Bundesfinanzhof, Urteil vom 01.06.2022, Az. VII R 3/20

7. Senat | REWIS RS 2022, 8018

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Gegenstand

Hinzurechnung von Beförderungskosten bei passiver Veredelung


Leitsatz

Bei der Wiedereinfuhr von Veredelungserzeugnissen nach einer passiven Veredelung sind die Beförderungskosten bis zum Ort des Verbringens der Waren in das Zollgebiet der Union gemäß Art. 71 Abs. 1 Buchst. e Ziff. i UZK in den Zollwert einzubeziehen und den Kosten für den außerhalb des Zollgebiets der Union vorgenommenen Veredelungsvorgang (Art. 86 Abs. 5 UZK) hinzuzurechnen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 11.12.2019 - 4 K 2523/18 Z wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Nach Aufforderung durch den Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --[X.]--) meldete die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) mit Schreiben vom 05.07.2017 nachträglich Beförderungskosten für aus einem [X.] im Zeitraum vom 25.04. bis zum 05.07.2017 eingeführte [X.] in Höhe von … € an. Daraufhin setzte das [X.] mit Bescheid vom 22.08.2017 Zoll in Höhe von … € fest. Dagegen erhob die Klägerin Einspruch, weil sie der Auffassung war, dass die [X.] für [X.] aus einer passiven Veredelung nach Beginn der Anwendbarkeit des [X.] ([X.]) nicht mehr unter Hinzurechnung der Beförderungskosten zu ermitteln seien. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos.

2

Das Finanzgericht ([X.]) urteilte, der angefochtene Einfuhrabgabenbescheid sei rechtmäßig, weil die Einfuhrabgaben unter Hinzurechnung der Beförderungskosten für die aus dem [X.] eingeführten [X.] zu ermitteln seien. Die Beförderungskosten seien dem Transaktionswert hinzuzurechnen, wobei die Kosten für den [X.] an die Stelle des für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der [X.] tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preises träten. Dagegen hätte die Auffassung der Klägerin zur Folge, dass auch die in Art. 71 Abs. 1 Buchst. a bis d [X.] genannten Aufwendungen und Kosten nicht mehr dem Veredelungsentgelt hinzugerechnet werden dürften, was Art. 8 Abs. 1 des Übereinkommens zur Durchführung des Art. VII des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens 1994 --[X.]-- ([X.] 1994, Nr. L 336, 119) widerspräche. Der Umstand, dass in Art. 591 Unterabs. 3 der Durchführungsverordnung zum Zollkodex ([X.]) auf die Art. 29 bis 35 des Zollkodex ([X.]) verwiesen worden sei, während in Art. 86 Abs. 5 [X.] eine solche ausdrückliche Verweisung auf die Art. 70 und 71 [X.] fehle, spreche nicht gegen die Annahme, dass einem Veredelungsentgelt für im Verfahren der passiven Veredelung entstandene [X.] auch die Beförderungskosten hinzuzurechnen seien. Der Umstand, dass in Art. 86 Abs. 5 [X.] im Gegensatz zu Art. 86 Abs. 1 und 3 [X.] nicht der Begriff "Zollwert" verwendet worden sei, spreche nicht gegen die vom [X.] vertretene Auffassung. Denn auch für im Verfahren der passiven Veredelung entstandene [X.] sei grundsätzlich ein Zollwert zu ermitteln. Obgleich die Beförderung von [X.]n nicht mehr als Bestandteil des [X.]s gelte, schließe dies nicht aus, die Beförderungskosten einem Veredelungsentgelt hinzuzurechnen.

3

Ihre Revision begründet die Klägerin mit einer Verletzung von Bundesrecht. Das [X.] habe Art. 86 Abs. 5 [X.] fehlerhaft angewendet, denn es verkenne, dass sich die von ihm herangezogene Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen [X.] ([X.]) [X.] u.a. vom 12.12.2013 - [X.]/12 ([X.]:C:2013:825, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2014, 66) noch auf die Rechtslage unter Geltung des [X.] bezogen habe und das Verfahren der passiven Veredelung im damaligen Sachverhalt nicht genutzt worden sei. Weiterhin bewerte das [X.] den Bedeutungszusammenhang falsch, in dem die Einführung von Art. 591 Unterabs. 3 [X.] zu sehen sei. Mit der Mehrwertverzollung gemäß Art. 591 [X.] sei eine neue Möglichkeit der Abgabenberechnung im Rahmen der passiven Veredelung geschaffen worden, mit der eine neutrale Behandlung des Vorprodukts ohne dessen Eingang in die [X.] verwirklicht werden sollte. Nach der in Art. 86 Abs. 5 [X.] verwendeten Formulierung komme es nur auf die Kosten für den [X.] selbst, also den im [X.] gezahlten Werklohn, an. Würde man die frühere Regelung des Art. 591 Unterabs. 3 [X.] in den heutigen Art. 86 Abs. 5 [X.] hineinlesen, entstünde ein Konflikt mit dem Bestimmtheitsgrundsatz. Auch in der [X.] Fassung der "[X.]" werde ohne weitere Auseinandersetzung mit dem Wortlaut von Art. 86 Abs. 5 [X.] auf die Anwendung der Zollwertbestimmungen verwiesen. Das [X.] verkenne ferner, dass mit Art. 75 der Delegierten Verordnung ([X.]) 2015/2446 der [X.] vom 28.07.2015 zur Ergänzung der Verordnung ([X.]) Nr. 952/2013 des [X.] und des Rates mit Einzelheiten zur Präzisierung von Bestimmungen des [X.] --[X.]-DA-- (Amtsblatt der Europäischen [X.] --ABl[X.]-- 2015, Nr. L 343, 1) keine generelle Aussage zur Berücksichtigung zollwertrechtlicher Regeln für die Bemessung des [X.] im Rahmen der passiven Veredelung habe geschaffen werden sollen. Die Sonderregelung in Art. 75 [X.]-DA gelte nur für besondere Einfuhrabgaben, etwa bei [X.]. Art. 86 Abs. 5 [X.] enthalte auch aus Vereinfachungsgründen keine besonderen Vorschriften für die Ermittlung des [X.] in den Fällen der Ausbesserung von Waren der vorübergehenden Ausfuhr.

4

Die Klägerin regt außerdem ein Vorabentscheidungsersuchen an den [X.] an.

5

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung sowie den Einfuhrabgabenbescheid vom 22.08.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.08.2018 aufzuheben.

6

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Bei der Ermittlung des [X.] sei auch die Hinzurechnungsvorschrift des Art. 71 [X.] zu beachten. Das [X.] habe sich nur deshalb auf das [X.]-Verfahren [X.] ([X.]:C:2013:825, [X.], 66) bezogen, um darzulegen, dass der Begriff des "Verkaufs" i.S. von Art. 70 Abs. 1 [X.] weit auszulegen sei. Dieser Grundsatz sei schon in der Präambel des [X.] verankert und gelte auch für den [X.]. Durch die Heranziehung der Kosten des vorgenommenen [X.]s anstelle des tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preises aus einem "normalen" Kaufgeschäft als Grundlage der Bemessung des [X.] bleibe der Wert der Waren der vorübergehenden Ausfuhr unberücksichtigt. Die passive Veredelung habe aber nicht das Ziel, dass Einfuhrabgaben in gänzlich anderer Höhe erhoben werden. Dies sei auch nicht zulässig, weil nach Art. VII Abs. 2 Buchst. a [X.] der Zollwert eingeführter Waren nach dem wirklichen Wert der eingeführten Ware, auf die der Zoll angewendet werde, oder nach dem wirklichen Wert einer gleichartigen Ware bestimmt werde. Die Vertragsparteien des Übereinkommens seien verpflichtet, diese Bewertungsgrundsätze auf alle Waren anzuwenden. Unter Geltung des [X.] sei Art. 591 Unterabs. 3 [X.] als klarstellender Hinweis zu verstehen gewesen, dass die Art. 29 bis 35 [X.] sinngemäß auf die [X.] ohne Berücksichtigung der Waren der vorübergehenden Ausfuhr Anwendung gefunden hätten. Dies habe jedoch bedeutet, dass den [X.] allein die in Art. 32 [X.] bezeichneten Kosten hätten hinzugerechnet werden müssen. Entgegen der Ansicht der Klägerin enthalte Art. 86 [X.] keine besonderen Zollwertermittlungsmethoden. Vielmehr sei die [X.] auch für nach der passiven Veredelung zum zollrechtlich freien Verkehr überlassene Waren anzuwenden. Hierbei trete lediglich das Veredelungsentgelt an die Stelle des tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preises.

8

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

II.

9

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Vorentscheidung entspricht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das [X.] hat zu Recht die Beförderungskosten in den Zollwert einbezogen und mit Einfuhrabgabenbescheid vom 22.08.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.08.2018 gemäß Art. 105 Abs. 4 [X.] Zoll nacherhoben.

1. Die Ermittlung des [X.] richtet sich nach den Art. 70 und 74 [X.] (vgl. Art. 69 [X.]). Demnach ist die [X.] i.S. des Art. 70 [X.] vorrangig anzuwenden. Kann der Zollwert nicht nach der [X.] ermittelt werden, kommen die in Art. 74 [X.] beschriebenen nachrangigen Methoden der Zollwertbestimmung zur Anwendung.

Nach ständiger [X.]-Rechtsprechung soll mit der unionsrechtlichen [X.] ein gerechtes, einheitliches und neutrales System errichtet werden, das die Anwendung willkürlicher oder fiktiver Zollwerte ausschließt. Der Zollwert muss daher den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert einer eingeführten Ware widerspiegeln und folglich alle Elemente dieser Ware, die einen wirtschaftlichen Wert haben, berücksichtigen ([X.] vom 22.04.2021 - [X.]/20, [X.]:[X.], Rz 24, [X.], 186, und [X.] Deutschland vom 20.12.2017 - [X.]/16, [X.]:[X.], Rz 24, m.w.[X.], [X.], 68).

a) Der Zollwert von Waren ist gemäß Art. 70 Abs. 1 [X.] der Transaktionswert, das heißt, der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der [X.] tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis, der erforderlichenfalls anzupassen ist.

Gemäß Art. 70 Abs. 2 [X.] ist der tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis die vollständige Zahlung, die der Käufer an den Verkäufer oder der Käufer an einen [X.] zu Gunsten des Verkäufers für die eingeführten Waren leistet oder zu leisten hat, und schließt alle Zahlungen ein, die als Voraussetzung für den Verkauf der eingeführten Waren tatsächlich geleistet werden oder zu leisten sind.

b) Gemäß Art. 71 Abs. 1 [X.] sind bei der Ermittlung des [X.] nach Art. 70 [X.] dem für die eingeführten Waren tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis bestimmte Kosten hinzuzurechnen. [X.]. sind in den Zollwert nach Art. 70 [X.] gemäß Art. 71 Abs. 1 Buchst. e Ziff. i [X.] die Beförderungskosten für die eingeführten Waren bis zum Ort des [X.] der Waren in das Zollgebiet der [X.] einzubeziehen. Der Transaktionswert ist demnach um die genannten Beförderungskosten zu erhöhen.

2. Für das besondere Verfahren der passiven Veredelung (Art. 210 Buchst. d [X.]) regelt Art. 86 Abs. 5 [X.], dass der Einfuhrabgabenbetrag auf der Grundlage der Kosten für den außerhalb des [X.] der [X.] vorgenommenen [X.] bemessen wird, wenn eine Zollschuld für im Verfahren der passiven Veredelung entstandene [X.] oder [X.] gemäß Art. 261 Abs. 1 [X.] entsteht. Welche Vorgänge als Veredelungsvorgänge gelten, regelt Art. 5 Nr. 37 [X.].

Art. 86 Abs. 5 [X.] beinhaltet insofern eine besondere zollwertrechtliche Regelung, als an die Stelle des [X.]S. des Art. 70 [X.] die Kosten für den [X.] treten. Insoweit handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift zu Art. 70 Abs. 1 und 2 [X.]. Die übrigen Vorgaben der Art. 69 ff. [X.] werden jedoch durch Art. 86 Abs. 5 [X.] nicht verdrängt und sind auch bei der Ermittlung des [X.] im Zusammenhang mit einer Einfuhr von [X.]n nach passiver Veredelung anzuwenden.

a) Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 86 Abs. 5 [X.], demzufolge der Einfuhrabgabenbetrag "auf der Grundlage" ([X.] Fassung "on the basis", [X.] Fassung "[X.]") der Kosten für den außerhalb des [X.] der [X.] vorgenommenen [X.] zu bemessen ist. Daraus folgt, dass diese Kosten lediglich als Ausgangswert für die Ermittlung des [X.] anzusetzen sind, ohne dass dadurch der Zollwert in Bezug auf [X.] aus einer passiven Veredelung auf die [X.] beschränkt würde. Davon ausgehend sind auch im Fall des Art. 86 Abs. 5 [X.] die Beförderungskosten gemäß Art. 71 Abs. 1 Buchst. e Ziff. i [X.] den Kosten für den [X.] hinzuzurechnen (vgl. auch [X.], [X.]-Zollrecht, Zollwert, Art. 86 Rz 40; [X.]/[X.], Zollkodex der [X.], 8. Aufl., Art. 86 Rz 61; [X.] in Dorsch, Zollrecht, Art. 86 Rz 13, m.w.[X.]; unter allgemeinem Hinweis auf die in Art. 71 [X.] genannten Aufwendungen und Kosten Rinnert in [X.]/[X.], [X.], 2021, Art. 86 Rz 28).

b) Dieses Ergebnis wird auch durch systematische Erwägungen bestätigt.

Die Vorschriften über den Zollwert sind in Titel II "Grundlagen für die Anwendung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben und sonstigen für den Warenverkehr vorgesehenen Maßnahmen" Kapitel 3 "Zollwert der Waren" [X.] (Art. 69 bis Art. 76 [X.]), enthalten und werden damit für alle Einfuhrabgaben geregelt und "vor [X.] gezogen". Die in den Art. 69 ff. [X.] enthaltenen [X.] sind --ohne dass es eines weiteren Hinweises darauf für jedes Zollverfahren bedarf-- demnach insoweit anzuwenden, soweit nicht in spezielleren Vorschriften Abweichendes geregelt ist. Art. 86 [X.] findet sich demgegenüber in Titel III "Zollschuld und Sicherheitsleistung", Kapitel 1 "Entstehen der Zollschuld" [X.], woraus geschlossen werden kann, dass der [X.]sgesetzgeber damit keinen generellen Ausschluss der allgemeinen [X.] in den Art. 69 ff. [X.] beabsichtigt hat.

Aus dem fehlenden Verweis in Art. 86 Abs. 5 [X.] auf Art. 71 Abs. 1 [X.] kann nicht geschlossen werden, dass Beförderungskosten --und dementsprechend auch alle anderen dort genannten [X.] nicht in den Zollwert einzubeziehen sind, weil ein derartiger Verweis aufgrund der grundsätzlichen Anwendbarkeit der Art. 69 ff. [X.] entbehrlich ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der in Art. 86 Abs. 5 [X.] getroffenen Regelung um eine Ausnahmeregelung zu Art. 70 Abs. 2 [X.] handelt, weshalb im Übrigen die allgemeinen zollwertrechtlichen Grundsätze gelten (Rinnert in [X.]/[X.], [X.], 2021, Art. 86 Rz 28).

c) Auch der Sinn und Zweck des Art. 86 Abs. 5 [X.] spricht dafür, dass diese Vorschrift lediglich eine punktuell von Art. 70 Abs. 1 und 2 [X.] abweichende Regelung enthält, indem an die Stelle des tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preises im Sinne einer vollständigen Zahlung im Falle der passiven Veredelung die Kosten für den außerhalb des [X.] der [X.] vorgenommenen [X.] treten (ebenso [X.] in [X.], Zollrecht, 1. Aufl. 2002, 207. Lieferung, Art. 71 [X.] Rz 62). Denn durch Art. 86 Abs. 5 [X.] soll ausgeschlossen werden, dass der Wert der ausgeführten [X.]swaren in die Besteuerung einbezogen wird, abgesehen von der Frage, ob im Falle der Inanspruchnahme der passiven Veredelung überhaupt ein Preis für die gesamte Ware existiert. Dass der [X.]sgesetzgeber aber eine steuerliche Begünstigung der Einfuhr von Waren nach passiver Veredelung in das Zollgebiet der [X.] gegenüber einer Einfuhr von Nichtunionswaren (ohne vorangegangenes besonderes Verfahren) beabsichtigt haben sollte, ist nicht erkennbar und stünde zudem der o.g. [X.]-Rechtsprechung entgegen, nach der durch die [X.] ein gerechtes, einheitliches und neutrales System errichtet werden soll, das die Anwendung von willkürlichen oder fiktiven Zollwerten ausschließt ([X.]-Urteil [X.] u.a., [X.]:[X.], [X.], 66). Denn Beförderungskosten fallen für [X.] und [X.] nach passiver Veredelung gleichermaßen an und müssen daher im Interesse einer gleichmäßigen Besteuerung auch in beiden Fällen zollwerterhöhend berücksichtigt werden.

Nicht zuletzt ist auch der wirtschaftliche Wert der Beförderung im Zollwert zu berücksichtigen (vgl. [X.]-Urteil [X.] Deutschland, [X.]:[X.], Rz 24, m.w.[X.], [X.], 68).

d) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass nach Art. 591 ZKDVO die Art. 29 bis 35 ZK auf die [X.] sinngemäß anzuwenden waren, während Art. 86 Abs. 5 [X.] einen vergleichbaren Hinweis nicht enthält. Die unter Geltung der früheren Rechtslage nicht in Bezug genommene Vorschrift des Art. 36 ZK betreffend den Zollwert bei verderblichen Waren wurde nicht in den [X.] übernommen. Dementsprechend konnte auch der Hinweis auf einzelne [X.] entfallen, da ansonsten alle (verbliebenen) [X.] hätten in Bezug genommen werden müssen. Dies ist jedoch aufgrund deren allgemeiner Gültigkeit nicht erforderlich.

e) Dieses Verständnis der [X.]-[X.] stimmt schließlich auch mit dem [X.] überein, der in Art. 8 Vorschriften für Hinzurechnungen zum tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis enthält, ohne nach der Art der Waren zu differenzieren. Gemäß Art. 8 Abs. 2 Buchst. a des [X.] trifft jedes Mitglied gesetzliche Regelungen darüber, ob Beförderungskosten für die eingeführten Waren bis zum Einfuhrhafen oder Einfuhrort ganz oder teilweise in den Zollwert einzubeziehen sind oder nicht. Dies hat der [X.]sgesetzgeber durch Art. 71 Abs. 1 Buchst. e Ziff. i [X.] verbindlich umgesetzt.

3. Ausgehend von diesen rechtlichen Grundlagen hat das [X.] die Beförderungskosten für die aus dem [X.] eingeführten [X.] zutreffend gemäß Art. 71 Abs. 1 Buchst. e Ziff. i [X.] in den Zollwert einbezogen und mit Einfuhrabgabenbescheid vom 22.08.2017 gemäß Art. 105 Abs. 4 [X.] Zoll in Höhe von … € nacherhoben.

Dem steht nicht entgegen --wie die Klägerin vorbringt--, dass die Beförderung selbst nicht gemäß Art. 5 Nr. 37 [X.] als [X.] gilt. Wie oben ausgeführt, beschränkt Art. 86 Abs. 5 [X.] den Zollwert nicht auf die Kosten des [X.]s, weshalb Hinzurechnungen nach Art. 71 [X.] auch im Fall der Einfuhr nach passiver Veredelung vorzunehmen sind.

Der erkennende Senat sieht [X.] wie das [X.] keinen Widerspruch zu Art. 153 Unterabs. 1 ZK, nach dem im Fall der Ausbesserung von Waren als Zollwert ein Betrag in Höhe der Ausbesserungskosten zugrunde gelegt wird. Abgesehen davon, dass diese Vorschrift im Streitfall ohnehin nicht mehr anzuwenden ist, betraf sie Fälle der Ausbesserung von Waren der vorübergehenden Ausfuhr und somit einen speziellen Fall der passiven Veredelung.

Auch aus den "Guidelines on Customs Debt" (Ziff. [X.], S. 15) ergibt sich nichts, was die Auffassung der Klägerin stützen könnte.

Die Berechnung der nacherhobenen Einfuhrabgaben ausgehend von Beförderungskosten in Höhe von … € hat die Klägerin nicht beanstandet, weshalb insofern von weiteren Ausführungen abgesehen wird.

4. Eine Vorlage an den [X.] sieht der erkennende Senat nicht als erforderlich an.

Die vom Senat vorgenommene Auslegung des Art. 86 Abs. 5 [X.] ist ausgehend von dessen Wortlaut und der Systematik der [X.] derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt. Ein Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des [X.] besteht demnach nicht (vgl. [X.]-Urteile CILFIT vom 06.10.1982 - 283/81, Rz 16, Slg. 1982, 3415, und [X.] vom 06.10.2021 - [X.]/19, [X.]:C:2021:799, ABl[X.] Nr. C 481, 11, [X.] 2022, 12).

5. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

6. Der Senat entscheidet gemäß § 90 Abs. 2 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung.

Meta

VII R 3/20

01.06.2022

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 11. Dezember 2019, Az: 4 K 2523/18 Z, Urteil

Art 71 Abs 1 Buchst e Ziff i EUV 952/2013, Art 86 Abs 5 EUV 952/2013, Art 5 Nr 37 EUV 952/2013, Art 267 AEUV

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 01.06.2022, Az. VII R 3/20 (REWIS RS 2022, 8018)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8018

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