Bundesfinanzhof, Beschluss vom 14.07.2011, Az. II B 27/11

2. Senat | REWIS RS 2011, 4783

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Gegenstand

(Mehrfacher Erwerb desselben Vermögens - Verfassungsmäßigkeit und Auslegung der Steuerermäßigung nach § 27 ErbStG - Begünstigter Personenkreis)


Leitsatz

NV: Die Steuerermäßigung des § 27 Abs. 1 ErbStG wird nur gewährt, wenn der Letzterwerb von Todes wegen nach dem persönlichen Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser der Steuerklasse I unterfällt. Nicht begünstigt sind Erwerbe von Todes wegen, in denen die Voraussetzungen der Steuerklasse I lediglich im Verhältnis zwischen dem ursprünglichen Vermögensinhaber und dem Letzterwerber erfüllt sind .

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet.

2

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der [X.]sordnung --FGO--).

3

Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage, ob der Kreis der nach § 27 Abs. 1 des [X.] ([X.]) begünstigten Erwerber auch solche umfasst, die lediglich im Verhältnis zu einem ursprünglichen [X.] in die [X.] fallen, ist nicht klärungsbedürftig. Diese Rechtsfrage ist mit dem [X.] offensichtlich dahin zu beantworten, dass sowohl der frühere als auch der nachfolgende Erwerb aus der Sicht des jeweiligen Erwerbers jeweils der [X.] unterliegen muss.

4

a) § 27 Abs. 1 [X.] gewährt unter näheren Voraussetzungen eine Ermäßigung der Erbschaftsteuer bei einem mehrfachen Erwerb desselben Vermögens. Die Vorschrift ist nur anwendbar, wenn Personen der [X.] von Todes wegen Vermögen anfällt, das in den letzten zehn Jahren vor dem Erwerb bereits von Personen dieser Steuerklasse erworben ist. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 27 Abs. 1 [X.] muss der Letzterwerb von Todes wegen nach dem persönlichen Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser der [X.] unterfallen. Für die Bestimmung des [X.] ist der Zeitpunkt des Erwerbs entscheidend, für den die Ermäßigung in Anspruch genommen wird ([X.], Erbschaftsteuer- und  Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 15. Aufl., § 27 Rz 6; [X.] in [X.]/ [X.], § 27 [X.] Rz 4). Im Streitfall ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, weil der Erwerb des [X.] (als Letzterwerber) nach seinem persönlichen Verhältnis zu seinem Bruder (Erblasser) der [X.]I unterfällt. Dem Umstand, dass der Letzterwerber nach seinem persönlichen Verhältnis zu dem ursprünglichen [X.] --im Streitfall der gemeinsamen Mutter des [X.] und seines [X.] die Merkmale der [X.] erfüllt, kommt keine Bedeutung zu. Über diese im Wortlaut des § 27 Abs. 1 [X.] angelegte tatbestandliche Beschränkung besteht auch im Schrifttum Einigkeit (z.B. [X.], a.a.[X.], § 27 Rz 7; [X.] in Troll/[X.]/[X.], [X.], § 27 Rz 4; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, [X.], 3. Aufl., § 27 [X.] Rz 4; [X.] in [X.]/Jüptner/[X.]/ [X.], [X.], Kommentar, 3. Aufl., § 27 Rz 4; [X.], a.a.[X.], § 27 [X.] Rz 4; [X.] in [X.]/[X.], § 27 [X.] Rz 4).

5

b) Entgegen der Meinung des [X.] rechtfertigt auch der Gesetzeszweck des § 27 Abs. 1 [X.] keine Anwendung auf solche Erwerbe von Todes wegen, in denen die Voraussetzungen der [X.] lediglich im Verhältnis zwischen dem ursprünglichen [X.] und dem Letzterwerber erfüllt sind. Der Grundgedanke des § 27 [X.] besteht darin, bei mehrmaligem Übergang desselben Vermögens innerhalb von zehn Jahren auf den begünstigten [X.] die auf dieses Vermögen entfallende Steuer, soweit das Vermögen beim Vorerwerber der Besteuerung unterlag, bis höchstens 50 v.H. zu ermäßigen (BTDrucks 13/4839, [X.]). Diesen Grundgedanken hat der Gesetzgeber nach dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 [X.] dahin beschränkt, dass der Letzterwerb im Verhältnis zum Erblasser in die [X.] fallen muss.

6

c) Die erweiternde Anwendung des § 27 Abs. 1 [X.] auf Fallgestaltungen, in denen die Voraussetzungen der [X.] lediglich im Verhältnis zwischen dem ursprünglichen [X.] und dem Letzterwerber erfüllt sind, ist auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.

7

Nach der Rechtsprechung des [X.] (Beschluss vom 21. Juli 2010  1 [X.], 1 BvR 2464/07, [X.] 126, 400, unter [X.] (2) b, m.w.N.) ergibt sich zwar aus dem Verwandtenerbrecht (Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) und der Erbrechtsgarantie (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG), dass die familiäre Verbundenheit der nächsten Angehörigen zum Erblasser erbschaftsteuerlich zu berücksichtigen und der steuerliche Zugriff bei Familienangehörigen, also insbesondere bei Ehegatten und Kindern, derart zu mäßigen ist, dass diesen der jeweils überkommene Nachlass zumindest zum deutlich überwiegenden Teil oder, bei kleineren Vermögen, völlig steuerfrei zugute kommt. Diesem Schutzziel des im Verfassungsrecht verankerten Familienprinzips trägt aber § 27 [X.] für die im Streitfall maßgebenden Fälle ausreichend Rechnung, in denen Vermögen innerhalb eines kürzeren Zeitrahmens mehrfach einem Erbgang in der [X.] unterliegen (BVerfG-Beschluss in [X.] 126, 400). Weder aus dem verfassungsrechtlichen Familienprinzip noch aus dem § 27 [X.] zugrunde liegenden Gesetzeszweck kann jedoch das Verfassungsgebot abgeleitet werden, Letzterwerber der [X.]I solchen der [X.] allein deswegen gleichzustellen, weil für den Letzterwerber im Verhältnis zum ursprünglichen [X.] die Voraussetzungen der [X.] vorlagen. Vielmehr konnte der Gesetzgeber die Vergünstigung ohne Verfassungsverstoß auf Erwerber der [X.] --und damit auf solche Erwerbe, bei denen der familiäre Bezug der nächsten Familienangehörigen zum Nachlass besonders ausgeprägt ist-- beschränken. Das vom Kläger erstrebte Auslegungsergebnis kann auch nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung des § 27 [X.] erreicht werden, weil einem --wie hier-- nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht im Auslegungswege ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden darf ([X.] in [X.]/ [X.], Grundgesetz für die [X.], Kommentar, 11. Aufl., Art. 20 Rz 34, m.w.N.).

Meta

II B 27/11

14.07.2011

Bundesfinanzhof 2. Senat

Beschluss

vorgehend FG München, 7. März 2011, Az: 4 K 3466/10, Urteil

§ 27 Abs 1 ErbStG 1997, Art 6 GG, Art 14 Abs 1 S 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 14.07.2011, Az. II B 27/11 (REWIS RS 2011, 4783)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4783

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1 BvR 611/07

1 BvR 2464/07

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