Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.05.2014, Az. 4 StR 88/14

4. Strafsenat | REWIS RS 2014, 5880

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Gegenstand

Strafverfahren wegen schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes: Verletzung des Doppelverwertungsverbots bei strafschärfender Berücksichtigung eines Qualifikationsmerkmals


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 28. Oktober 2013 wird

a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II.12 der Urteilsgründe wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;

b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zehn Fällen jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen, des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen, des sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen und des Besitzes kinderpornographischer Schriften schuldig ist.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten „wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zehn Fällen jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen und wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen und wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen und wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen und wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben", zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiervon hat es „als Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer" drei Monate für vollstreckt erklärt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur [X.] in einem Fall der Urteilsgründe; im verbleibenden Umfang erweist es sich im Ergebnis als unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

1. Der [X.] hat das Verfahren auf Antrag des [X.] gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II.12 der Urteilsgründe wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen verurteilt worden ist. Dies hat die Änderung des Schuldspruchs sowie den Wegfall der für diese Tat festgesetzten Einzelgeldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40 Euro zur Folge.

3

Die [X.] des Verfahrens lässt den Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe unberührt. Der [X.] schließt in Übereinstimmung mit dem [X.] im Hinblick auf die verbleibenden Einzelstrafen aus, dass das [X.] ohne die im eingestellten Fall verhängte Geldstrafe auf eine mildere Gesamtstrafe erkannt hätte.

4

2. Die Überprüfung des nach der [X.] verbleibenden Schuldspruchs hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

5

Der Anregung des [X.], den Schuldspruch im Fall II.15 der Urteilsgründe dahin abzuändern, dass der Angeklagte nicht des Besitzes, sondern des Sichverschaffens kinderpornographischer Schriften schuldig ist, war nicht nachzukommen. Durch die Verurteilung allein wegen des Auffangtatbestands des Besitzes (vgl. [X.], Beschlüsse vom 10. Juli 2008 - 3 [X.], [X.]R StGB § 184b Konkurrenzen 1, und vom 4. August 2009 - 3 [X.], Rn. 25; Urteil vom 26. Mai 2010 - 2 StR 48/10) ist der Angeklagte nicht beschwert.

6

3. Auch der Strafausspruch hat im verbleibenden Umfang Bestand.

7

a) Allerdings hat das [X.] bei der Strafzumessung in den Fällen bis 10 der Urteilsgründe gegen § 46 Abs. 3 StGB verstoßen. In diesen Fällen ist der Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen gemäß § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu [X.] in Höhe von einem Jahr und drei Monaten (Fälle bis 3 der Urteilsgründe) bzw. einem Jahr und neun Monaten (Fälle II.4 bis 10 der Urteilsgründe) verurteilt worden. Das [X.] hat jeweils einen minder schweren Fall gemäß § 176a Abs. 4 - 2. Alt. - StGB angenommen; in den ersten drei Fällen hat es diesen Strafrahmen nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert. Zu Lasten des Angeklagten hat es u.a. berücksichtigt: „Die Taten 1. - 10. sind mit dem Eindringen in den Körper des Opfers verbunden gewesen." Damit hat es die Verwirklichung der Qualifikation in § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB strafschärfend verwertet und das in § 46 Abs. 3 StGB normierte Doppelverwertungsverbot verletzt.

8

b) Zwar kann der [X.] nicht ausschließen, dass die Bemessung der gegen den Beschwerdeführer in den Fällen bis 10 erkannten Einzelstrafen auf diesem Rechtsfehler beruht. Der Strafausspruch hat aber gleichwohl auch insoweit Bestand, weil die vom [X.] ausgesprochenen Einzelstrafen angemessen sind (§ 354 Abs. 1a Satz 1 StPO).

9

aa) Die bei verfassungskonformer Auslegung erforderlichen Voraussetzungen für eine Entscheidung des [X.] nach der vorgenannten Vorschrift (vgl. dazu [X.], [X.], 598) liegen vor. Der Beschwerdeführer hatte Gelegenheit zur Stellungnahme zur Frage einer etwaigen Aufrechterhaltung der Einzelstrafen gemäß § 354 Abs. 1a StPO. Dem [X.] steht ein zutreffend ermittelter, vollständiger und aktueller Strafzumessungssachverhalt zur Verfügung. Auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Verteidigers ergeben sich keine Anhaltspunkte für erst nach der erstinstanzlichen Hauptverhandlung eingetretene Entwicklungen oder Ereignisse, die ein neuer Tatrichter nahe liegend feststellen und zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigen würde (vgl. zusammenfassend [X.]/[X.], 7. Aufl., § 354 Rn. 26g mwN).

bb) Die vom Beschwerdeführer in seiner Gegenerklärung vom 3. April 2014 vorgetragenen Bedenken stehen der Anwendung des § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO nicht entgegen. Zwar ist eine Strafzumessungsentscheidung des [X.] ausgeschlossen, wenn „zugleich eine Neuentscheidung über einen - fehlerhaften - Schuldspruch erfolgen muss" (vgl. [X.], [X.], 598, 601). So liegt es hier aber nicht. In den Fällen bis 10 der Urteilsgründe beruhen die fehlerhaften Strafaussprüche nicht auf Fehlern in den Schuldsprüchen; diese bleiben in den genannten Fällen vielmehr unverändert. Eine Entscheidung des [X.] nach § 354 Abs. 1a StPO scheidet auch nicht wegen einer Vielzahl von Strafzumessungsfehlern aus (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Februar 2007 - 2 StR 577/06, [X.], 408). Das [X.] hat nicht das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes schärfend verwertet. Mit der Erwägung, das Alter des Opfers habe sich nicht im oberen Bereich des "strafbewehrten Alters" befunden, hat der Tatrichter lediglich das vom Angeklagten schuldhaft verwirklichte Unrecht sachgerecht in die zur Verfügung stehenden Strafrahmen eingeordnet. Auch hat das [X.] die bisherige Unbestraftheit des Angeklagten nicht aus dem Blick verloren. Diesen Umstand hat es vielmehr ausdrücklich festgestellt und mit der strafmildernden Erwägung, der Angeklagte sei als Erstverbüßer besonders haftempfindlich, in der Strafzumessung hinreichend zum Ausdruck gebracht.

cc) Unter Abwägung aller für die Strafzumessung in den Fällen bis 10 der Urteilsgründe bedeutsamen Urteilsfeststellungen hält der [X.] die erkannten Einzelstrafen für angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO. Bestimmend hierfür ist der Unrechts- und Schuldgehalt der Taten auf der Grundlage der nicht von einem Rechtsfehler betroffenen Zumessungserwägungen des [X.]s.

[X.][X.]

                        Mutzbauer                           [X.]

Meta

4 StR 88/14

06.05.2014

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bielefeld, 28. Oktober 2013, Az: 1 KLs 66 Js 46/11 - 24/13

§ 46 Abs 3 StGB, § 176a Abs 2 Nr 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.05.2014, Az. 4 StR 88/14 (REWIS RS 2014, 5880)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5880

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