Bundesfinanzhof, Beschluss vom 16.06.2015, Az. VII S 35/14 (PKH)

7. Senat | REWIS RS 2015, 9712

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Gegenstand

(Entstehung des Körperschaftsteuerguthaben gemäß § 37 Abs. 5 Satz 1 KStG)


Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Tatbestand

1

I. Mit Beschluss vom … Januar 2007 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] (Insolvenzschuldnerin) eröffnet und die Antragstellerin, Klägerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) zur Insolvenzverwalterin bestellt. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens war beim Insolvenzgericht am … August 2006 eingegangen.

2

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) stellte für die Insolvenzschuldnerin zum 31. Dezember 2001 und zum 31. Dezember 2006 ein [X.] nach § 37 des Körperschaftsteuergesetzes ([X.]) in Höhe von jeweils … DM bzw. … € fest. Das [X.] erklärte insoweit die Aufrechnung mit einer zur Insolvenztabelle angemeldeten und festgestellten Umsatzsteuerverbindlichkeit für das Jahr 2001.

3

Hierüber erließ das [X.] den Abrechnungsbescheid vom 19. Juni 2012 (§ 218 Abs. 2 der Abgabenordnung). Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, es liege insbesondere kein Aufrechnungsverbot gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 der Insolvenzordnung ([X.]) vor, da das [X.] die Möglichkeit der Aufrechnung nicht durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt habe. Der Anspruch auf [X.] Auszahlung des [X.]s sei vielmehr mit Ablauf des 31. Dezember 2006 durch die gesetzliche Neuregelung in § 37 Abs. 5 Satz 1 [X.] entstanden. Die für die entsprechende Körperschaftsteuerbelastung ursächlichen Rechtshandlungen hätten bereits vor dem [X.] stattgefunden. Ihnen könne durch die gesetzliche Neuregelung nicht rückwirkend eine Rechtswirkung unterstellt werden. Zwar sei auch die Zahlung der Körperschaftsteuer eine Rechtshandlung. Das festgestellte [X.] sei hiervon aber unabhängig.

4

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, die beim [X.] ([X.]) unter dem [X.]. VII B 163/14 anhängig ist, macht die Antragstellerin geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Außerdem liege eine Divergenz zur Entscheidung des [X.] vom 2. November 2010 VII R 62/10 ([X.]E 232, 290, [X.], 439) vor.

5

Die Antragstellerin beantragt, ihr für das Verfahren VII B 163/14 Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen.

Entscheidungsgründe

6

II. Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

7

Nach § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) i.V.m. § 116 Satz 1 Nr. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes auf Antrag PKH, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen. Darüber hinaus muss die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung gemäß § 142 Abs. 1 [X.]O i.V.m. § 116 Satz 2, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten und darf nicht mutwillig erscheinen.

8

Selbst wenn auf Grundlage der Ausführungen der Antragstellerin angenommen werden kann, dass die Insolvenzmasse im Fall der Stattgabe der Klage über die Deckung der [X.] i.S. des § 54 [X.] hinausgeht und damit die zurzeit bestehende [X.]armut i.S. des § 207 Abs. 1 [X.] beseitigen wird, sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Denn für die [X.] fehlt jedenfalls eine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Aus dem Vortrag der Antragstellerin ergeben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte für einen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 [X.]O. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerde unbegründet oder wegen einer unzureichenden Darlegung der Zulassungsgründe (§ 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O) bereits unzulässig ist.

9

1. Eine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O scheidet aus, weil es sich bei der Behandlung des Anspruchs auf das [X.] gemäß § 37 Abs. 5 Satz 1 [X.] im Rahmen des § 96 Abs. 1 Nr. 3 [X.] um auslaufendes Recht handelt.

Rechtsfragen, die ausgelaufenes oder auslaufendes Recht betreffen, kommt nach ständiger Rechtsprechung des [X.] regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O zu ([X.]-Beschluss vom 5. März 2013 X B 179/11, [X.]/NV 2013, 926, m.w.N.). Ein Abweichen von dieser Regel ist nur ausnahmsweise gerechtfertigt. Dies setzt voraus, dass sich die aufgeworfene Rechtsfrage für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft weiterhin stellen kann ([X.]-Beschluss vom 14. Februar 2007 IX B 177/06, [X.]/NV 2007, 1099). Daran fehlt es im Streitfall.

Nach dem [X.]-Urteil vom 23. Februar 2011 I R 38/10 ([X.]/NV 2011, 1298) ist der Anspruch auf das [X.] gemäß § 37 Abs. 5 Satz 1 [X.] auch insolvenzrechtlich (erst) mit Ablauf des 31. Dezember 2006 entstanden. Auf dieser Grundlage gilt für Insolvenzeröffnungen vor dem 1. Januar 2007 bereits das [X.] des § 96 Abs. 1 Nr. 1 [X.], ohne dass es auf § 96 Abs. 1 Nr. 3 [X.] ankäme.

Soweit das Insolvenzverfahren wie im Streitfall nach dem 31. Dezember 2006 eröffnet worden ist, betrifft die von der Antragstellerin formulierte Rechtsfrage, ob der Anspruch auf das [X.] gemäß § 37 Abs. 5 Satz 1 [X.] auf einer anfechtbaren Rechtshandlung i.S. des § 129 [X.] beruht, nur eine begrenzte Zahl von Insolvenzverfahren. Selbst wenn man über § 140 Abs. 1 [X.] zu dem Ergebnis käme, dass die zugrunde liegenden Rechtshandlungen i.S. des § 129 [X.] erst zum 31. Dezember 2006 vorgenommen worden seien, wären nämlich nur diejenigen Insolvenzverfahren betroffen, bei denen der 31. Dezember 2006 innerhalb des kritischen Zeitraums i.S. der §§ 130, 131 [X.] läge. Denn die ratenweise Auszahlung gemäß § 37 Abs. 5 Satz 1 [X.] hätte --jedenfalls über eine entsprechende Anwendung des § 140 Abs. 3 [X.]-- keine Auswirkungen auf den Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung i.S. der §§ 130, 131 [X.]. Dass es sich hierbei um eine große Zahl von noch nicht abgeschlossenen Insolvenzverfahren handelt, hat die Antragstellerin nicht ausreichend substantiiert dargelegt. Der Hinweis auf ein einziges konkretes Parallelverfahren reicht hierfür nicht aus. Entsprechendes gilt für den Hinweis auf die Verfügung der Oberfinanzdirektion [X.] vom 20. April 2007, da diese ausdrücklich nur das [X.] gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 [X.] für vor dem 1. Januar 2007 eröffnete Insolvenzverfahren betrifft.

2. Darüber hinaus liegt keine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O vor.

Dies folgt bereits daraus, dass die zitierte Senatsentscheidung in [X.]E 232, 290, [X.], 439 einen nicht vergleichbaren Sachverhalt betraf. Zum einen ging es nicht um den Anspruch auf das [X.] gemäß § 37 Abs. 5 Satz 1 [X.], sondern um die einem Vorsteuervergütungsanspruch der Insolvenzschuldnerin zugrunde liegende Rechtshandlung i.S. des § 129 [X.]. Zum anderen handelte es sich auch nicht um einen Anspruch aufgrund einer gesetzlichen Neuregelung.

Außerdem hat die Antragstellerin keine tragenden und abstrakten Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des [X.] einerseits und aus der behaupteten [X.] andererseits herausgearbeitet und gegenübergestellt (vgl. Senatsbeschluss vom 2. Dezember 2011 VII B 110/11, [X.]/NV 2012, 616). Letztlich erschöpft sich das Vorbringen der Antragstellerin in der Rüge eines bloßen Subsumtionsfehlers. Dies reicht grundsätzlich nicht für die Zulassung der Revision aus (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Juni 1994 VII B 239/93, [X.]/NV 1995, 89, m.w.N.).

Meta

VII S 35/14 (PKH)

16.06.2015

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

§ 96 Abs 1 Nr 1 InsO, § 96 Abs 1 Nr 3 InsO, § 129 InsO, § 140 Abs 3 InsO, § 130 InsO, § 131 InsO, § 37 Abs 5 S 1 KStG 2002 vom 12.12.2006

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 16.06.2015, Az. VII S 35/14 (PKH) (REWIS RS 2015, 9712)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 9712

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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