Bundesfinanzhof, Urteil vom 07.12.2016, Az. XI R 5/15

11. Senat | REWIS RS 2016, 1216

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Gegenstand

Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen der Eingliederungshilfe und im Rahmen des "Individuellen Services für behinderte Menschen" durch eine Pflegekraft - Eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen - Einrichtung mit sozialem Charakter


Leitsatz

Leistungen der Eingliederungshilfe und im Rahmen eines "Individuellen Services für behinderte Menschen", die eine Pflegekraft auf der Grundlage von § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB XI gegenüber einem auf dem Gebiet der Pflege von Menschen tätigen Verein erbringt, sind umsatzsteuerfrei, wenn die Kosten der Leistungen aufgrund gesetzlicher und vertraglicher Regelung von einem Träger der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit getragen werden.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 9. Dezember 2014  15 K 4571/10 U wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten darum, ob Leistungen des [X.] und Revisionsbeklagten (Kläger) in den Streitjahren (2004 bis 2006) nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der [X.]/[X.] des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/[X.]) umsatzsteuerfrei sind.

2

Der Kläger war in den Streitjahren Mitglied im Verein "..." e.[X.] ([X.].[X.]), der nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes wegen Gemeinnützigkeit von der Körperschaftsteuer befreit war. Der [X.].[X.] war in den Streitjahren Mitglied im [X.]. Gemäß § 2.1 der Satzung bezweckte der [X.].[X.] die Altenhilfe und die Hilfe für behinderte Menschen mit Hilfebedarf im Gemeinwesen in der häuslichen Umgebung und in gemeinschaftlichen Wohnformen.

3

Der [X.].[X.] schloss am 1. September 2005 mit dem [X.] ([X.]) gemäß den §§ 75 ff. des [X.] ([X.]) eine Vereinbarung für die Wohnbetreuung schwerstbehinderter Menschen. Die Vereinbarung diente gemäß ihrer Präambel der Konkretisierung eines ambulanten Rahmenvertrags gemäß § 79 des [X.] ([X.]I). Der [X.].[X.] wurde ferner aufgrund einer Vereinbarung vom 7. Oktober 2009 mit der [X.] gemäß § 75 Abs. 3 [X.]I tätig. Die Vereinbarung legte fest, welche "andere Verrichtungen" i.S. des § 61 [X.]I der [X.].[X.] mit dem Ziel ausführte, dem betreuten Personenkreis einen Verbleib in der häuslichen Umgebung zu sichern und einen Heimaufenthalt zu vermeiden.

4

Die Mitglieder des [X.], u.a. die Dienstleistung eines [X.] (individueller Service für Menschen mit Behinderungen) gemäß den Rahmenvereinbarungen des [X.], des [X.] und des [X.]I mit dem Hinweis an, dass die Leistungen mit den unterschiedlichen Kostenträgern abrechnungsfähig seien.

5

Der Kläger, der keine Ausbildung zur Pflegefachkraft nach § 71 Abs. 3 [X.] besitzt, rechnete gegenüber dem [X.].[X.] u.a. von ihm erbrachte Leistungen der Eingliederungshilfen ([X.]) und seine Teilnahmen (Begleitungen) an [X.]-Fahrten ab. Tätig wurde der Kläger dabei aufgrund vertraglicher Beziehungen zwischen den Betreuten und dem [X.].[X.] Vertragliche Beziehungen zwischen dem Kläger und den betreuten Personen bestanden nicht. Der [X.].[X.] stellte die vom Kläger ausgeführten Leistungen den Sozialversicherungsträgern vertragsgemäß in Rechnung.

6

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) vertrat im [X.] an eine beim Kläger durchgeführten Außenprüfung die Auffassung, die Leistungen des [X.] an den [X.].[X.] seien weder nach § 4 Nr. 16 Buchst. e des Umsatzsteuergesetzes (UStG) a.[X.] noch nach § 4 Nr. 18 UStG steuerfrei. Eine Steuerbefreiung könne auch nicht aus Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/[X.] noch aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/[X.] vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) abgeleitet werden. Gemäß dem Urteil des [X.] ([X.]) vom 8. November 2007 V R 2/06 ([X.]E 219, 428, [X.], 634) seien die Vereinsmitglieder keine anerkannte [X.] Einrichtung i.S. der Richtlinie 77/388/[X.], weil sie nicht Vertragspartner der Sozialhilfeträger seien.

7

Das [X.] erließ gegenüber dem Kläger am 19. April 2010 entsprechende Umsatzsteuer-Jahresbescheide für die Streitjahre. Der Einspruch des [X.] blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 10. November 2010).

8

Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage, mit der der Kläger geltend gemacht hatte, er sei kein Unternehmer, jedenfalls seien alle seine Leistungen umsatzsteuerfrei, nur hinsichtlich der [X.]- und [X.]-Leistungen statt und wies sie im Übrigen ab. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2015, 508 veröffentlicht.

9

Hiergegen richtet sich die Revision des [X.], mit der es die Verletzung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/[X.] rügt.

Es macht geltend, der Kläger sei keine "Einrichtung mit [X.]m Charakter". Die Auffassung des [X.] stehe in Widerspruch zum [X.]-Urteil vom 8. August 2013 V R 8/12 ([X.]E 242, 548, [X.]/NV 2014, 119). Eine Tätigkeit als Subunternehmer und eine mittelbare Kostentragung reichten danach für eine Anerkennung als Einrichtung mit [X.]m Charakter nicht aus. Der Hinweis des [X.] auf die [X.]-Urteile vom 22. April 2004 V R 1/98 ([X.]E 205, 514, [X.], 849) und vom 8. Juni 2011 XI R 22/09 ([X.]E 234, 448, [X.]/NV 2011, 1804) greife nicht durch.

Das [X.] beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Vorentscheidung. Die Kosten für die Leistungen des [X.] seien gemäß § 77 [X.] übernehmbar.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des [X.] ist unbegründet; sie ist deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. Zwischen den Beteiligten besteht aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des [X.], die von keinem Beteiligten mit Verfahrensrügen angegriffen worden sind, zu Recht kein Streit darüber, dass der Kläger als Unternehmer i.S. von § 2 Abs. 1 UStG an den [X.].V. steuerbare Leistungen im Rahmen seines Unternehmens erbracht hat. Insbesondere hat der Kläger nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.] ein Unternehmerrisiko getragen und war nicht unselbständig i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG (vgl. dazu allgemein [X.]-Urteile vom 14. April 2010 XI R 14/09, [X.], 245, [X.] 2011, 433, Rz 20 ff.; vom 11. November 2015 V R 3/15, [X.], 795, Rz 20 f.; vom 22. Juni 2016 V R 46/15, [X.], 272, [X.], 1530, Rz 19 f.).

2. Ebenfalls zu Recht stellen beide Beteiligte die Auffassung des [X.] nicht in Frage, dass die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach nationalem Recht in den Streitjahren nicht gegeben waren.

a) § 4 Nr. 18 UStG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger kein Mitglied eines anerkannten Verbandes der freien Wohlfahrtspflege i.S. des § 23 der [X.] ist (vgl. [X.]-Urteil vom 1. Dezember 2010 XI R 46/08, [X.], 232, [X.] 2011, 712, Rz 17; s. auch [X.]-Urteil vom 18. August 2015 V R 13/14, [X.], 282, [X.], 1784, Rz 9).

b) Auch greift die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG a.F. (vgl. dazu [X.]-Urteile vom 24. Januar 2008 V R 54/06, [X.], 391, [X.] 2008, 643; vom 30. Juli 2008 XI R 61/07, [X.], 134, [X.] 2009, 68, unter [X.], Rz 12 ff.) nicht ein; denn der Kläger betrieb nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.] keine Einrichtung zur ambulanten Pflege kranker bzw. pflegebedürftiger Personen.

c) Leistungen i.S. des § 4 Nr. 14 bzw. § 4 Nr. 16 Buchst. b oder d UStG a.F. hat der Kläger der Sache nach nicht ausgeführt.

3. Zutreffend hat das [X.] entschieden, dass sich der Kläger aber für seine [X.] und EGH-Leistungen erfolgreich auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/[X.] berufen kann.

a) Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/[X.] (jetzt: Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL) befreien die Mitgliedstaaten eng mit der Sozialfürsorge und der [X.] Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden. Es muss sich nach dem Wortlaut der Richtlinie um eng mit der Sozialfürsorge und der [X.] Sicherheit verbundene Dienstleistungen handeln (s. dazu b) und der Leistende muss eine Einrichtung des öffentlichen Rechts oder als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt sein (s. dazu c).

b) Zu Recht hat das [X.] (nur) die [X.] und EGH-Leistungen des [X.] als eng mit der Sozialfürsorge und der [X.] Sicherheit verbundene Dienstleistungen angesehen.

aa) Zu den eng mit der Sozialfürsorge und der [X.] Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen gehören insbesondere Leistungen der ambulanten Pflege (vgl. Urteil des Gerichtshofs der [X.] --[X.]-- [X.] vom 15. November 2012 [X.], [X.]:[X.], [X.], 35, Rz 24), namentlich die hauswirtschaftliche Versorgung (vgl. [X.]-Urteil [X.] vom 10. September 2002 [X.]/00, [X.]:[X.], [X.] 2002, 513, Rz 44; [X.]-Urteil vom 18. Januar 2005 V R 99/01, [X.] 2005, 1392, unter [X.], Rz 25), das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung und das Waschen der Kleidung (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 514, [X.] 2004, 849, unter [X.], Rz 36), die Gestellung einer Haushaltshilfe (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 134, [X.] 2009, 68, unter [X.], Rz 13), Leistungen der Kinderbetreuung (vgl. [X.]-Urteil [X.] vom 9. Februar 2006 [X.]/04, [X.]:[X.], [X.] 2006, Beilage 3, 256, Rz 27), [X.] im Rahmen der Eingliederungshilfe (vgl. [X.]-Urteile vom 18. August 2005 V R 71/03, [X.], 543, [X.] 2006, 143, unter II.2.d cc (1), Rz 48; vom 1. Februar 2007 V R 34/05, [X.] 2007, 1201, unter [X.], Rz 28) oder Betreuungsleistungen (vgl. [X.]-Urteile vom 17. Februar 2009 XI R 67/06, [X.], 183, [X.] 2013, 967; vom 25. April 2013 V R 7/11, [X.], 475, [X.] 2013, 976, Rz 17; vom 16. Oktober 2013 XI R 19/11, [X.] 2014, 190).

Die Gestellung von Personal hingegen ist keine mit der Sozialfürsorge und der [X.] Sicherheit eng verbundene Dienstleistung (vgl. [X.] vom 22. Juli 2015 V R 20/12, [X.] 2015, 877, Rz 3; [X.]-Urteil vom 14. Januar 2016 V R 56/14, [X.], 792, Rz 18; jeweils m.w.[X.]). Es spielt insoweit weder eine Rolle, dass die betreffenden Arbeitnehmer Pflegekräfte sind, noch, dass diese anerkannten Pflegeeinrichtungen zur Verfügung gestellt werden (vgl. [X.]-Urteil "go fair" Zeitarbeit vom 12. März 2015 [X.]/13, [X.]:[X.], [X.] 2015, 351, Rz 28). Ebenfalls steuerpflichtig sind allgemeine Geschäftsführungs- und Verwaltungsleistungen (vgl. [X.]-Urteil vom 23. Juli 2009 V R 93/07, [X.], 435, [X.] 2015, 735, Rz 34).

[X.]) Nach § 1 Abs. 1 des [X.] (Allgemeiner Teil des Sozialgesetzbuchs) soll das Recht zur Verwirklichung [X.] Gerechtigkeit und [X.] Sicherheit Sozialleistungen einschließlich [X.] und erzieherischer Hilfe gestalten. Leistungen, die auf der Grundlage des [X.] erbracht werden, werden deshalb oftmals eng mit der [X.] Fürsorge oder der [X.] Sicherheit verbunden sein (vgl. allgemein [X.]-Urteil in [X.], 543, [X.] 2006, 143, unter II.2.d cc (1), Rz 48), wobei sich jedoch Überschneidungen mit anderen Steuerbefreiungen ergeben können (vgl. z.B. [X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.], [X.] 2002, 513, Rz 44, zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/[X.]; [X.]-Urteile vom 6. April 2016 V R 55/14, [X.], 466, [X.], 1126, Rz 25, zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 77/388/[X.]; vom 5. Juni 2014 V R 19/13, [X.], 433, [X.] 2014, 1687, Rz 25, zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i und j der Richtlinie 77/388/[X.]).

cc) Nach diesen Grundsätzen sind im Streitfall, wie das [X.] (Urteil, S. 28, Rz 35) zutreffend angenommen hat, die vom Kläger erbrachten "[X.] und "EGH"-Leistungen eng mit der Sozialfürsorge und der [X.] Sicherheit verbundene Dienstleistungen i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/[X.]; denn sie umfassen den Bereich "individueller Service für Menschen mit Behinderungen" und "Eingliederungshilfe", bezüglich derer das [X.] weiter festgestellt hat, dass sie auf Grundlage des § 36 [X.] XI und der §§ 39, 45 [X.] XI, § 53 [X.] XII erbracht wurden.

c) Die Annahme des [X.], der Kläger sei eine vom Mitgliedstaat [X.] anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter, ist ebenso frei von Rechtsfehlern.

aa) Der Begriff "Einrichtung" ist grundsätzlich weit genug, um auch natürliche Personen (vgl. [X.]-Urteil [X.] vom 7. September 1999 [X.], [X.]:[X.], [X.] 1999, 419, Rz 21) und private Einheiten mit Gewinnerzielungsabsicht (vgl. dazu [X.] und [X.] vom 26. Mai 2005 [X.]/03, [X.]:C:2005:322, [X.] 2005, 453, Rz 35 und 40; [X.] vom 28. November 2013 [X.]/12, [X.]:C:2013:778, [X.] --[X.]-- 2014, 177, Rz 28 und 31) zu erfassen.

[X.]) Nach den [X.]-Urteilen Kügler ([X.]:[X.], [X.] 2002, 513, Rz 54 und 58) und [X.] ([X.]:[X.], [X.] 2013, 35, Rz 26) legt der --berufbare-- Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/[X.] die Voraussetzungen und Modalitäten der Anerkennung nicht fest. Vielmehr ist es Sache des innerstaatlichen Rechts jedes Mitgliedstaats, die Regeln aufzustellen, nach denen Einrichtungen die erforderliche Anerkennung gewährt werden kann. Dabei haben die nationalen Behörden im Einklang mit dem Unionsrecht und unter der Kontrolle der nationalen Gerichte die für die Anerkennung maßgeblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Zu diesen gehören

-  

das Bestehen spezifischer Vorschriften, bei denen es sich um nationale oder regionale Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften im Bereich der [X.] Sicherheit handeln kann,

-  

das mit den Tätigkeiten des betreffenden Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse,

-  

die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen, und

-  

die Übernahme der Kosten der fraglichen Leistungen zum großen Teil durch Krankenkassen oder durch andere Einrichtungen der [X.] Sicherheit.

cc) Allerdings sollen durch Art. 13 Teil A der Richtlinie 77/388/[X.], wie sich aus dessen Überschrift ergibt, "bestimmte" dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer befreit werden. Durch diese Vorschrift werden nicht alle dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer befreit, sondern nur diejenigen, die in ihr einzeln aufgeführt und sehr genau beschrieben sind (vgl. [X.]-Urteile Kommission/[X.] vom 20. Juni 2002 C-287/00, [X.]:[X.], [X.] 2002, 852, Rz 45; [X.] vom 14. Juni 2007 [X.]/05, [X.]:[X.], [X.] 2007, Beilage 4, 389, Rz 14; [X.] und [X.] vom 16. Oktober 2008 [X.]/07, [X.]:[X.], [X.] 2009, 87, Rz 18; [X.] vom 21. Februar 2013 [X.]/12, [X.]:[X.], [X.] 2013, 338, Rz 18; [X.] u.a. vom 26. Februar 2015 [X.]/13, [X.]/13 und [X.]/13, [X.]:C:2015:116, [X.] 2015, 474, Rz 45). Folglich kann nicht jede Person, die eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit ausübt, als eine vom Mitgliedstaat anerkannte Einrichtung angesehen werden; sonst würden die in Art. 13 Teil A der Richtlinie 77/388/[X.] enthaltenen personellen Voraussetzungen der einzelnen Steuerbefreiungen durch die Rechtsprechung beseitigt.

dd) Im letztgenannten Fall (4. Spiegelstrich) der unter [X.]) aufgezählten Kriterien (Übernahme der Kosten der fraglichen Leistungen zum großen Teil durch Krankenkassen oder durch andere Einrichtungen der [X.] Sicherheit) kommt es nicht darauf an, ob die Kosten im konkreten Fall tatsächlich übernommen worden sind, sondern es reicht aus, dass sie übernehmbar sind (vgl. [X.]-Urteile in [X.], 514, [X.] 2004, 849, unter [X.], Rz 66 f.; in [X.], 543, [X.] 2006, 143, unter II.2.d cc (2), Rz 52; in [X.], 391, [X.] 2008, 643, unter [X.] [X.], Rz 42; in [X.], 548, [X.] 2014, 119, Rz 40; in [X.], 232, [X.] 2011, 712, Rz 34; in [X.], 448, [X.] 2011, 1804, Rz 38; vom 29. Juli 2015 XI R 35/13, [X.], 91, [X.] 2016, 797, Rz 23; vom 18. Februar 2016 V R 46/14, [X.], 421, [X.], 1120, Rz 30).

Eine Kostenübernahme, die nicht aufgrund einer der vom [X.] als für eine Anerkennung tauglich aufgeführten Regelung (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 421, [X.], 1120, Rz 43) oder lediglich nachträglich nach Einzelfallprüfung (vgl. [X.] vom 26. Januar 2012 V R 52/10, [X.] 2012, 817, Rz 4) erfolgt, reicht aber nicht aus.

ee) Die unter [X.]) genannten Kriterien müssen nicht kumulativ vorliegen (vgl. [X.]-Urteile in [X.], 475, [X.] 2013, 976, Rz 28; in [X.], 466, [X.], 1126, Rz 37). Die erforderliche Anerkennung kann deshalb nach der ständigen Rechtsprechung beider Umsatzsteuersenate des [X.] allein aus der Übernahme von übernehmbaren Kosten durch eine Krankenkasse oder andere Einrichtung der [X.] Sicherheit abgeleitet werden (vgl. [X.]-Urteile in [X.], 514, [X.] 2004, 849, unter [X.], Rz 66; in [X.], 543, [X.] 2006, 143, unter II.2.d cc (3), Rz 53; vom 21. März 2007 V R 28/04, [X.]E 217, 59, [X.] 2010, 999, Rz 34; in [X.]E 219, 428, [X.] 2008, 634, unter [X.] cc, Rz 41; in [X.], 391, [X.] 2008, 643, Rz 43; vom 26. November 2014 XI R 25/13, [X.], 531, Rz 39; in [X.], 91, [X.] 2016, 797, Rz 23).

ff) Im Streitfall folgt, wie das [X.] zu Recht angenommen hat, die erforderliche Anerkennung des [X.] als Einrichtung mit sozialem Charakter aus § 77 [X.] XI (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 282, [X.], 1784, Rz 17 und 20). Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 [X.] XI in seiner in den Streitjahren 2004 bis 2006 geltenden Fassung konnten die Pflegekassen zur "Sicherstellung der häuslichen Pflege und hauswirtschaftlichen Versorgung ... einen Vertrag mit einzelnen geeigneten Pflegekräften schließen, soweit und solange eine Versorgung nicht durch einen zugelassenen Pflegedienst gewährleistet werden kann".

Unerheblich ist entgegen der Auffassung des [X.], dass nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.] keine vertraglichen Vereinbarungen des [X.] mit dem Landschaftsverband bzw. der [X.] bestanden. Insoweit reicht es aus, dass der [X.].V. nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.] sämtliche Kosten der [X.] und EGH-Leistungen des [X.] dem Landschaftsverband bzw. der [X.] in Rechnung gestellt hat und jene in allen (und damit in mehr als 40 % der) Fälle(n) sämtliche Kosten mittelbar getragen haben (s. zur Gewährung der Steuerbefreiung an Subunternehmer in Fällen der mittelbaren Kostentragung auch [X.]-Urteile in [X.], 466, [X.], 1126, Rz 36; in [X.], 272, [X.], 1530, Rz 36 und 50 f.; [X.] vom 12. Dezember 2013 XI B 88/13, [X.] 2014, 550). Soweit die Finanzverwaltung nunmehr in Abschn. 4.16.3 Abs. 2 Satz 2 des [X.] eine abweichende Auffassung vertritt, ist diese jedenfalls insoweit nicht zutreffend.

gg) Auf die Verhältnisse im Jahr 2003 kommt es für die Streitjahre nicht an (vgl. [X.]-Urteil vom 19. März 2013 XI R 47/07, [X.]E 240, 439, [X.] 2013, 1204, Rz 37 f.).

4. [X.] folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

XI R 5/15

07.12.2016

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 9. Dezember 2014, Az: 15 K 4571/10 U, Urteil

§ 2 Abs 1 UStG 1999, § 4 Nr 14 UStG 1999, § 4 Nr 16 Buchst b UStG 1999, § 4 Nr 16 Buchst d UStG 1999, § 4 Nr 16 Buchst e UStG 1999, Art 13 Teil A Abs 1 Buchst g EWGRL 388/77, Art 132 Abs 1 Buchst g EGRL 112/2006, § 2 Abs 1 UStG 2005, § 4 Nr 14 UStG 2005, § 4 Nr 16 Buchst b UStG 2005, § 4 Nr 16 Buchst d UStG 2005, § 4 Nr 16 Buchst e UStG 2005, UStG VZ 2004, UStG VZ 2005, UStG VZ 2006

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 07.12.2016, Az. XI R 5/15 (REWIS RS 2016, 1216)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 1216

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