Bundespatentgericht, Beschluss vom 03.02.2012, Az. 7 W (pat) 66/09

7. Senat | REWIS RS 2012, 9512

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Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren – Verletzung rechtlichen Gehörs durch stillschweigenden Hinweis - Zurückverweisung - Rückzahlung der Beschwerdegebühr -


Leitsatz

Führen eines Leiterpfades für eine Schiebetür

1. Der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs ist als allgemeiner Rechtsstaatsgrundsatz auch im Einspruchsverfahren wie in allen Verwaltungsverfahren zu beachten.

2. Dieser Grundsatz verbietet u. a. sog. Überraschungsentscheidungen, die vorliegen, wenn die Patentabteilung von dem abweicht, was die Beteiligten bei vernünftiger Betrachtung des bisherigen Verfahrens erwarten dürfen (vgl. BVerfGE 84, 188, 190; 86, 133,144 f.; 96, 189, 204; 108, 341 ff.). Zu den Verfahrensabläufen, die Grundlage dieser Erwartungshaltung der Beteiligten sein können, gehören insbesondere auch die ausdrücklich oder stillschweigend während der Anhörung erteilten Hinweise der Patentabteilung. Ein solcher Hinweis liegt dabei nicht nur dann vor, wenn auf die gezielt gestellte Frage eines Beteiligten (hier: ob mitgebrachte Hilfsanträge eingereicht werden sollen) eine Antwort gegeben wird, sondern auch dann, wenn diese Frage unbeantwortet bleibt.

3. Stellt eine Patentinhaberin im Einspruchsverfahren die Frage, ob sie mitgebrachte Hilfsanträge einreichen soll, ist die Patentabteilung zwar nicht gehalten, sich zu den Erfolgsaussichten der bislang gestellten Anträge der Patentinhaberin zu äussern. Ein solcher Hinweis wäre in der Regel nicht nur wegen der noch nicht erfolgten abschließenden Beratung der Patentabteilung vor der Verkündung ihrer Entscheidung schon aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen, sondern auch wegen Verletzung der Neutralitätspflicht im Verhältnis zu den anderen Beteiligten unzulässig. Allerdings gebietet es das Gebot rechtlichen Gehörs, eine solche Frage zumindest mit dem Hinweis zu beantworten, dass eine abschließende Beurteilung der Erfolgsaussichten der bisherigen Anträge nicht möglich ist, so dass die fragende Beteiligte aufgerufen ist, selbst zu beurteilen, ob sie die angekündigten Hilfsanträge stellen möchte, wozu im Zweifel aber wegen des noch offenen Ergebnisses der Verhandlung geraten werde. Keinesfalls darf die Frage unbeantwortet bleiben oder gar der Patentinhaberin mitgeteilt werden, dass die Vorlage von Hilfsanträgen "unnötig" sei. Dass eine solche  Beantwortung der Frage wegen der - ebenfalls unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs - notwendig werdenden anschließenden Erörterung auch der weiter gestellten Hilfsanträge in der Anhörung mit einem zusätzlichen Aufwand verbunden ist, ist dabei unabwendbar.

4. Hat die Patentabteilung die Frage der Patentinhaberin nach der Stellung weiterer Hilfsanträge nicht entsprechend den vorstehenden Ausführungen beantwortet, ist in der Regel der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 und 2 PatG  an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen. Gleichzeitig ist aus Billigkeitsgründen nach § 80 Abs. 3 PatG die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 10 2004 045 470.1-34

hat der 7. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] am 3. Februar 2012 durch [X.] und [X.]. Dipl.-Wirt.-Phys. [X.], [X.] und Dipl.-Phys. Dr. rer. nat. Schwengelbeck

beschlossen:

1. Der Beschluss der Patentabteilung 1.34 des [X.] vom 26. Februar 2009 wird mit dem zugrundeliegenden Verfahren aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Durchführung des [X.] und Entscheidung über den Einspruch der Einsprechenden gegen das Streitpatent an das [X.] zurückverwiesen.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr an die Beschwerdeführerin wird angeordnet.

Gründe

I.

1

Die Einsprechende hat gegen das Streitpatent mit der Bezeichnung

2

3

dessen Erteilung am 15. März 2007 veröffentlicht worden ist, am 15. Juni 2007 nach §§ 59, 21 Abs. 1 Nr. 1 [X.] wegen fehlender Patentfähigkeit Einspruch eingelegt, den sie im Einzelnen damit begründet hat, dass der [X.] gegenüber den Druckschriften

4

D 1: [X.] 2003-02580 A

5

D 2: [X.]/31710 [X.] sowie der im Nachgang eingereichten [X.] 10 450 [X.]

6

D 3: [X.] 10 450 A 1

7

weder neu sei noch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

8

[X.] ist dem Einspruch schriftlich entgegengetreten und hat mit [X.] vom 12. Oktober 2007 ([X.]. 17 VA) beantragt, das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten.

9

Auf den jeweiligen Hilfsantrag beider Beteiligter betreffend der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung hat die [X.] 1.34 am 18. Dezember 2008 eine Anhörung durchgeführt, in welcher ausweislich des Protokolls ([X.]. 41 f. VA) der Vertreter der Einsprechenden den Widerruf des Patents beantragt und die Vertreter der Patentinhaberin ihren Antrag aus dem [X.] vom 12. Oktober 2007 gestellt haben. Nach Beratung hat die [X.] in der Anhörung das Patent widerrufen. Hierzu enthält das Protokoll folgende vorformulierte Ausführungen: "Nachdem auf die Möglichkeit einer Beschlussverkündung hingewiesen worden war und auf Befragen durch den Vorsitzenden keine weitere Anträge gestellt und Erklärungen abgegeben wurden, verkündete der Vorsitzende nach Beratung folgenden Beschluss: …"

Der schriftlich begründete Beschluss vom 26. Februar 2009 ist den Verfahrensbevollmächtigten der Patentinhaberin am 24. März 2009 und den Verfahrensbevollmächtigten der Einsprechenden am 25. März 2009 zugestellt worden.

   

Mit [X.] vom 7. April 2007 hat die Patentinhaberin beim [X.] die Berichtigung des Protokolls dahingehend zu berichtigen, dass zum Einen der Satz:

"Das Protokoll wurde nicht verlesen und nicht von den Beteiligten genehmigt, sondern erst zusammen mit dem Beschluss zugestellt",

in das Protokoll aufgenommen und der o. g. Absatz vor der [X.] wie folgt geändert wird:

"Nachdem die Anträge aus den Schriftsätzen verlesen wurden, wurde durch die Vertreter der Patentinhaberin erklärt, dass sie [X.] dabei haben und die Patentinhaberin sowohl zu redaktionellen als auch inhaltlichen Einschränkungen von Anspruch 1 bereit ist, falls die [X.] dies für erforderlich hält. Diesbezüglich wurde ein Hinweis von der [X.] erbeten, um möglichst nur sinnvolle [X.] zu stellen und in das Verfahren einzubringen.

Auf erneutes Nachfragen durch die Patentinhaberin hin, ob die [X.] die Vorlage von [X.] und/oder Änderungen der Ansprüche und/oder der Beschreibung für notwendig erachtet, erhielt die Patentinhaberin explizit den Hinweis, dass dies unnötig sei. Die Anhörung wurde daraufhin geschlossen und nach kurzer Beratung folgender Beschluss verkündet:"

Als Nachweis für die Richtigkeit wurde auf [X.] mit dem Vorsitzenden und dem als Berichterstatter tätigen Beisitzer der [X.] verwiesen und des Weiteren die Einvernahme des Einsprechenden-Vertreters angeboten.

Gleichzeitig hat die Patentinhaberin auch die entsprechende Berichtigung und Ergänzung des Beschlusses vom 29. Februar 2009 beantragt.

Mit Bescheid vom 30. September 2009 hat die [X.] 1.34 des [X.]es in derselben Besetzung, welche auch den angefochtenen Beschluss erlassen hatte, die Anträge auf Protokoll- und [X.] zurückgewiesen. Dies hat sie damit begründet, dass das Protokoll nicht unrichtig sei. Der Behauptung, den Vertretern der Patentinhaberin sei mitgeteilt worden, die Stellung von [X.] sei unnötig, werde "entschieden entgegengetreten". Wörtlich heißt es hierzu:

weder positive noch negative Hinweise gegeben. Sie hat der Patentinhaberin dadurch aber weder in irgendeiner Weise verwehrt, ihre Argumente vorzubringen, noch geeignete Hilfsanträge zu stellen und somit auch kein rechtliches Gehör verletzt.

vor der gerichtlichen Entscheidung zu erfahren, wie das Gericht den die Grundlage seiner Entscheidung bildenden Sachverhalt (voraussichtlich) würdigen wird. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist daher nicht schon dann verletzt, wenn das Patentgericht nicht darauf hinweist, welchen Offenbarungsgehalt es einer in der mündlichen Verhandlung erörterten Veröffentlichung entnimmt."

Die hiergegen eingelegte Erinnerung der Patentinhaberin hat die [X.] mit  Bescheid vom 18. Januar 2010 als unzulässig zurückgewiesen.

Gegen den Beschluss vom 29. Februar 2009 hat die Patentinhaberin des Weiteren mit am 23. April 2008 eingegangenem [X.] vom 22. April 2008 fristgerecht Beschwerde eingelegt, die sie vorrangig mit einer Verletzung des rechtlichen Gehörs begründet, die sich ihrer Ansicht aus den von ihr auch im vorgenannten Verfahren zur Protokollberichtigung vorgebrachten Behauptungen, die sie im Einzelnen in ihrer Beschwerdebegründung wiederholt, ergebe. Aufgrund dessen sei auch die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen. In der Sache selbst verteidigt sie ihr Patent in der erteilten Fassung sowie mit geänderten Patentansprüchen laut insgesamt fünf [X.], wozu sie im Einzelnen weiter ausführt, aus welchen Gründen das Patent danach aufrechtzuerhalten sei.

[X.] beantragt sinngemäß,

das Patent in der erteilten Fassung, hilfsweise nach einem der mit der Beschwerdebegründung eingereichten fünf [X.] aufrechtzuerhalten und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

Die Einsprechende beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hat hinsichtlich der Verfahrensrüge der Patentinhaberin lediglich allgemein auf [X.], Beschluss vom 15. April 2010, [X.]. [X.] hingewiesen und im Übrigen zur Beschwerde keine Stellung genommen.

Mit Zwischenverfügung vom 17. Mai 2010 hat der Senat den Beteiligten mitgeteilt, dass aufgrund des Vorbringens der Patentinhaberin zur Verletzung des rechtlichen Gehörs auch, soweit der Senat den Vortrag für zutreffend erachte, eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung an das Patentamt in Betracht komme, und angefragt, ob in diesem Fall die von beiden Beteiligten jeweils gestellten weiteren [X.] auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen würden.

Hierauf haben die Patentinhaberin mit [X.] vom 18. Juni 2010 und die Einsprechende mit [X.] vom 28. Juni 2010 mitgeteilt, dass sie für den Fall der Zurückverweisung ihren Hilfsantrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung entsprechend zurückzunehmen. Die Einsprechende hat zudem ausdrücklich erklärt, dass sie mit der vom Senat vorgeschlagenen Verfahrensführung einverstanden sei.

II.

Die zulässige Beschwerde hat insoweit Erfolg, als auf die Verfahrensrüge der Patentinhaberin der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache nach § 79 Abs. 3 Nr. 1 und 2 [X.] zur erneuten Durchführung des [X.] und Entscheidung über den Einspruch an das [X.] zurückzuverweisen ist. Gleichzeitig ist nach § 80 Abs. 3 [X.] die Beschwerdegebühr an die Patentinhaberin aus Billigkeitsgründen wegen der verfahrensfehlerhaften Durchführung der Anhörung vor der [X.] zurückzuzahlen. Eine solche Entscheidung kann dabei ohne mündliche Verhandlung ergehen, nachdem beide Beteiligte für den Fall der Zurückverweisung ihre [X.] auf mündlicher Verhandlung zurückgenommen haben.

Nach Art. 103 Abs. 1 GG hat jedermann vor Gericht Anspruch auf rechtliches Gehör. Dieser grundrechtliche Anspruch gilt dabei auch für das patentamtliche Einspruchsverfahren; denn auch wenn es sich hierbei nicht um ein gerichtliches Verfahren handelt, gehört der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht nur zu den unter Art. 20 Abs. 3 GG fallenden allgemeinen Rechtsstaatsgrundsätzen, die in allen Verwaltungsverfahren, zu denen auch das Einspruchsverfahren vor dem [X.] gehört, zu beachten sind (vgl. grundlegend [X.], 348), sondern gilt für das Einspruchsverfahren auch aufgrund der analogen Anwendung des in § 42 Abs. 3 Satz 2 [X.] und § 48 Satz 2 [X.] für das Erteilungsverfahren einfachgesetzlich vorgegebenen Grundsatzes, dass Entscheidungen des Patentamtes nur auf der Grundlage der rechtlichen Gesichtspunkte ergehen dürfen, zu denen sich die Verfahrensbeteiligten zuvor äußern konnten (vgl. B[X.]E 40, 40, 41).

Zum Grundsatz des rechtliches Gehörs gehört auch das sog. Verbot von Überraschungsentscheidungen, das verletzt ist, wenn das Gericht oder die Verwaltungsbehörde eine Entscheidung trifft, die von dem abweicht, was die Beteiligten bei vernünftiger Betrachtung des bisherigen Verfahrens erwarten dürfen (vgl. [X.] 84, 188, 190; 86, 133,144 f.; 96, 189, 204; 108, 341 ff.). Zu den Verfahrensabläufen, die Grundlage dieser Erwartungshaltung der Beteiligten sein können, gehören insbesondere auch die ausdrücklich oder stillschweigend während der Anhörung erteilten Hinweise der [X.]. Ein solcher Hinweis liegt dabei nicht nur dann vor, wenn auf die gezielt gestellte Frage eines Beteiligten eine Antwort gegeben wird, sondern auch dann, wenn diese Frage unbeantwortet bleibt. Kann ein Beteiligter einen solchen Hinweis nur dahin verstehen, dass sein Rechtsbegehren in dem aus dem Hinweis erkennbaren Umfang Erfolg haben wird, liegt eine verbotene Überraschungsentscheidung, die als Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs anzusehen ist, vor, wenn sie von dem, was der Beteiligte aufgrund des mitgeteilten Hinweises vernünftigerweise erwarten darf, abweicht (vgl. [X.] a. a. O.).

Vor diesem Hintergrund liegt hier auf der Grundlage des Vorbringens der Beschwerdeführerin ein Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs vor, wenn es zutrifft, dass die [X.] den Vertretern der Patentinhaberin auf deren Nachfrage, ob sie die von ihnen vorbereiteten [X.] stellen sollen, mitgeteilt hat, dass dies nicht nötig sei. Aber selbst wenn feststeht, dass die Vorlage vorbereiteter [X.] tatsächlich von den Vertretern der Patentinhaberin angeboten worden ist, ohne dass die [X.] hierauf die Vertreter der Patentinhaberin ausdrücklich aufgefordert hätte, diese angebotenen [X.] tatsächlich zu stellen, läge ein Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs vor, weil die [X.] durch ihr Schweigen für die Beteiligten unmissverständlich zu verstehen gegeben hätte, dass es solcher [X.] zur beschränkten Verteidigung des angegriffenen Patents nicht bedarf; denn das Schweigen der [X.] konnten die Beteiligten nur so verstehen, dass bereits auf der Grundlage des bislang allein gestellten [X.] eine Entscheidung ergehen kann, was logisch zwingend nur bedeuten kann, dass das Streitpatent entsprechend dem bereits gestellten Antrag aufrecht erhalten wird.

von sich aus, also ungefragt auf für die Entscheidung relevante Gesichtspunkte hinweisen und auf entsprechende sachdienliche Haupt- und Hilfsanträge hinwirken muss. Eine solche Sachlage war aber nach den Ausführungen der Patentinhaberin im vorliegenden Fall gerade nicht gegeben, denn in diesem ging es nicht darum, ob die [X.] von sich aus möglicherweise einen Hinweis auf die rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte, die für die von ihr zu fällende Entscheidung von Bedeutung sein werden, und ggfs. auf entsprechende sachdienliche Anträge hätte hinwirken sollen oder einen solchen Hinweis vor dem Hintergrund der Neutralitätspflicht, die eine Begünstigung eines Beteiligten gerade ausschließt, zutreffend unterlassen hat. Vielmehr ist vorliegend zu beurteilen, in welcher Weise die [X.] auf die ausdrücklich gestellte Frage der Vertreter der Patentinhaberin, ob sie die von ihr mitgebrachten und zur Einreichung angebotenen Hilfsanträge vorlegen solle, hätte reagieren müssen. Eine von einem Beteiligten ausdrücklich gestellte Frage darf die [X.] nicht unbeantwortet lassen, da es sich hierbei um die ausdrückliche Aufforderung eines Beteiligten zur Erteilung eines Hinweises dazu handelt, welche tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte die [X.] voraussichtlich für erforderlich erachtet. Zwar war die [X.], wie sie im vorliegenden Bescheid unter Bezugnahme auf die oben genannte Rechtsprechung zutreffend ausgeführt hat, bei ihrer Beantwortung dieser gezielt gestellten Frage nicht gehalten, hierauf mitzuteilen, welche Erfolgsaussichten die bisherige Verteidigung des Streitpatents durch die Patentinhaberin haben wird, was schon deshalb kaum möglich war, weil die abschließende Beurteilung der Beratung der [X.] unmittelbar vor der Verkündung ihrer Entscheidung vorbehalten ist; allerdings durfte die [X.] auch nicht durch einen ausdrücklichen oder stillschweigenden Hinweis zu verstehen geben, dass die Stellung der Hilfsanträge nach ihrer bisherigen Einschätzung nicht erforderlich sein wird. Soweit - was wegen der noch ausstehenden abschließenden Beratung in der Regel der Fall sein wird - eine Beurteilung dessen, ob eine hilfsweise Verteidigung des Streitpatents in Betracht kommen kann, nicht möglich ist, kann eine zutreffende Beantwortung der gezielt gestellten Frage, ob vorbereitete - bzw. die bei der vorhergehenden Erörterung der Sach- und Rechtslage ggfs. besprochene - Änderungen des [X.] in Form von Hilfsanträgen eingereicht werden sollen, nur in der Weise erfolgen, dass - ggfs. unter Hinweis darauf, dass eine abschließende Beurteilung der Frage, ob auf der Grundlage der bisher allein gestellten Anträge eine für den fragenden Beteiligten positive Entscheidung ergehen wird, nicht möglich ist - die Beteiligte ausdrücklich zur Stellung dieser Hilfsanträge aufgefordert wird, soweit sie selbst diese für erforderlich erachtet. Genauso wenig wie die ausdrückliche Mitteilung, dass es der Stellung der Hilfsanträge nicht bedarf, darf die gezielt gestellte Frage auch nicht unbeantwortet bleiben, weil ein solches Schweigen auf diese Frage von allen Beteiligten nur in der Weise verstanden werden kann, dass der fragende Beteiligte bereits auf der Grundlage seiner bislang gestellten Anträge Erfolg haben wird. Dass eine solche Beantwortung der Frage wegen der - ebenfalls unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs - notwendig werdenden anschließenden Erörterung auch der weiter gestellten Hilfsanträge in der Anhörung mit einem zusätzlichen Aufwand verbunden ist, ist dabei unabwendbar.

solche Frage tatsächlich gestellt wurde, hat die [X.] in ihren Bescheiden vom 30. September 2009 und 18. Januar 2010 nicht in Abrede gestellt. Vielmehr enthalten diese Bescheide nur allgemeine Ausführungen dazu, ob und ggfs. welche Hinweise sie theoretisch hätte erteilen dürfen und können. Den Bescheiden kann nämlich nichts dazu entnommen werden, ob und ggfs. was von den Beteiligten konkret gesagt wurde, insbesondere, ob und wie die Frage der Vertreter der Patentinhaberin (deren Stellung, wie gesagt, inzidenter bestätigt wird) von der [X.] beantwortet wurde, sondern beschränkt sich auf die allgemeine Frage, inwieweit sie theoretisch zu Äußerungen über die Erfolgsaussichten der Anträge der Beteiligten aus rechtlicher Sicht grundsätzlich berechtigt gewesen wäre, ohne auf das tatsächliche Vorbringen der Patentinhaberin, demzufolge sie eine Frage gestellt hat, die ihr mit einem  bestimmten Inhalt beantwortet wurde, mit irgendeinem Wort einzugehen. Da der Bescheid der [X.] vom 30. September 2009 mit dem vorgenannten Inhalt damit allenfalls als eine Rechtfertigung des Verhaltens der Mitglieder der [X.] in der Anhörung anzusehen ist, was nur verständlich ist, wenn davon ausgegangen wird, dass das Vorbringen der Patentinhaberin die tatsächlichen Geschehnisse in der Anhörung zutreffend wiedergibt, kann er nur als Bestätigung des Vorbringens der Patentinhaberin verstanden werden, dass deren Vertreter die von ihr behauptete Frage nach der Einreichung der mitgebrachten Hilfsanträge tatsächlich gestellt hatten.

dass die Sach- und Rechtslage erörtert wurde, nicht aber einen Hinweis darauf, ob und welche konkreten Erklärungen hierbei abgegeben wurden. Daher kann daraus, dass das Protokoll dazu, ob die Vertreter der Patentinhaberin die von ihnen in der Beschwerdebegründung behauptete Frage gestellt haben, keine Angaben enthält, schon nicht mit der sich aus § 418 Abs. 1 ZPO ergebenden Beweiskraft geschlossen werden, dass eine solche Erklärung nicht abgegeben wurde, so dass ihre Abgabe von der Patentinhaberin nach § 418 Abs. 2 ZPO zu beweisen wäre. Ungeachtet dessen ergibt sich daraus, dass die [X.] in ihren vorgenannten Bescheiden die Stellung einer solchen Frage nicht in Abrede gestellt hat, aber auch, dass die Angaben des Protokolls, soweit man sein Schweigen über die Stellung einer solchen Frage  nach § 418 Abs. 1 ZPO dahin auslegen sollte, dass zunächst für (widerlegbar) bewiesen anzusehen wäre, dass eine solche Frage nicht gestellt wurde, jedenfalls infolge der Ausführungen der [X.] in ihren vorgenannten Bescheiden für widerlegt zu erachten wäre. Schließlich stehen der Annahme, dass eine solche Frage nach der Einreichung vorbereiteter Hilfsanträge tatsächlich gestellt wurde, auch nicht mögliche Ausführungen der Beschwerdegegnerin entgegen. Denn diese hat sich in ihrer Beschwerdeerwiderung hierzu nicht geäußert; eine - nach § 87 Abs. 1, § 88 Abs. 2 [X.] zulässige - freibeweisliche telefonische Anfrage des Senats beim Vertreter der Beschwerdegegnerin hat ergeben, dass diese Zurückhaltung zum tatsächlichen Vorbringen der Patentinhaberin seitens der Beschwerdegegnerin darauf beruht, dass deren Vertreter sich nicht mehr an den konkreten Ablauf der Anhörung erinnern konnte, weshalb er weder bestätigen noch bestreiten könne, ob die Frage nach Vorlage von Hilfsanträge von den Vertretern der Patentinhaberin in der Anhörung tatsächlich gestellt wurde.

beantwortet, was, wie bereits ausgeführt wurde, selbstverständlich nicht bedeutet, dass damit Hinweise zur Erfolgsaussicht des bislang gestellten Antrages erteilt werden müssten, aber dazu zwingt, zumindest mitzuteilen, dass und aus welchen Gründen (insoweit hätte ein Hinweis auf die [X.]-Entscheidungen genügt) zu den Erfolgsaussichten keine Hinweise erteilt werden können, sondern es der eigenen Beurteilung der Vertreter der Patentinhaberin obliegt, ob sie die mitgebrachten Hilfsanträge vorlegen wollen, wozu im Zweifel wegen der Offenheit des abschließenden Ergebnisses des Einspruchs allerdings geraten werde. Keinesfalls darf auf die Frage der Vertreter der Patentinhaberin nach der Einreichung von Hilfsanträgen aber - wie die Patentinhaberin es behauptet hat - mitgeteilt werden, dass deren Vorlage "unnötig" sei, weil dies nichts anders als die Erteilung des (positiven) Hinweises bedeutet, dass die Patentinhaberin auf der Grundlage ihrer bisherigen Anträge Erfolg haben wird, d. h. das Streitpatent im beantragten Umfang aufrecht erhalten werden wird; auch wenn ein solcher Hinweis im Verhältnis zur Einsprechenden unzulässig wäre, stellt sich der nachfolgende, das Patent widerrufende Beschluss als Überraschungsentscheidung und damit als Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. Dasselbe gilt aber auch, wenn die Frage unbeantwortet blieb, ohne die Vertreter der Patentinhaberin ausdrücklich aufzufordern, die Notwendigkeit der Hilfsanträge selbst zu beurteilen und diese im Zweifelsfall vorzulegen. Da sich aber weder aus dem Protokoll noch aus den Ausführungen der [X.] in ihren Bescheiden zu den Protokoll- und Tatbestandsberichtungsanträgen der Patentinhaberin ergibt, dass die letztgenannte Antwort tatsächlich gegeben wurde, kann der angefochtene Beschluss als Überraschungsentscheidung aus dem Gesichtspunkt der Verletzung des rechtlichen Gehörs keinen Bestand haben.

Daher war der angefochtene Beschluss aufzuheben. Da die [X.] über die [X.] bislang weder verhandelt noch entschieden hat, hat der Senat von einer eigenen Entscheidung in der Sache selbst abgesehen; stattdessen ist das Verfahren an das [X.] nach § 79 Abs. 3 Nr. 1 und 2 [X.] zurückzuverweisen.

Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 80 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.

Nach § 80 Abs. 3 [X.] war aber die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen, da die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör einen schweren Verfahrensfehler darstellt, dessen Verletzung stets die Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgründen gebietet (vgl. [X.], [X.], 8. Aufl., § 80 Rn. 112 und § 73 Rn. 132).

Meta

7 W (pat) 66/09

03.02.2012

Bundespatentgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 03.02.2012, Az. 7 W (pat) 66/09 (REWIS RS 2012, 9512)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9512

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