Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.07.2012, Az. II R 18/11

2. Senat | REWIS RS 2012, 5018

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Gegenstand

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 04.07.2012 II R 15/11 - Vom Erblasser herrührende Steuerschulden für das Todesjahr als Nachlassverbindlichkeiten)


Leitsatz

1. NV: Die auf den Erben entsprechend seiner Erbquote entfallenden Abschlusszahlungen für die vom Erblasser herrührende Einkommensteuer des Todesjahres, einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag, sind als Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsfähig (Änderung der Rechtsprechung) .

2. NV: Zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG gehören nicht nur die Steuerschulden, die zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits rechtlich entstanden waren, sondern auch die Steuerverbindlichkeiten, die der Erblasser als Steuerpflichtiger durch die Verwirklichung von Steuertatbeständen begründet hat und die mit dem Ablauf des Todesjahres entstehen .

3. NV: Als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig ist die Einkommensteuer-Abschlusszahlung i.S. des § 36 Abs. 4 Satz 1 EStG, also diejenige Einkommensteuer, die sich nach Anrechnung der vom Erblasser entrichteten Einkommensteuer-Vorauszahlungen und der durch Steuerabzug erhobenen anrechenbaren Einkommensteuer ergibt. Es kommt dabei allein auf die materielle Rechtslage und nicht auf die Steuerfestsetzungen an. Entsprechendes gilt für den Solidaritätszuschlag sowie für die ebenfalls an das Einkommen anknüpfende, nach Landesrecht festzusetzende Kirchensteuer .

4. NV: Die Steuerverbindlichkeiten sind mit dem Nennwert anzusetzen .

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Miterben zu je 1/2 ihrer im Dezember 2006 verstorbenen [X.] ([X.]). Aufgrund der Einzelveranlagung der [X.] für das Todesjahr 2006 waren für Einkommensteuer, Kirchensteuer und [X.]olidaritätszuschlag --nach Anrechnung der Vorauszahlungen, des [X.] und der [X.] in Höhe von insgesamt 90.014,57 € (Einkommensteuer 76.229 €, Kirchensteuer 9.591,88 €, [X.]olidaritätszuschlag 4.193,69 €) zu entrichten.

2

Die Kläger machten die Abschlusszahlungen für 2006 jeweils zur Hälfte als Nachlassverbindlichkeiten geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) versagte zuletzt in den [X.]teuerbescheiden vom 14. Juni 2010 einen Abzug und setzte die Erbschaftsteuer gegen die Kläger jeweils auf 210.171 € fest.

3

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) ging davon aus, dass die anteilig auf die Kläger als Erben entfallende Einkommensteuer des Todesjahres der [X.] nicht als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden könne, weil sie am maßgeblichen [X.]tichtag noch nicht entstanden gewesen sei.

4

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung des § 10 Abs. 5 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und [X.]chenkungsteuergesetzes (Erb[X.]tG).

5

Die Kläger beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die [X.] vom 14. Juni 2010 in Gestalt der Einspruchsbescheide vom 2. August 2010 dahin zu ändern, dass die Abschlusszahlungen für Einkommensteuer, Kirchensteuer und [X.]olidaritätszuschlag der [X.] für 2006 in Höhe von insgesamt 90.014,57 € jeweils zur Hälfte als weitere Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigt werden.

6

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zur Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsbescheide sowie zur Änderung der angefochtenen Erbschaftsteuerbescheide. Die jeweils zur Hälfte auf die Kläger als Miterben entfallenden Abschlusszahlungen für Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag der [X.] sind entgegen der Auffassung des [X.] im Rahmen der jeweiligen [X.] als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig. Die Berechnung der jeweiligen Erbschaftsteuer wird dem [X.] übertragen.

8

1. Gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 [X.] sind von dem Erwerb des Erben die vom Erblasser herrührenden Schulden, soweit sie nicht mit einem zum Erwerb gehörenden Gewerbebetrieb oder Anteil an einem Gewerbebetrieb in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen und bereits nach § 12 Abs. 5 und 6 [X.] berücksichtigt worden sind, als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig. Nachlassverbindlichkeiten in diesem Sinne sind auch die vom Erblasser herrührenden persönlichen Steuerschulden, die gemäß § 1922 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), § 45 Abs. 1 der Abgabenordnung ([X.]) auf den Erben übergegangen sind (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 17. Februar 2010 II R 23/09, [X.], 363, [X.] 2010, 641, m.w.N.).

9

Nach § 1922 Abs. 1 BGB geht mit dem Tod einer Person (Erbfall) deren Vermögen als Ganzes auf den oder die Erben über. Gemäß § 1967 BGB haften die Erben für die Nachlassverbindlichkeiten. Das hierin für den Erbfall statuierte Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge beschränkt sich nicht auf den Bereich des Zivilrechts, sondern erstreckt sich auch auf das Steuerrecht (vgl. Beschluss des Großen Senats des [X.] vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04, [X.]E 220, 129, [X.], 608, unter D.I.). So ordnet § 45 Abs. 1 Satz 1 [X.] an, dass bei der Gesamtrechtsnachfolge "die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Rechtsnachfolger über(gehen)". Ungeachtet des restriktiv gehaltenen Wortlauts des § 45 Abs. 1 Satz 1 [X.] leitet der [X.] in ständiger Rechtsprechung aus dieser Bestimmung her, dass der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger grundsätzlich in einem umfassenden Sinne sowohl in materieller als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht in die abgabenrechtliche Stellung des Erblassers eintritt (vgl. [X.]-Beschluss in [X.]E 220, 129, [X.], 608, unter D.I.1., m.w.N.).

2. Zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 [X.] gehören nicht nur die Steuerschulden, die zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits rechtlich entstanden waren, sondern auch die [X.], die der Erblasser als Steuerpflichtiger durch die Verwirklichung von [X.]n begründet hat und die mit dem Ablauf des [X.] entstehen.

a) Der Abzug von Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 [X.] setzt ebenso wie die Erbenhaftung nach § 1967 Abs. 2 BGB voraus, dass Schulden vom Erblasser herrühren. Aus dem Begriff "herrühren" ergibt sich, dass die Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht voll wirksam entstanden sein müssen. Zivilrechtlich gehen mit dem Erbfall auch "verhaltene", noch werdende und schwebende Rechtsbeziehungen des Erblassers auf den Erben über (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil des [X.] --BGH-- vom 7. Juni 1991 V ZR 214/89, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1991, 2558, m.w.N.). Deshalb sind [X.] § 1967 Abs. 2 BGB auch die erst in der Person des Erben entstehenden Verbindlichkeiten, die als solche schon dem Erblasser entstanden wären, wenn er nicht vor Eintritt der zu ihrer Entstehung nötigen weiteren Voraussetzung verstorben wäre (vgl. [X.] in NJW 1991, 2558).

b) Diese zivilrechtlichen Grundsätze sind auch für die Beurteilung der Nachlassverbindlichkeiten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 [X.] zu beachten (vgl. [X.]-Urteil vom 5. Juli 1978 II R 64/73, [X.]E 126, 55, [X.] 1979, 23; [X.] in [X.][X.], § 10 [X.] Rz 51). Der Abzug der vom Erblasser herrührenden Schulden setzt nicht zwingend voraus, dass beim Tod des Erblassers, also zum maßgeblichen Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 [X.]), eine rechtliche Verpflichtung bestanden haben muss (vgl. [X.]-Urteile vom 18. November 1963 II 166/61, [X.], 83, und in [X.]E 126, 55, [X.] 1979, 23). Bei einem Erwerb von Todes wegen wirken sich auch Steuerschulden aus der Veranlagung des Erblassers für das Todesjahr bereicherungsmindernd aus, obwohl sie beim Erbfall noch nicht rechtlich entstanden waren. Denn der Erbe hat diese Steuerschulden zu tragen. Entscheidend für den Abzug der Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten ist, dass der Erblasser in eigener Person und nicht etwa der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger steuerrelevante Tatbestände verwirklicht hat und deshalb "für den Erblasser" als Steuerpflichtigen eine Steuer entsteht.

c) Das für das Erbschaftsteuerrecht maßgebliche Stichtagsprinzip (§ 9 und § 11 [X.]) steht dem Abzug dieser [X.] nicht entgegen. Bereits zum Zeitpunkt der Steuerentstehung, also beim Tod des Erblassers steht fest, dass die Belastung [X.] Gesetzes mit Ablauf des [X.] eintreten wird (nachfolgend unter [X.]). Dabei ist unschädlich, dass zum Zeitpunkt des Erbfalls die Belastung durch [X.] der Höhe nach nicht genau feststeht, weil noch mögliche Wahlrechte ausgeübt werden oder besondere steuerrelevante Ereignisse eintreten können.

d) Soweit aus den hauptsächlich zum Erfordernis einer wirtschaftlichen Belastung ergangenen Entscheidungen des [X.] entnommen werden könnte bzw. kann, dass der Abzug von Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 [X.] "nur" bei einer zum Zeitpunkt des Erbfalls bestehenden rechtlichen Verpflichtung möglich ist, hält der Senat daran jedenfalls für die [X.] Gesetzes aufgrund einer Tatbestandsverwirklichung des Erblassers entstehenden [X.] nicht mehr fest (vgl. hierzu [X.]-Urteile vom 24. März 1999 II R 34/97, [X.]/NV 1999, 1339; vom 15. Januar 2003 II R 23/01, [X.]E 200, 413, [X.] 2003, 267; vom 14. Dezember 2004 II R 35/03, [X.]/NV 2005, 1093; vom 14. November 2007 II R 3/06, [X.]/NV 2008, 574; in [X.], 363, [X.] 2010, 641; [X.]-Beschluss vom 15. Mai 2009 II B 155/08, [X.]/NV 2009, 1441; differenzierend [X.]-Urteil vom 27. Juni 2007 II R 30/05, [X.]E 217, 190, [X.] 2007, 651, unter [X.]). Es verbleibt jedoch dabei, dass der Abzug einer Steuerschuld als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 [X.] --abweichend vom [X.] zusätzlich voraussetzt, dass sie eine wirtschaftliche Belastung darstellt (vgl. [X.]-Urteil vom 2. März 2011 II R 5/09, [X.]/NV 2011, 1147, unter III.7.c aa aaa).

e) Nach diesen Grundsätzen sind die auf den Erben entsprechend seiner Erbquote entfallenden Abschlusszahlungen für die vom Erblasser herrührende Einkommensteuer des [X.], einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag, als Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 [X.] abzugsfähig (vgl. [X.]/[X.], § 10 [X.] Rz 82; [X.] in Troll/ [X.]/[X.], [X.], § 10 Rz 119, 140; [X.], [X.] und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 16. Aufl., § 10 Rz 32, unter a und c; [X.]/[X.], Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge --[X.]-- 2011, 70; Billig, Umsatzsteuer- und [X.] 2012, 61; a.A. [X.], a.a.[X.], § 10 [X.] Rz 54; Jüptner in Fischer/Jüptner/[X.]/[X.], [X.], 4. Aufl., § 10 Rz 134; [X.]/[X.], Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 10 Rz 121; [X.], Der [X.], 170, unter [X.]; [X.] vom 18. Januar 2010, [X.] 2010, 107; R E 10.8 Abs. 3 Satz 2 der [X.] 2011, BStBl [X.]. 1/2011, 2, 23 f.).

aa) Stirbt ein Steuerpflichtiger vor Ablauf des Kalenderjahres, sind zum Zeitpunkt des Erbfalls zwar noch keine [X.] für das Todesjahr entstanden. Der Steuerpflichtige hat aber bis zu seinem Ableben selbst [X.] verwirklicht und damit das spätere Entstehen der [X.] begründet. Mit seinem Ableben tritt der Erbe in die Rechtsstellung des Verstorbenen (Erblasser) ein; der durch den Erblasser (Steuerpflichtiger) begründete, mit Ablauf des [X.] entstehende Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis geht auf den Erben über.

bb) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 38 [X.]). Die Einkommensteuer ist eine Jahressteuer (§ 2 Abs. 7 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der für 2006 maßgeblichen Fassung --EStG--), die nach § 36 Abs. 1 EStG mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entsteht.

Sie wird nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraum) nach dem Einkommen veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat, soweit nicht nach § 46 EStG eine Veranlagung unterbleibt (§ 25 Abs. 1 EStG). Stirbt der Steuerpflichtige vor Ablauf des Kalenderjahres und endet damit seine persönliche Steuerpflicht, wird der Veranlagung für das Todesjahr (Kalenderjahr) ein abgekürzter Ermittlungszeitraum zugrunde gelegt. Die Veranlagung ist auf das bis zum Tod des Steuerpflichtigen erzielte Einkommen zu beschränken (vgl. [X.]-Beschluss in [X.]E 220, 129, [X.], 608, unter [X.]). Im Hinblick darauf, dass das Einkommen des Erblassers erfasst und damit an die Verwirklichung des [X.] durch den Erblasser angeknüpft wird, ist die Einkommensteuer des [X.] unmittelbar in der Person des Erblassers (Steuerpflichtiger) begründet. Eine etwaige Einkommensteuerschuld für das Todesjahr des Erblassers bleibt trotz des Übergangs auf den Erben eine vom Erblasser herrührende Steuerschuld. Insoweit ist unerheblich, dass der Einkommensteuerbescheid für den Erblasser gegenüber dem Erben als Gesamtrechtsnachfolger ergeht.

Soweit der Erbe selbst einkommensteuerrelevante Tatbestände verwirklicht, wie z.B. beim Zufluss nachträglicher Einnahmen aus einer ehemaligen Tätigkeit des Erblassers nach § 24 Nr. 2 EStG (vgl. [X.]-Urteil vom 24. Januar 1996 [X.], [X.]E 179, 406, [X.] 1996, 287, unter 3.), sind die darauf entfallenden Einkommensteuerzahlungen des Erben keine Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 [X.]. Obwohl der Erblasser die Grundlage für den Zufluss von Einnahmen gesetzt hat, wird der Steuertatbestand in diesen Fällen erst mit dem Zufluss der Einnahmen durch den Erben als Steuerpflichtigen verwirklicht (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 179, 406, [X.] 1996, 287).

cc) Eine bereits am Todestag des Erblassers bestehende rechtliche Verpflichtung als Voraussetzung für den Abzug von Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 [X.] kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass nur rechtlich entstandene [X.] zum Erwerb i.S. des § 10 Abs. 1 [X.] zählen.

Nach der Rechtsprechung des [X.] fallen [X.], die das Todesjahr des Erblassers betreffen, jedenfalls bei einer Zusammenveranlagung mit dem überlebenden Ehegatten nicht in den steuerpflichtigen Erwerb nach § 10 Abs. 1 [X.], weil sie erst mit Ablauf des [X.] entstehen (vgl. [X.]-Urteil vom 16. Januar 2008 II R 30/06, [X.]E 220, 518, [X.], 626). Für Erwerbe ab dem 1. Januar 2009 gilt zudem § 10 Abs. 1 Satz 3 [X.] (i.d.F. des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24. Dezember 2008, [X.], 3018, [X.], 140). Danach sind [X.] des Erblassers zu berücksichtigen, wenn sie rechtlich entstanden sind (§ 37 Abs. 2 [X.]).

Das Anknüpfen an unterschiedliche Voraussetzungen für den Abzug von Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten einerseits und für den Ansatz von [X.]n als Erwerb andererseits beruht auf den unterschiedlichen Regelungen in § 10 Abs. 1 und Abs. 5 Nr. 1 [X.]. Denn für den Abzug von Schulden als Nachlassverbindlichkeiten kommt es nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 [X.] nur darauf an, dass sie vom Erblasser "herrühren". Für eine einschränkende Auslegung des Begriffs "herrühren" im Sinne von "rechtlich entstanden" ist ein zwingender Grund nicht ersichtlich. Eine solche Auslegung würde auch dem im Erbschaftsteuerrecht geltenden Bereicherungsprinzip zuwiderlaufen, weil der Erbe in Höhe der entstehenden und von ihm zu begleichenden Steuerschulden für das Todesjahr des Erblassers nicht bereichert ist.

dd) Als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig ist die [X.] § 36 Abs. 4 Satz 1 EStG, also diejenige Einkommensteuer, die sich nach Anrechnung der vom Erblasser entrichteten [X.] und der durch Steuerabzug erhobenen anrechenbaren Einkommensteuer (vgl. § 36 Abs. 2 EStG) ergibt. Es kommt dabei allein auf die materielle Rechtslage und nicht auf die Steuerfestsetzungen an (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 220, 518, [X.], 626).

ee) Entsprechendes gilt gemäß § 51a Abs. 1 und § 36 Abs. 1 EStG für den mit Ablauf des Kalenderjahres entstehenden Solidaritätszuschlag (vgl. § 1 Abs. 2 des Solidaritätszuschlaggesetzes) sowie für die ebenfalls an das Einkommen anknüpfende, nach Landesrecht festzusetzende Kirchensteuer.

3. Die abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten sind mit ihrem nach § 12 [X.] zu ermittelnden Wert abzuziehen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Schulden sind mit dem Nennwert anzusetzen, wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen (§ 12 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 des Bewertungsgesetzes --[X.]--).

Für [X.], die mit Ablauf des [X.] entstehen, verbleibt es beim Ansatz mit dem Nennwert, obwohl die zu einer Abschlusszahlung führende Festsetzung erst nach dem Stichtag für die Entstehung der Erbschaftsteuer erfolgt. Besondere Umstände, die eine Abweichung vom Nennwert rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Eine Abzinsung nach § 12 Abs. 3 [X.] scheidet ebenfalls aus, weil es an einem von vornherein bestimmten Zeitpunkt für den Eintritt der Fälligkeit der Einkommensteuer, der Kirchensteuer und des Solidaritätszuschlags fehlt und somit die Berechnungs- oder Schätzungsgrundlagen für eine Abzinsung fehlen (vgl. [X.]-Urteile vom 17. Januar 1996 II R 4/93, [X.]/NV 1996, 649, unter [X.]; in [X.]E 220, 518, [X.], 626, betr. [X.]). [X.] sind im Übrigen nur innerhalb des in § 233a Abs. 2 [X.] bestimmten Zeitraums unverzinslich.

4. Danach mindern im Streitfall die Abschlusszahlungen in Höhe von insgesamt 90.014,57 € für Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag der [X.] als Nachlassverbindlichkeiten jeweils zur Hälfte, also in Höhe von jeweils 45.008 € (gerundet) den Erwerb der Kläger. Die Berechnung der jeweiligen Erbschaftsteuer wird dem [X.] übertragen (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 100 Abs. 2 Satz 2 [X.]O).

Meta

II R 18/11

04.07.2012

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 23. Februar 2011, Az: 3 K 476/10, Urteil

§ 9 Abs 1 Nr 1 ErbStG 1997, § 10 Abs 1 ErbStG 1997, § 10 Abs 5 Nr 1 ErbStG 1997, § 11 ErbStG 1997, § 12 Abs 1 ErbStG 1997, § 12 BewG 1991, § 1922 BGB, § 1967 Abs 2 BGB, § 37 Abs 2 AO, § 38 AO, § 44 AO, § 45 Abs 1 AO, § 270 AO, § 2 Abs 7 S 1 EStG 2002, § 25 Abs 1 EStG 2002, § 36 Abs 1 EStG 2002, § 36 Abs 4 S 1 EStG 2002, § 51a Abs 1 EStG 2002, § 1 Abs 2 SolZG, R E10.8 Abs 3 S 2 ErbStR 2011, § 24 Nr 2 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.07.2012, Az. II R 18/11 (REWIS RS 2012, 5018)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5018

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