hemannes für [[[[[X.].].].].] in Höhe von 152,50 € und für [[X.].] in Höhe von höchstens 77 €, zusammen also monatlich in Höhe von 229,50 €.

Der vom [[[[[[X.].].].].].] für November und Dezember 2018 in Höhe von jeweils 1.066 € ermittelte Bedarf der [[[[[[X.].].].].].] wird demnach auch bei einer Verringerung der [[X.].]inkünfte und Bezüge um monatlich 229,50 € für November von 1.486 € auf 1.256,50 € und für Dezember von 1.351 € auf 1.121,50 € gedeckt; die Revision ist insofern unbegründet.

Meta

III R 13/21

20.10.2022

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend FG Nürnberg, 25. Februar 2021, Az: 4 K 392/19, Urteil

§ 63 Abs 1 S 2 EStG 2009, § 32 Abs 4 S 1 Nr 3 EStG 2009, § 1360 BGB, § 1360a BGB, §§ 1569ff BGB, § 1569 BGB, § 1609 BGB, § 1612b Abs 1 S 1 Nr 1 BGB, Abschn 19.5 S 2 DA-KG 2022, EStG VZ 2018, EStG VZ 2019

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.10.2022, Az. III R 13/21 (REWIS RS 2022, 9114)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 9114 NJW 2023, 941 REWIS RS 2022, 9114

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