Bundespatentgericht, Beschluss vom 25.10.2011, Az. 24 W (pat) 113/10

24. Senat | REWIS RS 2011, 2011

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "REVITALIQUE/VITANIQUE" – Einrede der Nichtbenutzung - zum Beibringungsgrundsatz - keine Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung - zur Kostenauferlegung im Beschwerdeverfahren


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 307 36 803

hat der 24. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 25. Oktober 2011 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.] sowie der Richterin [X.] und des Richters Paetzold

beschlossen:

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Der Widersprechenden werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.

Gründe

I.

1

Die Wortmarke

2

REVITALIQUE

3

ist  am 6. Juni 2007 angemeldet und am 10. August 2007 unter der Nummer 307 36 803 für Waren der [X.] in das Markenregister eingetragen worden. Die Veröffentlichung erfolgte am 14. September 2007.

4

Im Zuge der Widerspruchsverfahren im [X.] an diese Eintragung ist es zu einer Beschränkung des Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke gekommen, die jetzt noch für die folgenden Waren der [X.] im Markenregister eingetragen ist:

5

„Haarwässer, Mittel zum Reinigen, Pflegen und Verschönern von Kopfhaut und Haar; Haarstylingprodukte, Präparate zum Tönen, Bleichen, Blondieren und Färben der Haare“

6

Widerspruch erhoben ist u. a. aus der am 5. November 1997 angemeldeten und am 7. Januar 1998 eingetragenen Wortmarke 397 52 683

7

VITANIQUE

8

die jetzt noch für die folgenden Waren und Dienstleistungen der Klassen 3, 5 und 35 Schutz genießt:

9

„Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer;

Pharmazeutische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide, Herbizide;

Geschäftsvermittlung bezüglich Ein- und Verkauf der vorgenannten Waren der Klassen 3 und 5 für andere“.

Der Widerspruch richtet sich gegen alle ähnlichen Waren der jüngeren Marke.

Mit einem beim [X.] am 13. März 2008 eingegangenen Schriftsatz hat die Markeninhaberin mitgeteilt, sie erhebe den [X.] und fordere die Widersprechende dazu auf, die Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft zu machen. Unter Bezugnahme auf diesen Schriftsatz hat die Widersprechende im patentamtlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 9. Juni 2008 zur Glaubhaftmachung einer rechtshaltenden Benutzung ihrer Marke die eidesstattliche Versicherung einer Produktmanagerin vom 5. Mai 2008 zusammen mit weiteren Unterlagen vorgelegt. Dazu hat sich die Markeninhaberin nicht geäußert.

Mit Beschluss vom 5. Juli 2010 hat die Markenstelle für [X.] des [X.]s, vertreten durch eine Beamtin des höheren Dienstes, den Widerspruch zurückgewiesen mit der Begründung, dass zwischen den Vergleichsmarken keine [X.] v. § 9 Abs. 1 [X.] bestehe. Bei dieser Sachlage - so meinte die Markenstelle - komme es auf die Frage nicht mehr an, ob die Widerspruchsmarke - was die Markeninhaberin bestritten habe - rechtserhaltend benutzt worden sei.

Mit ihrer Beschwerde möchte die Widersprechende weiterhin die Löschung der angegriffenen Marke erreichen, soweit diese der Widerspruchsmarke verwechselbar nahekommt. Die Widersprechende meint, dass zwischen den Vergleichsmarken [X.] v. § 9 Abs. 1 [X.] bestehe.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist nicht begründet und mußte daher zurückgewiesen werden. Denn die Markeninhaberin hat in zulässiger Weise die Einrede der mangelnden Benutzung der Widerspruchsmarke gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.] erhoben und die Widersprechende hat eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke jedenfalls nicht für den maßgeblichen [X.] gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 [X.] glaubhaft gemacht. Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 3 [X.] können im Falle der zulässigen Erhebung einer Nichtbenutzungseinrede bei der Entscheidung über einen Widerspruch nur die Waren und Dienstleistungen berücksichtigt werden, für die die Benutzung glaubhaft gemacht worden ist. Da die Widersprechende für keine der Waren und Dienstleistungen, für die ihre Marke eingetragen ist, eine rechtserhaltende Benutzung für den gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 [X.] maßgebenden [X.]raum glaubhaft gemacht hat, war ihr Widerspruch als unbegründet zurückzuweisen.

In ihrem am 13. März 2008 beim [X.] eingegangenen Schriftsatz hatte die Markeninhaberin die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke allgemein bestritten, d. h. ohne eine Beschränkung auf eine der beiden Alternativen des § 43 Abs. 1 [X.]. [X.] ist zulässig, denn bei ihrer Erhebung waren die Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 Satz 1 [X.] erfüllt: Die Widerspruchsmarke war im [X.]punkt der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke bereits länger als fünf Jahre im Register eingetragen und gegen diese Eintragung war kein Widerspruch erhoben worden. In den [X.], in denen - wie hier - die Voraussetzungen für die Einrede nach § 43 Abs. 1 Satz 1 [X.] vorliegen, sind notwendig auch die Voraussetzungen einer Einrede nach § 43 Abs. 1 Satz 2 [X.] erfüllt, weil bei diesen Voraussetzungen theoretisch immer die Möglichkeit besteht, dass die Widerspruchsmarke auch in den letzten fünf Jahren vor der Entscheidung über den Widerspruch nicht rechtserhaltend benutzt worden ist (std. Rechtsprechung, vgl. aus jüngerer [X.], 719, 721 (Nr. 20) - idw Informationsdienst Wissenschaft). Bei der vorliegenden Entscheidung durften daher nur diejenigen Waren der Widerspruchsmarke berücksichtigt werden, für die die Widersprechende eine Benutzung glaubhaft gemacht hat (§ 43 Abs. 1 Satz 3 [X.]). Der maßgebliche [X.] gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 [X.] sind die letzten fünf Jahre vor der abschließenden Beschlussfassung über das hiesige Beschwerdeverfahren, das ist die [X.] vom Oktober 2006 bis zum Oktober 2011.

Für diesen [X.]raum hat die Widersprechende keine Unterlagen zur Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung vorgelegt. Die im patentamtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen beziehen sich nur auf die Jahrgänge 2002, 2003 und 2004.

Für einen Sachvortrag zur rechtserhaltenden Benutzung und die Einreichung entsprechender Unterlagen bedurfte es keiner besonderen Aufforderung durch das Gericht. Ein Widersprechender hat nach Übermittlung der Einrede von sich aus unverzüglich alle erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Der im Rahmen des Benutzungszwanges herrschende Beibringungsgrundsatz läßt es grundsätzlich nicht zu, einen Widersprechenden auf diese Verpflichtung zum Vortrag hinzuweisen (vgl. [X.], 981, 982 - [X.] m. w. N. zur früheren Rechtslage). Zwar besteht die Hinweispflicht des Gerichtes entsprechend § 139 ZPO auch im Widerspruchsverfahren. Sie hat aber ihre Grenze in [X.], in denen ein solcher Hinweis die Stellung der einen Partei stärken und gleichzeitig die der anderen schwächen würde, also zu einer Parteinahme des Gerichts führen würde (vgl. [X.], 950, 953 - ACELAT/Acesal). Insoweit hat das Gericht auch das Gebot der Unparteilichkeit zu beachten (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 9. Auflage, § 43, Rdn. 46, 47).

Das gilt auch dann, wenn - wie hier - die Nichtbenutzungseinrede im patentamtlichen Verfahren erhoben wurde, dort aber dahingestellt geblieben ist, weil der Widerspruch aus anderen Gründen zurückgewiesen wurde. Eine einmal zulässig erhobene Nichtbenutzungseinrede bleibt für alle weiteren Instanzen rechtswirksam (vgl. [X.], 152, 153 (Nr. 13) - [X.]; [X.], 995, 996 - [X.] - und [X.], 54, 55 - [X.]). Greift der Widersprechende die aus anderen Gründen erfolgte Zurückweisung des Widerspruchs mit der Beschwerde an, so hat er im anschließenden Beschwerdeverfahren die rechtserhaltende Benutzung für den jeweils maßgeblichen [X.]raum glaubhaft zu machen. Eine Aufforderung seitens des Gerichts zur Glaubhaftmachung ist nicht geboten. Das Gericht ist auch nicht gehalten, den beabsichtigten Erlaß einer Entscheidung vorher anzukündigen oder vorab darauf hinzuweisen, dass es die entscheidungserhebliche Bedeutung einer Glaubhaftmachung der Benutzung anders beurteile als die Vorinstanz. Vielmehr obliegt es jedem Verfahrensbeteiligten, alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht zu ziehen (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 9. Auflage, § 43 Rdn. 49 mit den Nachweisen zur hier maßgeblichen Rechtssprechung).

Entsprechendes gilt für die Fälle, in denen sich im Laufe der verschiedenen Verfahren vor Patentamt und Patentgericht der gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 [X.] maßgebliche [X.] verschiebt. Dass § 43 Abs. 1 Satz 2 [X.] einen sich ständig verändernden [X.] betrifft, ist eine allgemein bekannte Rechtstatsache, die ein Verfahrensbeteiligter berücksichtigen muß, wenn ihm die Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung seiner Marke obliegt. Der Widersprechende muß von sich aus überprüfen, inwieweit sein bisheriger Vortrag und die dazu eingereichten Unterlagen dem beweglichen zeitlichen Rahmen des § 43 Abs. 1 Satz 2 [X.] noch entsprechen. Auf den offensichtlichen Umstand, dass bisheriges Vorbringen zwischenzeitlich überholt sein könnte, hat die Rechtsmittelinstanz ebensowenig hinzuweisen, wie auf andere offenkundige Mängel der Glaubhaftmachung (std. Rspr. des [X.], vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 9. Auflage, § 43 Rdn. 50, dort mit Hinweis auf [X.], Beschluss vom 18. Juli 2007, [X.] - und [X.] 2001, 185, 196, sowie auf die abweichende Meinung von [X.]/Grabrucker, [X.], [X.], 1. Teil, [X.], Rn. 264).

Die Widersprechende hatte ausreichend Gelegenheit, zur rechtserhaltenden Benutzung ihrer Marke weiter vorzutragen und entsprechende Unterlagen einzureichen. Denn seit der Einlegung der Beschwerde im August 2010 ist inzwischen mehr als ein Jahr vergangen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war nicht erforderlich. Die Widersprechende hat sie nicht beantragt, § 69 Nr. 1 [X.], und der [X.] hat sie nicht für sachdienlich erachtet, § 69 Nr. 3 [X.].

Der Widersprechenden waren aus Gründen der Billigkeit die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach § 71 Abs. 1 S. 1 [X.] aufzuerlegen. Eine Kostenauferlegung unter [X.] kommt vor allem bei dem Verhalten eines Beteiligten in Betracht, das mit der prozessualen Sorgfaltspflicht nicht zu vereinbaren ist. Im Falle einer zulässigerweise erhobenen Einrede der Nichtbenutzung ist dies dann anzunehmen, wenn der Widerspruch ohne ernsthaften Versuch der erforderlichen Glaubhaftmachung weiterverfolgt wird (ständige Rechtsprechung, [X.], 981 f.). Dies gilt auch im Rechtsmittelverfahren, in dem der Widersprechende nicht besonders auf die Erforderlichkeit der Glaubhaftmachung hingewiesen worden ist ([X.] in: [X.]/[X.], 9. Auflage, § 71 Rdn. 15 m. w. N.). Vorliegend hat die Widersprechende das Beschwerdeverfahren betrieben, ohne den Versuch zu unternehmen, eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke für den maßgeblichen [X.] gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 [X.] glaubhaft zu machen. Dabei stand bereits bei Einlegung der Beschwerde im August 2010 fest, dass sich der inzwischen weitergewanderte [X.] gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 [X.] nunmehr vom August 2005 bis zum August 2010 erstreckte und von den bis dahin eingereichten [X.] nicht mehr erfasst wurde.

Meta

24 W (pat) 113/10

25.10.2011

Bundespatentgericht 24. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 139 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 25.10.2011, Az. 24 W (pat) 113/10 (REWIS RS 2011, 2011)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2011

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