Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.02.2011, Az. I R 38/10

1. Senat | REWIS RS 2011, 9209

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Gegenstand

Keine Aufrechnung gegen ein Körperschaftsteuerguthaben im Insolvenzverfahren


Leitsatz

NV: Einer Aufrechnung des FA gegen den Anspruch auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens während eines vor dem 31. Dezember 2006 eröffneten Insolvenzverfahrens steht das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO entgegen .

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob ein Anspruch auf Auszahlung des sog. [X.] durch Aufrechnung erloschen ist.

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Verwalter in dem durch Beschluss vom 31. März 2006 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] (Gemeinschuldnerin). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) ermittelte durch Berechnung vom 21. Februar 2008 über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1 und § 38 Abs. 1 des [X.] ([X.] 2002) zum 31. Dezember 2006 ein [X.] von 15.740 €. Mit Berechnung vom 20. Oktober 2008 ermittelte das [X.] gegenüber dem Kläger den Anspruch auf Auszahlung des [X.] gemäß § 37 Abs. 5 [X.] 2002 i.d.[X.] über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der [X.] und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 7. Dezember 2006 ([X.], 2782, [X.], 4) --[X.] 2002 n.F.-- auf 15.740 €, wovon auf 2008 ein Betrag von 1.574 € (1/10) entfiel. Die erste Rate zahlte das [X.] an den Kläger aus. Unter dem 6. Oktober 2009 erging eine Umbuchungsmitteilung, wonach die Rate für 2009 nicht ausgezahlt, sondern mit rückständiger Körperschaftsteuer 2000 verrechnet worden sei. Die ([X.] den vom Kläger beantragten [X.] (§ 218 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO--) blieb erfolglos ([X.] Finanzgericht --FG--, Urteil vom 20. Mai 2010  6 K 408/09, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2010, 1390).

3

Der Kläger rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und den [X.] dahingehend zu ändern, dass in diesem Bescheid eine Erstattung des [X.] für 2009 in Höhe von 1.574 € ausgewiesen wird.

4

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Revision ist begründet, da das [X.] zu Unrecht auf eine Rechtswirksamkeit der Aufrechnungserklärung des [X.] erkannt hat. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--); auf die Anfechtungsklage des [X.] wird der Abrechnungsbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung in der Weise geändert (§ 100 Abs. 2 Satz 1 [X.]O), dass in diesem Bescheid ein erstattungsfähiges Guthaben ([X.] für 2009) in Höhe von 1.574 € ausgewiesen wird.

6

1. Die in §§ 387 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) angeführten allgemeinen Voraussetzungen einer Aufrechnung, die nach § 226 Abs. 1 [X.] im Steuerschuldverhältnis sinngemäß anzuwenden sind, lagen mit Blick auf die Forderung des [X.] auf Zahlung der rückständigen Körperschaftsteuer 2000 und die Forderung des [X.] auf Auszahlung des [X.] für 2009 im [X.]punkt der in Gestalt der Umbuchungsnachricht erklärten Aufrechnung des [X.] (s. insoweit Urteil des [X.] --[X.]-- vom 26. Juli 2005 [X.]/04, [X.], 7) vor. Das ist unter den Beteiligten nicht streitig und bedarf keiner weiteren Ausführungen.

7

2. Die Aufrechnungserklärung des [X.] hat den Erstattungsanspruch des [X.] aber nicht i.S. des § 47 [X.] (i.V.m. § 226 Abs. 1 [X.] und § 389 BGB) zum Erlöschen gebracht, da eine Aufrechnung --die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur nach Maßgabe der §§ 94 bis 96 der Insolvenzordnung ([X.]) zulässig ist-- nach § 95 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht zugelassen war.

8

a) Nach § 94 [X.] bleibt zwar das zur [X.] der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehende Aufrechnungsrecht des Insolvenzgläubigers unberührt. Die mit Eröffnung eines Insolvenzverfahrens verbundene Beschränkung in der Durchsetzung der Ansprüche der Insolvenzgläubiger hindert damit denjenigen Insolvenzgläubiger nicht an der Aufrechnung, der im [X.]punkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Aufrechnung berechtigt gewesen wäre. Eine solche Berechtigung bestand für das [X.] in diesem [X.]punkt (31. März 2006) für den Anspruch aus § 37 Abs. 5 [X.] 2002 n.F. angesichts der eindeutigen Regelungslage (§ 37 Abs. 5 Satz 2 [X.] 2002 n.F.: "Der Anspruch entsteht mit Ablauf des 31. Dezember 2006 ... .") aber nicht.

9

b) Über § 94 [X.] hinaus gestattet allerdings § 95 Abs. 1 Satz 1 [X.] auch dann eine Aufrechnung, wenn die Aufrechnungslage erst im Insolvenzverfahren eintritt. Voraussetzung dafür ist, dass zur [X.] der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die aufzurechnenden Forderungen oder eine von ihnen noch aufschiebend bedingt oder nicht fällig sind, sofern nicht (Satz 3 der Vorschrift) die Hauptforderung, gegen die aufgerechnet werden soll, unbedingt und fällig wird, bevor die Aufrechnung erfolgen kann (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 22. September 2005 VII ZR 117/03, [X.], 159; [X.]-Urteil vom 17. April 2007 [X.], [X.], 8, [X.], 589). Damit schützt das Gesetz das vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Vertrauen des Insolvenzgläubigers, mit dem Entstehen der Aufrechnungslage seine Forderung durchsetzen zu können ([X.]-Urteil vom 5. Oktober 2004 [X.]/03, [X.], 10, [X.], 195; [X.] in [X.] Kommentar zur Insolvenzordnung --MünchKomm[X.]--, 2. Aufl., § 95 Rz 1; [X.] in [X.], Insolvenzordnung, 4. Aufl., § 95 Rz 1). Die mit Satz 3 der Regelung verbundene Einschränkung der [X.] hat im Streitfall keine Bedeutung, da die Hauptforderung (Erstattungsanspruch [X.]) nicht vor dem Rückerstattungsanspruch des [X.] vollwirksam entstanden und fällig (durchsetzbar) war.

Nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ist die Aufrechnung allerdings --soweit sie nicht nach § 95 Abs. 1 Satz 1 [X.] zugelassen ist (s. zum Vorrang des § 95 [X.] z.B. [X.]-Urteil in [X.], 8, [X.], 589; [X.] in MünchKomm[X.], a.a.[X.], § 96 Rz 18, m.w.[X.] unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Eine erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene [X.] verdient im Interesse der Insolvenzmasse und dem Ziel einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung keinen Schutz ([X.] vom 6. Dezember 1990 [X.], Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1991, 1060; [X.] in MünchKomm[X.], a.a.[X.], § 96 Rz 1, 6; [X.] in [X.], a.a.[X.], § 96 Rz 1).

c) Die Voraussetzungen für einen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufschiebend bedingten Erstattungsanspruch i.S. des § 95 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind im Streitfall nicht erfüllt. Das [X.] als Insolvenzgläubiger konnte mit Blick auf das [X.] vor dem 31. Dezember 2006 nicht auf eine "im Entstehen begriffene Aufrechnungslage" vertrauen. Vielmehr ist das [X.] i.S. des § 96 Abs. 1 Nr. 1 [X.] "etwas" (nämlich die Auszahlung des [X.]) erst am 31. Dezember 2006 --und damit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (am 31. März 2006)-- insolvenzrechtlich schuldig geworden, nicht aber --wie im angefochtenen Urteil entschieden-- mit dem streitigen Teilbetrag von 1.574 € schon mit dem Ablauf des 31. Dezember 2001 und damit bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

aa) Ob ein Erstattungsanspruch i.S. des § 95 Abs. 1 Satz 1 [X.] (vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens) als aufschiebend bedingt für eine Aufrechnung erheblich ist, hängt nach der Rechtsprechung davon ab, ob eine Forderung "[X.] nach" bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Maßgeblich hierfür ist, wann der zugrunde liegende zivilrechtliche Sachverhalt, der zur Entstehung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis führt, verwirklicht worden ist; dann ist (dem Rechtsgedanken des § 38 [X.] entsprechend) ein "begründeter Vermögensanspruch" gegen den Insolvenzgläubiger entstanden. Es muss insoweit damit ein "gesicherter Rechtsgrund" der Forderung gelegt sein ([X.] vom 9. März 2000 IX ZR 355/98, Neue Juristische [X.] Zivilrecht 2000, 1285; [X.] in [X.], a.a.[X.], § 96 Rz 8). Auf die steuerrechtliche Entstehung i.S. des § 38 [X.] kommt es für diesen "gesicherten Rechtsgrund" nicht an (ständige [X.]-Rechtsprechung, z.B. Urteile vom 1. August 2000 VII R 31/99, [X.], 1, [X.], 323; in [X.], 10, [X.], 195; vom 16. Januar 2007 [X.], [X.], 390, [X.], 745; in [X.], 8, [X.], 589; [X.] vom 30. April 2007 [X.]/06, [X.], 212, [X.], 624; vom 1. April 2008 [X.]/07, [X.], 925; vom 12. August 2008 [X.]/07, [X.], 1819; s.a. [X.], [X.]schrift für Wirtschaftsrecht und [X.] --ZIP-- 2007, 2053, 2056; [X.] in Tipke/[X.], [X.], § 251 [X.] Rz 55, 100, 102, je m.w.[X.]). Letzteres schließt allerdings nicht aus, dass insolvenzrechtliche und steuerrechtliche Entstehung zeitlich zusammenfallen, z.B. dann, wenn ein "Dauerschuldverhältnis" besteht, in dem der steuerrechtliche Anspruch zeitabschnittsweise unter der Bedingung entsteht, dass die Anspruchsvoraussetzungen auch in dem betreffenden [X.]abschnitt erfüllt sind ([X.]-Urteil vom 17. April 2007 [X.]/06, [X.], 14, [X.], 215, zur Eigenheimzulage).

Insolvenzrechtlich relevant sind z.B. [X.] aufgrund von Steuervorauszahlungen, ohne dass es auf die Festsetzung eines Erstattungsanspruchs in einem Erstattungsbescheid ankommt; sie entstehen im [X.]punkt der Entrichtung der Steuer unter der aufschiebenden Bedingung, dass am Ende des [X.] die geschuldete Steuer geringer ist als die Vorauszahlung (z.B. [X.]-Urteile vom 29. Januar 1991 [X.]/90, [X.] 1991, 791; vom 16. November 2004 [X.]/03, [X.], 296, [X.], 193; vom 31. Mai 2005 [X.], [X.] 2005, 2147). Damit ist nach der [X.]-Rechtsprechung auch bei der Erstattung von vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geleisteten Vorauszahlungen der diesbezügliche Anspruch vor Eröffnung des Verfahrens begründet, selbst wenn die Steuer, auf die vorauszuleisten war, erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist ([X.]-Urteil in [X.], 8, [X.], 589, m.w.[X.]).

Außerdem steht es der Anwendung des § 95 Abs. 1 Satz 1 [X.] in solchen Fällen nach der [X.]-Rechtsprechung nicht entgegen, dass der Anspruch von Bedingungen abhängt, deren Eintritt bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens ungewiss ist und die herbeizuführen oder zu vereiteln in der Macht des Anspruchsberechtigten oder zumindest eines Dritten steht (z.B. [X.]-Urteil in [X.], 8, [X.], 589). Zwar hat der [X.] in seinem Urteil vom 29. Juni 2004 [X.] ([X.]Z 160, 1) die Aufrechenbarkeit einer Forderung im Insolvenzverfahren davon abhängig gemacht, dass sie vor Verfahrenseröffnung in [X.] aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder vertraglicher Vereinbarungen bereits gesichert ist und fällig wird, ohne dass es einer weiteren Rechtshandlung des Anspruchsinhabers bedarf. Dies hindert aber nicht, bezogen auf [X.] solche Fälle abzugrenzen, in denen der Anspruch nicht durch eine Rechtshandlung im Sinne der vorgenannten [X.]-Entscheidung begründet wird, sondern kraft Gesetzes entsteht und auch durch dieses Gesetz von vornherein gesichert war. Auf einen gesetzlich garantierten Erstattungsanspruch bezieht sich die Entscheidung des [X.] nicht und sie kann auf solche Ansprüche aus einem Steuerschuldverhältnis auch nicht etwa übertragen werden, wenn das für die [X.] maßgebliche Steuergesetz außer an die Entstehung der Steuer aufgrund eines Ereignisses vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch an eine nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Rechtshandlung anknüpft. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn diese Rechtshandlung in einem inneren Zusammenhang mit der Steuerentstehung vor Verfahrenseröffnung steht (so [X.]-Urteil in [X.], 8, [X.], 589; s.a. [X.], [X.], 2053, 2056 f.).

bb) Der zivilrechtliche Sachverhalt, der zur Entstehung des Anspruchs auf Auszahlung des [X.] führt, ist im Streitfall nicht vor der Insolvenzeröffnung verwirklicht worden. [X.]lich besteht vielmehr eine Übereinstimmung mit dem [X.]punkt, in dem der Anspruch nach dem Wortlaut des § 37 Abs. 5 Satz 2 [X.] 2002 n.F. steuerrechtlich entsteht (im Streitfall: Ablauf des 31. Dezember 2006).

aaa) Das [X.] hat sinngemäß ausgeführt, der Anspruch auf Auszahlung des [X.] sei insolvenzrechtlich durch die Tatsache begründet worden, dass die Körperschaft ein [X.] während der Geltung des körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahrens aufgebaut hatte. Nach der Umstellung auf das sog. Halbeinkünfteverfahren sei dieser Anspruch auf Auszahlung nicht von einem Ausschüttungsbeschluss abhängig gewesen; der Anspruch sei entstanden, ohne dass es eines weiteren Zutuns von Seiten der betroffenen Körperschaft bedurft hätte. Die ursprünglich zu gewährende Minderung der Körperschaftsteuer habe durch die Umstellung auf das sog. Halbeinkünfteverfahren nicht verloren gehen, sondern erhalten bleiben sollen. Der für die Auszahlung des [X.] notwendige Ausschüttungsbeschluss, an dessen Stelle die später in das Gesetz eingefügte Regelung des § 37 Abs. 5 [X.] 2002 n.F. getreten sei, stelle lediglich eine aufschiebende Bedingung für das Entstehen des Erstattungsanspruchs dar (dieser Rechtsansicht folgend z.B. [X.], Betriebs-Berater 2008, 1480, 1481 f.; Fett, [X.] Steuer-[X.]ung 2008, 768, 770 f.; Ladiges, [X.]s Steuerrecht --DStR-- 2008, 2041, 2044 f.; [X.], E[X.] 2010, 752 und 1396 f.; [X.], Besteuerung bei Insolvenz, 7. Aufl., [X.]). Weder der ursprünglich notwendige Ausschüttungsbeschluss noch § 37 Abs. 5 [X.] 2002 n.F. zur ratierlichen Auszahlung des [X.] hätten [X.] des Erstattungsanspruchs geregelt. Es handele sich um eine Situation, die mit den vom [X.] entschiedenen Fällen vergleichbar sei, in denen vor Insolvenz- bzw. Konkurseröffnung geleistete, überhöhte Vorauszahlungen bereits vor Insolvenz- bzw. Konkurseröffnung einen aufschiebend bedingten Erstattungsanspruch begründet hätten, gegen den die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren aufrechnen könne, obwohl das die Erstattung auslösende Ereignis selbst erst nach Eröffnung des Verfahrens, nämlich mit Ablauf des Veranlagungszeitraums, eintrete.

bbb) Zutreffend ist, dass das auf den Schluss des letzten vor dem 1. Januar 2001 beginnenden [X.] ermittelte [X.] (§ 36 Abs. 1 Satz 1 [X.] 1999 n.F.) als Rückzahlungsanspruch ohne weitere rechtliche Bedingung und antragsunabhängig (dabei unter möglichst weitgehender Bewahrung dieses Guthabens - s. insoweit [X.], Beschluss vom 17. November 2009  1 BvR 2192/05, [X.], 434) der Körperschaft für die Folgejahre zur Realisierung zugewiesen wurde. Die Realisierung dieses Anspruchs war jedoch --wie auch beim Anrechnungsguthaben vor der Systemumstellung durch die [X.]. Ein bilanzieller Vermögensposten (ein Steuererstattungsanspruch als sonstiger Vermögensgegenstand) war erst im Zusammenhang mit einer Gewinnausschüttung zu erfassen. Darüber hinaus war die "Nutzung" des [X.] zeitlich auf (zuletzt) 18 Jahre beschränkt. Ein nach Ablauf dieser [X.] verbleibendes Guthaben sollte verfallen. Mit der Einführung des § 37 Abs. 4 ff. [X.] 2002 n.F. hat der Gesetzgeber das Verfahren zur Auszahlung des [X.] dagegen von den Gewinnausschüttungen der Körperschaften und der jährlichen Körperschaftsteuerveranlagung gelöst. § 37 Abs. 5 [X.] 2002 n.F. fingiert für den Auszahlungszeitraum von 10 Jahren (2008 bis 2017) gleichmäßige, offene Gewinnausschüttungen zur Nutzung des [X.]. Dieser Zahlungsanspruch der Körperschaft ist ein aktivierungspflichtiges Wirtschaftsgut, das sowohl in der Handels- als auch in der Steuerbilanz zum 31. Dezember 2006, dem [X.]punkt seines Entstehens, gewinnerhöhend zu erfassen ist (Senatsbeschluss vom 15. Juli 2008 [X.], [X.]E 222, 396, [X.], 886; s.a. Schreiben des [X.] --BMF-- vom 14. Januar 2008, [X.], 280).

ccc) Auf dieser Grundlage ist der Anspruch auf das [X.], auch wenn es materiell um die Rückzahlung von Körperschaftsteuer geht (Senatsbeschluss in [X.]E 222, 396, [X.], 886), nicht einem durch Steuervorauszahlungen ausgelösten und nach dem Ablauf des Veranlagungszeitraums entstehenden Erstattungsanspruch gleichzustellen. Das mit seinem Bestand zum 31. Dezember 2000 festgestellte [X.] stellt keinen aufschiebend bedingten Auszahlungsanspruch i.S. des § 95 Abs. 1 Satz 1 [X.] dar (so im Ergebnis auch [X.] --OFD-- Münster, Verfügung vom 20. April 2007, Der Betrieb --[X.]-- 2007, 1001; OFD Koblenz, Verfügung vom 7. Dezember 2007, [X.], 354; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Die Körperschaftsteuer, § 37 Rz 109a; [X.] in [X.], [X.], § 251 [X.] Rz 183; Binnewies, [X.] 2010, 408, 412; [X.]. in [X.], [X.], 7. Aufl., § 37 Rz 106; [X.], [X.]schrift für das gesamte Insolvenzrecht --Z[X.]-- 2008, 502; [X.], Z[X.] 2008, 1295, 1302; [X.]., Z[X.] 2010, 164, 170; [X.]., Z[X.] 2010, 1732, 1733 f.; [X.]/Fürwentsches, [X.], 2382, 2385 f.; [X.], Unternehmensteuern und Bilanzen 2011, 70; Förster/Felchner, [X.], 1725, 1726 f.; [X.]/ Kleinmanns, Z[X.] 2008, 609; wohl auch [X.]/[X.], [X.] 2009, 697, 698 f.; [X.]/Uhländer/[X.], Insolvenzen und Steuern, 8. Aufl., Rz 1631 mit [X.]. 2).

Denn wenn es nach dem Zweck der insolvenzrechtlichen Modifikationen der Aufrechnungsmöglichkeiten darum geht, einerseits das Vertrauen des Gläubigers auf eine bestehende bzw. sich entwickelnde Aufrechnungslage zu schützen und andererseits zugleich die gleichmäßige Befriedigung aller Insolvenzgläubiger zu sichern, muss insbesondere ausgeschlossen sein, dass ein Insolvenzgläubiger mit Forderungen aufrechnet, die im [X.]punkt der Verfahrenseröffnung nicht durch eine Gegenforderung gesichert und deshalb wirtschaftlich entwertet sind ([X.] in MünchKomm[X.], a.a.[X.], § 96 Rz 1). Von einer solchen Entwertung wird man dann nicht auszugehen haben, wenn --wie oben [X.] der anspruchsbegründende Tatbestand abgeschlossen ist und damit ein gesicherter Rechtsgrund für das Entstehen der Gegenforderung festgestellt werden kann. Damit sind Situationen abgedeckt, in denen --ohne weitere Rechtshandlung eines [X.] der entsprechende Anspruch kraft Gesetzes entsteht (z.B. in Gestalt der Gegenrechnung überzahlter Beträge). Davon kann aber nach der [X.]-Rechtsprechung auch gesprochen werden, wenn das steuerrechtliche "[X.]" noch durch eine Willensbetätigung z.B. des potenziellen Erstattungsgläubigers konkretisiert werden muss (z.B. nachträgliche Abgabe einer berichtigten Steueranmeldung mit Zustimmung des [X.]).

Im Streitfall ist aber --noch darüber hinausgehend-- der bis zur Neuregelung durch § 37 Abs. 4 ff. [X.] 2002 n.F. durch eine entsprechende Veranlagung zur Körperschaftsteuer bedingte Anspruch auf Erstattung des [X.] in einem doppelten (aufeinander aufbauenden) Sinne abhängig von zwei Voraussetzungen, wobei die zweite nicht allein willensabhängig ist, sondern zugleich auch von einer weitgehend objektivierten Komponente abhängt, und in seinem Gesamtbestand einem Realisierungsrisiko ausgesetzt ist: Das Vorhandensein eines [X.] kann zwar als wirtschaftlicher Ausgangs- und zugleich Schwerpunkt der Entstehungsvoraussetzungen anzusehen sein. Es handelt sich aber nur um eine notwendige, nicht aber um eine hinreichende Bedingung für das Entstehen eines Erstattungsanspruchs. [X.] Moment für eine "Mobilisierung" des [X.] ist vielmehr ein den handelsrechtlichen Vorschriften entsprechender Gewinnausschüttungsbeschluss im gesetzlich vorgegebenen [X.]rahmen. Erst dieser Beschluss komplettiert den eigentlichen Rechtsgrund für die --im Rahmen der Veranlagung zur Körperschaftsteuer zu berücksichtigende-- Minderung der Körperschaftsteuer des [X.] (zur handelsbilanziellen Erfassung [erst] in dem Veranlagungszeitraum des [X.] in [X.]/[X.]/[X.], EStG/[X.], § 37 [X.] Rz 28, m.w.[X.]) bzw. eines etwaigen Erstattungsanspruchs der Körperschaft nach dem Abschluss des Veranlagungszeitraums (s. insoweit BMF-Schreiben vom 6. November 2003, [X.], 575, [X.]. 31). Kann mit Blick auf die wirtschaftliche Lage der Körperschaft (auch unter Berücksichtigung von Gestaltungsmaßnahmen zur zweckgerechten Erhöhung des handelsrechtlichen Bilanzgewinns) ein entsprechender Ausschüttungsbeschluss in der nur begrenzt zur Verfügung stehenden [X.] (§ 37 Abs. 2 Satz 2 [X.] 2002) nicht gefasst werden, hindert dies das Entstehen des Anspruchs endgültig. Damit ist vor einem Gewinnausschüttungsbeschluss unter Berücksichtigung der steuerrechtlichen Voraussetzungen einer [X.] auch insolvenzrechtlich keine begründete Aussicht entstanden, dass dem [X.] schon vor der Insolvenzeröffnung ein wirtschaftlicher Wert zukommt, gegen den das [X.] als Insolvenzgläubiger hätte aufrechnen können. Die Differenz zwischen der Tarifbelastung der nach altem Körperschaftsteuerrecht thesaurierten Gewinne und der [X.] im sog. Halbeinkünfteverfahren (als Grundlage des [X.]) ist wegen des dem Guthaben anhaftenden [X.] keine mit einer Steuervorauszahlung vergleichbare Situation. Die Neuregelung in § 37 Abs. 4 ff. [X.] 2002 n.F. hat damit nicht nur das Auszahlsystem eines bereits begründeten Vermögensanspruchs geändert, sondern durch die Beseitigung des [X.] [X.] des Anspruchs zeitgleich mit der steuerrechtlichen Entstehung zum 31. Dezember 2006 begründet, was aber für vor diesem Stichtag eröffnete Insolvenzverfahren mit Blick auf eine Möglichkeit zur Aufrechnung keine Bedeutung hat.

Meta

I R 38/10

23.02.2011

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 20. Mai 2010, Az: 6 K 408/09, Urteil

§ 38 AO, § 47 AO, § 218 Abs 2 AO, § 226 AO, §§ 387ff BGB, § 38 InsO, § 94 InsO, § 36 Abs 1 S 1 KStG 1999, § 37 Abs 1 KStG 2002, § 37 Abs 2 KStG 2002, § 37 Abs 4 KStG 2002 vom 13.12.2006, § 387 BGB, §§ 94ff InsO, SEStEG, § 37 Abs 4ff KStG 2002 vom 13.12.2006

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.02.2011, Az. I R 38/10 (REWIS RS 2011, 9209)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9209

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

2 K 309/16

Zitiert

1 BvR 2192/05

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