Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.07.2012, Az. II R 15/11

2. Senat | REWIS RS 2012, 5021

STEUERRECHT ERBRECHT ERBSCHAFTSTEUER BUNDESFINANZHOF (BFH) EINKOMMENSTEUER ERBSCHAFT

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Vom Erblasser herrührende Steuerschulden für das Todesjahr als Nachlassverbindlichkeiten - Aufteilung von Abschlusszahlungen bei Zusammenveranlagung von im selben Jahr verstorbenen Ehegatten


Leitsatz

1. Die auf den Erben entsprechend seiner Erbquote entfallenden Abschlusszahlungen für die vom Erblasser herrührende Einkommensteuer des Todesjahres, einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag, sind als Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsfähig (Änderung der Rechtsprechung) .

2. Bei einer Zusammenveranlagung von im selben Jahr verstorbenen Ehegatten sind Abschlusszahlungen für das Todesjahr analog § 270 AO aufzuteilen und als Nachlassverbindlichkeiten beim jeweiligen Erwerb von Todes wegen abzugsfähig .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist neben ihrer Schwester zu 1/2 [X.]iterbin ihres am 31. Dezember 2004 verstorbenen [X.] ([X.]). Ihre [X.]utter ([X.]) war bereits am 13. November 2004 vorverstorben. Für 2004 wurden [X.] und [X.] zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Für Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag für 2004 waren --nach Anrechnung der von [X.] und [X.] entrichteten [X.]orauszahlungen, des [X.] und der [X.] in Höhe von insgesamt 1.823.885 € zu entrichten.

2

Die Klägerin machte die Hälfte der Abschlusszahlungen als Nachlassverbindlichkeiten geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) versagte in dem geänderten Steuerbescheid vom 22. September 2008 einen Abzug und setzte die Erbschaftsteuer gegen die Klägerin auf 473.936 € fest.

3

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) ging davon aus, dass die Einkommensteuer des [X.] des Erblassers beim Erben nicht als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden könne, weil sie am maßgeblichen Stichtag noch nicht entstanden gewesen sei. Das Urteil des [X.] ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1342.

4

[X.]it der Revision rügt die Klägerin die [X.]erletzung des § 10 Abs. 5 Nr. 1 des [X.] (ErbStG).

5

Während des Revisionsverfahrens hat das [X.] mit Bescheid vom 5. Juni 2012 die Erbschaftsteuer wegen hier nicht streitiger Punkte auf 532.817 € erhöht.

6

In der mündlichen [X.]erhandlung hat die Klägerin erklärt, ihre Eltern hätten ein [X.] errichtet. Danach hätten sich die Eltern gegenseitig zu alleinigen Erben eingesetzt. Die Erbschaft nach ihrer [X.]utter sei ausgeschlagen worden.

7

Die Klägerin beantragt, die [X.]orentscheidung aufzuheben und den Erbschaftsteuerbescheid vom 5. Juni 2012 dahin zu ändern, dass die von ihr zu tragenden Zahlungen der Einkommensteuer, der Kirchensteuer sowie des Solidaritätszuschlags für [X.] und [X.] für 2004 in Höhe von 911.942,50 € als zusätzliche Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigt werden.

8

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist begründet. Sie führt bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der [X.]orentscheidung. Da während des Revisionsverfahrens ein Änderungsbescheid ergangen ist, ist das Urteil des [X.] gegenstandslos geworden (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 17. Januar 2008 [X.]I R 44/07, [X.], 269, [X.], 21).

Die Sache ist zur anderweitigen [X.]erhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die vom [X.] getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um den von der Klägerin begehrten Abzug der Nachlassverbindlichkeiten beurteilen zu können. Die anteilig auf die Klägerin als Miterbin entfallenden Abschlusszahlungen für Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag für 2004 sind, soweit sie [X.] betreffen, entgegen der Auffassung des [X.] als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig. Soweit die Abschlusszahlungen M betreffen, sind sie als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig, wenn [X.] Alleinerbe der vorverstorbenen M war. Ist dagegen [X.] wegen einer Ausschlagung der Erbschaft nicht Alleinerbe der M geworden, scheidet ein Abzug der M betreffenden Abschlusszahlungen als Nachlassverbindlichkeiten bei dem hier der Besteuerung zugrunde liegenden Erwerb von Todes wegen nach [X.] aus. Das [X.] hat --aus seiner Sicht zu [X.] noch keine Feststellungen dazu getroffen, ob [X.] Alleinerbe der M war oder ob die Erbschaft ausgeschlagen wurde.

1. Gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 [X.] sind von dem Erwerb des Erben die vom Erblasser herrührenden Schulden, soweit sie nicht mit einem zum Erwerb gehörenden Gewerbebetrieb oder Anteil an einem Gewerbebetrieb in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen und bereits nach § 12 Abs. 5 und 6 [X.] berücksichtigt worden sind, als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig. Nachlassverbindlichkeiten in diesem Sinne sind auch die vom Erblasser herrührenden persönlichen Steuerschulden, die gemäß § 1922 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), § 45 Abs. 1 der Abgabenordnung ([X.]) auf den Erben übergegangen sind (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.]-Urteil vom 17. Februar 2010 II R 23/09, [X.], 363, [X.] 2010, 641, m.w.N.).

Nach § 1922 Abs. 1 BGB geht mit dem Tod einer Person (Erbfall) deren [X.]ermögen als Ganzes auf den oder die Erben über. Gemäß § 1967 BGB haften die Erben für die Nachlassverbindlichkeiten. Das hierin für den Erbfall statuierte Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge beschränkt sich nicht auf den Bereich des Zivilrechts, sondern erstreckt sich auch auf das Steuerrecht (vgl. Beschluss des Großen Senats des [X.] vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04, [X.], 129, [X.], 608, unter D.I.). So ordnet § 45 Abs. 1 Satz 1 [X.] an, dass bei der Gesamtrechtsnachfolge "die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Rechtsnachfolger über(gehen)". Ungeachtet des restriktiv gehaltenen Wortlauts des § 45 Abs. 1 Satz 1 [X.] leitet der [X.] in ständiger Rechtsprechung aus dieser Bestimmung her, dass der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger grundsätzlich in einem umfassenden Sinne sowohl in materieller als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht in die abgabenrechtliche Stellung des Erblassers eintritt (vgl. [X.]-Beschluss in [X.], 129, [X.], 608, unter D.I.1., m.w.N.).

2. Zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 [X.] gehören nicht nur die Steuerschulden, die zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits rechtlich entstanden waren, sondern auch die [X.], die der Erblasser als Steuerpflichtiger durch die [X.]erwirklichung von [X.]n begründet hat und die mit dem Ablauf des [X.] entstehen.

a) Der Abzug von Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 [X.] setzt ebenso wie die Erbenhaftung nach § 1967 Abs. 2 BGB voraus, dass Schulden vom Erblasser herrühren. Aus dem Begriff "herrühren" ergibt sich, dass die [X.]erbindlichkeiten zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht voll wirksam entstanden sein müssen. Zivilrechtlich gehen mit dem Erbfall auch "verhaltene", noch werdende und schwebende Rechtsbeziehungen des Erblassers auf den Erben über (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil des [X.] --BGH-- vom 7. Juni 1991 [X.] ZR 214/89, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1991, 2558, m.w.N.). Deshalb sind [X.] § 1967 Abs. 2 BGB auch die erst in der Person des Erben entstehenden [X.]erbindlichkeiten, die als solche schon dem Erblasser entstanden wären, wenn er nicht vor Eintritt der zu ihrer Entstehung nötigen weiteren [X.]oraussetzung verstorben wäre (vgl. [X.] in [X.], 2558).

b) Diese zivilrechtlichen Grundsätze sind auch für die Beurteilung der Nachlassverbindlichkeiten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 [X.] zu beachten (vgl. [X.]-Urteil vom 5. Juli 1978 II R 64/73, [X.]E 126, 55, [X.] 1979, 23; [X.] in [X.][X.], § 10 [X.] Rz 51). Der Abzug der vom Erblasser herrührenden Schulden setzt nicht zwingend voraus, dass beim Tod des Erblassers, also zum maßgeblichen Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 [X.]), eine rechtliche [X.]erpflichtung bestanden haben muss (vgl. [X.]-Urteile vom 18. November 1963 II 166/61, [X.], 83, und in [X.]E 126, 55, [X.] 1979, 23). Bei einem Erwerb von Todes wegen wirken sich auch Steuerschulden aus der [X.]eranlagung des Erblassers für das Todesjahr bereicherungsmindernd aus, obwohl sie beim Erbfall noch nicht rechtlich entstanden waren. Denn der Erbe hat diese Steuerschulden zu tragen. Entscheidend für den Abzug der Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten ist, dass der Erblasser in eigener Person und nicht etwa der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger steuerrelevante Tatbestände verwirklicht hat und deshalb "für den Erblasser" als Steuerpflichtigen eine Steuer entsteht.

c) Das für das Erbschaftsteuerrecht maßgebliche Stichtagsprinzip (§ 9 und § 11 [X.]) steht dem Abzug dieser [X.] nicht entgegen. Bereits zum Zeitpunkt der Steuerentstehung, also beim Tod des Erblassers steht fest, dass die Belastung [X.] Gesetzes mit Ablauf des [X.] eintreten wird (nachfolgend unter [X.]). Dabei ist unschädlich, dass zum Zeitpunkt des Erbfalls die Belastung durch [X.] der Höhe nach nicht genau feststeht, weil noch mögliche Wahlrechte ausgeübt werden oder besondere steuerrelevante Ereignisse eintreten können.

d) Soweit aus den hauptsächlich zum Erfordernis einer wirtschaftlichen Belastung ergangenen Entscheidungen des [X.] entnommen werden könnte bzw. kann, dass der Abzug von Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 [X.] "nur" bei einer zum Zeitpunkt des Erbfalls bestehenden rechtlichen [X.]erpflichtung möglich ist, hält der Senat daran jedenfalls für die [X.] Gesetzes aufgrund einer Tatbestandsverwirklichung des Erblassers entstehenden [X.] nicht mehr fest (vgl. hierzu [X.]-Urteile vom 24. März 1999 II R 34/97, [X.]/N[X.] 1999, 1339; vom 15. Januar 2003 II R 23/01, [X.]E 200, 413, [X.] 2003, 267; vom 14. Dezember 2004 II R 35/03, [X.]/N[X.] 2005, 1093; vom 14. November 2007 II R 3/06, [X.]/N[X.] 2008, 574; in [X.], 363, [X.] 2010, 641; [X.]-Beschluss vom 15. Mai 2009 II B 155/08, [X.]/N[X.] 2009, 1441; differenzierend [X.]-Urteil vom 27. Juni 2007 II R 30/05, [X.]E 217, 190, [X.] 2007, 651, unter [X.]). Es verbleibt jedoch dabei, dass der Abzug einer Steuerschuld als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 [X.] --abweichend vom [X.] zusätzlich voraussetzt, dass sie eine wirtschaftliche Belastung darstellt (vgl. [X.]-Urteil vom 2. März 2011 II R 5/09, [X.]/N[X.] 2011, 1147, unter III.7.c aa aaa).

e) Nach diesen Grundsätzen ist die auf den Erben entsprechend seiner Erbquote entfallende Abschlusszahlung für die vom Erblasser herrührende Einkommensteuer des [X.] als Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 [X.] abzugsfähig (vgl. [X.]/[X.], § 10 [X.] Rz 82; [X.] in Troll/[X.]/[X.], [X.], § 10 Rz 119, 140; [X.], Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 16. Aufl., § 10 Rz 32, unter a und c; [X.]/[X.], Zeitschrift für Erbrecht und [X.]ermögensnachfolge --ZE[X.]-- 2011, 70; Billig, Umsatzsteuer- und [X.]erkehrsteuer-Recht 2012, 61; a.A. [X.], a.a.[X.], § 10 [X.] Rz 54; Jüptner in Fischer/Jüptner/[X.]/ [X.], [X.], 4. Aufl., § 10 Rz 134; [X.]/[X.], Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 10 Rz 121; [X.], Der [X.], 170, unter [X.]; [X.] vom 18. Januar 2010, ZE[X.] 2010, 107; R E 10.8 Abs. 3 Satz 2 der [X.] 2011, BStBl [X.]. 1/2011, 2, 23 f.).

aa) Stirbt ein Steuerpflichtiger vor Ablauf des Kalenderjahres, ist zum Zeitpunkt des Erbfalls zwar noch keine Einkommensteuer für das Todesjahr entstanden. Der Steuerpflichtige hat aber bis zu seinem Ableben selbst [X.] verwirklicht und damit das spätere Entstehen der [X.] begründet. Mit seinem Ableben tritt der Erbe in die Rechtsstellung des [X.]erstorbenen (Erblasser) ein; der durch den Erblasser (Steuerpflichtiger) begründete, mit Ablauf des [X.] entstehende Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis geht auf den Erben über.

bb) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 38 [X.]). Die Einkommensteuer ist eine Jahressteuer (§ 2 Abs. 7 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der für 2004 maßgeblichen Fassung --EStG--), die nach § 36 Abs. 1 EStG mit Ablauf des [X.]eranlagungszeitraums entsteht.

Sie wird nach Ablauf des Kalenderjahres ([X.]eranlagungszeitraum) nach dem Einkommen veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem [X.]eranlagungszeitraum bezogen hat, soweit nicht nach § 46 EStG eine [X.]eranlagung unterbleibt (§ 25 Abs. 1 EStG). Stirbt der Steuerpflichtige vor Ablauf des Kalenderjahres und endet damit seine persönliche Steuerpflicht, wird der [X.]eranlagung für das Todesjahr (Kalenderjahr) ein abgekürzter Ermittlungszeitraum zugrunde gelegt. Die [X.]eranlagung ist auf das bis zum Tod des Steuerpflichtigen erzielte Einkommen zu beschränken (vgl. [X.]-Beschluss in [X.], 129, [X.], 608, unter [X.]). Im Hinblick darauf, dass das Einkommen des Erblassers erfasst und damit an die [X.]erwirklichung des [X.] durch den Erblasser angeknüpft wird, ist die Einkommensteuer des [X.] unmittelbar in der Person des Erblassers (Steuerpflichtiger) begründet. Eine etwaige Einkommensteuerschuld für das Todesjahr des Erblassers bleibt trotz des Übergangs auf den Erben eine vom Erblasser herrührende Steuerschuld. Insoweit ist unerheblich, dass der Einkommensteuerbescheid für den Erblasser gegenüber dem Erben als Gesamtrechtsnachfolger ergeht.

Soweit der Erbe selbst einkommensteuerrelevante Tatbestände verwirklicht, wie z.B. beim Zufluss nachträglicher Einnahmen aus einer ehemaligen Tätigkeit des Erblassers nach § 24 Nr. 2 EStG (vgl. [X.]-Urteil vom 24. Januar 1996 [X.], [X.]E 179, 406, [X.] 1996, 287, unter 3.), sind die darauf entfallenden Einkommensteuerzahlungen des Erben keine Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 [X.]. Obwohl der Erblasser die Grundlage für den Zufluss von Einnahmen gesetzt hat, wird der Steuertatbestand in diesen Fällen erst mit dem Zufluss der Einnahmen durch den Erben als Steuerpflichtigen verwirklicht (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 179, 406, [X.] 1996, 287).

cc) Eine bereits am Todestag des Erblassers bestehende rechtliche [X.]erpflichtung als [X.]oraussetzung für den Abzug von Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 [X.] kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass nur rechtlich entstandene [X.] zum Erwerb i.S. des § 10 Abs. 1 [X.] zählen.

Nach der Rechtsprechung des [X.] fallen [X.], die das Todesjahr des Erblassers betreffen, jedenfalls bei einer Zusammenveranlagung mit dem überlebenden Ehegatten nicht in den steuerpflichtigen Erwerb nach § 10 Abs. 1 [X.], weil sie erst mit Ablauf des [X.] entstehen (vgl. [X.]-Urteil vom 16. Januar 2008 II R 30/06, [X.], 518, [X.], 626). Für Erwerbe ab dem 1. Januar 2009 gilt zudem § 10 Abs. 1 Satz 3 [X.] (i.d.F. des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24. Dezember 2008, [X.], 3018, [X.], 140). Danach sind [X.] des Erblassers zu berücksichtigen, wenn sie rechtlich entstanden sind (§ 37 Abs. 2 [X.]).

Das Anknüpfen an unterschiedliche [X.]oraussetzungen für den Abzug von Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten einerseits und für den Ansatz von [X.]n als Erwerb andererseits beruht auf den unterschiedlichen Regelungen in § 10 Abs. 1 und Abs. 5 Nr. 1 [X.]. Denn für den Abzug von Schulden als Nachlassverbindlichkeiten kommt es nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 [X.] nur darauf an, dass sie vom Erblasser "herrühren". Für eine einschränkende Auslegung des Begriffs "herrühren" im Sinne von "rechtlich entstanden" ist ein zwingender Grund nicht ersichtlich. Eine solche Auslegung würde auch dem im Erbschaftsteuerrecht geltenden Bereicherungsprinzip zuwiderlaufen, weil der Erbe in Höhe der entstehenden und von ihm zu begleichenden Steuerschulden für das Todesjahr des Erblassers nicht bereichert ist.

dd) Hat der Erblasser den Steuertatbestand verwirklicht, ist als Nachlassverbindlichkeit die [X.] § 36 Abs. 4 Satz 1 EStG, also diejenige Einkommensteuer abzugsfähig, die sich nach Anrechnung der vom Erblasser entrichteten Einkommensteuer-[X.]orauszahlungen und der durch Steuerabzug erhobenen anrechenbaren Einkommensteuer (vgl. § 36 Abs. 2 EStG) ergibt. Es kommt dabei allein auf die materielle Rechtslage und nicht auf die Steuerfestsetzungen an (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 518, [X.], 626).

f) Zu den vom Erblasser herrührenden Schulden gehören diejenigen [X.], die durch ihn selbst begründet wurden. Das sind [X.], die entstehen, weil der Erblasser den Steuertatbestand verwirklicht hat. Bei einer Zusammenveranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer für das Todesjahr eines oder beider Ehegatten sind [X.] grundsätzlich auf die Ehegatten aufzuteilen.

aa) Werden Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt, werden die Einkünfte, die die Ehegatten erzielt haben, zusammengerechnet, den Ehegatten gemeinsam zugerechnet und, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, die Ehegatten sodann gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt (§ 26b EStG). Aufgrund dieser Zusammenveranlagung sind die Ehegatten Gesamtschuldner der Einkommensteuer (§ 44 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Soweit nichts anderes bestimmt ist, schuldet jeder Gesamtschuldner die gesamte Leistung (§ 44 Abs. 1 Satz 2 [X.]).

bb) Stirbt einer der Ehegatten und ergibt sich aufgrund der Zusammenveranlagung der Ehegatten für das Todesjahr eine Abschlusszahlung, ist die vom verstorbenen Ehegatten als Erblasser herrührende Einkommensteuerschuld analog § 270 [X.] (in der für 2004 maßgeblichen Fassung) zu ermitteln.

Gesamtschuldner können für das [X.]ollstreckungsverfahren so gestellt werden, als seien sie [X.] (§ 268 [X.]). Hierzu wird nach Maßgabe der §§ 269 ff. [X.] die Gesamtschuld auf die einzelnen Steuerschuldner aufgeteilt. Zur Bestimmung des Aufteilungsmaßstabs sind grundsätzlich fiktive getrennte [X.]eranlagungen durchzuführen; das [X.]erhältnis der sich daraus ergebenden Steuerbeträge ergibt den [X.] für die rückständige Steuer (§ 270 [X.] in der für 2004 maßgeblichen Fassung). Dadurch wird erreicht, dass jeder der Gesamtschuldner nur noch mit dem Steuerbetrag in Anspruch genommen wird, der seinem Anteil am zusammen veranlagten Einkommen entspricht (vgl. [X.]-Urteil vom 17. Januar 2008 [X.]I R 45/04, [X.], 204, [X.], 418; [X.]-Beschluss vom 3. November 2010 [X.], [X.]/N[X.] 2011, 203).

Ebenso ist zu verfahren, wenn die Zusammenveranlagung von Ehegatten für das Jahr, in dem einer der Ehegatten verstorben ist, zu einer Einkommensteuer-Abschlusszahlung (vgl. § 36 Abs. 4 Satz 1 EStG) führt und zu klären ist, inwieweit diese zu den Nachlassverbindlichkeiten gehört. Soweit die Abschlusszahlung nach einer Aufteilung analog § 270 [X.] (in der für 2004 maßgeblichen Fassung) auf den [X.]erstorbenen (Erblasser) entfällt, ist sie beim Erwerb des Erben als eine vom Erblasser herrührende Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig.

cc) Entsprechendes gilt, wenn zusammen veranlagte Ehegatten im selben Jahr versterben und die [X.]eranlagung zur Einkommensteuer für das Todesjahr zu einer Abschlusszahlung führt. Die Abschlusszahlung ist analog § 270 [X.] (in der für 2004 maßgeblichen Fassung) auf die Ehegatten aufzuteilen und als Nachlassverbindlichkeit beim jeweiligen Erwerb von Todes wegen abzugsfähig.

Ist jedoch bei einem Ableben der Ehegatten im selben Jahr der zweitverstorbene Ehegatte Alleinerbe des zuerst verstorbenen Ehegatten gewesen, ist beim Erwerb der Erben des zweitverstorbenen Ehegatten die gesamte Abschlusszahlung aus der Zusammenveranlagung der verstorbenen Ehegatten für das Todesjahr als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig. Soweit die Abschlusszahlung auf den zweitverstorbenen Ehegatten entfällt, ist sie eine von diesem als Erblasser herrührende Steuerverbindlichkeit, weil er den Steuertatbestand verwirklicht hat. Soweit die Abschlusszahlung auf den zuerst verstorbenen Ehegatten entfällt, handelt es sich um eine Steuerschuld, die zivil- und steuerrechtlich mit dem Ableben des zuerst verstorbenen Ehegatten als schwebende Rechtsbeziehung auf den zunächst überlebenden Ehegatten und bei dessen Ableben auf seine Erben übergegangen ist. Diese Steuerschuld, die auf einer [X.]erwirklichung des [X.] durch den zuerst verstorbenen Ehegatten beruht, ist erbschaftsteuerrechtlich als eine vom zweitverstorbenen Ehegatten herrührende Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig, weil sie bereits den Erwerb des zweitverstorbenen Ehegatten minderte und bei seinem Ableben mangels entsprechender Tilgung als schwebende, mit Ablauf des Jahres entstehende Belastung [X.]. Sie mindert deshalb auch die Bereicherung der Erben des zweitverstorbenen Ehegatten.

g) Nach diesen Grundsätzen ist auch zu entscheiden, ob Abschlusszahlungen, die auf den mit Ablauf des Kalenderjahres entstehenden Solidaritätszuschlag (vgl. § 1 Abs. 2 des Solidaritätszuschlaggesetzes) sowie für die ebenfalls an das Einkommen anknüpfende, nach Landesrecht festzusetzende Kirchensteuer entfallen (vgl. § 51a Abs. 1 EStG), als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sind.

3. Die abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten sind mit ihrem nach § 12 [X.] zu ermittelnden Wert abzuziehen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Schulden sind mit dem Nennwert anzusetzen, wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen (§ 12 Abs. 1 [X.] i.[X.].m. § 12 Abs. 1 Satz 1 des Bewertungsgesetzes --[X.]--).

Für [X.], die mit Ablauf des [X.] des Erblassers entstehen, verbleibt es beim Ansatz mit dem Nennwert, obwohl die zu einer Abschlusszahlung führende Festsetzung erst nach dem Stichtag für die Entstehung der Erbschaftsteuer erfolgt. Besondere Umstände, die eine Abweichung vom Nennwert rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Eine Abzinsung nach § 12 Abs. 3 [X.] scheidet ebenfalls aus, weil es an einem von vornherein bestimmten Zeitpunkt für den Eintritt der Fälligkeit der Einkommensteuer, der Kirchensteuer und des Solidaritätszuschlags fehlt und somit die Berechnungs- oder Schätzungsgrundlagen für eine Abzinsung fehlen (vgl. [X.]-Urteile vom 17. Januar 1996 II R 4/93, [X.]/N[X.] 1996, 649, unter [X.]; in [X.], 518, [X.], 626, betr. [X.]). [X.] sind im Übrigen nur innerhalb des in § 233a Abs. 2 [X.] bestimmten Zeitraums unverzinslich.

4. Danach mindern im Streitfall die anteilig auf die Klägerin entfallenden Abschlusszahlungen für Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag für 2004, soweit sie [X.] betreffen, als Nachlassverbindlichkeiten den Erwerb der Klägerin. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Aufgrund der vom [X.] getroffenen tatsächlichen Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob die Abschlusszahlungen, soweit sie M betreffen, ebenfalls als Nachlassverbindlichkeiten vom Erwerb der Klägerin aufgrund des Ablebens des [X.] abgezogen werden können. Der von der Klägerin begehrte Abzug der hälftigen Abschlusszahlungen in Höhe von 911.942,50 € ist nur dann zu gewähren, wenn [X.] Alleinerbe der M war. Ist dagegen die Erbschaft des [X.] nach M ausgeschlagen worden, wie die Klägerin in der mündlichen [X.]erhandlung vor dem [X.] vorgetragen hat, sind die Abschlusszahlungen nur insoweit abzugsfähig, als sie auf [X.] entfallen. Das [X.] wird daher noch festzustellen haben, ob [X.] Alleinerbe war und die Erbschaft ausgeschlagen wurde. Im Fall der Ausschlagung ist weiter festzustellen, inwieweit die Abschlusszahlungen entsprechend § 270 [X.] (in der für 2004 maßgeblichen) Fassung auf [X.] entfallen; in diesem Fall sind die auf M entfallenden Abschlusszahlungen nicht als Nachlassverbindlichkeiten vom Erwerb der Klägerin abzuziehen.

Meta

II R 15/11

04.07.2012

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 23. Februar 2011, Az: 3 K 332/10, Urteil

§ 9 Abs 1 Nr 1 ErbStG 1997, § 10 Abs 1 ErbStG 1997, § 10 Abs 5 Nr 1 ErbStG 1997, § 11 ErbStG 1997, § 12 Abs 1 ErbStG 1997, § 12 BewG 1991, § 1922 BGB, § 1967 Abs 2 BGB, § 37 Abs 2 AO, § 38 AO, § 44 AO, § 45 Abs 1 AO, § 270 AO, § 2 Abs 7 S 1 EStG 2002, § 25 Abs 1 EStG 2002, § 26b EStG 2002, § 36 Abs 1 EStG 2002, § 36 Abs 4 S 1 EStG 2002, § 51a Abs 1 EStG 2002, § 1 Abs 2 SolZG, R E10.8 Abs 3 S 2 ErbStR 2011, § 24 Nr 2 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.07.2012, Az. II R 15/11 (REWIS RS 2012, 5021)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5021

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

II R 18/11 (Bundesfinanzhof)

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 04.07.2012 II R 15/11 - Vom Erblasser herrührende Steuerschulden …


II R 19/11 (Bundesfinanzhof)

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 04.07.2012 II R 15/11 - Vom Erblasser herrührende Steuerschulden …


II R 50/11 (Bundesfinanzhof)

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 04.07.2012 II R 15/11 - Vom Erblasser herrührende Steuerschulden …


II R 56/11 (Bundesfinanzhof)

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 04.07.2012 II R 15/11 - Vom Erblasser herrührende Steuerschulden …


II R 3/21 (Bundesfinanzhof)

Steuern auf die durch Erben rückwirkend erklärte Aufgabe eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes sind keine …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.