Bundesfinanzhof, EuGH-Vorlage vom 20.01.2015, Az. II R 37/13

2. Senat | REWIS RS 2015, 16951

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Gegenstand

(EuGH-Vorlage: Steuerermäßigung nach § 27 ErbStG bei mehrfachem Erwerb desselben Vermögens und einem mit ausländischer Erbschaftsteuer belasteten Vorerwerb)


Leitsatz

Dem EuGH wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt :

Steht die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 65 AEUV der Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, die bei einem Erwerb von Todes wegen durch Personen einer bestimmten Steuerklasse eine Ermäßigung der Erbschaftsteuer vorsieht, wenn der Nachlass Vermögen enthält, das in den letzten zehn Jahren vor dem Erwerb bereits von Personen dieser Steuerklasse erworben worden ist, und für diesen Vorerwerb Erbschaftsteuer in dem Mitgliedstaat festgesetzt wurde, während eine Steuerermäßigung ausscheidet, wenn für den Vorerwerb Erbschaftsteuer in einem anderen Mitgliedstaat erhoben wurde?

Tenor

1. Das Verfahren wird ausgesetzt.

2. Dem [X.] wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Steht die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 65 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] der Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, die bei einem Erwerb von Todes wegen durch Personen einer bestimmten Steuerklasse eine Ermäßigung der Erbschaftsteuer vorsieht, wenn der Nachlass Vermögen enthält, das in den letzten zehn Jahren vor dem Erwerb bereits von Personen dieser Steuerklasse erworben worden ist, und für diesen Vorerwerb Erbschaftsteuer in dem Mitgliedstaat festgesetzt wurde, während eine Steuerermäßigung ausscheidet, wenn für den Vorerwerb Erbschaftsteuer in einem anderen Mitgliedstaat erhoben wurde?

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Alleinerbe seiner am 20. Januar 2007 verstorbenen [X.]utter ([X.]).

2

[X.] hatte zusammen mit ihrer [X.]ochter ([X.]) bis zu deren Ableben am 29. Oktober 2004 in der [X.] ([X.]) gewohnt und danach ihren Wohnsitz in die [X.] ([X.]) verlegt. Sie war [X.] Der Nachlass der [X.] wurde von dem nach [X.] Recht eingesetzten [X.] erst nach dem [X.]od der [X.] verteilt. Der Kläger erhielt als Erbe der [X.] deren Anteil am Nachlass der [X.]. Für den der [X.] zuzurechnenden Erwerb vom Oktober 2004 wurde in [X.] Erbschaftsteuer in Höhe von 11.961,91 € festgesetzt und vom Kläger bezahlt.

3

Der Kläger machte in der Erbschaftsteuererklärung für seinen Erwerb nach [X.] im Januar 2007 die [X.] Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit geltend und beantragte wegen des mehrfachen Erwerbs desselben Vermögens durch Personen der Steuerklasse I eine Steuerermäßigung nach § 27 des [X.] in der für den Streitfall maßgebenden Fassung ([X.]). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) zog im Bescheid vom 28. Oktober 2009 zwar die [X.] Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit vom Erwerb ab, lehnte aber die Berücksichtigung der Steuerermäßigung ab. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

4

Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage mit der Begründung ab, dass § 27 [X.] einen nach diesem Gesetz besteuerten Vorerwerb voraussetze und ein solcher nicht vorliege. Der Vorerwerb der [X.] im Oktober 2004 habe nicht der [X.] Erbschaftsteuer unterlegen. Beim Ableben der [X.] seien sie und [X.] keine Inländer gewesen; zum Nachlass der [X.] habe auch kein Inlandsvermögen gehört. Die Nichtberücksichtigung der Steuerermäßigung verletze nicht die unionsrechtlich gewährleistete Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 und Art. 65 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] --AEUV-- ([X.] und Art. 58 des Vertrags zur Gründung der [X.] --EG--). Das Urteil des [X.] ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2013, 2035.

5

[X.]it der Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 27 [X.].

6

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Steuerbescheid vom 28. Oktober 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 2010 dahin zu ändern, dass die Erbschaftsteuer um 4.785 € herabgesetzt wird.

7

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

I[X.] Der Senat legt dem [X.] ([X.]) die in der Entscheidungsformel bezeichnete Frage zur Auslegung von Art. 63 Abs. 1 und 65 A[X.]V ([X.] und 58 [X.]) zur Vorabentscheidung vor und setzt das Verfahren bis zur Entscheidung des [X.] aus.

9

1. Nationales Recht

Nach § 2 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 [X.] tritt die Steuerpflicht ein

"1. in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, wenn der Erblasser zur [X.], der [X.] zur [X.] oder der Erwerber zur [X.] der Entstehung der Steuer ... ein Inländer ist, für den gesamten [X.]. Als Inländer gelten

a) natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt [X.]

b) [X.] Staatsangehörige, die sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten [X.] ohne im Inland einen Wohnsitz zu [X.]

...

3. in allen anderen Fällen für den [X.], der in [X.] im Sinne des § 121 des Bewertungsgesetzes besteht. ...

..."

§ 15 [X.] legt die Steuerklassen fest. Abs. 1 lautet:

"Nach dem persönlichen Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser oder [X.] werden die folgenden drei Steuerklassen unterschieden:

Steuerklasse I:

1. der Ehegatte und der Lebenspartner,

2. die Kinder und Stiefkinder,

3. die Abkömmlinge der in Nummer 2 genannten Kinder und Stiefkinder,

4. die Eltern und Voreltern bei Erwerben von [X.]odes wegen;

..."

§ 27 [X.] regelt die Steuerermäßigung wie folgt:

"(1) Fällt Personen der Steuerklasse I von [X.]odes wegen Vermögen an, das in den letzten zehn Jahren vor dem Erwerb bereits von Personen dieser Steuerklasse erworben worden ist und für das nach diesem Gesetz eine Steuer zu erheben war, ermäßigt sich der auf dieses Vermögen entfallende Steuerbetrag vorbehaltlich des Absatzes 3 wie folgt:

       

um ...
vom Hundert

wenn zwischen den beiden [X.]punkten der Entstehung der Steuer liegen

50    

nicht mehr als 1 Jahr

45    

mehr als 1 Jahr, aber nicht mehr als 2 Jahre

40    

mehr als 2 Jahre, aber nicht mehr als 3 Jahre

35    

mehr als 3 Jahre, aber nicht mehr als 4 Jahre

30    

mehr als 4 Jahre, aber nicht mehr als 5 Jahre

25    

mehr als 5 Jahre, aber nicht mehr als 6 Jahre

20    

mehr als 6 Jahre, aber nicht mehr als 8 Jahre

10    

mehr als 8 Jahre, aber nicht mehr als 10 Jahre

(2) Zur Ermittlung des Steuerbetrags, der auf das begünstigte Vermögen entfällt, ist die Steuer für den Gesamterwerb in dem Verhältnis aufzuteilen, in dem der Wert des begünstigten Vermögens zu dem Wert des steuerpflichtigen Gesamterwerbs ohne Abzug des dem Erwerber zustehenden Freibetrags steht.

(3) Die Ermäßigung nach Absatz 1 darf den Betrag nicht überschreiten, der sich bei Anwendung der in Absatz 1 genannten Vomhundertsätze auf die Steuer ergibt, die der [X.]er für den Erwerb desselben Vermögens entrichtet hat."

2. Beurteilung des Streitfalls nach nationalem Recht

Für den Erwerb des [X.] ist eine Steuerermäßigung nach § 27 [X.] nicht zu gewähren.

a) Die Steuerermäßigung setzt nach dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 [X.] ausdrücklich voraus, dass bei einem mehrfachen Erwerb desselben Vermögens für den früheren [X.] "nach diesem Gesetz" eine Steuer zu erheben war. Sie erfasst damit nur Fälle, in denen für den [X.] Erbschaftsteuer nach dem in [X.] geltenden [X.] festzusetzen war. Sie ist nicht zu gewähren, wenn für den [X.] eine Erbschaftsteuer nach dem Recht eines anderen [X.]itgliedstaats erhoben wurde. Eine ausländische Steuer ist im Sinne des § 27 Abs. 1 [X.] keine Steuer "nach diesem Gesetz".

b) Der Kläger erhielt im Januar 2007 mit dem [X.]od der [X.] deren Vermögen als Alleinerbe. Das Vermögen der [X.] bestand im Wesentlichen aus ihrem Anteil als [X.]iterbin am Nachlass der [X.], die im Oktober 2004 verstorben war. Für den [X.] der [X.] aufgrund des Erbanfalls nach [X.] wurde in [X.] keine Erbschaftsteuer festgesetzt, weil eine Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 [X.] nicht eingetreten ist. Nach den Feststellungen des [X.] waren [X.] und [X.] zum [X.]punkt des Ablebens der [X.] keine Inländer im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 [X.]. Beide hatten ihren Wohnsitz in [X.]. Der Nachlass der [X.] bestand nur aus Auslandsvermögen. Durch den Erwerb von Auslandsvermögen wird eine Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 [X.] nicht begründet.

Die für den [X.] der [X.] in [X.] erhobene Erbschaftsteuer rechtfertigt keine Steuerermäßigung für den nachfolgenden, in [X.] steuerpflichtigen Erwerb des [X.]. Aus diesem Grund ist es nicht von Bedeutung, dass sowohl [X.] beim [X.] im Oktober 2004 nach § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 4 [X.] als auch der Kläger beim Erwerb im Januar 2007 nach § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2 [X.] zur Steuerklasse I gehörten.

c) Der Kläger kann sich möglicherweise mit Erfolg unmittelbar auf die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 Abs. 1 A[X.]V in Verbindung mit Art. 65 A[X.]V berufen.

3. Zur Vorlagefrage

a) Zu klären ist, ob die Erbschaft des [X.] ein Vorgang ist, der unter den Kapitalverkehr im Sinne des Art. 63 Abs. 1 A[X.]V fällt, weil sie Auslandsvermögen enthält und dieses Auslandsvermögen aufgrund des vorhergehenden Erwerbs der Erblasserin durch die in einem anderen [X.]itgliedstaat zu entrichtende Erbschaftsteuer belastet war.

Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] handelt es sich bei Erbschaften, mit denen das Vermögen eines Erblassers auf eine oder mehrere Personen übergeht und die unter die Rubrik XI ("Kapitalverkehr mit persönlichem Charakter") des Anhangs I der Richtlinie des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages (88/361/[X.]) fallen, um Kapitalverkehr im Sinne von Art. 63 A[X.]V; ausgenommen sind Fälle, die mit keinem ihrer wesentlichen Elemente über die Grenzen eines [X.]itgliedstaats hinausweisen (vgl. Urteil [X.], [X.], [X.]:[X.], Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Der Kläger erhielt als Alleinerbe das Vermögen der [X.], das im Wesentlichen aus deren Anteil am Nachlass der [X.], also aus Auslandsvermögen bestand. Beim Eintritt des Erbfalls im Januar 2007 hatten der Kläger und [X.] ihren Wohnsitz jeweils in [X.]. Die Steuerpflicht für den Erwerb des [X.] trat nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 2 Buchst. a [X.] für den gesamten [X.] ein und erfasste damit auch das Auslandsvermögen. Wegen des Erwerbs von Auslandsvermögen dürfte die Erbschaft des [X.] nicht als rein innerstaatlicher Vorgang anzusehen sein und deshalb unter die Bestimmungen über den Kapitalverkehr fallen.

b) Fraglich ist, ob § 27 Abs. 1 [X.] eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs im Sinne von Art. 63 Abs. 1 A[X.]V darstellt.

aa) Zu den [X.]aßnahmen, die bei Erbschaften als Beschränkungen des Kapitalverkehrs nach Art. 63 Abs. 1 A[X.]V verboten sind, gehören nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] solche, die eine Wertminderung des Nachlasses dessen bewirken, der in einem anderen [X.]itgliedstaat als dem ansässig ist, in dessen Gebiet sich die betreffenden Vermögensgegenstände befinden und der deren Erwerb von [X.]odes wegen besteuert (vgl. Urteil Kommission/[X.], [X.]/13, [X.]:[X.], Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Danach liegt eine durch Art. 63 Abs. 1 A[X.]V grundsätzlich verbotene Beschränkung des freien Kapitalverkehrs vor, wenn die Gewährung von Steuervergünstigungen auf dem Gebiet der Erbschaftsteuer davon abhängig gemacht wird, dass der von [X.]odes wegen erworbene Vermögensgegenstand im Inland belegen ist (Urteil [X.], [X.]/06, [X.]:[X.], Rn. 35).

bb) § 27 Abs. 1 [X.] sieht vor, dass eine Steuerermäßigung für einen Erwerb von Vermögen von [X.]odes wegen durch Personen der Steuerklasse I zu berücksichtigen ist, wenn dieses Vermögen in den letzten zehn Jahren vor dem Erwerb bereits von Personen dieser Steuerklasse erworben worden ist und für den [X.] Erbschaftsteuer in [X.] zu erheben war. Eine Steuerermäßigung scheidet aus, wenn für den [X.] Erbschaftsteuer in einem anderen [X.]itgliedstaat festgesetzt wurde.

Die Vorschrift hat zur Folge, dass ein Nachlass, der ein in einem anderen [X.]itgliedstaat befindliches, vom Erblasser selbst von [X.]odes wegen erworbenes und in dem anderen [X.]itgliedstaat der Erbschaftsteuer unterworfenes Vermögen umfasst, in [X.] einer höheren Erbschaftsteuer unterliegt, als dies der Fall wäre, wenn das den Nachlass bildende Vermögen ausschließlich aus Gegenständen bestünde, die schon der Erblasser in [X.] erbschaftsteuerpflichtig erworben hat. Der mehrfache Erwerb von Auslandsvermögen durch Personen der Steuerklasse I wird bei einem in [X.] nicht besteuerten [X.] erbschaftsteuerrechtlich schlechter gestellt als der mehrfache Erwerb von Auslandsvermögen bei einem in [X.] besteuerten [X.] oder als der mehrfache Erwerb von [X.]. Da die Besteuerung des [X.] --wie bei jedem Erwerb-- nach § 2 Abs. 1 [X.] an den Wohnort des Erblassers oder des Erwerbers oder an den [X.] von [X.] anknüpft, ist damit zugleich die Steuerermäßigung nach § 27 Abs. 1 [X.] für den nachfolgenden Erwerb von diesen Voraussetzungen abhängig. Die Versagung der Steuerermäßigung nach § 27 Abs. 1 [X.] mindert den Wert des Nachlasses, zu dem durch ausländische Erbschaftsteuer belastetes Vermögen gehört. Darin könnte eine Beschränkung des Kapitalverkehrs liegen.

cc) Es bestehen Zweifel, ob eine verbotene Beschränkung des Kapitalverkehrs durch § 27 Abs. 1 [X.] im Hinblick auf die Entscheidung des [X.] in der Rechtssache Block ([X.]/08, [X.]:[X.]) ausgeschlossen ist. Diese Entscheidung ist zu einem mit dem Streitfall nicht vergleichbaren Sachverhalt ergangen. Sie betrifft die doppelte Besteuerung eines Erwerbs von [X.]odes wegen durch zwei [X.]itgliedstaaten, wobei die Doppelbesteuerung darauf beruhte, dass die [X.]itgliedstaaten bei der Festsetzung von Erbschaftsteuer für den Erwerb von [X.] verschiedene Anknüpfungspunkte gewählt haben.

Der [X.] hat in dieser Entscheidung eine Beschränkung des Kapitalverkehrs verneint. Das Unionsrecht schreibe bei seinem gegenwärtigen Entwicklungsstand und in einer Situation, in der es um die Entrichtung von Erbschaftsteuer geht, in Bezug auf die Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb der [X.] keine allgemeinen Kriterien für die Kompetenzverteilung zwischen den [X.]itgliedstaaten vor. Demgemäß verfügten die [X.]itgliedstaaten beim gegenwärtigen Entwicklungsstand des Unionsrechts vorbehaltlich dessen Beachtung über eine gewisse Autonomie in diesem Bereich. Sie seien nicht verpflichtet, ihr eigenes Steuersystem den verschiedenen Steuersystemen der anderen [X.]itgliedstaaten anzupassen, um namentlich die sich aus der parallelen Ausübung ihrer Besteuerungsbefugnisse ergebende Doppelbesteuerung zu beseitigen und so die Anrechnung der Erbschaftsteuer zu ermöglichen, die in einem anderen [X.]itgliedstaat als dem Wohnsitzstaat des Erben entrichtet worden sei.

Demgegenüber geht es im Streitfall nicht um die Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer bei einer Doppelbesteuerung eines Erwerbs, sondern um die Gewährung einer Steuerermäßigung wegen des mehrfachen Erwerbs desselben Vermögens durch Personen der Steuerklasse [X.] Es erscheint deshalb zweifelhaft, ob die Entscheidung des [X.] in der Rechtssache Block ([X.]:[X.]) im Streitfall dazu führen kann, eine Beschränkung des Kapitalverkehrs durch § 27 Abs. 1 [X.] zu verneinen.

c) Sollte § 27 Abs. 1 [X.] eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs bewirken, ist fraglich, ob diese aufgrund von Bestimmungen des Vertrags gerechtfertigt ist.

aa) Nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a A[X.]V berührt Art. 63 A[X.]V nicht das Recht der [X.]itgliedstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln.

Diese Bestimmung in Art. 65 Abs. 1 Buchst. a A[X.]V ist, da sie eine Ausnahme vom Grundprinzip des freien Kapitalverkehrs darstellt, eng auszulegen (vgl. Urteil [X.], [X.]:[X.], Rn. 42). Sie kann somit nicht dahin verstanden werden, dass jede Steuerregelung, die zwischen Steuerpflichtigen nach ihrem Wohnort oder nach dem [X.]itgliedstaat ihrer Kapitalanlage unterscheidet, ohne Weiteres mit dem Vertrag vereinbar wäre (vgl. Urteile [X.], [X.]:[X.], Rn. 40; [X.], [X.]/07, [X.]:[X.], Rn. 57; [X.], [X.]/07, [X.]:[X.], Rn. 51; [X.]attner, [X.]/08, [X.]:[X.], Rn. 32).

Die in Art. 65 Abs. 1 Buchst. a A[X.]V vorgesehene Ausnahme wird nämlich ihrerseits durch Abs. 3 dieses Artikels eingeschränkt, wonach die in Art. 65 Abs. 1 A[X.]V genannten nationalen Vorschriften weder ein [X.]ittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs im Sinne des Art. 63 A[X.]V darstellen dürfen (vgl. Urteile [X.], [X.]:[X.], Rn. 41; [X.], [X.]:[X.], Rn. 58; [X.], [X.]:[X.], Rn. 52; [X.]attner, [X.]:[X.], Rn. 33).

Deshalb ist zwischen den nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a A[X.]V erlaubten Ungleichbehandlungen und den nach Art. 65 Abs. 3 A[X.]V verbotenen willkürlichen Diskriminierungen zu unterscheiden. Eine nationale Steuerregelung, die für die Festsetzung der Erbschaftsteuer bei einem [X.]atbestandsmerkmal danach unterscheidet, ob der Erblasser oder der Erwerber seinen Wohnsitz in diesem [X.]itgliedstaat hat oder beide in einem anderen [X.]itgliedstaat wohnen, kann nur dann mit den Vertragsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr vereinbar sein, wenn die unterschiedliche Behandlung Situationen betrifft, die objektiv nicht miteinander vergleichbar sind, oder wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (vgl. Urteil [X.], [X.]:[X.], Rn. 44). Außerdem kann die unterschiedliche Behandlung nur gerechtfertigt sein, wenn sie nicht über das hinausgeht, was zum Erreichen des mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziels erforderlich ist (vgl. Urteil [X.], [X.]:[X.], Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

bb) Es ist fraglich, ob sich die Situation, bei der ein [X.] von Auslandsvermögen durch Erbanfall zwischen [X.] stattfindet, von der Situation objektiv unterscheidet, bei der ein Gebietsansässiger an dem [X.] beteiligt ist. Der wesentliche Unterschied besteht in den steuerlichen Folgen, vor allem darin, welcher [X.]itgliedstaat Erbschaftsteuer erhebt. Im ersten Fall ([X.] von Auslandsvermögen durch Gebietsfremde) ist der [X.] in [X.] nicht steuerpflichtig, weil die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 [X.] nicht erfüllt sind; für den [X.] wird allenfalls Erbschaftsteuer nach dem Recht des [X.]itgliedstaats festgesetzt, in dem die am [X.] beteiligten Personen ansässig sind. Im zweiten Fall ([X.] von Auslandsvermögen unter Beteiligung eines Gebietsansässigen) besteht eine unbeschränkte Steuerpflicht, die den gesamten [X.] erfasst; für den [X.] wird in [X.] Erbschaftsteuer erhoben.

Kommt es zu einem nachfolgenden Erwerb, der in [X.] steuerpflichtig ist, wird die Steuerermäßigung nach § 27 Abs. 1 [X.] nur im zweiten Fall, nicht aber im ersten Fall gewährt. Die Situationen erscheinen jedoch vergleichbar, wenn --wie im [X.] für den [X.] in einem anderen [X.]itgliedstaat Erbschaftsteuer festgesetzt wurde.

cc) Ein zwingender Grund des Allgemeininteresses, der eine Beschränkung des Kapitalverkehrs durch § 27 [X.] rechtfertigen könnte, könnte die Notwendigkeit sein, die Kohärenz der steuerlichen Regelung zu wahren.

Dieser Rechtfertigungsgrund setzt voraus, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der betreffenden Steuerbegünstigung und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung dargelegt wird (vgl. Urteile [X.], [X.]/02, [X.]:[X.], Rn. 42, und Kommission/[X.], [X.]:[X.], Rn. 55).

Der mit der Steuerermäßigung nach § 27 Abs. 1 [X.] verbundene Vorteil hängt unmittelbar damit zusammen, dass schon für den [X.] desselben Vermögens Erbschaftsteuer erhoben wurde. Der Grundgedanke des § 27 [X.] besteht nach den Vorstellungen des Gesetzgebers darin, bei mehrmaligem Übergang desselben Vermögens innerhalb von zehn Jahren auf den begünstigten [X.] die auf dieses Vermögen entfallende Steuer, soweit das Vermögen beim [X.]er der Besteuerung unterlag, bis höchstens 50 % zu ermäßigen ([X.] 13/4839, S. 71). Daraus ist die Verknüpfung von Steuerbelastung (durch die Besteuerung des [X.]) und Steuerermäßigung (bei der Besteuerung des Nacherwerbs) erkennbar.

4. Die dem [X.] vorgelegte Frage ist entscheidungserheblich.

Sollte sich der Kläger mit Erfolg auf Art. 63 Abs. 1 A[X.]V berufen können, wäre die Steuerermäßigung nach § 27 Abs. 1 [X.] zu gewähren. Die Revision wäre begründet.

5. Das Vorabentscheidungsersuchen an den [X.] ist nach Art. 267 Abs. 3 A[X.]V erforderlich.

6. Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf § 121 Satz 1 in Verbindung mit § 74 der Finanzgerichtsordnung.

Meta

II R 37/13

20.01.2015

Bundesfinanzhof 2. Senat

EuGH-Vorlage

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 3. Juli 2013, Az: 1 K 608/10, Urteil

Art 63 AEUV, Art 65 AEUV, § 2 ErbStG 1997, § 15 ErbStG 1997, § 27 ErbStG 1997, Art 56 EG, Art 58 EG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, EuGH-Vorlage vom 20.01.2015, Az. II R 37/13 (REWIS RS 2015, 16951)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 16951

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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