Bundespatentgericht, Beschluss vom 30.03.2011, Az. 9 W (pat) 46/10

9. Senat | REWIS RS 2011, 8141

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Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren - "Unwuchtantrieb" – Anmeldung des Patents durch mehrere Anmelder - Zurückweisungsbeschluss nur gegen einen Teil der Anmelder ist rechtsfehlerhaft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2007 044 775.4 - 13

hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] am 30. März 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] [X.] sowie [X.], [X.] und Dipl.-Ing. Reinhardt

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelder wird der Beschluss der Prüfungsstelle für [X.] des [X.] vom 12. Juli 2010 aufgehoben. Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

1

Die Patentanmeldung der Beschwerdeführer wurde mit der Bezeichnung „Unwuchtantrieb” am 19. September 2007 beim [X.] eingereicht.

2

Auf die schriftliche Nachfrage der Prüfungsstelle vom 23. Oktober 2007 unter anderem wegen der Unklarheit, wer als Anmelder fungieren solle, ging am 26. Juli 2008 die Antwort vom 22. Juli 2008 ein, dass neben [X.] (Beschwerdeführer zu 1) und [X.] (Beschwerdeführer zu 2) auch Herr J… Mitanmelder sei und der Schriftverkehr über den Beschwerdeführer zu 1 gehe. Alle drei Personen haben diese Antwort unterschrieben und sind in der [X.] der Prüfungsstelle vom 7. August 2008 als Mitanmelder aufgeführt.

3

Die Prüfungsstelle für Klasse F 03 G des [X.]s hat die Anmeldung durch einen nur gegen die Beschwerdeführer zu 1 und 2 gerichteten Beschluss vom 12. Juli 2010 zurückgewiesen.

4

Gegen diesen Beschluss wandten sich diese beiden Beschwerdeführer mit einem Schriftsatz vom 24. August 2010, der mit „Widerspruch zur Patentzurückweisung, Patent-Nr. [X.] 10 2007 044 775 [X.]“ betitelt ist.

5

Sie verteidigen ihre Patentanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung und beantragen schriftsätzlich sinngemäß,

6

den angefochtenen Beschluss des [X.]s vom 12. Juli 2010 aufzuheben und das Patent mit den ursprünglich eingereichten Unterlagen zu erteilen.

7

Mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2010 haben die Beschwerdeführer Beschleunigungsantrag gestellt.

8

Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

9

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.

1. Das „Widerspruchs“-Schreiben vom 24. August 2010 ist im Zusammenhang mit der rechtzeitigen Zahlung der Beschwerdegebühr als Beschwerde auszulegen. Auch wenn es nur durch die Beschwerdeführer zu 1 und 2 unterschrieben ist, ist der Anmelder zu 3 als notwendiger Streitgenosse gemäß § 99 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 62 ZPO Beteiligter des Beschwerdeverfahrens (vgl. [X.], [X.], 8. Aufl., § 74 Rdn. 9). Denn bei mehreren Anmeldern ist jeder für sich beschwerdeberechtigt; seine Beschwerde wirkt auch für die andern ([X.] a. a. O.).

2. Die Beschwerde führt ohne Entscheidung in der Sache selbst zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses der Prüfungsstelle und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

Das dortige Verfahren leidet an wesentlichen Mängeln (§ 79 Abs. 3 Nr. 2 [X.]). Die Prüfungsstelle hat rechtsfehlerhaft nur über den Antrag der Anmelder zu 1 und 2 entschieden und die mit Schreiben vom 22. Juli 2008 mitgeteilte [X.] mit dem Anmelder zu 3 unberücksichtigt gelassen.

a) Bei der Prüfung der Schutzfähigkeit einer von mehreren Anmeldern getätigten Patentanmeldung handelt es sich um einen unteilbaren Verfahrensgegenstand. Zwei oder mehrere Anmelder sind notwendige Streitgenossen im Sinne des § 99 Abs. 1 [X.], § 62 ZPO. Das Recht an einem Patent steht den Anmeldern im Regelfall gemeinschaftlich zu. Über eine Patentanmeldung kann deshalb nur einheitlich entschieden werden (B[X.]E 40, 276 - „Verstellvorrichtung“; B[X.]E 49, 219 - „Überwachungssystem“; [X.], [X.], 8. Auflage, § 34 Rdn. 16 mit weiteren Nachweisen). Sofern durch die Prüfungsstelle eine Sachentscheidung veranlasst ist, kann diese nicht - wie hier - durch [X.] nur gegen einen Streitgenossen erfolgen ([X.], 292).

b) Da bereits dieser Mangel zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] führt, kommt es auf die Frage der ordnungsgemäßen Zustellung des zurückweisenden Beschlusses (B[X.]E a. a. O.; 10 W (pat) 40/04 vom 9. Dezember 2004 in juris) nicht mehr an. [X.] vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass insoweit ein weiterer Mangel vorliegt. Denn zum einen findet sich in der Akte kein Vermerk i. S. d. § 127 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 4 Abs. 2 [X.], woraus entnommen werden könnte, ob die vorgesehene Zustellung durch [X.] überhaupt stattgefunden hat. Zwar ist auf der Beschlussverfügung vom 19. Juli 2010 das Feld „Einschreiben durch Übergabe“ angekreuzt und der Vermerk „Beschluss abgesandt am 6. August 2010“ mit Namensparaphe abgezeichnet; jedoch fehlt auf dem Aktenexemplar des Beschlusses die erforderliche Angabe über die [X.]: keines der dort vorgegebenen Felder ist angekreuzt, insbesondere nicht „Einschreiben durch Übergabe (Zustellung)“. Zudem ist das Aktenexemplar des Beschlusses mit dem Stempel „kein Nachweis (Einschreiben) vorhanden“ und Namensparaphe versehen (Bl. 83 der [X.]). Allerdings ergibt sich aus dem „Widerspruchs“-Schreiben vom 24. August 2010, dass die Beschwerdeführer ein Schreiben erhalten haben. Jedoch ist nicht ausreichend berücksichtigt worden, dass im vorliegenden Fall die Zurückweisung für zwei Anmelder erklärt worden ist, was dazu führt, dass beide auch im Verfahren des [X.] notwendige Streitgenossen i. S. d. § 62 ZPO und dementsprechend auch zu beteiligen sind.

Zwar hat das Patentamt insoweit richtig gehandelt, als es den Zurückweisungsbeschluss lediglich an den Anmelder zu 1, dessen Adresse bei der Patentanmeldung als Zustelladresse angegeben worden war, gesandt hat. Da er jedoch nur Zustellungsbevollmächtigter war, hätte der Sendung gemäß § 7 Abs. 2 [X.] zumindest ein zweites Exemplar für den Patentanmelder zu 2 - abgesehen von dem weiteren für den Anmelder zu 3 - beigefügt werden müssen; wegen Fehlens eines gegenteiligen Hinweises muss davon ausgegangen werden, dass dies nicht geschehen ist. Die Verletzung dieser zwingenden Vorschrift macht die Zustellung unwirksam, ohne dass dieser Mangel nach § 8 [X.] geheilt werden könnte ([X.], [X.], 7. Aufl. § 7 Rdn. 44, 46). Wenn gemäß § 7 Abs. 2 [X.] mehrere Exemplare eines Beschlusses oder Bescheids zugestellt werden müssen, setzt die Anwendung des § 8 [X.] nämlich voraus, dass seitens der [X.] hierzu überhaupt vorhanden war (siehe B[X.] Beschl. vom 9. Dezember 2004 – [X.]. 10 W (pat) 40/04 - m. w. N., [X.], a. a. O. § 8 Rn. 28 f.), was zumindest hinsichtlich des Anmelders zu 3 jedenfalls nicht ersichtlich ist, nachdem er im Beschluss namentlich gar nicht aufgeführt war.

c) Die Prüfungsstelle wird das Anmeldeverfahren nunmehr fortzusetzen haben.

3. Die Anordnung, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen, beruht auf § 80 Abs. 3 [X.]. Sie ist im Hinblick auf die vom Patentamt zu verantwortenden Verfahrensfehler angemessen.

Meta

9 W (pat) 46/10

30.03.2011

Bundespatentgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 62 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 30.03.2011, Az. 9 W (pat) 46/10 (REWIS RS 2011, 8141)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8141

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