Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.05.2017, Az. XI B 13/17

11. Senat | REWIS RS 2017, 11354

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Gegenstand

Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit; feste Niederlassung; kurzfristige Vermietung einer Immobilie zur Beherbergung von Fremden


Leitsatz

NV: Die Rechtsfrage, ob bei einer steuerpflichtigen Vermietung das im Inland belegene Grundstück als feste Niederlassung des Unternehmers anzusehen ist, falls es sich bei den Vermietungsumsätzen um die einzigen inländischen Umsätze des Unternehmers handelt, ist nicht klärbar, wenn das FG aufgrund weiterer Umstände angenommen hat, dass der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmers im Inland liegt .

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 24. November 2016 5 K 5252/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und [X.]eschwerdegegnerin (Klägerin), eine Grundstücksgemeinschaft, bestehend aus den Eheleuten [X.] und [X.], vermietete seit dem [X.] die frühere gemeinsame Ehewohnung der Gesellschafter der Klägerin, am [X.] in [X.], kurzfristig zur [X.]eherbergung von Fremden.

2

Die Klägerin ging davon aus, dass ihre Vermietungsleistungen nach § 4 Nr. 12 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) umsatzsteuerfrei seien.

3

Der [X.]eklagte und [X.]eschwerdeführer (das Finanzamt --F[X.]--) war dagegen der [X.]uffassung, dass die Vermietungsleistungen der Klägerin nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG steuerpflichtig seien, und setzte u.a. in den Umsatzsteuerbescheiden für die Jahre 2005 bis 2010, zuletzt vom 27. Januar 2015, Umsatzsteuer fest. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.

4

Im Laufe des Klageverfahrens machte die Klägerin bezüglich der [X.], 2007 und 2010 (Streitjahre) u.a. hilfsweise geltend, die Umsatzsteuer sei aufgrund der sog. Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG nicht zu erheben.

5

Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage für die [X.], 2007 und 2010 statt und wies sie im Übrigen ab. Es vertrat die [X.]uffassung, dass die Klägerin Unternehmerin i.S. des § 2 UStG sei. Die Vermietungsleistung der Klägerin sei nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG steuerpflichtig. [X.]llerdings sei die Umsatzsteuer für die Streitjahre gemäß § 19 UStG nicht zu erheben. Insbesondere sei die Klägerin i.S. des § 19 [X.]bs. 1 Satz 1 UStG im Inland ansässig. Es führte dazu aus, maßgebend sei der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit. [X.]ei einer steuerpflichtigen Vermietung sei das im Inland belegene Grundstück als feste Niederlassung anzusehen und begründe somit eine [X.]nsässigkeit im Inland, soweit es um Umsätze geht, die diesem Grundstück zuzurechnen sind. Da es nur um die aus der streitgegenständlichen Wohnung erzielten Umsätze gehe, sei die Klägerin folglich als im Inland ansässige Unternehmerin anzusehen. Dafür spreche im Übrigen auch, dass die Klägerin dauerhaft eine inländische [X.]gentur beauftragt habe, die nicht nur die Verträge vermittele, sondern auch mit Vollmacht der Klägerin abgeschlossen und unterzeichnet habe. Inwieweit die [X.]gentur noch für die Verwaltung des Mietobjekts zuständig gewesen sei, ergebe sich aus den vorliegenden Unterlagen nicht. Soweit aber, wie vorgetragen, die Ehefrau die Verwaltung übernommen habe und dafür jeweils angereist sei, um vor Ort die notwendigen Entscheidungen zu treffen, spreche auch dies für die [X.]nnahme des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit im Inland.

6

Mit seiner [X.]eschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht das F[X.] geltend, die Revision sei gemäß § 115 [X.]bs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zur Fortbildung des Rechts sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

Entscheidungsgründe

7

II. [X.] ist unbegründet. Die geltend gemachten [X.]ulassungsgründe sind teilweise nicht hinreichend dargelegt und liegen im Übrigen nicht vor.

8

1. Die vom [X.] aufgeworfene Rechtsfrage ist im Streitfall nicht klärbar.

9

a) Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [X.]O zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, wenn im Streitfall Veranlassung besteht, Grundsätze und Leitlinien für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (z.B. Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 24. Juni 2014 XI B 45/13, [X.], 1584, Rz 35, m.w.[X.]). Die Rechtsfortbildung muss über den Streitfall hinaus im allgemeinen Interesse liegen und eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage betreffen (vgl. z.B. [X.] vom 6. Mai 2014 XI B 4/14, [X.], 1406, Rz 29, m.w.[X.]; Lange in [X.]/[X.]/[X.], § 115 [X.]O Rz 154 ff., m.w.[X.]; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 115 Rz 41; [X.] in [X.], [X.]O § 115 Rz 114).

b) Das [X.] macht dazu geltend, der [X.] habe die Rechtsfrage, ob bei einer steuerpflichtigen Vermietung das im Inland belegene Grundstück als feste Niederlassung anzusehen ist und somit eine Ansässigkeit im Inland begründet, wenn es sich bei den diesem Grundstück zuzurechnenden Umsätzen um die einzigen inländischen Umsätze des Unternehmers handelt, noch nicht entschieden.

Diese Rechtsfrage, die vom [X.] ([X.]) im Urteil Schmelz vom 26. Oktober 2010 [X.]/09 ([X.]:[X.], [X.], 2186, Rz 31) nicht abschließend beantwortet worden ist (s.a. Schlussanträge der Generalanwältin [X.] vom 17. Juni 2010 in der Rechtssache Schmelz, [X.]:C:2010:354, Rz 20), ist allerdings im Streitfall nicht klärbar; denn das [X.] hat außerdem angenommen, dass sich aufgrund weiterer Umstände (auch) der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin (am [X.] in [X.] und damit) im Inland befinde. Diese Würdigung hat das [X.] mit seiner Beschwerde nicht angegriffen (vgl. § 118 Abs. 2 [X.]O).

Deshalb kann die Rechtsfrage, die sich nur auf das Vorliegen einer festen Niederlassung im Inland bezieht, im Streitfall nicht geklärt werden. Der Umstand, dass das Unionsrecht zwischen den Begriffen "Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit" und "feste Niederlassung, von wo aus die Umsätze bewirkt worden sind", unterscheidet, zeigt im Übrigen, dass der erste dieser Begriffe eine vom zweiten Begriff unabhängige Bedeutung hat ([X.]-Urteil [X.] vom 28. Juni 2007 [X.]/06, [X.]:C:2007:397, [X.] 2007, 654, Rz 58 f.).

c) In Bezug auf die Annahme des [X.], (auch) der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin befinde sich im Inland, hat das [X.] keine abstrakte Rechtsfrage aufgeworfen.

[X.]war kann den Ausführungen des [X.] entnommen werden, dass das [X.] die Annahme des [X.], der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit befinde sich im Inland, für unzutreffend hält, weil es [X.] als die [X.] davon ausgeht, dass die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung der Klägerin nicht im Inland getroffen worden seien. Damit wird jedoch kein [X.]ulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 [X.]O dargelegt, sondern vorgetragen, dass das [X.] im Streitfall falsch entschieden habe. Dies vermag die [X.]ulassung der Revision grundsätzlich nicht zu begründen (vgl. [X.] vom 27. August 2014 XI B 33/14, [X.]/NV 2015, 66, m.w.[X.]). Verfahrensrügen hat das [X.] auch nicht erhoben.

2. Der vom [X.] außerdem geltend gemachte [X.]ulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O) in Form der Divergenz ist nicht i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O dargelegt.

Im Streitfall trägt das [X.] zwar vor, das Urteil des [X.] weiche "bei vergleichbarem Sachverhalt von der ständigen Rechtsprechung des [X.] bezüglich der Beurteilung der Ansässigkeit ab". Es stellt aber im Rahmen seiner weiteren Ausführungen keine tragenden abstrakten Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des [X.] einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung andererseits so gegenüber, dass eine Abweichung erkennbar wird (vgl. zu diesem Erfordernis z.B. [X.]-Beschlüsse vom 11. Dezember 2014 XI B 49/14, [X.]/NV 2015, 363, Rz 16; vom 14. März 2016 X B 101/14, [X.]/NV 2016, 1046, Rz 29; vom 5. Dezember 2016 VI B 37/16, [X.]eitschrift für das gesamte Insolvenzrecht 2017, 780, Rz 6).

3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]O).

Meta

XI B 13/17

09.05.2017

Bundesfinanzhof 11. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 24. November 2016, Az: 5 K 5252/14, Urteil

§ 4 Nr 12 S 2 UStG 2005, § 19 Abs 1 S 1 UStG 2005, Art 283 Abs 1 Buchst c EGRL 112/2006, Art 10 EUV 282/2011, Art 11 EUV 282/2011, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 1 FGO, UStG VZ 2006, UStG VZ 2007, UStG VZ 2010

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.05.2017, Az. XI B 13/17 (REWIS RS 2017, 11354)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 11354

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