Bundessozialgericht, Urteil vom 23.07.2014, Az. B 12 KR 21/12 R

12. Senat | REWIS RS 2014, 3851

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Gegenstand

(Krankenversicherung der Landwirte - Familienversicherung - ALG II-Bezieher - Ausschluss der Familienangehörigen wegen Befreiung von der Versicherungspflicht nur, wenn es ohne Befreiung tatbestandsbezogen zur eigenen Versicherung gekommen wäre - Übergangsregelung des § 94 Abs 1 KVLG)


Leitsatz

Einer Familienversicherung steht nicht schon jedwede dem betroffenen Angehörigen des Versicherten in der Vergangenheit erteilte Befreiung von der Krankenversicherungspflicht entgegen, vielmehr sind Angehörige von der Familienversicherung wegen Befreiung von der Versicherungspflicht nur ausgeschlossen, wenn es ohne die Befreiung in dem zu beurteilenden Zeitraum konkret tatbestandsbezogen zu ihrer eigenen originären Versicherung gekommen wäre.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 6. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Im Übrigen sind Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er über seine beigeladene Ehefrau in der Krankenversicherung der Landwirte ([X.]) familienversichert war.

2

Der im Juli 1944 geborene Kläger wurde auf seinen Antrag hin gemäß § 94 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte ([X.]) zum 1.10.1972 von der Versicherungspflicht als landwirtschaftlicher/gartenbaulicher Unternehmer in der [X.] befreit. Bis 30.9.2006 war er in der privaten Krankenversicherung ([X.]) versichert. Die Beigeladene war bis 4.8.2007 in seinem Betrieb versicherungspflichtig beschäftigt. Anfang August 2007 stellte der Kläger einen Insolvenzantrag und meldete sein Gewerbe zum 16.8.2007 ab. Die Beigeladene erhielt daraufhin ab [X.] und war seither versicherungspflichtiges Mitglied der Rechtsvorgängerin der Beklagten in der [X.].

3

Durch einen an die Beigeladene gerichteten Bescheid des Grundsicherungsträgers ([X.]) vom 10.10.2007 wurden der Beigeladenen und dem Kläger ab [X.] ([X.]) bewilligt und die Leistungen an die Beigeladene ausgezahlt. Der [X.]-Bezug des [X.] endete mit Vollendung seines 65. Lebensjahrs im Juli 2009. Seit [X.] beziehen sowohl der Kläger als auch die Beigeladene von der [X.] für den Gartenbau Rentenleistungen; die Beigeladene ist wegen ihres Rentenbezugs bei der Beklagten gegen Krankheit pflichtversichert.

4

Mit [X.] vom 19.10.2007 (Eingang 23.10.2007) beantragten der Kläger und die Beigeladene bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten die Durchführung der Familienversicherung des [X.], vermittelt über die Pflichtversicherung der Beigeladenen. Dies wurde unter Hinweis auf die im Jahr 1972 erfolgte [X.] des [X.] von der Krankenversicherungspflicht in der [X.] abgelehnt (Bescheid der Krankenkasse für den Gartenbau vom 7.11.2007; Widerspruchsbescheid vom 4.9.2008).

5

Das dagegen angerufene [X.] hat die Krankenkasse als Rechtsvorgängerin der Beklagten unter Aufhebung der genannten Bescheide verurteilt, den Kläger ab Antragstellung im Wege der Familienversicherung zu versichern (Urteil vom 7.6.2010). Auf die Berufung der Rechtsvorgängerin der Beklagten hat das L[X.] das erstinstanzliche Urteil geändert und ua festgestellt, dass der Kläger in der [X.] vom [X.] bei ihr familienversichert gewesen sei: Er sei im Wege der Anschlussberufung berechtigt gewesen, die Feststellung der Familienversicherung bereits für die [X.] vom [X.] zu beantragen. Obwohl der streitige [X.]raum mittlerweile abgelaufen sei und währenddessen der Sozialhilfeträger die angefallenen Krankenbehandlungskosten des [X.] getragen habe, verfüge der Kläger über ein Feststellungsinteresse; denn die begehrte Feststellung sei für einen möglichen Anspruch auf freiwillige Weiterversicherung im [X.]raum ab 7.4.2009 von Bedeutung. Einen entsprechenden Antrag habe der Kläger - wenn auch nicht fristgemäß - gestellt. Im streitigen [X.]raum sei der Kläger selbst nicht als Bezieher von [X.] krankenversicherungspflichtig gewesen, weil der Bescheid der [X.] an die mit dem Kläger eine Bedarfsgemeinschaft bildende Beigeladene gerichtet gewesen sei. Die Voraussetzungen einer Familienversicherung seien erfüllt. Die ab 1.10.1972 erfolgte [X.] des [X.] von der Versicherungspflicht nach § 94 Abs 1 [X.] stehe dem nicht entgegen, weil sich die [X.]swirkung nicht auf [X.] beziehe, die noch nicht im [X.] erfasst gewesen, sondern erst später neu hinzugekommen seien (hier: die erst unter Geltung des [X.] 1989 geschaffene Versicherungspflicht als [X.]-Bezieher). Besonderheiten des speziellen Ordnungssystems der [X.] rechtfertigten kein anderes Ergebnis (Urteil vom 6.6.2012).

6

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision und rügt eine Verletzung von § 94 Abs 1 [X.] sowie von § 7 Abs 1 S 1 [X.] 1989 iVm § 10 Abs 1 S 1 [X.] 3 [X.]B V. Wortlaut und Zweckbestimmung der Regelungen stünden einer Familienversicherung des [X.] entgegen. Die in § 173a Abs 2 [X.] nachgebildete Regelung des § 94 Abs 2 [X.] verdeutliche die seinerzeitige gesetzgeberische Konzeption, dem speziellen Personenkreis der privat gegen Krankheit abgesicherten Landwirte und Gärtner sowie deren Angehörigen die Möglichkeit einzuräumen, sich gegen das mit dem [X.] geschaffene gesetzliche System zu entscheiden und sich für immer von der Versicherungspflicht in der [X.] befreien zu lassen. Der damalige Antrag des [X.] auf [X.] von der Versicherungspflicht sei als Statusentscheidung für die dauerhafte Zugehörigkeit zur [X.] zu interpretieren. Dementsprechend ordne § 59 Abs 1 S 1 [X.] 1989 an, dass eine [X.] nach § 4 und § 94 Abs 1 [X.] in der bis zum 31.12.1988 geltenden Fassung nicht widerrufen werden könne. Deswegen habe die [X.] auch für später eintretende [X.] gelten sollen (Hinweis auf B[X.]E 43, 194 = [X.] 5420 § 4 [X.] 1). Die Wirkung der [X.] von der Versicherungspflicht in der [X.] als berufsständische Unternehmerversicherung rechtfertige eine Abweichung von der Rechtslage zur [X.] von der Versicherungspflicht in der allgemeinen Krankenversicherung (Hinweis auf B[X.]E 43, 194 = [X.] 5420 § 4 [X.] 1; B[X.] [X.] 5420 § 2 [X.] 4; B[X.]E 41, 157 = [X.] 5420 § 2 [X.] 2). Während die [X.] von der Versicherungspflicht in der allgemeinen Krankenversicherung unverändert tatbestandsbezogen wirke, entfalte eine [X.] von der Versicherungspflicht in der [X.] eine systembezogene Wirkung. Die Einbeziehung des Befreiten in die berufsständische Solidargemeinschaft der [X.] durch eine über den Ehegatten vermittelte Familienversicherung sei nicht gerechtfertigt, weil sonst die beitragsfreie Mitversicherung unzulässig aus Mitteln der relativ kleinen Versichertengemeinschaft getragen werden müsste.

7

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 6. Juni 2012 sowie das Urteil des [X.] vom 7. Juni 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Er verteidigt die angefochtenen Urteile.

Die Beigeladene äußert sich nicht.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das [X.] hat im Ergebnis zu Recht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und unter [X.]larstellung des Tenors des erstinstanzlichen Urteils die angefochtenen Bescheide aufgehoben sowie festgestellt, dass der [X.]läger im streitigen [X.]raum vom [X.] über die Beigeladene in der [X.] familienversichert war. Seiner Familienversicherung standen weder eine eigene Versicherungspflicht noch seine zum 1.10.1972 erfolgte [X.] von der Versicherungspflicht in der [X.] entgegen.

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Feststellung der Familienversicherung des [X.] in der [X.] vom [X.]. Zu Recht hat das [X.] eine Ausdehnung des ursprünglich im [X.]lageverfahren vor dem [X.] beantragten [X.]raums der begehrten Feststellung "ab Antragstellung" auf die [X.] ab [X.] im Wege einer zulässigen Anschlussberufung und [X.]lageerweiterung (§ 99 Abs 3 [X.] [X.]G; vgl B[X.]E 24, 247, 249 = [X.] zu § 521 ZPO) angenommen.

2. Die [X.]lage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig (vgl B[X.] [X.]-2500 § 5 [X.]1 Rd[X.]2). Ein Rechtsschutz- und Feststellungsinteresse des [X.] ist dafür anzuerkennen, obwohl der genannte streitige [X.]raum in der Vergangenheit liegt und der [X.]läger nach den Feststellungen des [X.] während dieser [X.] durch den Sozialhilfeträger gegen das [X.]rankheitsrisiko abgesichert war.

Auch wenn die begehrte Feststellung für den [X.]läger keine unmittelbaren Auswirkungen auf seinen krankenversicherungsrechtlichen Status im genannten [X.]raum selbst hat, kann ein rechtliches Interesse jedenfalls für die Feststellung der Art seines an den streitigen [X.]raum anschließenden [X.] ab 7.4.2009 nicht gänzlich verneint werden. Das [X.] hat nämlich festgestellt, dass der [X.]läger am 15.10.2009 (vorsorglich) seine freiwillige Weiterversicherung in der [X.] gemäß § 6 Abs 1 [X.] 1989 anzeigte. Zwar ist ein entsprechendes potentielles Beitrittsrecht von weiteren Voraussetzungen abhängig, insbesondere von dem Fehlen einer Versicherungspflicht des [X.] als Rentner, die nach den Feststellungen des [X.] zwischen den Beteiligten umstritten und daher (noch) ungeklärt ist. Eine der Voraussetzungen für die Weiterversicherungsberechtigung nach § 6 Abs 1 S 1 [X.] [X.] 1989 ist aber jedenfalls auch das Erlöschen der Familienversicherung. Daher genügt vorliegend die Möglichkeit, dass eine uU rechtskräftig werdende Negierung des Bestehens einer Familienversicherung im streitigen [X.]raum durch die angefochtenen Bescheide einer späteren Entscheidung über die Wirksamkeit der Anzeige des Beitritts zur freiwilligen Versicherung entgegenstehen würde, um beim [X.]läger für das vorliegende Verfahren ein Rechtsschutz- und Feststellungsinteresse zu bejahen. In diesem Zusammenhang ist unbeachtlich, dass nach den Feststellungen des [X.] die vom [X.]läger vorsorglich gemachte Anzeige nicht innerhalb der Dreimonatsfrist des § 6 Abs 2 [X.] 1989 gestellt wurde, weil die Annahme einer gleichwohl fristgerecht geltenden Anzeige jedenfalls nach den Grundsätzen über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch im vorliegenden Fall nicht gänzlich ausgeschlossen ist (vgl auch zum Fall eines nicht rechtzeitig ausgeübten [X.]rankenkassenwahlrechts B[X.] [X.]-2500 § 175 [X.] Rd[X.]3).

3. Der angefochtene Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtswidrig und verletzt den [X.]läger in seinen Rechten. Der [X.]läger war im streitigen [X.]raum ausgehend von den einschlägigen gesetzlichen Regelungen (dazu a) über seine Ehefrau in der [X.] familienversichert, weil er nicht wegen des Bezugs von [X.] selbst versicherungspflichtig war (dazu b), die 1972 erfolgte [X.] von der Versicherungspflicht in der [X.] seiner Familienversicherung nicht entgegenstand (dazu c) und auch die übrigen Voraussetzungen einer Familienversicherung erfüllt sind (dazu d).

a) Gemäß § 7 Abs 1 S 1 [X.] 1989 in seiner seit Inkrafttreten unveränderten Fassung gilt für die Familienversicherung § 10 [X.]B V entsprechend. Nach § 10 Abs 1 S 1 [X.]B V (in der ab 30.3.2005 geltenden Fassung des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht <Verwaltungsvereinfachungsgesetz> vom 21.3.2005, [X.] 818) sind versichert der Ehegatte, der Lebenspartner und die [X.]inder von Mitgliedern sowie die [X.]inder von familienversicherten [X.]indern, wenn diese Familienangehörigen

1.    

ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben,

2.    

nicht nach § 5 Abs 1 [X.], 2, 3 bis 8, 11 oder 12 oder nicht freiwillig versichert sind,

3.    

nicht versicherungsfrei oder nicht von der Versicherungspflicht befreit sind; dabei bleibt die Versicherungsfreiheit nach § 7 außer Betracht,

4.    

nicht hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind und

5.    

kein Gesamteinkommen haben, das regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 [X.]B IV überschreitet; bei Renten wird der Zahlbetrag ohne den auf Entgeltpunkte für [X.]indererziehungszeiten entfallenden Teil berücksichtigt; für geringfügig Beschäftigte nach § 8 Abs 1 [X.], § 8a [X.]B IV beträgt das zulässige Gesamteinkommen 400 Euro.

b) Einer Familienversicherung des [X.] im streitigen [X.]raum steht sein zeitgleicher Bezug von [X.] nicht entgegen, weil dadurch keine eigene Versicherungspflicht iS von § 10 Abs 1 S 1 [X.] [X.]B V begründet wurde.

Im Gegensatz zu anderen Versicherungspflichttatbeständen wird die Versicherungspflicht als [X.]-Bezieher nach § 5 Abs 1 [X.]a [X.]B V bzw § 2 Abs 1 [X.] [X.] 1989 in den [X.] für eine Familienversicherung nach § 7 Abs 1 S 1 [X.] 1989 iVm § 10 Abs 1 S 1 [X.] [X.]B V nicht genannt. Dies führt de lege [X.] (ausnahmsweise) zu einem Vorrang der Familienversicherung vor dem [X.] als Bezieher von [X.] (vgl Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen [X.]rankenversicherung G[X.]V-Finanzstruktur- und [X.] <[X.]> BT-Drucks 18/1307 [X.] zu Art 1 Zu [X.] <§ 5> Zu Buchst a; [X.] [X.]/[X.], [X.]B V, 4. Aufl 2014, § 10 Rd[X.] 8; [X.] in [X.] [X.]omm, Stand 81. EL 2014, § 10 [X.]B V Rd[X.]0; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B V, 2013, § 10 Rd[X.] 52; eine Änderung der Rechtslage erfolgt erst ab 1.1.2016 durch Art 1 [X.] Buchst a aa [X.] vom 21.7.2014, [X.] 1133).

Indessen kann den vorliegend anzuwendenden gesetzlichen Regelungen nicht entnommen werden, welcher von beiden Ehegatten bei einem gemeinsamen Bezug von [X.] nach § 5 Abs 1 [X.]a [X.]B V bzw § 2 Abs 1 [X.] [X.] 1989 versicherungspflichtiges Mitglied und welcher familienversichert ist. Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung des Senats, ob der nach § 38 S 2 [X.]B II Empfangsbevollmächtigte einer Bedarfsgemeinschaft - hier die Beigeladene - stets als versicherungspflichtig anzusehen ist oder ob die Angehörigen einer Bedarfsgemeinschaft insoweit ein Wahlrecht haben (im letztgenannten Sinne Spitzenverbände der [X.]rankenkassen und [X.] in einem Gemeinsamen Rundschreiben vom 26.1.2007 "Versicherungs-, Beitrags- und Melderecht der Bezieher von [X.]" [X.]; zustimmend [X.] in [X.]/[X.], [X.]B V, Stand: 02/13, [X.] § 5 Rd[X.]12b). Jedenfalls gehen die Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits übereinstimmend von einer Versicherungspflicht und einer Mitgliedschaft der Beigeladenen bei der Beklagten in der [X.] aus. Eine abweichende Wahl haben der [X.]läger und seine Ehefrau nach den ausdrücklichen Feststellungen des [X.] nicht getroffen.

c) Das [X.] hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die zum 1.10.1972 erfolgte [X.] des [X.] von der Versicherungspflicht in der [X.] nicht iS von § 10 Abs 1 S 1 [X.] 3 [X.]B V iVm § 7 Abs 1 S 1 [X.] 1989 seiner Familienversicherung im streitigen [X.]raum entgegenstand.

aa) Im Gegensatz zur Auffassung des [X.] beruht dieses Ergebnis allerdings nicht schon auf einer (immanenten) Begrenzung der Wirkung einer [X.] auf Versicherungspflichttatbestände, die bei Erteilung der [X.] bereits existierten. Wie das [X.] nämlich selbst zu Recht angenommen hat, kam beim [X.]läger die erst mit Wirkung zum 1.1.2005 (Gesetz vom 24.12.2003, [X.] 2954) neu geschaffene Versicherungspflicht aufgrund des Bezugs von [X.] im streitigen [X.]raum gerade nicht zum Tragen. Im Ergebnis würde eine derartige Begründung dazu führen, dass jedwede Änderung in den Versicherungspflichttatbeständen des [X.]B V bzw des [X.] 1989 - losgelöst von ihrer Relevanz in einem konkreten Einzelfall - zu einer Einschränkung der Wirkung einer einmal ausgesprochenen [X.] von der Versicherungspflicht führen würde. Dieses Ergebnis lässt sich aber mit den gesetzlichen Regelungen, insbesondere zur fortbestehenden Wirkung einer ausgesprochenen [X.] in § 59 Abs 1 S 1 [X.] 1989, nur schwer in Einklang bringen.

bb) Die Beantwortung der Frage, ob und inwieweit die [X.] von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen [X.]rankenversicherung (G[X.]V) bzw [X.] einer Familienversicherung entgegensteht, erfordert nach den allgemeinen, auch in anderen sozialrechtlichen Regelungsbereichen geltenden, und auch der Rechtsprechung des Senats zugrundeliegenden Grundsätzen vielmehr eine jeweils tatbestandsbezogene Betrachtung der individuellen versicherungsrechtlichen Situation (vgl zuletzt B[X.] [X.]-2500 § 8 [X.] 3 Rd[X.]7 mwN; vgl auch zur gebotenen Anknüpfung an das konkrete Beschäftigungsverhältnis im Rahmen einer [X.] von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung B[X.]E 112, 108 = [X.]-2600 § 6 [X.] 9; B[X.] [X.]-2600 § 231 [X.] 5; [X.] in [X.]rauskopf, Soziale [X.]rankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand 84. EL 2014, § 10 [X.]B V Rd[X.] 31). Der hier in Frage kommende Ausschlussgrund kann mit Blick auf diese Rechtsprechung nur so verstanden werden, dass eine Familienversicherung (nur) dann nicht zustande kommt, wenn eine an sich in dem jeweils relevanten [X.]raum bestehende Versicherungspflicht nur deshalb nicht zu einer eigenen Versicherung des Betroffenen führt, weil er von der Versicherungspflicht befreit ist. Hierfür sprechen der Wortlaut der Vorschrift, systematische Zusammenhänge sowie Sinn und Zweck der Regelung.

(1) § 10 Abs 1 S 1 [X.] 3 [X.]B V knüpft an den aktuellen Zustand und nicht an einen in der Vergangenheit liegenden Umstand einer "früheren" [X.] an, indem die Formulierung "befreit sind" und nicht zB die Formulierung "befreit wurden" verwendet wird.

(2) Auch systematische Gründe sprechen für eine tatbestandsbezogene Sicht der individuellen versicherungsrechtlichen Situation: Das Zustandekommen einer Familienversicherung ist - anders als zB eine freiwillige Versicherung in der G[X.]V nach § 9 [X.]B V bzw in der [X.] nach § 6 [X.] 1989 - grundsätzlich nicht von der Erfüllung bestimmter Vorversicherungszeiten oder einer früheren Versicherung in der G[X.]V oder [X.] abhängig. Etwas anderes gilt seit der durch das G[X.]V-Gesundheitsreformgesetz 2000 vom 22.12.1999 ([X.] 2626) geschaffenen Regelung in § 10 Abs 1 S 4 [X.]B V (früher § 10 Abs 1 S 3 [X.]B V) nur für das Zustandekommen einer Familienversicherung während der Dauer der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz sowie der Elternzeit. Danach sind Betroffene während dieser [X.]en nicht (familien)versichert, wenn sie "zuvor" nicht gesetzlich krankenversichert waren. Diese gesetzliche [X.]onzeption bestätigt zum einen, dass der Gesetzgeber entsprechend der Rechtsprechung des B[X.] (vgl B[X.] [X.]-2500 § 257 [X.] S 5) davon ausgeht, dass eine vorangegangene Versicherung in der G[X.]V nur dann (weitere) Voraussetzung für das Zustandekommen einer Familienversicherung ist, wenn dies ausdrücklich gesetzlich so geregelt ist. Zum anderen bestätigt die [X.]onzeption, dass es auf die individuelle aktuelle versicherungsrechtliche Situation des Betroffenen ankommt ("für die Dauer der Schutzfristen"; vgl zur Frage eines [X.] von Versicherungsfreiheit im Falle des fehlenden Entgeltbezugs B[X.]E 72, 292, 996 = [X.]-2500 § 10 [X.] S 6).

(3) Sinn und Zweck der Familienversicherung und ihres Ausschlusses im Falle der [X.] von der Versicherungspflicht bestätigen dieses Ergebnis: In der beitragsfreien Familienversicherung liegt ein Element des [X.]n Ausgleichs (Familienlastenausgleich), das die "[X.]" [X.]rankenversicherung prägt ([X.] in [X.] [X.]omm, aaO, § 10 [X.]B V Rd[X.]). Die Familienversicherung soll insbesondere (nur) für solche Angehörige nicht eingreifen, "die ohne Rücksicht auf die Höhe ihres Einkommens von der Versicherung ausgeschlossen sind, weil sie nicht zu dem von der G[X.]V geschützten Personenkreis gehören und auch nicht als [X.] einbezogen werden sollen" (so Gesetzentwurf der Fraktionen der [X.] und [X.] zum [X.], BT-Drucks 11/2237 [X.] zu § 10 Zu Abs 1 bis 4). Zwar klingt in der Gesetzesbegründung zur Schaffung der heute in § 10 Abs 1 S 4 [X.]B V enthaltenen Regelung der Gedanke einer Stärkung des [X.] in der G[X.]V durch den Ausschluss von der Familienversicherung von zuvor privat versicherten Personen an (Gesetzentwurf der Fraktionen [X.] und [X.]/[X.], Entwurf eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen [X.]rankenversicherung ab dem [X.], BT-Drucks 14/1245 [X.]). Der Gesetzesgeber hat diesen Aspekt aber nicht zu einer allgemein gültigen Voraussetzung des Zugangs zur Familienversicherung gemacht (vgl dazu oben [X.] bb <2>).

cc) Demgegenüber kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf § 94 [X.] und die hierzu ergangene Rechtsprechung des B[X.] berufen.

(1) § 94 Abs 1 [X.] hatte als Übergangsvorschrift nur das Ziel, bei einer bei Inkrafttreten des [X.] schon bestehenden (privaten) Absicherung gegen das Risiko der [X.]rankheit eine [X.] von der durch das [X.] angeordneten Versicherungspflicht zu gewähren. Die Vorschrift sollte die Beibehaltung des privaten Versicherungsschutzes ermöglichen und "insoweit" klare Verhältnisse schaffen (so Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Rechts der gesetzlichen [X.]rankenversicherung <[X.]>, [X.] [X.] zu § 78). Die von der Beklagten der Vorschrift beigemessene Bedeutung als lebenslange "Systementscheidung" kann Wortlaut, Systematik und Historie der insoweit einschlägigen gesetzlichen Vorschriften nicht entnommen werden.

(2) Dies gilt auch vor dem Hintergrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Der 11. Senat des B[X.] hat zwar mit Urteil vom [X.] entschieden, dass sich in der Zusammenschau der [X.]statbestände in § 94 und § 4 [X.] eine aufgrund § 94 [X.] ausgesprochene [X.] auf alle Versicherungspflichttatbestände nach § 2 [X.] beziehen muss, auch auf erst später eintretende Versicherungspflichten "nach dieser Vorschrift" (B[X.]E 43, 194, Leitsatz und 195 ff = [X.] 5420 § 4 [X.]). Dieses Ergebnis wurde seinerzeit daraus abgeleitet, dass sich eine [X.] nach § 4 [X.] zwar nur auf die Versicherungspflicht nach § 2 Abs 1 [X.] [X.] beziehe, die Regelung über die Gewährung eines Beitragszuschusses für die danach befreiten Personen in Abs 3 der Vorschrift aber praktisch leerliefe, müsste bei Verwirklichung eines neuen [X.]s, insbesondere nach § 2 Abs 1 [X.] 4 oder 5 [X.], erneut eine [X.] von der Versicherungspflicht beantragt werden. Für die [X.] nach § 94 [X.] könne - so das B[X.] - demzufolge nichts anderes gelten, zumal sich die dort geregelte [X.] von vornherein auf jeden der in § 2 Abs 1 [X.] genannten Versicherungsgründe beziehe.

Es kann offenbleiben, inwieweit diese noch zum [X.] ergangene Rechtsprechung auch unter dem Blickwinkel der in § 59 Abs 1 [X.] 1989 angeordneten Unwiderruflichkeit einer nach § 4, § 94 Abs 1 [X.] erfolgten [X.] auf das [X.] 1989 übertragbar ist. Hieran bestehen Zweifel, weil es sich bei § 94 [X.] lediglich um eine Übergangsvorschrift handelt (s bereits oben [X.] bb 3 cc <1>). Die Beklagte kann sich jedenfalls schon deshalb nicht mit Erfolg auf diese Rechtsprechung berufen, weil der vorliegende Rechtsstreit nicht die Frage des Bestehens von Versicherungspflicht des [X.] in der [X.] betrifft, sondern "nur" das Vorliegen einer über die in der [X.] versicherungspflichtige Beigeladene vermittelten Familienversicherung des [X.] nach § 10 [X.]B V iVm § 7 Abs 1 S 1 [X.] 1989 zum Gegenstand hat.

dd) Ein der gegenteiligen Auffassung der Beklagten zugrunde liegende allgemeiner sanktionsähnlicher Perpetuierungsgedanke einer einmal erfolgten [X.] von der Versicherungspflicht in der [X.] findet im geltenden Recht ebenfalls keinen Niederschlag.

Dagegen, dass eine früher unterbliebene [X.] von der Versicherungspflicht (trotz entsprechender Möglichkeit) bzw das Festhalten an einer zuvor bestehenden Versicherung in der G[X.]V bzw in der [X.] ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal für das Zustandekommen einer Familienversicherung ist, spricht bereits, dass der Gesetzgeber in § 10 Abs 1 S 4 [X.]B V eine frühere Versicherung in der G[X.]V nicht allgemein zu einer Voraussetzung dafür gemacht hat, sondern nur in bestimmten Fällen (vgl dazu erneut oben [X.] bb <2>). Auch kann den Regelungen über die [X.] von der Versicherungspflicht und den veröffentlichten Motiven in den Gesetzesmaterialien dazu nicht entnommen werden, dass der Betroffene hierdurch letztlich eine weitreichende und nicht mehr zu revidierende, sondern lebenslang geltende Entscheidung gegen das Zustandekommen einer Familienversicherung in der G[X.]V bzw der [X.] traf.

Insoweit kann sich die Beklagte auch nicht mit Erfolg auf das Urteil des [X.] Nordrhein-Westfalen vom 8.3.2011 ([X.] [X.]R 175/10 - Juris) berufen. Im dort entschiedenen Fall hatte sich der als Rentner krankenversicherungspflichtige [X.]läger von der Versicherungspflicht befreien lassen, um auf diese Weise erneut in die zuvor bestehende Familienversicherung zu gelangen. Dieser Sachverhalt ist mit dem vorliegenden schon deshalb nicht vergleichbar, weil dort eine im relevanten [X.]raum an sich bestehende Versicherungspflicht (als Rentner) nur deshalb nicht zum Tragen kam, weil der Betroffene von dieser Versicherungspflicht befreit war; demgegenüber bestand im vorliegenden Fall im streitigen [X.]raum überhaupt keine Versicherungspflicht des [X.] in der [X.] bzw in der G[X.]V, von der er sich zur Erlangung kostenfreien [X.] mittels Familienversicherung hätte befreien lassen können, insbesondere - wie dargestellt - nicht über den [X.]-Bezug.

ee) Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten rechtfertigen auch Besonderheiten der [X.] kein abweichendes Ergebnis. Im Gegenteil muss bereits aus der undifferenzierten und umfassenden Verweisung des § 7 Abs 1 S 1 [X.] 1989 auf die maßgebenden Regelungen der Familienversicherung nach § 10 [X.]B V der Schluss gezogen werden, dass der Gesetzgeber gerade einen Gleichklang der jeweiligen Regelungen in den [X.]rankenversicherungssystemen erreichen wollte. Der pauschale Hinweis auf die Besonderheiten der [X.] als ein besonderes Ordnungssystem (vgl B[X.]E 41, 157, 159 = [X.] 5420 § 2 [X.] S 3; B[X.]E 43, 194, 197 = [X.] 5420 § 4 [X.] S 2) ist bei dieser für den Teilbereich der Familienversicherung angewandten Regelungstechnik des Gesetzgebers nicht geeignet, aus nicht in den Gesetzestext eingegangenen übergeordneten Erwägungen wiederum ein dem Regelungsziel entgegenstehendes Resultat herbeizuführen.

d) Das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen einer Familienversicherung nach § 10 [X.]B V iVm § 7 Abs 1 S 1 [X.] 1989 ist zwischen den Beteiligten außer Streit. Nach alledem war der [X.]läger daher im streitigen [X.]raum vom [X.] vermittelt über die Pflichtversicherung der Beigeladenen in der [X.] bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten familienversichert.

4. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 S 1 [X.]G.

Meta

B 12 KR 21/12 R

23.07.2014

Bundessozialgericht 12. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Mainz, 7. Juni 2010, Az: S 15 KR 265/08, Urteil

§ 7 Abs 1 S 1 KVLG 1989 vom 20.12.1988, § 59 Abs 1 S 1 KVLG 1989 vom 20.12.1988, § 94 Abs 1 KVLG, § 10 Abs 1 S 1 SGB 5 vom 21.03.2005

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 23.07.2014, Az. B 12 KR 21/12 R (REWIS RS 2014, 3851)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3851

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