Bundesfinanzhof, Urteil vom 27.09.2016, Az. II R 37/13

2. Senat | REWIS RS 2016, 4867

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Gegenstand

(Keine Steuerermäßigung nach § 27 ErbStG bei einem nach ausländischem Recht besteuerten Vorerwerb)


Leitsatz

Bei einem nach ausländischem Recht besteuerten Vorerwerb ist für einen nachfolgenden Erwerb desselben Vermögens von Todes wegen durch Personen der Steuerklasse I keine Steuerermäßigung nach § 27 ErbStG zu gewähren.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 3. Juli 2013  1 K 608/10 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Alleinerbe seiner am 20. Januar 2007 verstorbenen [X.]utter ([X.]).

2

[X.] hatte zusammen mit ihrer [X.]ochter ([X.]) bis zu deren Ableben am 29. Oktober 2004 in der [X.] ([X.]) gewohnt und danach ihren Wohnsitz in die [X.] ([X.]) verlegt. Sie war [X.] Der Nachlass der [X.] wurde von dem nach [X.] Recht eingesetzten [X.] erst nach dem [X.]od der [X.] verteilt. Der Kläger erhielt als Erbe der [X.] den auf diese entfallenden Anteil am Nachlass der [X.]. Für den Vorerwerb der [X.] wurde in [X.] Erbschaftsteuer in Höhe von 11.961,91 € festgesetzt und vom Kläger bezahlt.

3

Der Kläger machte in der Erbschaftsteuererklärung für seinen Erwerb nach [X.] die [X.] Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit geltend und beantragte wegen des mehrfachen Erwerbs desselben Vermögens durch Personen der Steuerklasse I eine Steuerermäßigung nach § 27 des [X.] in der für den Streitfall maßgebenden Fassung ([X.]). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) zog im Bescheid vom 28. Oktober 2009 zwar die auf den Vorerwerb der [X.] entfallende [X.] Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit ab, lehnte aber eine Berücksichtigung der Steuerermäßigung i.S. des § 27 [X.] ab. Der Einspruch, mit dem der Kläger eine Steuerermäßigung in Höhe von 4.785 € (= 40 % von 11.961,91 €) begehrte, blieb ohne Erfolg.

4

Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage mit der Begründung ab, dass § 27 [X.] einen nach diesem Gesetz besteuerten Vorerwerb voraussetze und ein solcher nicht vorliege. Der Vorerwerb der [X.] im Oktober 2004 habe nicht der [X.] Erbschaftsteuer unterlegen. Beim Ableben der [X.] seien sie und [X.] keine Inländer gewesen. Zum Nachlass der [X.] habe auch kein Inlandsvermögen gehört. Die Nichtberücksichtigung der Steuerermäßigung verletze nicht die unionsrechtlich gewährleistete Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 und Art. 65 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] ([X.]). Das Urteil des [X.] ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2013, 2035.

5

[X.]it der Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 27 [X.].

6

Der Senat hat mit Beschluss vom 20. Januar 2015 II R 37/13 ([X.], 213, [X.], 497) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der [X.] ([X.]) die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 Abs. 1 i.V.m. Art. 65 [X.] der Regelung des § 27 [X.] entgegensteht. Der [X.] hat mit Urteil [X.] vom 30. Juni 2016 [X.]/15 ([X.]:[X.]) die Frage verneint.

7

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Steuerbescheid vom 28. Oktober 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 2010 dahin zu ändern, dass die Erbschaftsteuer um 4.785 € herabgesetzt wird.

8

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist unbegründet und war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass bei einem nach ausländischem Recht besteuerten Vorerwerb für einen nachfolgenden Erwerb desselben Vermögens durch Personen der Steuerklasse I die Steuerermäßigung nach § 27 [X.] nicht zu gewähren ist.

1. Fällt Personen der Steuerklasse I von [X.]odes wegen Vermögen an, das in den letzten zehn Jahren vor dem Erwerb bereits von Personen dieser Steuerklasse erworben worden ist und für das nach diesem Gesetz eine Steuer zu erheben war, ermäßigt sich der auf dieses Vermögen entfallende Steuerbetrag nach § 27 Abs. 1 [X.] um einen im Einzelnen festgelegten Vomhundertsatz. Die Steuerermäßigung beläuft sich auf 40 %, wenn zwischen den beiden Zeitpunkten der Entstehung der Steuer mehr als zwei Jahre, aber nicht mehr als drei Jahre liegen. Die Ermäßigung nach § 27 Abs. 1 [X.] darf den Betrag nicht überschreiten, der sich bei Anwendung der in § 27 Abs. 1 [X.] genannten [X.] auf die Steuer ergibt, die der Vorerwerber für den Erwerb desselben Vermögens entrichtet hat (§ 27 Abs. 3 [X.]). Begünstigt sind Erwerbe durch Personen der Steuerklasse I; dazu zählen nach § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2 [X.] die Kinder und nach § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 4 [X.] die Eltern bei Erwerben von [X.]odes wegen.

a) Die Steuerermäßigung setzt nach dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 [X.] voraus, dass für den Vorerwerb "nach diesem Gesetz" eine Steuer zu erheben war. Sie ist deshalb nicht zu gewähren, wenn für den Vorerwerb keine Erbschaftsteuer nach dem [X.], sondern eine Erbschaftsteuer nach ausländischem Recht festzusetzen war. Eine ausländische Steuer ist keine Steuer "nach diesem Gesetz" ([X.] in [X.]/[X.], Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 27 Rz 36; [X.] in [X.]roll/ [X.]/[X.], [X.], § 27 Rz 18).

b) § 27 Abs. 1 [X.] ist entgegen der Auffassung des [X.] nicht erweiternd dahin auszulegen, dass diese Vorschrift auch Erwerbe erfasst, denen ein nach ausländischem Recht steuerpflichtiger Vorerwerb vorausgegangen ist. Der Grundgedanke des § 27 [X.] besteht zwar darin, bei mehrmaligem Übergang desselben Vermögens innerhalb von zehn Jahren auf den begünstigten [X.] die auf dieses Vermögen entfallende Steuer, soweit das Vermögen beim Vorerwerber der Besteuerung unterlag, bis höchstens 50 % zu ermäßigen (B[X.]Drucks 13/4839, S. 71). Diesen Grundgedanken hat der Gesetzgeber nach dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 [X.] aber dahin eingeschränkt, dass für den Vorerwerb eine Steuer nach dem [X.] zu erheben war. Vorerwerbe, die nur im Ausland steuerpflichtig sind, führen nicht zu einer [X.]inderung der Erbschaftsteuer für einen nachfolgenden, im Inland steuerpflichtigen Erwerb.

2. Die unionsrechtlich gewährleistete Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 Abs. 1 und Art. 65 A[X.]V) steht diesem eingeschränkten Anwendungsbereich des § 27 [X.] nicht entgegen (EuGH-Urteil Feilen, [X.]:[X.]).

§ 27 [X.] führt zwar zu einer Beschränkung des Kapitalverkehrs i.S. von Art. 63 Abs. 1 A[X.]V (EuGH-Urteil Feilen, [X.]:[X.], Rz 22). Diese Beschränkung ist aber durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, die Kohärenz des Steuersystems zu wahren (EuGH-Urteil Feilen, [X.]:[X.], Rz 41). Die Ausgestaltung der Steuervergünstigung dahin, dass die Ermäßigung der Erbschaftsteuer Personen zugutekommt, denen von [X.]odes wegen Vermögen anfällt, für das bei einem vorherigen Erbanfall eine solche Steuer in [X.] erhoben wurde, folgt einer spiegelbildlichen Logik (EuGH-Urteil Feilen, [X.]:[X.], Rz 33). Diese Logik wäre gestört, wenn dieser Steuervorteil auch Personen zugutekäme, die Vermögen erben, für das in [X.] keine Erbschaftsteuer erhoben wurde. Folglich besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem durch § 27 [X.] zu gewährenden Steuervorteil und der früheren Besteuerung (EuGH-Urteil Feilen, [X.]:[X.], Rz 34). Die Ermäßigung der Erbschaftsteuer, die prozentual nach dem Zeitraum zwischen den beiden Zeitpunkten der Entstehung der Steuerpflicht berechnet wird und an die Bedingung geknüpft ist, dass für das Vermögen diese Steuer in den letzten zehn Jahren in [X.] bereits erhoben wurde, ist geeignet, das Ziel von § 27 [X.] zu erreichen, die Doppelbesteuerung von Vermögen teilweise zu vermeiden, wenn der Nachlass Vermögen enthält, das von nahen Verwandten erworben wird und bereits früher besteuert wurde (EuGH-Urteil Feilen, [X.]:[X.], Rz 37). In Bezug auf dieses Ziel ist es auch verhältnismäßig, die Ermäßigung nur in den Fällen zu gewähren, in denen der Vorerwerb des Vermögens in [X.] besteuert wurde (EuGH-Urteil Feilen, [X.]:[X.], Rz 40).

3. Im Streitfall sind die Voraussetzungen des § 27 [X.] nicht erfüllt. Der Kläger erhielt zwar als Alleinerbe das Vermögen der [X.], das im Wesentlichen aus deren Anteil am Nachlass der [X.], also aus Auslandsvermögen bestand. Für den Vorerwerb der [X.] aufgrund des Erbanfalls nach [X.] wurde jedoch keine Erbschaftsteuer nach dem [X.] festgesetzt, weil eine Steuerpflicht i.S. des § 2 Abs. 1 [X.] nicht eingetreten war. Nach den Feststellungen des [X.] waren [X.] und [X.] zum Zeitpunkt des Ablebens der [X.] keine Inländer i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 [X.]. Beide hatten ihren Wohnsitz in [X.]. Der Nachlass der [X.] bestand nur aus Auslandsvermögen, so dass auch eine Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 [X.] mangels eines Anfalls von Inlandsvermögen i.S. des § 121 des Bewertungsgesetzes nicht gegeben war.

Aus diesem Grund kommt es nicht darauf an, dass sowohl [X.] beim [X.] nach § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 4 [X.] als auch der Kläger beim Erwerb im Jahr 2007 nach § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2 [X.] zur Steuerklasse I gehörten.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O, die Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 [X.]O.

Meta

II R 37/13

27.09.2016

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 3. Juli 2013, Az: 1 K 608/10, Urteil

§ 27 Abs 1 ErbStG 1997, Art 63 Abs 1 AEUV, Art 65 AEUV

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 27.09.2016, Az. II R 37/13 (REWIS RS 2016, 4867)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 4867

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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