Bundesfinanzhof, Beschluss vom 18.11.2010, Az. VII B 123/10

7. Senat | REWIS RS 2010, 1267

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Gegenstand

Zollschuldentstehung durch Verwendung eines falschen Verfahrenscodes - Nachträgliche Korrektur der Ausfuhranmeldung - Anforderungen an die Divergenzrüge


Leitsatz

1. NV: Werden Veredelungserzeugnisse aus dem aktiven Veredelungsverkehr durch Angabe eines falschen Verfahrenscodes zur Ausfuhr anstatt zur Wiederausfuhr angemeldet, werden sie durch fälschliche Zuerkennung des Status von Gemeinschaftswaren der zollamtlichen Überwachung entzogen .

2. NV: Eine nachträgliche Korrektur der abgegebenen Ausfuhranmeldung kommt nur in Betracht, wenn dadurch die Ziele des Verfahrens der aktiven Veredelung nicht gefährdet werden .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) war Inhaber einer Bewilligung zur aktiven Veredelung nach dem Nichterhebungsverfahren für einen zur Herstellung von Tabletten verwendeten pharmazeutischen Wirkstoff. Nach der ihr erteilten Bewilligung waren die [[[X.].].] innerhalb der festgelegten Frist für die Beendigung des Verfahrens mit dem Vordruck 0243 aus der Veredelung abzumelden, dem Hauptzollamt [[X.].] zu gestellen und aus dem Zollgebiet auszuführen oder in ein anderes sich anschließendes Zollverfahren zu überführen. Nach Ablauf der [[X.].] für sechs Einfuhrsendungen des pharmazeutischen Wirkstoffs erinnerte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --[[X.].]--) an die Beendigung des Veredelungsverfahrens und gewährte insoweit eine Fristverlängerung. Die Klägerin führte daraufhin die von ihr hergestellten Tabletten mit mehreren Sendungen in die [[X.].] aus, wofür sie ihr als zugelassener Ausführer zur Verfügung stehende, vom Hauptzollamt [[X.].] vorabgestempelte Ausfuhranmeldungen und darauf den für die Ausfuhr von Gemeinschaftswaren vorgesehenen [[X.].] 1000 verwendete, statt des Codes 3151, der für die Wiederausfuhr von Waren gilt, die einem Nichterhebungsverfahren unterliegen.

2

Wegen Verwendung des unzutreffenden [[X.].]s 1000 setzte das [[X.].] die auf die [[X.].] entfallenden Einfuhrabgaben (Zoll, Einfuhrumsatzsteuer sowie Ausgleichszinsen) gegen die Klägerin fest, die die Klägerin entrichtete, deren teilweise Erstattung (Zoll und Ausgleichszinsen) sie jedoch beantragte, was das [[X.].] ablehnte.

3

Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das [[X.].] ([[X.].]) ab. Das [[X.].] urteilte, eine Erstattung der Einfuhrabgaben komme nicht in Betracht, weil die Klägerin die Abgaben im Zeitpunkt der Zahlung gemäß Art. 203 des Zollkodex ([[X.].]) geschuldet habe. Mit der Verwendung des [[X.].]s 1000 anstelle des zutreffenden Codes 3151 habe die Klägerin Waren zur endgültigen Ausfuhr angemeldet, für die kein anderes Zollverfahren vorangegangen sei, und habe damit den auszuführenden Waren fälschlicherweise den Status von Gemeinschaftswaren zuerkannt, was gemäß Art. 865 Abs. 1 der Zollkodex-Durchführungsverordnung ([[X.].]DVO) als Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung gelte.

4

Eine nachträgliche Korrektur dieser falschen Anmeldung unter Anwendung des Art. 78 Abs. 3 [[X.].] komme nach dem Urteil des Gerichtshofs der [[X.].] ([[X.].]) vom 14. Januar 2010 [[X.].]/08 und [[X.].]/08 --Terex Equipment-- (Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2010, 45) nur in Betracht, wenn die Ziele des Verfahrens der aktiven Veredelung nicht gefährdet worden seien. Dies sei jedoch vorliegend der Fall, weil auch bei einer Änderung in den zutreffenden [[X.].] die Abgabenschuld nach Art. 204 Abs. 1 Buchst. a [[X.].] durch Verletzung der der Klägerin obliegenden Pflichten entstanden sei. Die Klägerin habe in nicht zulässiger Weise auf das ihr bewilligte Anschreibeverfahren zurückgegriffen und vorabgestempelte Ausfuhranmeldungen des Hauptzollamts [[X.].] verwendet, anstatt die [[[X.].].] --wie in der ihr erteilten Bewilligung vorgeschrieben-- mit dem Vordruck 0243 (Abmeldung von Waren aus der aktiven Veredelung) beim für die Beendigung des Verfahrens zuständigen Hauptzollamt [[X.].] aus der aktiven Veredelung abzumelden und auch dort zur Ausfuhr zu gestellen. Diese Pflichtverletzung habe sich nachweislich auf die ordnungsgemäße Abwicklung der aktiven Veredelung ausgewirkt, weil die Nämlichkeit der ausgeführten [[[X.].].] nicht habe nachgeprüft und die Menge der darin enthaltenen sowie der noch in der aktiven Veredelung verbliebenen [[X.].] nicht habe überwacht werden können. Eine Heilung der Pflichtverletzung gemäß Art. 859 [[X.].]DVO komme ebenso wenig in Betracht wie eine Erstattung der Einfuhrabgaben gemäß Art. 239 [[X.].], weil die Klägerin grob fahrlässig gehandelt habe.

5

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie auf den Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative der [[X.].]sordnung --[[X.].]O--) stützt.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil der geltend gemachte [X.] ungeachtet der Mängel hinsichtlich der gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O erforderlichen schlüssigen Darlegung von [X.] jedenfalls nicht vorliegt.

7

Der [X.] der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative [X.]O erfasst zunächst die Fälle der sog. Divergenzrevision. Darüber hinaus ist auch dann eine Entscheidung des [X.] ([X.]) erforderlich, wenn die einheitliche Beantwortung einer Rechtsfrage nur durch eine Entscheidung des [X.] gesichert werden kann.

8

Die ordnungsgemäße Erhebung einer [X.] setzt voraus, dass der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des [X.] einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeitet und gegenüberstellt, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 12. Juli 2002 [X.]/01, [X.]/NV 2002, 1482, und vom 11. September 2003 [X.], [X.]/NV 2004, 180). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht.

9

1. Soweit das [X.] seine Entscheidung auf den Rechtssatz gestützt hat, dass nach Art. 78 Abs. 3 [X.] eine Korrektur der irrtümlich abgegebenen Ausfuhranmeldung in Betracht komme, falls die Ziele des Verfahrens der aktiven Veredelung nicht gefährdet worden seien, hat es diesen dem EuGH-Urteil in [X.], 45 Rz 65 entnommen; eine Divergenz zur EuGH-Rechtsprechung besteht daher nicht. Auch wenn die Beschwerde im Übrigen darauf hinweist, dass nach vorgenanntem EuGH-Urteil die Logik des Art. 78 Abs. 3 [X.] darin bestehe, das "betreffende Zollverfahren", d.h. das Verfahren der aktiven Veredelung, auf die tatsächliche Situation abzustimmen, und dass die Wendung "unrichtige oder unvollständige Grundlagen" in Art. 78 Abs. 3 [X.] so zu verstehen sei, dass sie sich sowohl auf tatsächliche Irrtümer oder Unterlassungen als auch auf Irrtümer bei der Auslegung des anwendbaren Rechts beziehe ([X.], 56 des [X.]), bezeichnet sie keine hiervon abweichenden Rechtssätze aus dem [X.]-Urteil.

2. Die Beschwerde wendet sich im [X.] lediglich gegen die vom [X.] vertretene Ansicht, dass im Streitfall auch bei einer nachträglichen Berichtigung des unzutreffenden [X.]s gemäß Art. 78 Abs. 3 [X.] --und damit bei einem Wechsel des unzutreffend in Anspruch genommenen Ausfuhrverfahrens in das zulässige [X.] die Ziele des aktiven Veredelungsverfahrens nach wie vor gefährdet seien. Insoweit ist allerdings dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen und auch sonst nicht erkennbar, dass und welchen dem EuGH-Urteil zu entnehmenden Rechtssatz das [X.] in einer Weise falsch angewandt oder ausgelegt haben soll, welche eine Entscheidung des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert.

Soweit das [X.] weitere Pflichtverletzungen der Klägerin festgestellt und angenommen hat, dass auch ungeachtet des verwendeten falschen [X.]s die Einfuhrabgabenschuld aufgrund dieser Pflichtverletzungen, die eine zollamtliche Prüfung der ordnungsgemäßen Beendigung des aktiven Veredelungsverkehrs vereitelt hätten, entstanden sei, steht das EuGH-Urteil in [X.], 45 dieser Annahme nicht entgegen. Diesem Urteil lässt sich nämlich nicht entnehmen, dass mit der nach Art. 78 Abs. 3 [X.] möglichen Bereinigung der durch den irrtümlich angegebenen [X.] und der nicht zulässigen neuen zollrechtlichen Bestimmung (Art. 89 Abs. 1 [X.]) hervorgerufenen zollrechtlichen Situation, die gemäß Art. 865 [X.] das Entstehen der Einfuhrzollschuld gemäß Art. 203 [X.] zur Folge hatte, auch sämtliche anderen, z.B. in Gestalt von Pflichtverletzungen des Verfahrensinhabers begründeten [X.] außer Betracht zu bleiben hätten. Der seitens der Klägerin vertretenen Ansicht, die Verwendung der vorabgestempelten Ausfuhranmeldungen im Rahmen des vereinfachten Verfahrens als zugelassener Ausführer und die fehlende Abgabe einer förmlichen Abmeldung aus der aktiven Veredelung seien nur eine logische Folge der Verwendung des falschen [X.]s, ist das [X.] nicht gefolgt. Gründe für die Zulassung der Revision ergeben sich aus dieser Würdigung der tatsächlichen Umstände des Streitfalls nicht.

Wenn sich die Beschwerde außerdem gegen die Ansicht des [X.] wendet, die Ziele des Verfahrens der aktiven Veredelung seien gefährdet worden, und meint, das [X.] habe sich davon überzeugen können, dass die in das aktive Veredelungsverfahren übergeführten Waren tatsächlich wieder ausgeführt worden seien, so wendet sie sich gegen die materielle Richtigkeit des [X.]-Urteils, legt aber keinen Grund für die Zulassung der Revision dar.

3. Die darüber hinaus behauptete Divergenz zu dem Senatsurteil vom 5. Oktober 2004 [X.]/03 ([X.]E 207, 570) besteht nicht. Die Beschwerde berücksichtigt nicht, dass das [X.] im Streitfall davon ausgegangen ist, dass der in der Ausfuhranmeldung irrtümlich verwendete [X.] und die damit einhergehende unzulässige zollrechtliche Bestimmung gemäß Art. 78 Abs. 3 [X.] grundsätzlich mit der Folge berichtigt werden können, dass im Zeitpunkt der Zahlung die Einfuhrabgaben nicht gemäß Art. 203 [X.] i.V.m. Art. 865 [X.] geschuldet waren. Das [X.] durfte daher prüfen, ob die Einfuhrabgabenschuld ggf. durch Erfüllung anderer Tatbestände entstanden war. Es hat daher nicht die Ansicht vertreten, dass eine Zollschuld für dieselbe Ware mehrfach entstehen könne.

Meta

VII B 123/10

18.11.2010

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend FG München, 6. Mai 2010, Az: 14 K 2058/07, Urteil

Art 78 Abs 3 ZK, Art 203 ZK, Art 78 Abs 3 EWGV 2913/92, Art 203 EWGV 2913/92, Art 859 ZKDV, Art 865 Abs 1 ZKDV, Art 859 EWGV 2454/93, Art 865 Abs 1 EWGV 2454/93, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 18.11.2010, Az. VII B 123/10 (REWIS RS 2010, 1267)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1267

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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