Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.05.2020, Az. 5 StR 111/20

5. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1734

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Mitsichführen einer Schusswaffe


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 9. Januar 2020 aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz einer Schusswaffe und mit unerlaubtem Besitz von Munition zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Zudem hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Das auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Rechtsmittel des Angeklagten führt zur Aufhebung des Urteils.

2

1. Die Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

3

a) Das [X.] hat insoweit im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

4

Der Angeklagte lagerte gut 1 kg eines ursprünglichen Vorrats von 11 kg Cannabis zum gewinnbringenden Verkauf in einer Nische des Balkons seiner Einzimmerwohnung. Zum Verpacken der Betäubungsmittel nutzte er ein in der Küche stehendes Laminiergerät. Im Badezimmer verwahrte er in einer Tüte hinter dem losen und leeren Waschbeckenunterschrank einen Revolver und in einem verknoteten [X.] eingewickelte Patronen verschiedener Kaliber. Sowohl vom Balkon als auch aus der Küche war das Badezimmer „mit wenigen Schritten binnen Sekunden“ zu erreichen.

5

Das [X.] hat daraus den Schluss gezogen, dass der Angeklagte die Schusswaffe „ohne nennenswerten Zeitaufwand“ hätte laden und einsetzen können, und daher die Voraussetzungen des [X.] des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG bejaht.

6

b) Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

7

Das Mitsichführen einer Schusswaffe im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG liegt vor, wenn der Täter diese bei der Tatbegehung bewusst gebrauchsbereit bei sich hat. Ein Tragen am Körper ist hierfür nicht zwingend erforderlich. Es genügt vielmehr, dass die Schusswaffe sich so in der räumlichen Nähe des [X.] befindet, dass er sich ihrer jederzeit - also ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne besondere Schwierigkeiten - bedienen kann. Dies kann zwar auch der Fall sein, wenn Betäubungsmittel und Schusswaffe innerhalb derselben Wohnung in unterschiedlichen Räumen aufbewahrt werden. Allerdings muss das Tatgericht in einer solchen Konstellation die konkreten Umstände des Einzelfalls in der Weise darlegen, dass dem Revisionsgericht die Nachprüfung möglich ist, ob der Täter die Schusswaffe tatsächlich jederzeit verwenden kann (vgl. [X.], Urteil vom 23. Oktober 2019 - 2 StR 294/19, [X.], 233, 234 mwN). Dies gilt umso mehr, wenn wie hier der sofortige Zugriff auf die - zudem noch nicht gebrauchsbereite - Waffe nur nach Überwindung weiterer Hindernisse möglich ist.

8

Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht in vollem Umfang gerecht. Zwar hat das [X.] sowohl die räumlichen Verhältnisse als auch den jeweiligen Aufbewahrungsort der Betäubungsmittel und des Revolvers hinreichend konkret beschrieben. Sein Schluss, der Angeklagte habe das Badezimmer und damit den Aufbewahrungsort des Revolvers von jedem anderen Ort der Wohnung „binnen Sekunden“ erreichen können, ist von daher nicht zu beanstanden. Es fehlt aber an den weiteren zur rechtlichen Beurteilung erforderlichen Feststellungen dazu, welcher zeitliche Aufwand damit verbunden gewesen wäre, die Waffe aus dem Versteck hervorzuholen, die passenden Patronen aus dem [X.] auszusortieren und den Revolver zu laden. Der [X.] kann daher nicht überprüfen, ob der Angeklagte sich des Revolvers tatsächlich „ohne nennenswerten Zeitaufwand“ bedienen konnte.

9

2. Der Rechtsfehler zieht die Aufhebung der an sich [X.] tateinheitlichen Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes einer Schusswaffe und von Munition nach sich. Die Feststellungen können bestehen bleiben, da sie nicht von dem Rechtsfehler betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO); ergänzende Feststellungen können getroffen werden, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.

[X.]     

        

Mosbacher     

        

Köhler

        

Resch     

        

von Häfen     

        

Meta

5 StR 111/20

12.05.2020

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Berlin, 9. Januar 2020, Az: 527 KLs 23/19

§ 30a Abs 2 Nr 2 BtMG, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.05.2020, Az. 5 StR 111/20 (REWIS RS 2020, 1734)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1734

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 StR 4/21 (Bundesgerichtshof)

Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Bindungswirkung aufrechterhaltener Feststellungen nach revisionsgerichtlicher Urteilsaufhebung; Besitz im waffenrechtlichen Sinne; Mitsichführen …


5 StR 111/20 (Bundesgerichtshof)


1 StR 99/20 (Bundesgerichtshof)

Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Konkurrenzverhältnis bei Vertrieb einer einheitlichen Rauschgiftmenge; räumliche …


1 StR 394/16 (Bundesgerichtshof)

Bewaffnetes unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Mitsichführen von Waffen; räumliche Entfernung zwischen Aufbewahrungsort der Betäubungsmittel und …


2 StR 294/19 (Bundesgerichtshof)

Mitsichführen von Waffen beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln


Referenzen
Wird zitiert von

5 StR 111/20

3 StR 445/20

Zitiert

2 StR 294/19

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.