Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.07.2015, Az. II R 12/14

2. Senat | REWIS RS 2015, 7757

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Gegenstand

(Verbindlichkeiten aus Pflichtteil und Zugewinnausgleich des überlebenden Ehegatten auch bei nach § 13a ErbStG a.F. begünstigtem Erwerb eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft voll abziehbar - Kein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Pflichtteilslast und dem zum Nachlass gehörenden Vermögen - Umfang des rückwirkenden Wegfalls von Steuervergünstigungen nach § 13a Abs. 2 ErbStG)


Leitsatz

Die Verpflichtungen zur Zahlung des geltend gemachten Pflichtteils und des Zugewinnausgleichs an den überlebenden Ehegatten des Erblassers sind auch dann in voller Höhe als Nachlassverbindlichkeiten abziehbar, wenn zum Nachlass ein Anteil an einer Kapitalgesellschaft gehört, dessen Erwerb nach § 13a ErbStG begünstigt ist .

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 19. November 2013  1 K 3364/10 aufgehoben.

Die Erbschaftsteuer wird unter Abänderung des Erbschaftsteuerbescheids des Beklagten vom 17. Mai 2011 auf 922.930,42 € festgesetzt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die Klägerin zu 94 % und der Beklagte zu 6 % zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist neben ihrem Bruder (B) zur Hälfte [X.] ihres im November 2001 verstorbenen [X.] ([X.]), nachdem die [X.]hefrau ([X.]) des [X.] die [X.]rbschaft ausgeschlagen hatte. Zum Nachlass gehörten u.a. Beteiligungen des [X.] von jeweils 76 % an einer GmbH mit einem Stammkapital von 50.000 DM und an einer [X.]. An der GmbH waren vor dem [X.]rbfall auch die Klägerin und B beteiligt gewesen, an der [X.] aber nicht.

2

Zur [X.]rfüllung des Anspruchs der [X.] auf Zugewinnausgleich übertrugen die Klägerin und B durch notariell beurkundete [X.]ereinbarung vom 17. Mai 2002 Anteile an der GmbH im Nominalwert von 20.000 DM sowie 40 % der Anteile am [X.]ermögen der [X.] auf [X.]. Sie teilten dazu den GmbH-Anteil des [X.] in zwei Stammeinlagen von 20.000 DM und 18.000 DM und traten die Stammeinlage von 20.000 DM an [X.] ab.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) setzte die [X.]rbschaftsteuer gegen die Klägerin zunächst mit Bescheid vom 5. März 2004 unter dem [X.]orbehalt der Nachprüfung fest. Dabei nahm das [X.] an, dass die Übertragung der Gesellschaftsanteile an der GmbH und der [X.] auf [X.] zur [X.]rfüllung des [X.] zum anteiligen Wegfall der Steuervergünstigung nach § 13a Abs. 2 des [X.]rbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung ([X.]rbStG) geführt habe. Den auf die Klägerin entfallenden Anteil am Zugewinnausgleichsanspruch der [X.] berücksichtigte das [X.] in voller Höhe als Nachlassverbindlichkeit. Den von [X.] geltend gemachten Pflichtteilsanspruch zog das [X.] im Hinblick auf die Steuervergünstigung nach § 13a Abs. 2 [X.]rbStG, die für den [X.]rwerb des der Klägerin verbliebenen Anteils an der GmbH gewährt wurde, nur zum Teil als Nachlassverbindlichkeit ab.

4

Mit der [X.]inspruchsentscheidung vom 17. November 2010 erhöhte das [X.] die [X.]rbschaftsteuer auf 1.867.225 DM (954.696,98 €). Für die von der Klägerin erworbenen Anteile an der GmbH und der [X.] im Wert von 21.361.320 DM bzw. 826.385 DM gewährte es neben dem in § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]rbStG vorgesehenen Freibetragsanteil von 250.000 DM einen Abschlag nach § 13a Abs. 2 [X.]rbStG in Höhe von 4.103.986 DM. Den auf die Klägerin entfallenden Anteil am Pflichtteilsanspruch der [X.] ließ es nur mit einem Teilbetrag von 1.744.535 DM zum Abzug als Nachlassverbindlichkeit zu. Den Anteil an der [X.], der nach seiner Ansicht auf den nach § 13a Abs. 2 [X.]rbStG begünstigten [X.]rwerb der Beteiligung an der GmbH entfällt und sich auf 288.983 DM beläuft, berücksichtigte es nicht als abziehbare Nachlassverbindlichkeit. Die Begünstigung des [X.]rwerbs der Beteiligung an der [X.] nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 [X.]rbStG führte nicht zu einer weiteren Kürzung der abziehbaren [X.].

5

Mit dem während des Klageverfahrens ergangenen Änderungsbescheid vom 17. Mai 2011 setzte das [X.] die [X.]rbschaftsteuer wegen einer Neuberechnung der [X.]rbfallkosten ausgehend von einem nicht abgerundeten steuerpflichtigen [X.]rwerb von 9.789.568 DM auf 1.860.005 DM (951.005,46 €) herab.

6

Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage mit der Begründung ab, das [X.] habe die Übertragung der Gesellschaftsanteile an der GmbH und der [X.] auf [X.] zum Ausgleich ihres [X.] zu Recht als [X.]eräußerung i.S. des § 13a Abs. 5 [X.]rbStG angesehen und ebenfalls zutreffend die [X.] nur teilweise als Nachlassverbindlichkeit abgezogen. Das Urteil des [X.] ist in Zeitschrift für [X.]rbrecht und [X.]ermögensnachfolge 2014, 566 veröffentlicht.

7

Mit der Revision rügt die Klägerin die [X.]erletzung von § 13a Abs. 5 Nr. 1 Satz 1 und Nr. 4 und § 10 Abs. 6 [X.]rbStG.

8

Die Klägerin beantragt, die [X.]orentscheidung aufzuheben und den [X.]rbschaftsteuerbescheid vom 17. Mai 2011 dahingehend zu ändern, dass bei der Berechnung der [X.]rbschaftsteuer die Steuervergünstigungen nach § 13a [X.]rbStG für den vollen Wert der erworbenen Anteile an der GmbH (21.361.320 DM) und an der [X.] (826.385 DM) gewährt werden und die [X.] in voller Höhe von 2.033.518 DM als Nachlassverbindlichkeit abgezogen wird.

9

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das [X.], das dem [X.]erfahren aufgrund einer Aufforderung durch den [X.] --BFH-- (Beschluss vom 18. Februar 2015 II R 12/14, BFH[X.] 248, 222, [X.], 501) gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) beigetreten ist, teilt die Ansicht des [X.].

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Herabsetzung der [X.]rbschaftsteuer auf 922.930,42 € (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]O). Das [X.] hat zwar zutreffend angenommen, dass die teilweise Übertragung der Anteile an der GmbH und der [X.] zum anteiligen rückwirkenden Wegfall der Steuervergünstigung nach § 13a Abs. 2 [X.] geführt hat. [X.]ntgegen der Ansicht des [X.] ist aber die [X.] in voller Höhe als Nachlassverbindlichkeit abzuziehen.

1. Die teilweise Übertragung der Gesellschaftsanteile an der GmbH und der [X.] zur [X.]rfüllung ihres Zugewinnausgleichsanspruchs führte gemäß § 13a Abs. 5 Nr. 1 und Nr. 4 [X.] zum anteiligen rückwirkenden Wegfall des verminderten Wertansatzes (§ 13a Abs. 2 [X.]).

a) Der Freibetrag oder Freibetragsanteil des § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] und der verminderte Wertansatz nach dessen Abs. 2 werden u.a. gewährt, wenn inländisches Betriebsvermögen i.S. des § 13a Abs. 4 Nr. 1 [X.] oder Anteile an Kapitalgesellschaften i.S. des § 13a Abs. 4 Nr. 3 [X.] beim [X.]rwerb von Todes wegen auf den [X.]rwerber übergehen. Zum begünstigten inländischen Betriebsvermögen (§ 12 Abs. 5 [X.]) gehören gemäß § 13a Abs. 4 Nr. 1 [X.] auch Anteile an einer [X.] und Abs. 3 des [X.]inkommensteuergesetzes ([X.]StG).

b) Nach § 13a Abs. 5 Nr. 1 Satz 1 [X.] fallen der Freibetrag oder Freibetragsanteil und der verminderte Wertansatz mit Wirkung für die Vergangenheit u.a. weg, soweit der [X.]rwerber innerhalb von fünf Jahren nach dem [X.]rwerb einen Anteil an einer Gesellschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 [X.]StG veräußert. Unter Veräußerung ist jede entgeltliche Übertragung des begünstigt erworbenen Mitunternehmeranteils zu verstehen. Die Steuervergünstigungen fallen unabhängig davon weg, aus welchen Gründen der Mitunternehmeranteil veräußert wird und ob die Veräußerung freiwillig oder unfreiwillig erfolgt, und somit auch dann, wenn der [X.]rwerber den Mitunternehmeranteil zur [X.]rfüllung von Pflichtteilsansprüchen oder sonstigen Nachlassverbindlichkeiten auf den Gläubiger überträgt ([X.]-Urteil vom 26. Februar 2014 II R 36/12, [X.], 449, [X.], 581). Zu den Nachlassverbindlichkeiten in diesem Sinne zählt auch ein Zugewinnausgleichsanspruch des überlebenden [X.]hegatten.

Wird nur ein Teil des erworbenen Mitunternehmeranteils veräußert, fallen die Steuervergünstigungen nur zu einem entsprechenden Teil weg. Der Freibetrag oder Freibetragsanteil des § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] entfällt nur, soweit der Wert des nach der Veräußerung verbleibenden begünstigt erworbenen Vermögens niedriger als der Freibetrag oder Freibetragsanteil ist (zutreffend [X.] 1 Sätze 5 und 6 der [X.] --[X.]-- vom 21. Dezember 1998, [X.], Sondernummer 2, 2, und [X.] 1 Sätze 5 und 6 [X.] 2003, [X.], Sondernummer 1, 2).

c) Veräußert der [X.]rwerber einen nach § 13a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 Nr. 3 [X.] begünstigt erworbenen Anteil an einer Kapitalgesellschaft innerhalb von fünf Jahren nach dem [X.]rwerb ganz oder teilweise, führt dies ebenfalls unabhängig vom Grund der Veräußerung und deren Freiwilligkeit oder Unfreiwilligkeit gemäß § 13a Abs. 5 Nr. 4 Satz 1 [X.] zum vollständigen oder teilweisen rückwirkenden Wegfall der Steuervergünstigungen.

Ist der [X.]rwerber bereits vor dem nach § 13a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 [X.] begünstigten [X.]rwerb eines Anteils an einer GmbH an dieser als Gesellschafter beteiligt gewesen, so behalten sein ursprünglicher Anteil und der hinzuerworbene Anteil gemäß § 15 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) ihre Selbständigkeit. Veräußert der [X.]rwerber seinen ursprünglichen Anteil, wirkt sich dies auf die Steuervergünstigungen nach § 13a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 Nr. 3 [X.] für den hinzuerworbenen Anteil nicht aus. Veräußert er hingegen den begünstigt erworbenen Anteil innerhalb von fünf Jahren nach dem [X.]rwerb, führt dies gemäß § 13a Abs. 5 Nr. 4 Satz 1 [X.] zum rückwirkenden Wegfall der Steuervergünstigungen. Hält ein Gesellschafter einer GmbH mehrere Anteile und veräußert er diese teilweise, so muss in dem notariell beurkundeten [X.] oder die Verpflichtung zur Abtretung (§ 15 Abs. 3 und 4 GmbHG) hinreichend bestimmt angegeben werden, auf welchen Geschäftsanteil sich diese Vereinbarung bezieht (Urteil des [X.] vom 11. Februar 1998  3 [X.], [X.] 1998, 250). Wird in einem derartigen notariell beurkundeten Vertrag ausdrücklich die Veräußerung und Abtretung des von Todes wegen erworbenen Anteils an der GmbH vereinbart, gibt es keine Grundlage für die Anwendung der Regelung in [X.] 2 [X.] 1998 und 2003, nach der dann, wenn der [X.]rwerber begünstigter Anteile an einer Kapitalgesellschaft bereits vor dem [X.]rwerb an dieser Gesellschaft beteiligt war, bei einer teilweisen Veräußerung seiner Anteile an der Kapitalgesellschaft davon auszugehen ist, dass er zunächst die ihm bereits früher gehörenden Anteile veräußert ([X.], Der Betrieb 1997, 1588). Dies berücksichtigt nunmehr die einschränkende Regelung in [X.] 13a.9 Abs. 1 Satz 2 [X.] 2011 ([X.], Sondernummer 1, 2), nach der in den genannten Fällen "regelmäßig davon ausgegangen werden kann", dass der [X.]rwerber zunächst die ihm bereits früher gehörenden Anteile veräußert. Die ausdrückliche Veräußerung des von Todes wegen erworbenen Anteils an einer GmbH ist eine Ausnahme von dieser Regel.

d) Aufgrund der teilweisen Übertragung der Anteile an der [X.] und der GmbH auf [X.] zur [X.]rfüllung ihres Zugewinnausgleichsanspruchs sind somit gemäß § 13a Abs. 5 Nr. 1 und Nr. 4 [X.] die Voraussetzungen für die Steuervergünstigung nach § 13a Abs. 2 [X.] rückwirkend anteilig weggefallen. Da die Klägerin für die [X.]rfüllung des Zugewinnausgleichsanspruchs einen Teil des von V geerbten Anteils an der GmbH verwendet hat, kann sie nicht so behandelt werden, als hätte sie dazu den ihr bereits früher gehörenden Anteil übertragen.

2. Der von [X.] gegen die Klägerin geltend gemachte Pflichtteilsanspruch von 2.033.518 [X.] ist in voller Höhe als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen.

a) Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 Nr. 2 [X.] kann der [X.]rbe vom Wert des gesamten Vermögensanfalls die Verbindlichkeiten aus geltend gemachten Pflichtteilen abziehen. § 10 Abs. 6 Satz 5 [X.] begründet in Fällen, in denen zum Nachlass ein Anteil an einer GmbH gehört, dessen [X.]rwerb nach § 13a [X.] begünstigt ist, keine [X.]inschränkung dieses Abzugs.

aa) Schulden und Lasten, die mit dem nach § 13a [X.] befreiten Vermögen eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft oder mit den nach § 13a [X.] befreiten Anteilen an Kapitalgesellschaften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind gemäß § 10 Abs. 6 Satz 5 [X.] nur mit dem Betrag abzugsfähig, der dem Verhältnis des nach Anwendung des § 13a [X.] anzusetzenden Werts dieses Vermögens zu dem Wert vor Anwendung des § 13a [X.] entspricht. Schulden und Lasten, die mit dem nach § 13a [X.] befreiten Betriebsvermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind demgegenüber gemäß § 10 Abs. 6 Satz 4 [X.] in vollem Umfang abzugsfähig.

bb) Mit dem auch in den Sätzen 1, 2 und 3 des § 10 Abs. 6 [X.] verwendeten Merkmal des wirtschaftlichen Zusammenhangs ist dasselbe gemeint wie in § 103 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes --[X.]-- ([X.]-Urteil vom 6. Juli 2005 II R 34/03, [X.][X.] 210, 463, [X.], 797). [X.]in wirtschaftlicher Zusammenhang von Schulden mit der Gesamtheit oder einzelnen Teilen des Betriebsvermögens i.S. des § 103 Abs. 1 [X.] wird angenommen, wenn die [X.]ntstehung der Schuld ursächlich und unmittelbar auf Vorgängen beruht, die das Betriebsvermögen betreffen ([X.]-Urteile vom 19. Februar 1982 III R 108/80, [X.][X.] 135, 338, BStBl II 1982, 449, und in [X.][X.] 210, 463, [X.], 797). Dieser Zusammenhang ist insbesondere dann zu bejahen, wenn die Schuld zum [X.]rwerb, zur Sicherung oder zur [X.]rhaltung des jeweiligen Vermögens eingegangen worden ist. Dagegen reicht es nicht aus, wenn lediglich ein rechtlicher Zusammenhang zwischen der Schuld und dem begünstigten Vermögen besteht ([X.]-Urteil in [X.][X.] 210, 463, [X.], 797).

cc) Schulden und Lasten können danach nur mit bestimmten zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenständen oder Vermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der [X.]rbe ein Darlehen zu tilgen hat, das der [X.]rblasser zum Kauf eines zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenstands (z.B. Grundstück, Beteiligung an einer Personengesellschaft oder Anteil an einer Kapitalgesellschaft) aufgenommen hatte. Fehlt es an einem solchen konkreten Zusammenhang einer Nachlassverbindlichkeit mit bestimmten zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenständen oder Vermögen, so wird ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit allen zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenstände und Vermögen nicht allein dadurch begründet, dass der [X.]rbe zur [X.]rfüllung der Verbindlichkeit verpflichtet ist. Diese Verpflichtung des [X.]rben begründet keinen wirtschaftlichen, sondern allenfalls einen rechtlichen Zusammenhang.

Hätte der Gesetzgeber anordnen wollen, dass sämtliche Nachlassverbindlichkeiten, die nicht in einem konkreten wirtschaftlichen Zusammenhang mit bestimmten zum Nachlass gehörenden aktiven Vermögensgegenständen oder Vermögen stehen, nur mit dem Anteil abzugsfähig sind, der dem Verhältnis der Verkehrswerte oder Steuerwerte der steuerpflichtigen Vermögensgegenstände zum entsprechenden Wert des steuerfreien Vermögens entspricht, hätte er dies anordnen können und müssen. Für eine derartige Aufteilung durch die Finanzverwaltung und die Rechtsprechung findet sich in § 10 Abs. 6 [X.] keine Rechtsgrundlage. Der Wortlaut des § 10 Abs. 6 Satz 5 [X.] betrifft nur den Fall, dass nach Anwendung des § 13a [X.] ein anzusetzender Wert des nach § 13a [X.] begünstigten Vermögens verbleibt.

Für diese Auslegung des § 10 Abs. 6 Satz 5 [X.] spricht auch die in § 10 Abs. 6 Satz 4 [X.] getroffene Regelung, nach der Schulden und Lasten, die mit dem nach § 13a [X.] befreiten Betriebsvermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, in vollem Umfang abzugsfähig sind. Dies bestätigt die Ansicht, dass der von § 10 Abs. 6 [X.] vorausgesetzte wirtschaftliche Zusammenhang nur gegeben ist, wenn Schulden oder Lasten bestimmten zum Nachlass gehörenden aktiven Vermögensgegenständen oder Vermögen zugeordnet werden können, nicht aber bei anderen Nachlassverbindlichkeiten, bei denen eine solche konkrete Zuordnung nicht möglich ist. Hätte der Gesetzgeber dies an[X.] gesehen, ist anzunehmen, dass er unter Berücksichtigung der Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) an Steuergesetze für den nach § 13a [X.] begünstigten [X.]rwerb von Betriebsvermögen keine Ausnahme von der nur anteiligen Abziehbarkeit solcher Nachlassverbindlichkeiten wie etwa der [X.] gemacht hätte.

dd) Von dieser Auslegung des § 10 Abs. 6 [X.] geht im Grundsatz auch die Finanzverwaltung aus. Nach [X.] 2 Satz 2 [X.] 2003 und [X.] 10.10 Abs. 2 Satz 2 [X.] 2011 besteht "bei anderen allgemeinen Nachlassverbindlichkeiten" kein wirtschaftlicher Zusammenhang mit den einzelnen erworbenen Vermögensgegenständen. Diese allgemeinen Nachlassverbindlichkeiten sind daher auch dann in voller Höhe abziehbar, wenn zum [X.]rwerb von Todes wegen ganz oder teilweise steuerbefreite Vermögensgegenstände oder Vermögen i.S. des § 10 Abs. 6 [X.] gehören. Zu den allgemeinen Nachlassverbindlichkeiten rechnet die Finanzverwaltung beispielsweise Steuerschulden, ein Konsumentendarlehen (H [X.] 10.10 "[X.]" der Hinweise zu den [X.] 2011, [X.], Sondernummer 1, 117) und die [X.]rbfallkosten (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 [X.]), ferner bisher auch die Pflicht des [X.]rben zur Zahlung des Zugewinnausgleichs an den überlebenden [X.]hegatten des [X.]rblassers (an[X.] nunmehr der im [X.]invernehmen mit den obersten Finanzbehörden der anderen Länder ergangene [X.]rlass des [X.] vom 14. Januar 2015  3-S381.0/46, [X.]rbSt-Kartei BW § 10 [X.] Karte 31).

ee) Bei Pflichtteilsansprüchen besteht demgegenüber nach Ansicht der Finanzverwaltung ([X.] 2 Satz 1 [X.] 2003, [X.] 10.10 Abs. 2 Satz 1 [X.] 2011) ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit den einzelnen erworbenen Vermögensgegenständen unabhängig davon, inwieweit sie steuerbar oder steuerbefreit sind, so dass diese Last von der Beschränkung des Abzugs nach § 10 Abs. 6 [X.] erfasst wird.

Dieser Ansicht der Finanzverwaltung kann nicht gefolgt werden. Die Pflicht des [X.]rben zur [X.]rfüllung eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs steht ebenso wenig in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den einzelnen erworbenen Vermögensgegenständen wie die anderen allgemeinen Nachlassverbindlichkeiten.

Die Bemessung des Pflichtteils nach dem Wert des Nachlasses (§§ 2311 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--) begründet keinen wirtschaftlichen, sondern allenfalls einen rechtlichen Zusammenhang der [X.] mit den zum Nachlass gehörenden aktiven Vermögensgegenständen oder Vermögen ([X.], Zeitschrift für [X.]rbrecht und Vermögensnachfolge 2006, 199; [X.]., [X.]rbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 16. Aufl., § 10 Rz 55). Nach dem [X.]-Urteil vom 2. März 1993 VIII R 47/90 ([X.][X.] 170, 566, BStBl II 1994, 619, unter 1.d) ist der Pflichtteilsanspruch nicht gegenständlich konkretisiert in Bezug auf das Betriebsvermögen oder einzelne betriebliche Wirtschaftsgüter. Diese [X.]ntscheidung lässt sich dahingehend verallgemeinern, dass der Pflichtteilsanspruch nicht gegenständlich konkretisiert in Bezug auf die zum Nachlass gehörenden aktiven Vermögensgegenstände oder Vermögen ist und es somit an einem wirtschaftlichen Zusammenhang der [X.] mit diesen Vermögensgegenständen oder Vermögen fehlt.

[X.]in anderer sachlicher Grund, der es unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) rechtfertigen könnte, dass bei teilweiser Steuerpflicht und teilweiser Steuerfreiheit eines [X.]rwerbs von Todes wegen der [X.]rbe, der einen bestimmten Betrag als Pflichtteil schuldet, mit einer höheren [X.]rbschaftsteuer belastet wird als wenn er diesen Betrag beispielsweise als Vermächtnis an den Pflichtteilsberechtigten oder an einen [X.] oder als andere allgemeine Nachlassverbindlichkeit (z.B. vom [X.]rblasser aufgenommenes Konsumentendarlehen) zahlen müsste, ist nicht ersichtlich.

Dem [X.]-Urteil vom 21. Juli 1972 III R 44/70 ([X.][X.] 107, 147, [X.] 1973, 3) lässt sich nichts anderes entnehmen. Der [X.] hat in diesem Urteil zwar ausgeführt, zwischen dem [X.] aufgrund des [X.]rbfalls und der durch den [X.]rbfall ausgelösten Verpflichtung der [X.]rben zur Zahlung des Pflichtteils bestehe grundsätzlich ein bei der Besteuerung zu beachtender wirtschaftlicher Zusammenhang. Dieses Urteil betraf aber zum einen nicht die Auslegung des § 10 Abs. 6 [X.], sondern die Frage, ob die Verpflichtung der [X.]rben zur Zahlung des Pflichtteils bei der [X.]rmittlung des nach dem Lastenausgleichsgesetz abgabepflichtigen Inlandsvermögens vom [X.] abzuziehen ist, soweit sie auf das Inlandsvermögen entfällt. Zum anderen setzen das [X.]ntstehen eines Pflichtteilsanspruchs und die Pflicht zur [X.]rfüllung dieses Anspruchs an[X.] als vom [X.] in dem Urteil angenommen keine Verfügung des [X.]rblassers von Todes wegen voraus, durch die ein gesetzlicher [X.]rbe von der [X.]rbfolge ausgeschlossen und der zur Zahlung des Pflichtteils verpflichtete [X.]rbe eingesetzt wurde. Vielmehr kann es auch bei gesetzlicher [X.]rbfolge zum [X.]ntstehen eines Pflichtteilsanspruchs kommen, nämlich in den Fällen des § 1371 Abs. 3 Halbsatz 1 i.V.m. § 2303 Abs. 2 Satz 2 BGB bei Ausschlagung der [X.]rbschaft bzw. des [X.]rbteils. Auch einem [X.]rben kann gemäß § 2305 BGB ein Pflichtteilsanspruch zustehen, nämlich wenn der [X.]rbteil geringer ist als die Hälfte des gesetzlichen [X.]rbteils.

b) Der von [X.] gegen die Klägerin geltend gemachte Pflichtteilsanspruch von 2.033.518 [X.] ist somit in voller Höhe als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen.

3. Das [X.] hat den auf die Klägerin entfallenden Anteil am Zugewinnausgleichsanspruch der [X.] zu Recht in voller Höhe als Nachlassverbindlichkeit abgezogen. Diese Nachlassverbindlichkeit ist ebenfalls unabhängig von der Zusammensetzung des Nachlasses in voller Höhe abziehbar. [X.]in wirtschaftlicher Zusammenhang mit allen zum Nachlass gehörenden aktiven Vermögensgegenständen  oder Vermögen wird nicht dadurch begründet, dass diese Vermögensgegenstände oder Vermögen gemäß § 1371 Abs. 2 i.V.m. §§ 1373 bis 1376, 1378 BGB bei der Berechnung der Höhe des Anspruchs auf Zugewinnausgleich berücksichtigt werden.

4. Die [X.]rbschaftsteuer ist demnach abweichend vom Bescheid vom 17. Mai 2011 wie folgt zu berechnen:

steuerpflichtiger [X.]rwerb vor Abrundung bisher 

9.789.568 [X.]

zusätzlich abzuziehender Pflichtteil

288.983 [X.]

steuerpflichtiger [X.]rwerb nach Abrundung neu

9.500.500 [X.]

Steuersatz wie bisher 19 %

        

festzusetzende Steuer

1.805.095 [X.]

entspricht

922.930,42 €

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 [X.]O.

Meta

II R 12/14

22.07.2015

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 19. November 2013, Az: 1 K 3364/10, Urteil

§ 10 Abs 6 ErbStG 1997, § 13a ErbStG 1997, § 13a Abs 1 S 1 Nr 1 ErbStG 1997, § 13a Abs 5 Nr 1 S 1 ErbStG 1997, § 13a Abs 5 Nr 4 S 1 ErbStG 1997, § 13a Abs 2 ErbStG 1997, § 10 Abs 1 S 2 ErbStG 1997, § 10 Abs 5 Nr 2 ErbStG 1997, § 10 Abs 6 S 5 ErbStG 1997, § 2311 BGB, §§ 2311ff BGB, § 15 GmbHG, R 67 Abs 1 S 5 ErbStR 1998, R 66 Abs 1 S 2 ErbStR 1998, R 67 Abs 1 S 6 ErbStR 1998, R 67 Abs 1 S 5 ErbStR 2003, R 67 Abs 1 S 6 ErbStR 2003, R 66 Abs 1 S 2 ErbStR 2003, R 31 Abs 2 S 1 ErbStR 2003, R E13a.9 Abs 1 S 2 ErbStR 2011, R E10.10 Abs 2 S 1 ErbStR 2011

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.07.2015, Az. II R 12/14 (REWIS RS 2015, 7757)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 7757

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