Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.07.2012, Az. X ZR 98/11

X. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 4879

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
X ZR 98/11
Verkündet am:

10. Juli 2012

Wermes,

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache

-
2
-
Der X.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 10.
Juli 2012
durch [X.],
[X.], [X.], Dr.
Bacher und die Richterin Schuster

für Recht erkannt:

Die Berufung gegen das Urteil des 1.
Senats ([X.]) des [X.] vom 17.
Mai 2011 wird auf Kosten des
Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

-
3
-
Tatbestand:

Der Beklagte ist Inhaber des [X.] 819
628 (Streitpa-tent), das die Priorität der [X.] Patentanmeldung 196
28
429 vom 15.
Juli 1996 in Anspruch nimmt. [X.] hat seine geltende
Fassung in dem Einspruchsverfahren vor dem [X.] erhalten. Es betrifft [X.] zum Entleeren von Schüttgut und umfasst fünf Patentansprüche. Die nebengeordneten Patentansprüche
1 und 4 lauten wie folgt:

"1.
Verfahren zum Entleeren von rieselfähigem Schüttgut (13), aus flexiblen,
insbesondere sackoder beutelartigen [X.]sen (6, 6') mittels einer Absaugvorrichtung (15), wobei

-
die Absaugvorrichtung (15) von oben her in das Behältnis (6, 6') eingeführt wird,
-
ein Hebezeug (1; 5, 21) umfassend einen ringförmigen oder
mehreckigen [X.] (1), an dem die [X.] (5, 21) befestigt sind und der einen kleineren Durchmesser als das Behältnis (6, 6') aufweist, mit dem oberen Randbereich des Behältnisses (6, 6') in [X.] gebracht wird,
-
das Hebezeug (1; 5, 21) mittels einer Hubeinrichtung (12) in vertikaler Richtung bewegt wird, um das Behältnis (6, 6') zu strecken,
-
wobei der obere Randbereich des Behältnisses (6, 6') beim Hochziehen radial nach innen gezogen wird,

1
-
4
-
dadurch gekennzeichnet,
dass
gegen Ende des Entleerungsvorgangs das gesamte
[X.] (6, 6') mit dem Schüttgutrest vom Boden weggehoben wird.

4.
Verfahren zum Entleeren von rieselfähigem Schüttgut (13), aus flexiblen, insbesondere sackoder beutelartigen [X.]sen (6, 6') mittels einer Absaugvorrichtung (15) mit einem [X.] (18), wobei

-
die Absaugvorrichtung (15) von oben her in das Behältnis (6, 6') eingeführt wird,
-
ein Hebezeug (1; 5, 21) umfassend einen ringförmigen oder
mehreckigen [X.] (1), an dem die [X.] (5, 21) befestigt sind und der einen kleineren Durchmesser als das Behältnis (6, 6') aufweist, mit dem oberen Randbereich des Behältnisses (6, 6') in [X.] gebracht wird,
-
das Hebezeug (1; 5, 21) mittels einer Hubeinrichtung (12) in vertikaler Richtung bewegt wird, um das Behältnis (6, 6') zu strecken,
-
wobei der obere Randbereich des Behältnisses (6, 6') beim Hochziehen radial nach innen gezogen wird,

dadurch gekennzeichnet,
dass
mit zunehmender Entleerung das Behältnis (6, 6') immer [X.] nach oben gezogen und zunehmend gestreckt wird, bis der untere Bereich des Behältnisses (6, 6') seitlich am Ab--
5
-
saugkopf (18) der Absaugvorrichtung [X.] und dabei das gesamte
Behältnis (6, 6') mit dem Schüttgutrest vom Bo-den weggehoben ist."

[X.] war bereits Gegenstand des [X.] 1
Ni
1/07 ([X.]), das von der in [X.] ansässigen A.

GmbH und deren
Geschäftsführer, [X.]

, geführt worden ist. Dieses Nichtigkeitsver-fahren endete durch einen am 8.
April 2008 vor dem Patentgericht geschlosse-nen gerichtlichen Vergleich, in dem sich die dortigen Kläger unter anderem ver-pflichteten, die Klage zurückzunehmen und keine weitere Klage bezüglich des Streitpatents zu erheben. Bei Abschluss dieses Vergleichs war Herr S.

als Beirat der damaligen Klägerin zugegen; er war
bis 31.
Dezember 2003 deren Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter gewesen.
Die Klägerin zu
1 im Streitfall vertreibt Produkte der A.

GmbH. Herr S.

war zumindest bis Ende 2010 Berater der Klägerin zu
1 in kunststofftechnischen Belangen und führte für diese auch Korrespondenz mit [X.]. Die A.

GmbH nutzt Patente, die der Klägerin zu
1 gehören. Im Jahre 2009 wurde eine Erfindung von [X.]

, der damals
schon Geschäftsführer und Hauptgesellschafter der A.

GmbH war, von der Klägerin zu
1 als Patent angemeldet. Der Klä-ger zu
2 ist einer der gesetzlichen Vertreter der Klägerin zu
1, die ihren Sitz im Fürstentum
Liechtenstein hat.

Die Kläger haben geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglichen Fassung hinaus. Er
sei zudem gegenüber dem Stand der Technik nicht neu und beruhe auch nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die Beklagte hat die Klage wegen Verstoßes gegen die Nichtangriffsverpflichtung aus dem Vergleich für unzulässig angesehen. Das Patentgericht hat die Klage für zulässig gehalten und das Streitpatent wegen
2
3
-
6
-
mangelnder Patentfähigkeit
mit Wirkung für die [X.] für nichtig erklärt.

Hiergegen richtet sich die Berufung des
Beklagten, der die Kläger entge-gentreten.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

[X.] 1. Das Patentgericht hat die Klage als zulässig angesehen und dies wie folgt begründet:

Die Kläger seien wirksam durch ihren Prozessbevollmächtigten und In-landsvertreter nach §
25 [X.] vertreten und hätten zugleich spätestens mit Vor-lage der auch von dem
Beklagten nicht mehr in Zweifel gezogenen Bevollmäch-tigung durch die notariell beurkundete Vollmachtsurkunde vom 3.
März 2011 sowohl die Klageerhebung als auch die Verfahrensführung für beide Kläger [X.] nachträglich genehmigt; dies sei auch nach Ablauf der Rechtsmittelfrist rückwirkend bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung möglich, sofern das Rechtsmittel noch nicht als unzulässig verworfen sei.

Der Zulässigkeit der Klage stehe
die zwischen der A.

GmbH und der Beklagten am 8.
April 2008 vereinbarte Nichtangriffsverpflichtung nicht 4
5
6
7
8
-
7
-
entgegen. Die Kläger im Streitfall seien keine Strohmänner der A.

GmbH.

Eine wirtschaftliche Identität zwischen den Klägern und der A.

GmbH oder
deren Geschäftsführer, [X.]

, sei nicht zu erkennen. Allein das Agieren einer dritten Person wie ein "[X.]", der aber weder als Ge-schäftsführer noch als Alleingesellschafter
rechtlich in der Lage sei, eine be-herrschende Funktion auszuüben, reiche hierfür nicht aus.

Aus der Geschäftsführerstellung des Herrn S.

bis 2003 und seiner Gegenwart bei Abschluss des Vergleichs am 8.
April 2008 als Beirat der A.

GmbH lasse sich eine verantwortliche Funktion mit der Möglichkeit, in ent-scheidender Weise die Geschicke der Klägerin zu
1 zu steuern, nicht ableiten. Die Beraterfunktion des Herrn S.

sowohl für die A.

GmbH als auch für die Klägerin zu
1 reiche ebenso wenig aus, beide Gesellschaften als wirtschaft-lich ein und dieselbe Person anzusehen, wie der Umstand, dass zwischen bei-den Unternehmen
eine wirtschaftliche Verflechtung als Herstellungsund als Vertriebsunternehmen
bestehe. Auch begründeten
das Fehlen von [X.] und sonstigen
Aktiva auf Seiten der Klägerin zu
1 sowie deren Inhaber-stellung für Patente und
Patentanmeldungen, die die A.

GmbH nutze und die teilweise von deren Geschäftsführer erfunden seien, keinen hinreichen-den Anhaltspunkt für eine [X.]eigenschaft der Klägerin zu 1.
Zudem lä-gen diese Umstände in der ferneren Vergangenheit und seien daher nicht [X.], Rückschlüsse für den insoweit relevanten Zeitpunkt der letzten mündli-chen Verhandlung nahezulegen.

2. Dem tritt der Senat im Ergebnis bei.

9
10
11
-
8
-
Die Kläger, die in der mündlichen Verhandlung eine Vollmacht nach §
25 [X.] zu den Akten gereicht haben,
sind an der Erhebung der Klage nicht nach
[X.] und Glauben gehindert. Die Nichtangriffsverpflichtung der A.

GmbH und deren Geschäftsführer wirken sich auf die Klagebefugnis der Kläger im Streitfall nicht aus.

a)
Nach dem auch das Prozessrecht beherrschenden Grundsatz von [X.] und Glauben wirkt eine vertragliche Nichtangriffsverpflichtung über die im Vertrag benannte Person hinaus auch für einen [X.], der ohne jedes ei-gene ins Gewicht fallende Interesse die Nichtigerklärung des Patents mit der Nichtigkeitsklage verfolgt und hierbei ausschließlich im Interesse und im Auftrag des vertraglich zum Nichtangriff Verpflichteten vorgeht. Der ohne eigenes Inte-resse auf die Nichtigerklärung eines Patents antragende [X.] muss ge-gen sich gelten lassen, dass derjenige, an dessen Stelle er klagt, an der Klage gehindert ist (s. nur Senatsurteil vom 29.
Juni 2010 -
X
ZR
49/09, [X.], 992 -
Ziehmaschinenzugeinheit II). Dies setzt angesichts des [X.] voraus, dass der [X.] wie ein Beauftragter den Weisungen seines [X.]s unterworfen ist (vgl. [X.], Urteil vom 10.
Januar 1963
Ia
ZR
174/63, [X.] 1963, 253
ff. unter
II
[X.]; vom 13.
Januar 1998
X
ZR
82/94, [X.] 1998, 904 unter
II
[X.]; vom 30.
April 2009
Xa
ZR
64/08, Rn. 10).

Dem Vortrag des
Beklagten ist nicht
zu entnehmen
und es ist auch sonst nicht erkennbar, dass die Kläger für die Erhebung der Nichtigkeitsklage im Streitfall den Weisungen der A.

GmbH oder deren Geschäftsführers unterworfen wären. Der
Beklagte behauptet nicht, dass die A.

GmbH bei Abschluss des Vergleichs am 8.
April 2008 den Weisungen des Herrn S.

unterworfen gewesen wäre.
Der Einfluss, den Herr S.

als Berater auf die 12
13
14
-
9
-
damalige Prozessführung der A.

GmbH haben konnte, reicht für eine [X.]beziehung im vorliegenden Fall nicht aus, selbst wenn die A.

GmbH damals den Ratschlägen des Herrn S.

uneingeschränkt ge-folgt sein sollte. Erst die Weisungsbindung zwischen [X.] und Stroh-mann wie in einem Auftragsverhältnis erlaubt
es, die Handlungen des einen auch dem anderen entgegenzuhalten. Es kommt deshalb
nicht darauf an, ob die Kläger (im Streitfall)
als [X.] des Herrn S.

agieren. Da dieser bei Abschluss des Vergleichs vom 8.
April 2008 nicht [X.] war, war er selbst nicht an der Erhebung einer Nichtigkeitsklage gegen das Streitpatent gehindert, so dass diese Klage auch einem auf seine Weisung hin agierenden [X.] offensteht (vgl.
[X.], [X.]O
[X.]; Xa
ZR
64/08, Rn.
10).

b) Weiterhin verbietet es der Grundsatz von [X.] und Glauben, eine Nichtigkeitsklage zu erheben, wenn
sich
eine andere juristische Person zum
Nichtangriff vertraglich verpflichtet hat und diese mit dem Kläger wirtschaftlich identisch ist (vgl. [X.], Urteil vom 2.
März 1956 -
I
ZR
187/54, [X.] 1956, 264
f. -
Wendemanschette I; vom 29.
Januar 1957
I
ZR
84/55, [X.] 1957, 482, 485 unter
III
[X.]; vom 2.
Juni 1987
X
ZR
97/86, [X.] 1987, 900 unter
III
Entwässerungsanlage; vom 29.
November 2011
X
ZR
223/11, [X.] 2012, 540

Rohrreinigungsdüse
I). Auch diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.

Der
Beklagte behauptet nicht, Herr S.

sei zum Zeitpunkt des [X.] am 8.
April 2008 der alleinige oder der zumindest beherr-schende Gesellschafter
der A.

GmbH
gewesen; dies wird auch nicht für den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung behauptet. Die bloße Be-hauptung, er sei Mitinhaber, reicht nicht aus.
Darauf, dass Herr S.

zu einem früheren Zeitpunkt
Mehrheitsgesellschafter der A.

GmbH war, kann 15
16
-
10
-
nicht abgestellt werden.
Wie das Patentgericht zutreffend erkannt hat, führen auch wirtschaftliche Verflechtungen zwischen der A.

GmbH und der Klägerin zu
1 sowie die Übertragung und Nutzung von Erfindungen und Paten-ten zwischen ihnen nicht zu einer wirtschaftlichen Einheit, derzufolge eine Nichtangriffsverpflichtung der einen Seite auch für die andere gälte.

I[X.] Das Patentgericht hat die Klage zu
Recht als begründet angesehen.

1. [X.] betrifft Verfahren zum Entleeren von rieselfähigem Schüttgut, wie es nach der Patentbeschreibung
insbesondere in der kunst-stoffverarbeitenden Industrie als
Ausgangsprodukt vorliegt. Das Schüttgut [X.] in befüllten Behältern angeliefert, die innen mit einem Foliensack ausgeklei-det seien, der das Schüttgut umgebe. Die Entleerung dieser Behälter erfolge hauptsächlich unter Verwendung von Absaugvorrichtungen, wobei ein Saugrohr in das Schüttgut gesteckt werde. Nachteilig sei, dass das Saugrohr durch eine Bedienperson ständig nachgeführt werden müsse, um eine optimale Eintauch-tiefe an der richtigen Absaugstelle zu gewährleisten. Darüber hinaus bestehe die Gefahr, dass der Absaugvorgang dadurch unterbrochen werde, dass die Folie immer wieder an das Saugrohr angesaugt werde. Wenn man auf das ma-nuelle Nachführen des [X.] verzichte, erfasse das Saugrohr nur einen Teil des [X.] und weiter entfernt liegende Schüttgutteile flössen nicht mehr an die Absaugstelle. Dies werde dadurch verstärkt, dass sich mit sinken-dem Füllstand kaum mehr ein Gefälle vom [X.] zur tiefsten [X.] bilden könne. Die im Stand der Technik bekannten Verfahren lösten, so die [X.]eibung, dieses Problem nicht in zufriedenstellender Weise. Die Ver-wendung einer Kippvorrichtung sei technisch aufwändig und löse
großen Platz-bedarf
aus. Bei der aus der [X.] [X.] 42
18 331 bekann-17
18
-
11
-
ten Verwendung eines vertikal bewegbaren [X.] bestehe die Gefahr, dass das Schüttgut hauptsächlich in der Mitte und weniger an den Randberei-chen des Schüttgutbehälters abgesaugt werde. Auch das in der [X.] Of-fenlegungsschrift 43
15 327 offenbarte Verfahren, das mit einer vibrierenden Abstelleinrichtung arbeite, führe nicht zu einer restlosen Entleerung des Behäl-ters.

Durch das
Streitpatent soll
das Schüttgut auf einfache Weise möglichst gleichmäßig und vollständig entleert werden (vgl. [X.]. Abs.
8).

Dies soll durch Verfahren zum Entleeren von rieselfähigem Schüttgut nach den Patentansprüchen 1 und 4
erfolgen, die folgende Merkmale aufwei-sen (Merkmalsbezeichnung durch das Patentgericht in eckigen Klammern):

Patentanspruch
1

1.
Die Entleerung erfolgt
1.1
aus flexiblen, insbesondere sack-
oder beutelartigen Be-hältnissen (6, 6') [1.1]
1.2
mittels einer Absaugvorrichtung (15) [1.1],
1.2.1
die von oben her in das Behältnis eingeführt wird. [1.2]

2.
Mit dem oberen Randbereich des Behältnisses (6, 6') wird ein Hebezeug (1; 5, 21) in Eingriff gebracht. [1.3]

3.
Das Hebezeug
19
20
21
-
12
-
3.1
umfasst einen ringförmigen oder mehreckigen Halterah-men (1). [1.4]
3.1.1
An dem [X.] sind die [X.] (5, 21) befestigt. [1.5]
3.1.2
Der [X.] weist einen kleineren Durchmes-ser als das Behältnis (6, 6') auf. [1.6]
3.2
wird mittels einer Hubeinrichtung (12) in vertikaler Rich-tung
bewegt, um das Behältnis (6, 6') zu strecken. [1.7]

4.
Beim Hochziehen wird der obere Randbereich des [X.] radial nach innen gezogen. [1.8]

5.
Gegen Ende des Entleerungsvorgangs wird das gesamte Be-hältnis (6, 6') mit dem Schüttgutrest vom Boden weggehoben. [1.9]

Patentanspruch
4
stimmt in seinen Merkmalen mit Patentanspruch
1 überein mit folgenden Änderungen:

Merkmal 1.2'
lautet:

mittels einer Absaugvorrichtung (15) mit einem [X.] (18) [4.1]

22
-
13
-
Merkmal 5'
lautet:

Mit zunehmender Entleerung wird das Behältnis (6, 6') immer [X.] nach oben gezogen und zunehmend gestreckt, bis der untere Bereich des Behältnisses seitlich am [X.] (18) der Ab-saugvorrichtung [X.] und dabei das ganze Behältnis mit dem Schüttgutrest vom Boden weggehoben ist. [4.9]

Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren des Streitpatents zei-gen den Beginn des Entleervorgangs (Fig. 3A) und den Zustand des [X.] nach fast völliger Entleerung (Fig. 3B).

23
-
14
-
2. Zur Begründetheit der Klage hat das Patentgericht ausgeführt:

Der Gegenstand des Streitpatents ergebe sich aus der Sicht des [X.], eines Diplomingenieurs der Fachrichtung Maschinenbau mit langjähri-ger Erfahrung in der Konstruktion von Entleervorrichtungen für rieselfähiges Schüttgut, in naheliegender Weise aus der [X.] [X.] 43
15
327
A1 ([X.]). Dort seien alle
Merkmale mit Ausnahme des Merkmals
5, nämlich dass gegen Ende des Entleerungsvorgangs das gesamte Behältnis mit dem Schüttgutrest vom Boden weggehoben werde, beschrieben.

Wenn der Fachmann vor das Problem gestellt werde, auch das verblei-bende Restmaterial aus
dem Behältnis zu entfernen, stehe ihm lediglich eine geringe Anzahl von maschinentechnischen Lösungen zur Verfügung. Neben der Absenkung der Absaugvorrichtung bis auf den Boden des Behältnisses könne
die Palette angehoben werden, auf der das Behältnis üblicherweise ste-he, oder man könne das Behältnis vom Boden abheben. Die beiden erstge-nannten Möglichkeiten werde der Fachmann eher verwerfen, da hierzu ein zu-sätzlicher Antrieb erforderlich sei. In der [X.] sei das Behältnis bereits mit ei-nem Hebezeug
verbunden, das das Behältnis bei Bedarf auch vom Boden ab-heben könne. Deshalb sei diese Lösung naheliegend. Das Anheben des [X.] werde der Fachmann erst gegen Ende des [X.], da vorher das Strecken des Behältnisses bereits das Material in Richtung zum Saugrohr drücke.

Auch der Gegenstand von Patentanspruch
4 sei nicht patentfähig. Die al-ternative Verwendung eines schwimmfähigen [X.]es anstelle eines [X.] sei dem Fachmann aus dem [X.] Gebrauchsmuster 295
15
675 bekannt. In der dort gezeigten Figur
3 sei deutlich zu erkennen, 24
25
26
27
-
15
-
dass sich seitlich des [X.]es noch Material befinden könne, welches durch den [X.] nicht erfasst werde. Hierzu beschreibe die [X.], dass das Material durch die Streckung des Behältnisses bei dessen Anheben
dem Saugrohr zugeführt werde. In dem Gebrauchsmuster sei daher vorgesehen, die [X.] zum Anheben des Sacks so stark auszulegen, dass sie diesen Schüttgutrest anheben könnten, so dass er in die Mitte zum [X.] rutsche. Die [X.] wiesen keinen eigenständigen
erfinderischen Gehalt auf.

3. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.

a) Die Ausführungen des Patentgerichts zum technischen Hintergrund
und zum
Gegenstand des Streitpatents werden von den
Parteien nicht in Zwei-fel gezogen.

b) Die geschützten
Verfahren beruhen nicht auf erfinderischer Tätigkeit
(Art. 56 EPÜ).

[X.]) Die [X.] [X.] 43
15
327 ([X.]) offenbart ein [X.] und eine Einrichtung zum Fördern
von in flexiblen, ein-
oder aufgespannt gehaltenen Behältnissen wie Säcken, Tüten oder dgl. gelagertem pulverartigem Material, worunter auch
schüttfähiges Festkörpergut zu verstehen ist. Das [X.] wird durch eine mit ihm in Kontakt stehende Absaugeinrichtung, insbe-sondere ein Saugrohr gefördert
(Sp.
1, Z.
1 bis 12), die von oben in das [X.] eingeführt wird. Dies ist in der Figur 1 der [X.] gezeigt:

28
29
30
31
-
16
-

Bei dem Verfahren nach der [X.] kommt weiter eine als Tragarm ausge-bildete Klemm-
oder Haltevorrichtung zum Einsatz, die mit einer Hubeinrichtung wirkverbunden ist, die wiederum über einen Pneumatikzylinder höhenverstellbar ausgebildet ist.
An dem
Tragarm wird ein Randbereich der Öffnung des [X.]ses befestigt (Sp.
3 Z.
65 bis Sp.
4 Z.
6). Nach der [X.] kann das Behältnis so am Tragarm der Hubeinrichtung angeordnet werden, dass es
mit nur einer Spitze des unteren [X.] nach unten ragt, so dass quasi ein [X.], mit Restmaterial gefülltes Behältnis entsteht. Damit soll sichergestellt werden, dass auch bei sehr weit entleertem Behältnis
noch eine Absaugung des Materials erfolgen kann (Sp.
4
Z.
61 bis 67). Dieser Verfahrensabschnitt ist in Figur
2 der [X.] dargestellt:

32
-
17
-

bb) Das Patentgericht hat zutreffend angenommen, dass nach dieser [X.] die [X.] der [X.] für den Fachmann offensichtlich ring-förmig ausgebildet
ist. Das in Figur
2 der [X.] dargestellte Behältnis hat die Form eines Kegels, also eines dreidimensionalen Körpers, dessen Grundfläche im einfachsten Fall
ein Kreis ist. Dies ist dem Fachmann bekannt, der sich [X.] entgegen der Auffassung des Beklagten nicht "ohne weiteres auf die in den Figuren gezeigte zweidimensionale Betrachtungsweise"
beschränken wird. Die Haltevorrichtung
nach der [X.] kann mit dem Randbereich der Öffnung des Behältnisses wirkverbunden sein, wobei die Befestigung über allgemein übliche Mittel wie Klammern, Gummiringe etc. herstellbar ist (Sp.
3 Z.
16 bis 20). Aus der Figur
1 der [X.] ergibt sich zudem, dass die [X.] (8) einen klei-neren Durchmesser als das Behältnis (1) aufweist. Die Klemm-
oder [X.]
-
18
-
richtung (Tragarm), der dem Hebezeug im Streitpatent entspricht, die mit der Hubeinrichtung verbunden ist, kann in ihrer Höhe verstellt werden (Sp.
3 Z.
7 bis 15), so dass das Behältnis gestreckt wird. Aus den Figuren
1 und 2 der [X.] ist dabei erkennbar, dass der obere Randbereich des Behältnisses radial nach innen gezogen wird. Damit sind die Merkmale und
Merkmalsgruppen 1 bis 4 des Streitpatents verwirklicht.

[X.]) Der Verfahrensschritt nach Merkmal 5 ergibt sich -
entgegen der [X.] der technischen Beschwerdekammer des [X.] im Einspruchsverfahren (Entscheidung vom 8.
Juni 2006 -
T
667/05, Umdruck S.
24
f.)
-
in naheliegender Weise aus dem Inhalt der [X.]. Nach Merkmal 5 soll gegen Ende des Entleerungsvorgangs das gesamte Behältnis mit dem Schütt-gutrest vom Boden weggehoben werden. Die Offenbarung der [X.] gab dem Fachmann Anlass, das Verfahren nach dem Streitpatent entsprechend [X.]. Nach der [X.] kann über eine Veränderung der Lage der Behältnis-wandung und die daraus folgende mechanische Einwirkung auf das Schüttgut erreicht werden, dass das Schüttgutmaterial in den Bereich des [X.] nachgeführt wird (Sp.
2
Z.
9 bis 13). Die [X.] kann mittels einer Hubeinrichtung über eine Höhenveränderung des Behältnisses erfolgen (Sp.
2 Z.
45 bis 48). Dieser Verfahrensschritt ist auch in Patentanspruch 2 der [X.]
niedergelegt, nach dessen kennzeichnendem Teil
"die Lage der Behältniswan-dung (5)
zwischen der Einspannung
(8)
und dem Bodenbereich des [X.]
(1) über eine Höhenveränderung des Behältnisses
(1)
verändert wird".
Da-nach war dem Fachmann bekannt, dass eine bessere Entleerung des Behälters über dessen vertikale [X.], d.h.
eine Höhenverstellung,
zu errei-chen
war. In welchem Umfang diese Höhenveränderung erfolgen musste, um zu einer möglichst vollständigen Entleerung zu gelangen, ist in der [X.]ei-bung der [X.] zwar nicht angesprochen. Der Fachmann hätte den [X.]
-
19
-
chen Umfang der Höhenverstellung aber mit geringem Aufwand durch entspre-chende Versuche ermittelt.
Dafür
spricht, dass ein solcher Versuch -
nämlich das Behältnis so hoch zu ziehen, dass es keine Bodenberührung mehr hatte
-
durch eine einfache Maßnahme, nämlich die
Nutzung
der bereits vorhandenen Vorrichtung und Durchführung der bereits bekannten Maßnahme des Hochzie-hens ohne zusätzlichen materiellen oder personellen Aufwand zu erreichen war.

dd) Die von dem Beklagten hiergegen vorgebrachten Argumente führen
nicht zu
einer abweichenden Beurteilung.

(1) Der
Umstand, dass das Behältnis bei dem Verfahren nach der [X.] auf einer vibrierenden Platte abgestellt ist, steht den dargelegten
Überlegungen des Fachmanns nicht entgegen. Denn nach der [X.]eibung der [X.] sieht der Fachmann bereits das Hochziehen des Behältnisses als geeignete Maß-nahme an, um zu einem verbesserten Nachfließen des [X.] und damit einer möglichst vollständigen Entleerung des Behälters zu gelangen (Sp.
2 Z.
43 bis 54). Der Einsatz einer vibrierenden Platte mag diese Wirkung unter-stützen; in der [X.] ist diese Maßnahme indessen nur bei einer bevorzugten Ausführungsform (Patentansprüche 7, 8) angesprochen.

(2) Der weitere Einwand des Beklagten, bei der [X.] werde die kegelför-mige Gestalt des Behältnisses nicht wie beim Streitpatent durch Hochziehen erreicht, weil das weitgehend entleerte Behältnis so am Tragarm der Hubein-richtung angeordnet
werde, dass es nur mit einer Spitze nach unten rage und somit quasi ein kegelförmiges Behältnis entstehe (Sp.
4 Z.
61 bis 67), verfängt nicht. Wie ausgeführt ergibt sich aus der
[X.]eibung der [X.] (Sp.
2 Z.
9 bis 13 und 43 bis 54), dass
der gewünschte Effekt der besseren Schüttgutentlee-35
36
37
-
20
-
rung u.a. durch eine [X.], d.h. Höhenveränderung,
des
[X.] erreicht wird. Auf dieser allgemeinen Offenbarung basieren
die ab Spalte 3 Zeilen 52
ff. angeführten
Ausführungsbeispiele. Die von dem Beklagten zitierte [X.]eibungsstelle in Spalte 4 betrifft ein Ausführungsbeispiel, zu dem
in Spal-te
4 Z.
47 bis 51 angegeben
ist, dass durch die [X.] der Behältnis-wandung sich die Kontur des Behältnisses selbst verändere. Die Anordnung eines (quasi) kegelförmigen Behältnisses stellt die Fortführung dieser Überle-gung dar und beinhaltet nicht einen von dem allgemeinen [X.]eibungsinhalt abweichenden Gegenstand, der den Fachmann von der allgemeinen Offenba-rung der [X.] wegführen würde.

(3) Der Beklagte hat weiter vorgebracht, in der [X.] sei ein festsitzendes Absaugrohr offenbart, das fast bis zum Boden
des Behältnisses reiche. Der Fachmann werde deshalb nicht auf die Idee kommen, den Boden dem Rohr weiter anzunähern, da ansonsten die Folie angesaugt werde.
Dieses Argument steht einer der [X.] entnommenen Anregung, die Lage des Behältnisses zu verändern
und es abzuheben, nicht entgegen. Denn weder in den
Patentan-sprüchen
noch in der
[X.]eibung der [X.] ist
ein
Abstand zwischen dem [X.] des [X.] und dem Boden des Behältnisses festgelegt;
die nicht maß-stabsgetreuen Zeichnungen bieten keine ausreichende Grundlage für die An-nahme eines bestimmten Abstands. Auch das Streitpatent macht zur Entfer-nung des [X.] zum Boden des Behältnisses keine Angaben.
Daraus ist zu schließen, dass
die Bemessung des erforderlichen Abstands dem Fachmann überlassen ist.

ee) Auch der Gegenstand von Patentanspruch 4 ist durch den Inhalt der [X.] und des ebenfalls bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigten deut-schen Gebrauchsmusters 295
15
675 nahegelegt. Die in Patentanspruch 4 vor-38
39
-
21
-
gesehene Verwendung eines [X.]s (Merkmal 1.2') ist in dem Ge-brauchsmuster in der nachstehend abgebildeten Figur 3 dargestellt:

In dem in der [X.] gezeigten Verfahren
werden
allgemein eine Absaug-vorrichtung und nur beispielhaft die Verwendung eines [X.] beschrie-ben. Die Einsatzmöglichkeit
eines [X.]s
kannte
der Fachmann aus dem Gebrauchsmuster 295
15
675, er hätte sie
deshalb bei der Ausgestaltung des Verfahrens nach der [X.], die einen solchen Einsatz nicht ausschließt, in Erwä-gung gezogen.

In Merkmal 5'
nach Patentanspruch 4 ist
gegenüber dem Merkmal 5 nach Patentanspruch 1 zusätzlich angegeben, dass das Behältnis mit zuneh-40
41
-
22
-
mender Entleerung immer weiter nach oben gezogen und zunehmend gestreckt
wird, bis sein unterer Bereich seitlich am [X.] der Absaugvorrichtung anliegt. Darin kann nichts Erfinderisches gesehen werden. Maßgeblich für die Veränderung der Lage des [X.]
ist die Maßnahme des Hochziehens, die, wie ausgeführt, keine erfinderische Qualität aufweist. Wenn das in der [X.] ge-zeigte flexible Behältnis, dessen Absaugvorrichtung mit einem [X.] nach dem Gebrauchsmuster 295
15
675 versehen sein kann,
nach oben gezo-gen wird, legt es sich von selbst an den
[X.] an, und zwar desto enger, je höher es von der Hubeinrichtung gezogen wird. Bei Beurteilung der erfinderi-schen Qualität gilt
deshalb
für Merkmal 5'
des Patentanspruchs 4 nichts grund-legend anderes als für das entsprechende Merkmal des Patentanspruchs 1.

ff) Patentanspruch 2 sieht, wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, als zusätzliches Merkmal eine Kräftebilanz
vor, die sicherstellt, dass das Behältnis am Ende des Entleervorgangs tatsächlich abgehoben wird
und nicht reißt.
Soweit man
daraus
folgern könnte, dass bei dieser Lösung ein
Absaug-kopf in dem Behältnis liegen, also schwimmen muss, ist diese
Ausgestaltung
aus dem Gebrauchsmuster
295
15
675 bekannt
und der Einsatz des Absaug-kopfs eine für den Fachmann naheliegende Maßnahme.
42
-
23
-

gg) Ein für sich oder in Verbindung mit den Patentansprüchen 1 und 4 bestehender erfinderischer Gehalt der übrigen [X.] ist weder gel-tend gemacht noch sonst ersichtlich ([X.], Urteil vom 29.
September 2011
-
X
ZR
109/08, [X.] 2012, 149 -
Sensoranordnung).

II[X.] Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 [X.] und §
97 Abs.
1 ZPO.

[X.]
[X.]
Grabinski

Bacher
Schuster
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 17.05.2011 -
1 Ni 1/09 ([X.]) -

43
44

Meta

X ZR 98/11

10.07.2012

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.07.2012, Az. X ZR 98/11 (REWIS RS 2012, 4879)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4879

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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