Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 25.10.2023, Az. 7 ABR 25/22

7. Senat | REWIS RS 2023, 9332

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Gegenstand

Antragsänderung im Rechtsbeschwerdeverfahren - Betriebsratswahl - Anfechtung - Verkennung des Betriebsbegriffs


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerden der Beteiligten zu 2., zu 3. und zu 4. wird der Beschluss des [X.] vom 2. September 2022 - 8 TaBV 15/22 - aufgehoben.

Auf die Beschwerden der Beteiligten zu 2. und zu 3. wird der Beschluss des [X.] vom 3. Februar 2022 - 3 [X.] - abgeändert.

Der Antrag des Beteiligten zu 1. wird als unzulässig abgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten in der [X.] noch über die Betriebsratsfähigkeit eines Filialstandorts.

2

Die zu 2. beteiligte, nicht tarifgebundene Arbeitgeberin betreibt deutschlandweit über 500 Filialen mit Kraftfahrzeugwerkstätten und integriertem Kraftfahrzeugzubehörhandel sowie eine Zentrale am Unternehmenssitz in [X.] Ursprünglich war sie in fünf Vertriebsorganisationen - jeweils unter der Leitung eines mit Prokura ausgestatteten Regionalleiters - und 45 Vertriebsgebiete gegliedert. [X.]eit einer Neustrukturierung im Jahr 2019 bestehen 20 Vertriebsbezirke mit je einem der Zentrale unterstellten Vertriebsleiter ohne Prokura, dem die in den jeweiligen Bezirk befindlichen Filialen zugeordnet sind.

3

[X.]eit 2018 war in den Filialen die Tendenz zur Bildung von [X.] rückläufig. Im Februar 2022 waren noch an 227 Filialstandorten örtliche - überwiegend einköpfige - Betriebsräte gewählt; darunter in [X.] der antragstellende, zu 1. beteiligte Betriebsrat.

4

Unter dem 25. Januar/5. Februar 2021 schlossen die Arbeitgeberin und der in ihrem Unternehmen errichtete, zu 3. beteiligte Gesamtbetriebsrat eine „Gesamtbetriebsvereinbarung über die Bildung eines [X.] nach § 3 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 1 a) [X.]“ ([X.]). In deren § 2 Abs. 1 und Abs. 5 war bestimmt, dass ein - sowohl den Gesamtbetriebsrat als auch die örtlichen Betriebsräte ablösender - unternehmenseinheitlicher Betriebsrat mit [X.]itz in [X.] für das gesamte Gebiet der [X.] gebildet wird. Dessen Mitgliederzahl war nach § 2 Abs. 3 [X.] abweichend von § 9 [X.] auf 71 festgelegt, was bezweckte, „dass jeder Vertriebsbezirk gleich stark im [X.] vertreten sein soll“. Außerdem waren dem [X.] „dauerhaft bis zu maximal 10 sachkundige Arbeitnehmer als Auskunftspersonen gem. § 80 Abs. 2 [X.]atz 4 [X.] zur Verfügung gestellt“, welche den [X.]chutzbestimmungen des § 15 K[X.]chG und § 78 [X.] unterliegen und - ebenso wie alle Betriebsratsmitglieder - für die Erledigung ihrer Aufgaben freigestellt sein sollten. Zur Erleichterung der Zusammenarbeit zwischen dem [X.] und den Beschäftigten sah § 3 Abs. 1 [X.] vor, dass „die Vertriebsbezirke Vertreter haben“. Diese „Bezirksvertreter“ sollte der unternehmenseinheitliche Betriebsrat im Rahmen seines [X.]elbstorganisationsrechts benennen und dabei die räumliche Nähe des Betriebsratsmitglieds zum Vertriebsbezirk beachten.

5

Unter dem 5. Januar/23. Februar 2022 schlossen die Arbeitgeberin und der Gesamtbetriebsrat erneut eine „Gesamtbetriebsvereinbarung über die Bildung eines [X.] nach § 3 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 1 a) [X.]“ ([X.]). In deren Präambel war im Gegensatz zur [X.] niedergelegt, dass alle wesentlichen mitbestimmungspflichtigen Entscheidungen in der Zentrale in [X.] getroffen werden. Die Freistellung der Betriebsratsmitglieder stand nach § 2 Abs. 3 [X.] unter dem Vorbehalt der Erforderlichkeit; außerdem waren dem Betriebsrat nach § 2 Abs. 4 [X.] „dauerhaft bis zu maximal 10 sachkundige Arbeitnehmer als [X.] nach § 40 Abs. 2 [X.] zur Verfügung“ gestellt. Auf Grundlage der [X.] wurde am 1. März 2022 der unternehmenseinheitliche Betriebsrat (Beteiligter zu 4.) gebildet, dessen [X.]ahl von mehreren Arbeitnehmern angefochten wurde. Am 17. März 2022 wurde der zu 1. beteiligte Betriebsrat am [X.]tandort [X.] neu gewählt; diese [X.]ahl wurde von der Arbeitgeberin angefochten.

6

Der zu 1. beteiligte Betriebsrat hat in dem von ihm im August 2021 eingeleiteten Verfahren die Auffassung vertreten, bei der Filiale [X.] handele es sich um eine betriebsratsfähige Organisationseinheit entsprechend der gesetzlichen Betriebsverfassung. Mit den vereinbarten Regelungen zu einem [X.] hätten die Betriebsparteien gegen den Grundsatz der ortsnahen Belegschaftsvertretung verstoßen. Diese Regelungen seien auch deshalb unwirksam, weil bei der Vereinbarung einer von der gesetzlichen Betriebsverfassung abweichenden Vertretungsstruktur die Zusammenfassung von Betrieben gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b [X.] vorrangig gegenüber der Bildung eines [X.] gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] sei.

7

Der Betriebsrat hat - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass am [X.]tandort der Beteiligten zu 2. unter der Adresse [X.] eine betriebsratsfähige Organisationseinheit besteht.

8

Die Arbeitgeberin und der Gesamtbetriebsrat haben beantragt, den Antrag abzuweisen.

9

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das [X.] hat die Beschwerden des [X.] und der Arbeitgeberin nach Anhörung des während des Beschwerdeverfahrens auf Grundlage der [X.] gewählten [X.] - welcher im Beschwerdeverfahren eine Rücknahme des Antrags erklärt hat - zurückgewiesen. Mit ihren Rechtsbeschwerden verfolgen die Arbeitgeberin, der Gesamtbetriebsrat sowie der unternehmenseinheitliche Betriebsrat weiter eine Antragsabweisung, während der zu 1. beteiligte Betriebsrat die Zurückweisung der Rechtsbeschwerden begehrt.

Im Verlauf des [X.] haben die Arbeitgeberin und der unternehmenseinheitliche Betriebsrat am 22. Februar 2023 die „Betriebsvereinbarung über die Bildung eines [X.] nach § 3 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 1 a) [X.]“ ([X.] 2023) geschlossen. In ihr sind maximal 35 [X.] - bei einem näher beschriebenen Zeitkontingent - vorgesehen. Es ist keine von § 9 [X.] abweichende Zahl der Betriebsratsmitglieder festgelegt. Auch Bezirksvertreter sind nicht mehr vorgesehen. Im Übrigen ist nach Rücktritt des [X.] im März 2023 und dessen Neuwahl am 19. Juli 2023 auf Grundlage der [X.] 2023 das diesen betreffende [X.]ahlanfechtungsverfahren infolge übereinstimmender Erledigungserklärungen der dort Beteiligten eingestellt worden.

B. Die zulässigen Rechtsbeschwerden der Arbeitgeberin, des [X.] sowie des [X.] haben Erfolg. Das Feststellungsbegehren des Betriebsrats ist wegen einer in der [X.] eingetretenen Änderung des streitgegenständlichen [X.] unzulässig geworden.

I. [X.] sind zulässig. Insbesondere sind - neben der Arbeitgeberin - der zu 3. beteiligte Gesamtbetriebsrat und der zu 4. beteiligte unternehmenseinheitliche Betriebsrat (weiterhin) [X.].

1. Die Rechtsmittelbefugnis im Beschlussverfahren folgt der [X.]. Daher ist [X.] nur derjenige, der nach § 83 Abs. 3 ArbGG am Verfahren beteiligt ist.

a) Verfahrensbeteiligt ist eine Person oder [X.]telle, die durch die zu erwartende Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen wird. In einem Beschlussverfahren kann nach § 83 Abs. 3 ArbGG nur eine Person, Vereinigung oder [X.]telle zu hören sein, die nach § 10 ArbGG partei- und damit beteiligtenfähig ist. Einem nicht (mehr) existenten Gremium kommen keine kollektivrechtlichen Rechtspositionen (mehr) zu. Die [X.] ist vom Gericht in jeder Lage des Verfahrens - auch noch in der [X.] - von Amts wegen zu prüfen und zu berücksichtigen. Fehlt die Rechtsmittelbefugnis, ist das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen (vgl. [X.] 14. [X.]eptember 2022 - 7 [X.] - Rn. 12 mwN).

b) Ein unstreitiger Verlust der [X.] einer [X.]telle führt grundsätzlich zur Unzulässigkeit eines von ihr eingelegten Rechtsmittels. Ist die [X.] hingegen streitig, wird sie hinsichtlich der Zulässigkeit des Rechtsmittels unterstellt. Das gilt auch in einem Verfahren, dessen Gegenstand nicht - oder nicht unmittelbar - die Existenz der rechtsmittelführenden [X.]telle ist (vgl. [X.] 14. [X.]eptember 2022 - 7 [X.] - Rn. 13 mwN).

2. Unter Anwendung dieser Grundsätze sind sowohl der Beteiligte zu 3. als auch der Beteiligte zu 4. rechtsmittelbefugt. Deren [X.] hängt jedenfalls mittelbar mit der im vorliegenden Verfahren zu entscheidenden Frage zusammen, ob am [X.]tandort [X.] eine betriebsratsfähige Organisationseinheit besteht. In einem solchen Verfahren sind die jeweiligen Gremien als bestehend zu behandeln und damit beteiligtenfähig (vgl. [X.] 24. März 2021 - 7 [X.] - Rn. 16, [X.]E 174, 269). Für den zu 3. beteiligten Gesamtbetriebsrat gilt dies ungeachtet des Umstands, dass seine Errichtung in den Vereinbarungen über eine vom Gesetz abweichende Betriebsverfassung nicht vorgesehen ist. Als Dauereinrichtung ist seine Existenz auch an keine Amtszeit gebunden, deren Ablauf einer fortbestehenden [X.] entgegenstünde. Der im Juli 2023 neu gewählte unternehmenseinheitliche Betriebsrat ist Funktionsnachfolger des im Beschwerdeverfahren zu 4. beteiligten Gremiums (vgl. zur verfahrensrechtlichen Funktionsnachfolge [X.] 1. Juni 2022 - 7 [X.] - Rn. 23).

II. [X.] sind begründet. Mit dem Abschluss der [X.] 2023 hat sich der zu beurteilende Lebenssachverhalt im Lauf des [X.] derart geändert, dass der Gegenstand des Verfahrens ein anderer geworden ist. Darin liegt eine in der [X.] nicht mehr mögliche [X.], die eine Abweisung des Antrags als unzulässig zur Folge hat.

1. Allerdings begegnet der Antrag jenseits seiner unstatthaften Änderung in der [X.] keinen Zulässigkeitsbedenken. Auch ist der zu 1. beteiligte Betriebsrat als Funktionsnachfolger des das Verfahren einleitenden Gremiums unverändert antragsbefugt und der Antrag noch anhängig.

a) Der Betriebsrat erstrebt die Feststellung einer betriebsratsfähigen Organisationseinheit an einem i[X.]v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt benannten [X.]tandort der Arbeitgeberin. Es handelt sich um ein Begehren nach § 18 Abs. 2 [X.], wonach bei Zweifeln darüber, ob eine betriebsratsfähige Organisationseinheit vorliegt, ua. jeder beteiligte Betriebsrat eine Entscheidung des Arbeitsgerichts beantragen kann. Das Verfahren nach § 18 Abs. 2 [X.] klärt eine für zahlreiche betriebsverfassungsrechtliche Fragestellungen bedeutsame Vorfrage, indem verbindlich festgelegt wird, welche Organisationseinheit als der Betrieb anzusehen ist, in dem ein Betriebsrat zu wählen ist und in dem er seine Beteiligungsrechte wahrnehmen kann. Für die Zulässigkeit eines Antrags nach § 18 Abs. 2 [X.] kommt es nicht darauf an, in welchen betrieblichen Organisationseinheiten bereits Betriebsräte gewählt sind. Damit ist die betriebsverfassungsrechtliche [X.]ituation allenfalls für die laufende Amtszeit der Betriebsräte geklärt. Für künftige [X.] besteht nach wie vor ein Interesse an der Feststellung, in welcher Organisationseinheit ein Betriebsrat zu wählen ist (vgl. [X.] 24. März 2021 - 7 [X.] - Rn. 26 mwN, [X.]E 174, 269).

b) Die Antragsbefugnis des zu 1. beteiligten Betriebsrats folgt gleichfalls aus § 18 Abs. 2 [X.]. Er ist der für die festzustellende unternehmenseinheitliche Organisationseinheit gewählte und damit „beteiligte Betriebsrat“ i[X.]v. § 18 Abs. 2 [X.]. Mit seiner Neuwahl nach Verfahrenseinleitung am 17. März 2022 hat eine Funktionsnachfolge stattgefunden. Diese Annahme scheitert nicht etwa daran, dass die Neuwahl nichtig wäre (vgl. zur fehlenden Antragsbefugnis bei einem nicht mehr existenten Gremium [X.] 25. Februar 2020 - 1 [X.] - Rn. 11). Eine Nichtigkeit der [X.]ahl resultiert im vorliegenden [X.]treitfall insbesondere nicht daraus, dass am 17. März 2022 bereits der unternehmenseinheitliche Betriebsrat - mit einer beanspruchten Vertretung auch der in der streitbefangenen Organisationseinheit beschäftigten Arbeitnehmer - gewählt war.

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]enats ist eine [X.] nur in ganz besonderen Ausnahmefällen nichtig. Voraussetzung dafür ist ein so eklatanter Verstoß gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen [X.]ahl, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden [X.]ahl nicht mehr besteht ([X.] 30. Juni 2021 - 7 [X.] - Rn. 28). [X.]egen der weitreichenden Folgen einer von Anfang an unwirksamen [X.] kann deren jederzeit feststellbare Nichtigkeit nur bei besonders gravierenden und krassen [X.]ahlverstößen angenommen werden. Es muss sich um einen offensichtlichen und besonders groben Verstoß gegen [X.]ahlvorschriften handeln, so dass ein Vertrauensschutz in die Gültigkeit der [X.]ahl zu versagen ist. Die [X.] muss „den [X.]tempel der Nichtigkeit auf der [X.]tirn tragen“ (st. Rspr., vgl. [X.] 30. Juni 2021 - 7 [X.] - Rn. 28 mwN). Dies ist bei einer [X.], die unter Verkennung des Betriebsbegriffs durchgeführt wurde, grundsätzlich nicht der Fall (vgl. hierzu etwa [X.] 21. Juni 2023 - 7 [X.] - Rn. 18 mwN). Die Verkennung des Betriebsbegriffs hat in der Regel nicht die Nichtigkeit, sondern nur die Anfechtbarkeit der darauf beruhenden [X.] zur Folge ([X.] 19. November 2003 - 7 [X.] - zu [X.] der Gründe mwN).

bb) Die (Neu-)[X.]ahl des Antragstellers am 17. März 2022 ist nach diesen Grundsätzen nicht nichtig. [X.]ie fand in einem Zeitpunkt statt, in welchem bereits [X.]treit über die [X.]irksamkeit der [X.] bzw. der [X.] bestand; mithin über die Grundlage der Errichtung des [X.]. Insgesamt erfolgte sie damit allenfalls unter Verkennung des Betriebsbegriffs. Eine solche Annahme ist in Konstellationen wie der vorliegenden auch deshalb geboten, weil anderenfalls Verfahrensrechte des Antragstellers unzulässig verkürzt würden. Der zu 1. beteiligte Betriebsrat ist bezogen auf die [X.]ahl des Beteiligten zu 4. nicht nach § 19 Abs. 2 [X.] anfechtungsberechtigt.

c) Entgegen der Ansicht des zu 4. beteiligten [X.] hat dieser den Antrag in der Beschwerdeinstanz nicht wirksam zurückgenommen mit der Folge einer Verfahrenseinstellung. Hierfür fehlt es - ungeachtet der Frage, ob der Beteiligte zu 4. Funktionsnachfolger des örtlichen Betriebsrats und damit in dessen verfahrensrechtliche [X.]tellung eingetreten ist - jedenfalls an der nach § 87 Abs. 2 [X.]atz 3 Halbs. 1 ArbGG erforderlichen Zustimmung der übrigen Beteiligten.

2. Der Antrag des zu 1. beteiligten Betriebsrats hat sich aber durch Eintritt eines neuen [X.] in der [X.] geändert. Die hierin liegende [X.] ist unzulässig.

a) Nach dem für den Zivil- und Arbeitsgerichtsprozess einschließlich des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens geltenden zweigliedrigen [X.]treitgegenstandsbegriff wird der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens durch den konkret gestellten Antrag (Klageantrag) und den ihm zugrundeliegenden Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt ([X.] 27. Juli 2016 - 7 [X.] - Rn. 24; 18. Mai 2016 - 7 [X.] - Rn. 14; 2. Oktober 2007 - 1 [X.] - Rn. 18 mwN). Der Verfahrensgegenstand ändert sich dementsprechend i[X.]v. § 263 ZPO auch dann, wenn zwar nicht der gestellte Antrag als solcher, aber der ihm zugrundeliegende Lebenssachverhalt ein anderer geworden ist ([X.] 27. Juli 2016 - 7 [X.] - Rn. 24; 8. Dezember 2010 - 7 [X.] - Rn. 16; 2. Oktober 2007 - 1 [X.] - Rn. 18; zur Änderung des Verfahrensgegenstands in der [X.] durch Änderung der zu beachtenden Rechtslage vgl. [X.] 10. Juli 2013 - 7 [X.] - Rn. 31, [X.]E 145, 355 und 25. Januar 2005 - 1 [X.] [X.] der Gründe mwN, [X.]E 113, 218).

b) Eine solche Änderung des dem Antrag zugrundeliegenden [X.] liegt vor.

aa) Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob am [X.]tandort des antragstellenden Betriebsrats in [X.] eine betriebsratsfähige Organisationseinheit besteht. Insoweit hat der Antragsteller allein ein gegenwarts- und zukunftsbezogenes Interesse an der Feststellung, in welcher Organisationseinheit ein Betriebsrat zu wählen ist (vgl. allg. [X.] 23. November 2016 - 7 [X.] - Rn. 57; 24. April 2013 - 7 [X.] - Rn. 22, [X.]E 145, 60; 17. August 2005 - 7 [X.] [X.] 1 der Gründe). Dieses Verständnis des Antrags als Begehren i[X.]v. § 18 Abs. 2 [X.] hat der zu 1. beteiligte Betriebsrat zuletzt sowohl schriftsätzlich als auch im Rahmen des Anhörungstermins vor dem [X.]enat ausdrücklich bestätigt. Eine andere Interpretation widerspräche im Übrigen nicht nur dem [X.]ortlaut seines Begehrens, sondern bewirkte gemäß § 256 Abs. 1 ZPO dessen Unzulässigkeit jenseits der [X.]sproblematik. Ein rechtliches Interesse des zu 1. beteiligten Betriebsrats an einer „rückwirkenden“ Feststellung der betriebsratsfähigen Organisationseinheit - hier konkret für den Zeitraum unter Geltung der [X.] bzw. der [X.] - ist von vornherein nicht ersichtlich (vgl. zu den Anforderungen an ein vergangenheitsbezogenes Feststellungsinteresse [X.] 6. Mai 2003 - 1 [X.] - zu 1 der Gründe).

bb) Dieser Verfahrensgegenstand bedingt ein [X.] Prüfprogramm mit der streitentscheidenden Frage, ob die gesetzlich vorgesehenen [X.]trukturen der Betriebsverfassung durch eine ihrerseits wirksame Vereinbarung i[X.]v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 2 [X.] geändert worden sind. Diese Frage hatte das Arbeitsgericht auf Grundlage der [X.] und das [X.] auf Grundlage der [X.] zu beantworten. Es kann dahinstehen, ob bereits die nach Verkündung des erstinstanzlichen Beschlusses geschlossene [X.] eine [X.] in der Beschwerdeinstanz impliziert hat, die der durch den arbeitsgerichtlichen Beschluss nicht beschwerte, zu 1. beteiligte Betriebsrat im Übrigen nur im [X.]ege einer Anschlussbeschwerde hätte anbringen können. Jedenfalls wäre eine (stillschweigende) Entscheidung des [X.]s über ihre Zulassung nach § 87 Abs. 2 [X.]atz 3 Halbs. 2 iVm. § 81 Abs. 3 [X.]atz 3 ArbGG unanfechtbar (vgl. [X.] 23. März 2021 - 1 [X.] - Rn. 39, [X.]E 174, 233; 20. Februar 2019 - 7 [X.] - Rn. 29). In der [X.] bezieht sich das Prüfprogramm nunmehr jedoch auf die [X.] 2023. Diese bewirkt als neue vereinbarte Betriebsverfassung bei gleichgebliebenem [X.]ortlaut des Antrags dessen Änderung.

c) Die während des [X.] eingetretene [X.] ist unzulässig.

aa) [X.] und sonstige [X.]en sind im Rechtsbeschwerdeverfahren nach § 559 Abs. 1 ZPO grundsätzlich nicht mehr möglich. Hiervon hat das [X.] - abgesehen von den Fällen des § 264 Nr. 2 ZPO - aus prozess- oder verfahrensökonomischen Gründen Ausnahmen zugelassen, wenn sich der neue [X.]achantrag auf einen in der Berufungs- bzw. Beschwerdeinstanz festgestellten oder von den Parteien bzw. Beteiligten übereinstimmend vorgetragenen [X.]achverhalt stützen kann, sich das rechtliche Prüfprogramm nicht wesentlich ändert und die Verfahrensrechte der anderen Parteien bzw. Beteiligten durch eine [X.]achentscheidung nicht verkürzt werden ([X.] 25. Januar 2023 - 4 [X.] - Rn. 36 mwN; 18. Mai 2016 - 7 [X.] - Rn. 24 mwN). Auch die durch eine „bloße“ novellierte Rechtslage bewirkte [X.] ist unzulässig, wenn dadurch Rechte von Verfahrensbeteiligten beeinträchtigt werden können (vgl. zur ausnahmsweisen Zulässigkeit der [X.] [X.] 10. Juli 2013 - 7 [X.] - Rn. 31, [X.]E 145, 355).

bb) Danach ist die im [X.]treitfall eingetretene [X.] nicht zulässig. Mit der durch den Abschluss der [X.] 2023 eingetretenen Änderung des [X.] hat sich - bei gleichbleibendem Antrag - das rechtliche Prüfprogramm wesentlich verändert, denn die Grundlage der gewillkürten Betriebsratsstruktur ist in mehrfacher Hinsicht modifiziert worden. Vor allem aber würden durch eine [X.]achentscheidung in der [X.] die Verfahrensrechte der Beteiligten verkürzt.

(1) Zum einen unterscheidet sich die [X.] 2023 inhaltlich weitreichend von der - für die angefochtene Entscheidung noch maßgeblichen - [X.]. [X.]o legt sie etwa - anders als noch die [X.] - keine vom Gesetz abweichende mitgliederbestimmte Größe des [X.] mehr fest. Demgegenüber sollen dem [X.] nunmehr anstatt der in der [X.] vorgesehenen zehn sog. [X.]n (§ 2 Abs. 4 [X.]) bei Bedarf 35 (zeitkontingentierte) [X.] zur Unterstützung an die [X.]eite gestellt werden (§ 2 Abs. 4 [X.] 2023). Die Ziele, dass im [X.] möglichst Mitglieder aus allen Bezirken vertreten sein sollen (§ 2 Abs. 1 [X.]atz 2 [X.]) und dass jeder Vertriebsbezirk im [X.] gleich stark vertreten sein soll (§ 2 Abs. 3 [X.]atz 1 [X.]), sind in der [X.] 2023 nicht mehr enthalten. Das gilt ebenso für die in der [X.] 2022 noch vorgesehenen Bezirksvertreter.

(2) Zum anderen hat die Arbeitgeberin die [X.] 2023 - im Gegensatz zu der mit dem Gesamtbetriebsrat geschlossenen [X.] - mit dem [X.] vereinbart. Dieser ist insoweit auch nicht bloßer Funktionsnachfolger des [X.], denn nach der Konzeption der [X.] 2023 (und auch schon der [X.] sowie der [X.]) soll er neben dem Gesamtbetriebsrat die örtlichen Betriebsräte ablösen und als unternehmenseinheitlicher (örtlicher) Betriebsrat fungieren. [X.]ürde der [X.]enat darüber befinden, ob die BV [X.] 2023 den Anforderungen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] genügt, würden seine Verfahrensrechte, aber auch die der übrigen Beteiligten erheblich verkürzt. Gerade bei der streitentscheidenden Frage, ob und wie die Betriebsparteien von den sich aus § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 [X.] ergebenden Möglichkeiten Gebrauch machen wollten, kommt ihnen ein Einschätzungsspielraum hinsichtlich des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen sowie ein Beurteilungs- und ein Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung einer Regelung zu. Dieser ist von den Gerichten bei der Überprüfung einer entsprechenden Regelung zu beachten (vgl. [X.] 24. April 2013 - 7 [X.] - Rn. 31, [X.]E 145, 60), was seinerseits eine Äußerungsmöglichkeit der Betriebsparteien, die die Betriebsvereinbarung geschlossen haben, gebietet. Die Betriebsparteien - vorliegend neben der Arbeitgeberin auch der unternehmenseinheitliche Betriebsrat (und nicht mehr wie in der Beschwerdeinstanz der Gesamtbetriebsrat) - müssen die Möglichkeit haben, ihr Regelungskonzept im Einzelnen darzulegen. Bezogen auf die [X.] 2023 fehlt es an einer - schon aufgrund der zeitlichen Abläufe nicht möglichen - entsprechenden Äußerungsmöglichkeit, wobei neuer [X.]achvortrag hierzu in der [X.] ausgeschlossen ist (vgl. [X.] 18. Juli 2012 - 7 [X.] - Rn. 38). Daneben wären auch die Verfahrensrechte des zu 1. beteiligten Betriebsrats im Falle einer Zulassung der [X.] in der [X.] beeinträchtigt. Diesem wäre es zB nicht möglich, Einwendungen gegen die formelle [X.]irksamkeit der [X.] 2023 zu erheben.

3. Die in der Rechtsbeschwerde nicht statthafte Änderung des Antrags führt zu dessen Abweisung - mit dem in der Rechtsbeschwerde angefallenen Inhalt - als unzulässig.

        

    [X.]chmidt    

        

    Klose    

        

    [X.]ullenkord    

        

        

        

    A. Batke    

        

    Arnold    

                 

Meta

7 ABR 25/22

25.10.2023

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Weiden, 3. Februar 2022, Az: 3 BV 9/21, Beschluss

§ 10 ArbGG, § 81 Abs 3 S 3 ArbGG, § 83 Abs 3 ArbGG, § 87 Abs 2 S 3 ArbGG, § 3 Abs 1 Nr 1 Buchst a BetrVG, § 3 Abs 2 BetrVG, § 18 Abs 2 BetrVG, § 19 Abs 2 BetrVG, § 253 Abs 2 Nr 2 ZPO, § 256 Abs 1 ZPO, § 263 ZPO, § 264 Nr 2 ZPO, § 559 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 25.10.2023, Az. 7 ABR 25/22 (REWIS RS 2023, 9332)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9332


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 3 BV 9/21

ArbG Weiden, 3 BV 9/21, 03.02.2022.


Az. 7 ABR 25/22

Bundesarbeitsgericht, 7 ABR 25/22, 25.10.2023.


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