Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.10.2020, Az. 12 W (pat) 14/20

12. Senat | REWIS RS 2020, 3190

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Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren – Verfahrenskostenhilfe – zur Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Verfahrenskostenhilfe – Ausgangspunkt sind die ursprünglich eingereichten Unterlagen der Patentanmeldung


Tenor

Auf die Beschwerde des Patentanmelders wird der Beschluss der [X.] des [X.] vom 5. Dezember 2019 aufgehoben.

Dem Patentanmelder wird mit Wirkung vom 1. März 2018 Verfahrenskostenhilfe für das Eintragungsverfahren einschließlich der ersten Jahresgebühr bewilligt.

Rechtsanwalt S... wird dem Patentanmelder als Vertreter beigeordnet.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Patentanmeldung ... mit der Bezeichnung "..." deren Erfinder der Anmelder ist, ist am 1. März 2018 beim [X.] eingegangen und enthielt 5 Seiten Beschreibung, 5 Patentansprüche und die Zeichnungen [X.]. 1 und [X.]. 2. Gleichzeitig wurde Antrag auf Verfahrenskostenhilfe für das Prüfungs- und Erteilungsverfahren sowie für Recherche und für die im Laufe des Erteilungsverfahrens fälligen [X.] gestellt. Die Beiordnung des die Eingabe unterzeichnenden Rechtsanwalts wurde beantragt. Dem Antrag auf Verfahrenskostenhilfe lag auch eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei sowie als Anlage dazu ein Bescheid über die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

2

Mit Bescheid vom 21. Februar 2019 wurde dem Anmelder mitgeteilt, dass neben der hier bereits nachgewiesenen Bedürftigkeit auch eine hinreichende Aussicht auf Erteilung des Patents bestehen müsse, um Verfahrenskostenhilfe zu bekommen. Die summarische Prüfung habe zum Ergebnis geführt, dass ein erfinderischer Überschuss gegenüber dem herangezogenen Stand der Technik ausgeschlossen erscheine. Die wesentlichen Merkmale der Ansprüche seien aus dem einschlägigen, druckschriftlich nachgewiesenen Stand der Technik bekannt. Als [X.] wurden genannt:

3

[X.]: ...

4

[X.]: ...

5

[X.]: ...

6

D4: ...

7

[X.]: ...

8

[X.]: ...

9

[X.]: ...

Daraufhin hat der Anmelder mit Eingabe vom 22. August 2019 neue Ansprüche 1 bis 6 formuliert und die Beschreibung angepasst.

Die derzeit geltenden Ansprüche lauten:

1. ...

2. ...

3. ...

4. ...

5. ...

6. ...

Mit Bescheid vom 20. September 2019 wurde dem Anmelder mitgeteilt, dass dem ursprünglichen Anspruch 5, der zur Bildung der neuen Ansprüche herangezogen worden sei, die [X.] entgegenstehe. Die [X.] enthalte den Grundgedanken der Anmeldung, wobei ... der [X.] ohne weiteres ersetzt werden könne durch ... nach der [X.] oder der [X.], der [X.] oder der [X.], ohne den Grundgedanken der Anmeldung zu verlassen, nämlich ... Eine ... ergreife der zuständige Fachmann bei Bedarf. Ausgehend von der [X.] sei es für den zuständigen Fachmann naheliegend ...  Damit ergäben sich in naheliegender Weise die Merkmale der unabhängigen Ansprüche 1 und 3.

Mit Eingabe vom 28. November 2019 sieht der Anmelder die Differenz der vorliegenden technischen Lösung zu den aus den [X.] bekannten Lösungen darin, dass ... Hierfür gebe es für den Fachmann auch keine Denkstütze. Eine erfinderische Tätigkeit könne nicht verneint werden.

Mit Beschluss der [X.] des [X.]s vom 5. Dezember 2019 hat die [X.] den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Erteilungsverfahren und für alle im Erteilungsverfahren fälligen [X.] sowie auf Beiordnung eines Vertreters zurückgewiesen, da keine hinreichende Aussicht auf Erteilung eines Patents bestehe. Das Verfahren nach Anspruch 1, dem die [X.] am nächsten komme, beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Diese offenbare den Grundgedanken der Anmeldung, ... Zudem könne die ... der [X.] ohne weiteres durch einen ... nach [X.], [X.], [X.] oder [X.] ersetzt werden, ohne den Grundgedanken zu verlassen. Eine Verdoppelung der Maßnahmen mittels eines ... (Anspruch 2) ergreife der Fachmann bei Bedarf. Der [X.] entnehme der Fachmann, dass ... Der ... der [X.] leiste das, was in der Anmeldung die ... leiste. Die wesentlichen Merkmale der unabhängigen Ansprüche 1 und 3 ergäben sich aus einer einfachen Kombination zweier einschlägiger Druckschriften. Hinsichtlich der Ansprüche 5 und 6, die als ... das beanspruchen, was die Ansprüche 1 und 2 als ... beanspruchen, werde auf die vorhergehenden Ausführungen zu den Ansprüchen 1 und 2 verwiesen. Die Ansprüche 3 und 6 beanspruchten das ... Die Verwendung einer ...offenbare die [X.] Die wesentlichen Merkmale der Ansprüche seien aus dem Stand der Technik bekannt. Eine Verdoppelung der Maßnahmen für das ... sei eine normale technische Weiterentwicklung.

Der Beschwerdeführer legte am 5. März 2020 gegen diesen ihm am 7. Februar 2020 zugestellten Beschluss Beschwerde ein.

Er stellt sinngemäß den Antrag, den Beschluss der [X.] des [X.]s vom 5. Dezember 2019 aufzuheben und Verfahrenskostenhilfe für das Erteilungsverfahren und alle im Erteilungsverfahren fälligen [X.] zu bewilligen und ihm als Vertreter Rechtsanwalt S... beizuordnen.

Die angemeldete technische Lösung enthalte zwei neue, aus den [X.] nicht bekannte Merkmale, die gleichzeitig verwirklicht werden sollen. Es sollen ... verwendet werden und es sei eine ...notwendig. Ein durchschnittlicher Fachmann könne nur ihm bekannte Schritte benutzen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde gegen den Beschluss, mit dem der Antrag auf Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen wurde, ist gemäß § 73 [X.] i. V. m. § 135 Abs. 3 Satz 1 [X.] zulässig, sie hat auch im Wesentlichen Erfolg.

Die [X.] hätte den Antrag des Beschwerdeführers auf Verfahrenskostenhilfe für das Eintragungsverfahren und die Beiordnung des Rechtsanwalts S.. als Vertreter nicht zurückweisen dürfen.

Im Erteilungsverfahren kann gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 [X.] auf Antrag unter entsprechender Anwendung der §§ 114 bis 116 der ZPO Verfahrenskostenhilfe bewilligt werden, wenn hinreichende Aussicht auf Erteilung des Patents besteht.

Der Patentanmelder ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten für das Eintragungsverfahren aufzubringen. Dies ergibt sich daraus, dass er außer den Leistungen zur Sicherheit des Lebensunterhalts keine Einnahmen hat und auch kein Vermögen vorhanden ist.

Auch besteht hinreichende Aussicht auf Erteilung eines Patents.

Maßgebend ist, ob die Gesamtschau der vorhandenen Tatsachen eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg ergibt. Ist die Erfolgsaussicht nur eine entfernte, darf Verfahrenskostenhilfe verweigert werden (Busse/ Keukenschrijver, [X.], 8. Aufl. § 130 Rdnr. 42). Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Bejahung einer erfinderischen Tätigkeit liegt vor, wenn die eingereichten Unterlagen so viele technische Merkmale einer möglichen Erfindung enthalten, dass die Ermittlung eines schutzfähigen Gegenstands nicht ausgeschlossen erscheint (Busse/ Keukenschrijver, [X.], 8. Aufl. § 130 Rdnr. 42). Eine bloße Auseinandersetzung mit den geltenden Patentansprüchen ist dabei unzureichend, denn Ausgangspunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussicht sind die Unterlagen in der ursprünglich eingereichten Fassung (Busse/ Keukenschrijver, [X.], 8. Aufl. § 130 Rdnr. 43).

Vorliegend hat der Prüfer die Erfolgsaussicht lediglich anhand der jeweils eingereichten Patentansprüche beurteilt und wegen zumindest mangelnder erfinderischer Tätigkeit eine Erfolgsaussicht verneint. In der ursprünglich eingereichten Beschreibung sind jedoch noch mehrere technische Merkmale enthalten, die in die Ansprüche bisher zumindest nicht explizit aufgenommen wurden bzw. im Beschluss nicht abgehandelt wurden (...usw.). Zwar mögen einige dieser Merkmale für sich nicht erfinderisch oder sogar selbstverständlich sein. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass bei der Patentanmeldung durch eine Kombination mit Merkmalen aus der Beschreibung Ansprüche gebildet werden könnten, die gewährbar sein könnten. So wird zum Beispiel auf Seite 5, Zeilen 2 bis 4 der ursprünglich eingereichten Beschreibung angegeben, dass die ... verwirklicht wird, die gleichzeitig ... Es bedürfte zumindest weiterer Recherchen, um entscheiden zu können, dass auch unter Berücksichtigung der gesamten Unterlagen nicht nur – wie im angegriffenen Beschluss ausgeführt – „der Grundgedanke der Erfindung“ nicht erfinderisch ist, sondern auch jede ursprünglich offenbarte Ausführung. Die Prüfung der Erfolgsaussicht darf nicht dazu führen, dass die Rechtsverfolgung selbst in das [X.] verlagert wird und praktisch an Stelle des Hauptsachverfahrens tritt ([X.], Patentgesetz, 10. Aufl. § 130 Rdnr. 41; Busse/ Keukenschrijver, [X.], 8. Aufl. § 130, Rdnr. 42). Die Aussicht auf Erfolg kann hier bei einer summarischen Prüfung nicht verneint werden.

Da mit dem Antrag auf Verfahrenskostenhilfe auch die Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und die notwendigen Belege eingereicht wurden, kann Verfahrenskostenhilfe ab dem [X.] gewährt werden.

Die beantragte Beiordnung des Rechtsanwalts als Vertreter wird gemäß § 133 Satz 1 [X.] bewilligt, da eine Vertretung zur sachdienlichen Erledigung des Verfahrens erforderlich erscheint.

Hinsichtlich der beantragten Verfahrenskostenhilfe für die [X.] hat lediglich der Antrag für die erste Jahresgebühr Erfolg, da diese am 31. März 2021 fällig wird und [X.] lediglich ein Jahr im Voraus entrichtet werden können (§ 5 Abs. 2 [X.]). Da der Patentanmelder keine Raten entrichten muss, kommt eine Einbeziehung von [X.] gemäß § 130 Abs. 5 [X.] nicht in Betracht.

[X.]

Eine Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss ist ausgeschlossen (§ 135 Abs. 3 Satz 1 [X.]).

Meta

12 W (pat) 14/20

26.10.2020

Bundespatentgericht 12. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 130 Abs 1 S 1 PatG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.10.2020, Az. 12 W (pat) 14/20 (REWIS RS 2020, 3190)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3190

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