Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.11.2012, Az. 2 StR 388/12

2. Strafsenat | REWIS RS 2012, 1323

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Gegenstand

Verletzung von Dienstgeheimnissen: Weitergabe von Daten aus den Informationssystemen POLIS und ZEVIS


Tenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 8. Februar 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Im Fall [X.] der Urteilsgründe wird der Angeklagte freigesprochen; die ausscheidbaren Verfahrenskosten und die dem Angeklagten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.

3. Im Übrigen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen "Verletzung von [X.]" in 18 Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Verletzung des [X.] zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen verurteilt. Mit ihrer auf die Rüge einer Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision bemängelt die Staatsanwaltschaft die Beweiswürdigung des [X.]s zur subjektiven Tatseite hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen im Sinne des § 353b Abs. 1 StGB. Sie beanstandet als rechtsfehlerhaft, dass das [X.] in allen Fällen lediglich eine fahrlässige Verwirklichung dieses Merkmals angenommen hat.

2

Das - vom [X.] vertretene - Rechtsmittel hat in dem aus dem [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg und wirkt teilweise auch zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO).

I.

3

1. Nach den Feststellungen des [X.]s hatte der Angeklagte aufgrund seiner Funktion als Polizeibeamter des [X.] mittels ihm individuell zugeordneter Zugangsdaten Zugriff auf die Datenbestände u.a. des polizeilichen Informationssystems [X.] und des zentralen Verkehrsinformationssystems des [X.] Kraftfahrtbundesamtes [X.]. Während [X.] eine kriminalpolizeiliche Sammlung personenbezogener Daten von bereits polizeilich in Erscheinung getretenen Personen darstellt, sind in dem Informationssystem [X.] u.a. personenbezogene Daten zu den [X.] der in [X.] registrierten Kraftfahrzeuge gespeichert.

4

Im Zeitraum von Mai 2008 bis August 2009 führte der Angeklagte im Auftrag seines Bekannten [X.], der Bordelle betrieb, in 18 Fällen verschiedene Abfragen in beiden Datenbanken durch. Die jeweiligen Rechercheergebnisse aus insgesamt 15 Personenüberprüfungen im Informationssystem [X.] und die Halterdaten aus insgesamt vier Kennzeichenüberprüfungen im Informationssystem [X.] übermittelte er anschließend an seinen Auftraggeber [X.]. Bei sieben der Personenüberprüfungen waren zu den abgefragten Personalien keine Einträge in der [X.]-Datenbank vorhanden, was der Angeklagte dem gesondert Verfolgten [X.]in Form einer Negativauskunft mitteilte. In den acht übrigen Fällen der [X.]-Abfragen offenbarte der Angeklagte seine hierdurch gewonnenen Erkenntnisse über Strafverfahren und Vorstrafen; dabei gab der Angeklagte in einem Fall zu einer von ihm abgefragten Person neben der Information über eine Vorstrafe auch einen Ausdruck von [X.] aus einer erkennungsdienstlichen Behandlung an [X.]weiter.

5

Dieser setzte die ihm übermittelten Informationen zielgerichtet ein, um Dritte unter Druck zu setzen und gefügig zu machen. So beteuerte er seine guten Kontakte zur Polizei und untermauerte dies glaubhaft durch die Lancierung der von dem Angeklagten erhaltenen Informationen. Auf diese Weise entstand bei zahlreichen [X.] insbesondere im Umfeld seines Bordellbetriebs der Eindruck, dass [X.]jederzeit alles über sie bei der Polizei in Erfahrung bringen könne. Zahlreiche Prostituierte ließen sich wegen des Umstands, dass sie um die "guten Verbindungen" des gesondert verfolgten [X.]zur Polizei wussten, in ihrem (Aussage-)Verhalten beeindrucken, und ihr Vertrauen in die öffentliche Verwaltung wurde so sehr erschüttert, dass sie eine Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden, teilweise auch aus Angst und Ungewissheit bezüglich der staatlichen Informationsverarbeitung, ablehnten.

6

Der Angeklagte hingegen, der eine Gegenleistung für seine Bemühungen nicht erhielt, ging davon aus, dass [X.]an den Informationen deshalb interessiert sei, "um im Zusammenhang mit dem Betrieb und der Vermietung seiner Bordelle mit der Polizei keinen Ärger zu bekommen, damit der Betrieb nicht geschäftsschädigend gestört würde". Er meinte, mit seinen Auskünften dadurch zur Prävention von Straftaten beizutragen, dass er [X.]durch die Informationsweitergabe in die Lage versetzte, die Beschäftigung von einschlägig in Erscheinung getretenen Personen zu unterlassen. Weiterhin glaubte der Angeklagte in der Folgezeit, durch seine Informationsweitergabe den gesondert Verfolgten [X.]als Zuträger von Informationen aus dem Rotlichtmilieu für die Polizei gewinnen zu können.

7

2. Das [X.] ist in subjektiver Hinsicht bezüglich des Tatbestandsmerkmals der Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen davon ausgegangen, dem Angeklagten sei bei den jeweiligen Tathandlungen bewusst gewesen, dass er das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität und Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung sowie eine effektive Bewältigung polizeilicher Aufgaben gefährden könnte. Es hat aus dem Umstand, dass der Angeklagte selbst es für erforderlich gehalten hatte, [X.]mehrfach ausdrücklich auf die Notwendigkeit einer vertraulichen Behandlung der übermittelten Informationen hinzuweisen, zwar den Schluss gezogen, dass der Angeklagte es für möglich gehalten habe, [X.]könne die weitergegebenen Daten [X.] offenbaren. Das [X.] ist jedoch zu der Überzeugung gelangt, der Angeklagte habe diese Möglichkeit und eine hierdurch mögliche Gefährdung öffentlicher Interessen nicht billigend in Kauf genommen, sondern darauf vertraut, dass [X.]die vertraulichen Informationen für sich behalten werde. Zur Begründung hat das [X.] angeführt, der Angeklagte sei "(jedenfalls zunächst) auch" davon ausgegangen, dass "[X.]die Auskünfte aus dem System [X.] zur Überprüfung seiner Mitarbeiter haben wollte"; außerdem habe ihm [X.]"mehrfach versichert, die Informationen nicht an Dritte weiterzugeben".

II.

8

Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Ihr Rechtsmittel hat teilweise aber auch zugunsten des Angeklagten Erfolg, da die Nachprüfung des Urteils auch einen Rechtsfehler zu seinem Nachteil erbracht hat (§ 301 StPO; dazu unten II.3.).

9

1. Rechtsfehlerfrei hat das [X.] zunächst in den 15 Fällen (Fälle II.1, II.4 – [X.], [X.] und [X.] – [X.]), in denen der Angeklagte auf Aufforderung des gesondert verfolgten [X.]jeweils (auch) Zugriff auf das Informationssystem [X.] nahm und ihn über seine diesbezüglichen Rechercheergebnisse unterrichtete, den objektiven Tatbestand des § 353b Abs. 1 StGB bejaht. Sowohl bei den vom Angeklagten weitergegebenen Daten aus dieser polizeilichen Datensammlung, als auch bei dem mitgeteilten Umstand, dass zu bestimmten Personalien keine Erkenntnisse vorliegen, handelt es sich um Geheimnisse im Sinne des § 353b Abs. 1 StGB. Beides sind tatsächliche Gegebenheiten, deren Kenntnis wegen der beschränkten Zugriffsmöglichkeit auf das Informationssystem nicht über einen begrenzten Personenkreis hinausgeht. Dabei sind auch [X.] über fehlende Einträge in der polizeilichen Datensammlung geheimhaltungsbedürftig, da auch sie nachteilige Auswirkungen auf die polizeiliche Aufgabenerfüllung haben können etwa durch Minimierung des Kontrolldrucks, wie er im [X.] durch verstärkte Kontrolltätigkeit der Polizei zur Bekämpfung des Auf- und Ausbaus organisierter krimineller Strukturen gezielt erzeugt wird (vgl. Senat, Urteil vom 23. März 2001 – 2 [X.], [X.], 339, 340f., 344).

Ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden ist in den vorgenannten Fällen die Bewertung des [X.]s, dass durch die unbefugte Informationsweitergabe wichtige öffentliche Interessen konkret gefährdet wurden. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob durch die [X.], die nach den Feststellungen keine konkreten polizeilichen Maßnahmen berührten, schon eine unmittelbare Gefahr für wichtige öffentliche Interessen eingetreten ist; hierfür ließe sich die Wesensart der verletzten [X.] anführen, deren Offenbarung kriminelle Aktivitäten begünstigt, indem sie es interessierten Personen ermöglicht, das eigene Verhalten dem Erkenntnisstand der Behörde anzupassen, oder - im Falle fehlender Erkenntnisse der Polizei - größere Freiräume für polizeilich relevante Aktivitäten zu eröffnen (vgl. Senat, aaO, [X.], 343f.; [X.], Urteil vom 20. Dezember 2011 – [X.] RVs 218/11 u.a., BeckRS 2012, 06355). Jedenfalls hat das [X.] tragfähig eine mittelbare Gefährdung, die zur Verwirklichung dieses Tatbestandsmerkmals genügen kann (vgl. [X.], Urteil vom 19. Juni 1958 – 4 [X.], [X.]St 11, 401, 404; [X.], Urteil vom 22. Juni 2000 – 5 [X.], [X.], 596, 598), damit begründet, dass der gesondert verfolgte [X.]durch die Kundgabe der vom Angeklagten erlangten Informationen und die zielgerichtete Offenlegung seiner Verbindung zur Polizei das Vertrauen zahlreicher Bürger in die Integrität der Polizei erschüttert hat. Für eine effektive Wahrnehmung der ihr obliegenden präventiven und repressiven Aufgaben kommt der Integrität der Polizei und ihrer Beamten gerade auch in dem häufig durch zwangsweise Ausbeutung gekennzeichneten Prostitutionsmilieu besondere Bedeutung zu. Daher hat das [X.] in der Erschütterung des Vertrauens in die Polizeiarbeit zu Recht eine konkrete Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen gesehen.

2. Die der Verurteilung in den vorgenannten Fällen zugrunde liegende Überzeugungsbildung des [X.]s zur subjektiven Tatseite, der Angeklagte habe darauf vertraut, dass [X.]die erlangten Informationen für sich behalten werde, beruht demgegenüber auf einem durchgreifenden Rechtsfehler. Die Beweiswürdigung, bei der sich das [X.] insoweit maßgeblich auf die als glaubhaft erachtete Einlassung des Angeklagten gestützt hat, wonach er davon ausgegangen sei, dass [X.]die Daten allein zur Überprüfung seiner Mitarbeiter benötige, ist lückenhaft. Die [X.] hat sich dabei nicht mit der Einlassung des Angeklagten in seiner polizeilichen Vernehmung durch den Zeugen [X.]befasst. Diesem gegenüber hatte er eingeräumt, in den Anklagefällen 15 bis 20 (entsprechend Fälle II.15 bis [X.] der Urteilsgründe) Recherchen zu Kfz-[X.] und weiteren Personen in Kenntnis dessen vorgenommen zu haben, dass [X.]diese Daten habe bekommen wollen, um ein [X.] mit einem anderen Zuhälter wegen der Prostitutionsausübung auf einer Landstraße zu lösen. Das [X.] hat nicht bedacht, dass bei Zugrundelegung der früheren polizeilichen Angaben des Angeklagten auch aus seiner Sicht der gesondert Verfolgte [X.] jedenfalls diese Daten nicht zur Überprüfung seiner Mitarbeiter benötigt haben konnte und es sich - worauf der [X.] in seiner Zuschrift zutreffend hingewiesen hat - für den Angeklagten als einem nach den Feststellungen sehr erfahrenen Polizeibeamten naheliegend aufdrängte, dass [X.] die erlangten Informationen durch deren Präsentation zur Einschüchterung und Machtausübung nutzen würde.

Wegen des Zusammenhangs der Taten, für die das [X.] zusammenfassend Feststellungen zur Vorsatzfrage getroffen und hierzu ebenso zusammenfassend Beweisüberlegungen angestellt hat, beschränkt sich der [X.] nicht nur auf die drei Fälle [X.] und [X.] bis [X.] der Urteilsgründe, in denen der Angeklagte Daten aus dem Informationssystem [X.] seiner Einlassung im Ermittlungsverfahren zufolge an [X.]in Kenntnis von dessen "[X.]" weitergegeben hat, sondern er wirkt sich gleichermaßen auf die übrigen vorgenannten Fälle aus. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass mit der lückenhaften Beweiswürdigung sich widersprechende Urteilsfeststellungen zur subjektiven Tatseite einhergehen: Während das [X.] zum diesbezüglichen Sachverhalt zunächst festgestellt hat, der Angeklagte sei davon ausgegangen, dass "[X.]an den Informationen nur deshalb interessiert sei, um mit dem Betrieb und der Vermietung seiner Bordelle keinen Ärger zu bekommen" ([X.]), ist den Ausführungen zur rechtlichen Würdigung die nicht weiter erläuterte Einschränkung zu entnehmen, dass der Angeklagte "(jedenfalls zunächst) auch davon aus(ging), dass der gesondert Verfolgte [X.]   die Auskünfte aus dem System [X.] zur Überprüfung seiner Mitarbeiter haben wollte" ([X.] 22).

Dies führt zur Aufhebung des Urteils in sämtlichen 15 Fällen des Schuldspruchs wegen Verletzung des [X.]s, in denen der Angeklagte unbefugt Daten aus dem Informationssystem [X.] weitergab (Fälle II.1, II.4 [X.], [X.] und [X.] - [X.] der Urteilsgründe), einschließlich der beiden - für sich [X.] - tateinheitlichen Verurteilungen des Angeklagten wegen Verletzung des [X.] (Fälle [X.] und [X.] der Urteilsgründe).

3. Das [X.] hat auch in den drei Fällen, in denen der Angeklagte allein die ihm über das zentrale Verkehrsinformationssystem [X.] zugänglichen Halterdaten aus dem Zentralen Fahrzeugregister des [X.] zu den ihm von [X.]jeweils mitgeteilten Kennzeichen abfragte und an diesen weitergab (Fälle II.15 und [X.] – [X.] der Urteilsgründe), den Tatbestand der Verletzung des [X.]s gemäß § 353b Abs. 1 StGB als erfüllt angesehen. Insoweit führt die sachlichrechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils nach § 301 StPO zu dessen Aufhebung zu Gunsten des Angeklagten.  

a) Bei den von dem Angeklagten in [X.] recherchierten Halterdaten handelte es sich nicht um Geheimnisse im Sinne des § 353b Abs. 1 StGB. Unter [X.] sind Tatsachen zu verstehen, die nur einem begrenzten Personenkreis bekannt und zudem geheimhaltungsbedürftig sind (vgl. [X.], Senat, aaO, [X.], 340f.; [X.], Urteil vom 9. Dezember 2002 – 5 [X.], [X.]St 48, 126, 129; [X.]/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 353b Rn. 6). Dies trifft auf die nach § 33 Abs. 1 StVG im Zentralen Fahrzeugregister gespeicherten Halterdaten, die im Rahmen einer einfachen Registerauskunft nach § 39 Abs. 1 StVG jedermann zu den gesetzlich genannten Zwecken übermittelt werden dürfen, nicht zu.

Dabei kann offen bleiben, ob im Hinblick auf die gesetzlich geregelten Voraussetzungen der einfachen Registerauskunft schon faktisch keine nur einem begrenzten Personenkreis bekannten Daten vorliegen, wie dies für den Anwendungsbereich des § 203 Abs. 2 Satz 1 StGB in der Rechtsprechung angenommen worden ist, (vgl. [X.], Urteil vom 8. Oktober 2002 – 1 [X.], [X.]St 48, 28, 29f.; [X.], Beschluss vom 22. Januar 1998 – 2 Ss 105/97, [X.], 358; BayObLG, Beschluss vom 18. Januar 1999 – 5 [X.], NJW 1999, 1727; zust. [X.]/Pohlit in MüKoStGB, 2. Aufl., § 203 Rn. 93; [X.], StGB, 59. Aufl., § 203 Rn. 10); dagegen könnte sprechen, dass diese Voraussetzungen für die meisten Halterdaten nie und ansonsten nur in seltenen Fällen und für einen beschränkten Kreis von [X.] erfüllt sein werden. Es handelt sich bei den in § 39 Abs. 1 StVG genannten Daten eines [X.] wie dessen Name und Anschrift jedenfalls um keine Tatsachen, die ihrer Bedeutung nach der Geheimhaltung bedürfen und daher auch nicht der Amtsverschwiegenheit unterliegen (vgl. § 37 Abs. 2 Ziff. 2 BeamtStG). Dies folgt schon daraus, dass Zugangsvoraussetzung für den eine Halterauskunft nach § 39 Abs. 1 StVG Verlangenden lediglich die Darlegung eines berechtigten Interesses ist, das nicht einmal glaubhaft gemacht werden muss.

b) Soweit daher insoweit ausschließlich eine Strafbarkeit nach § 203 Abs. 2 Satz 2 StGB in Betracht kommt, fehlt es, wie der Senat aufgrund der von Amts wegen gebotenen Prüfung den Strafakten entnommen hat, in den Fällen [X.] und [X.] der Urteilsgründe an den gemäß § 205 Abs. 1 StGB erforderlichen Strafanträgen; im Fall II.15 der Urteilsgründe lässt sich die Frage, ob von dem Antragsberechtigten ein Strafantrag gestellt worden ist, anhand der Strafakten nicht sicher klären.

Die Antragsberechtigung als Verletzter im Sinne des § 77 Abs. 1 StGB richtet sich nach dem Träger des verletzten Rechtsguts. Danach ist bei § 203 StGB Verletzter nur diejenige Person, über deren personenbezogene Daten der Täter Auskunft gegeben hat. Antragsberechtigt sind daher nur die einzelnen Kraftfahrzeughalter, deren Daten der Angeklagte unbefugt weitergab (vgl. [X.], Urteil vom 8. Oktober 2002 – 1 [X.], [X.]St 48, 28, 33). Zu den von seinen Registerabfragen betroffenen Kraftfahrzeughaltern hat die [X.] keine Feststellungen getroffen. Während sich den Akten im Fall II.15 der Urteilsgründe nicht sicher entnehmen lässt, wer der betroffene Kraftfahrzeughalter des von dem Angeklagten abgefragten Kennzeichens war, kann der Senat im Fall [X.] der Urteilsgründe aus den Akten nicht ersehen, ob und gegebenenfalls wann der hier ermittelte Halter von einer gegen ihn gerichteten Straftat Kenntnis erlangt hat (vgl. § 77b Abs. 2 StGB). Da das insoweit derzeit bestehende Verfahrenshindernis nach Klärung der tatsächlichen Voraussetzungen noch entfallen kann, führt dies in beiden Fällen nicht zur Einstellung des Verfahrens gemäß § 260 Abs. 3 StPO, sondern zur Zurückverweisung der Sache.

Im Fall [X.] der Urteilsgründe hatte der von der [X.] betroffene Kraftfahrzeughalter im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung von der Weitergabe seiner Daten durch den Angeklagten Kenntnis erhalten, ohne innerhalb der ihm mitgeteilten Antragsfrist Strafantrag zu stellen. Da insoweit ergänzende tatrichterliche Feststellungen in einer neuerlichen Hauptverhandlung, die noch zu einer anderen rechtlichen Bewertung führen könnten, auszuschließen sind, war der Angeklagte nach § 354 Abs. 1 StPO freizusprechen (vgl. zum Vorrang des Freispruchs gegenüber einer Verfahrenseinstellung nach § 260 Abs. 3 StPO in Fällen tateinheitlichen Zusammentreffens unterschiedlich schwerer Tatvorwürfe [X.], Urteil vom 16. Februar 2005 - 5 StR 14/04, [X.]St 50, 16, 30 [X.]).

4. Weitere durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten liegen nicht vor. Zwar hielte es sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand, wenn das [X.] - was der angefochtenen Entscheidung nicht eindeutig zu entnehmen ist - die Verurteilung in den Fällen II.6, 10-13, 19 und 20 der Urteilsgründe auch auf die hier festgestellte Weitergabe von Daten aus dem Einwohnerinformationssystem [X.] durch den Angeklagten gestützt hätte. Denn diese Daten, die im Rahmen einer einfachen Melderegisterauskunft nach § 21 Abs. 1 [X.] auf Antrag ohne weiteres jedermann erhalten kann, sind offenkundig und damit keine Geheimnisse (vgl. [X.], Urteil vom 22. Juni 2000 – 5 [X.], [X.], 596, 597; [X.], aaO, § 353b Rn. 7c). Dieser etwaige Rechtsfehler hätte sich jedoch weder auf den Schuld- noch auf den Strafausspruch ausgewirkt. Letzteres ergibt sich schon daraus, dass das [X.] bei der Bemessung der Einzelstrafen für die Fälle der Verurteilung (allein) wegen Verletzung von [X.] gemäß § 353b StGB eine Differenzierung bei der [X.] nur danach vorgenommen hat, ob der Angeklagte aus dem polizeilichen Datenbestand von [X.] eine Negativauskunft weitergegeben oder daraus konkrete Erkenntnisse über die betroffene Person offenbart hatte.

Becker                              Appl                              Berger

              Eschelbach                            Ott

Meta

2 StR 388/12

15.11.2012

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Koblenz, 8. Februar 2012, Az: 2090 Js 28539/09 - 1 KLs

§ 353b Abs 1 StGB, § 33 Abs 1 StVG, § 39 Abs 1 StVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.11.2012, Az. 2 StR 388/12 (REWIS RS 2012, 1323)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1323

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

5 StR 283/23

3 StR 211/17

4 StR 545/16

4 StR 33/12

2 StR 388/12

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