Bundespatentgericht, Beschluss vom 18.12.2015, Az. 18 W (pat) 68/14

18. Senat | REWIS RS 2015, 288

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Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren – "Timestamp-Markieren von Transaktionen zum Validieren von atomaren Operationen in Multiprozessor-Systemen" – zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit – Berücksichtigung von mathematischen Methoden


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2007 009 909.8-53

hat der 18. Senat (Techn. [X.]) des [X.] am 18. Dezember 2015 durch die Vorsitzende Richterin [X.] sowie [X.], Dipl.-Phys. Dr. [X.] und [X.]. [X.] beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des [X.] aufgehoben und das Patent auf der Grundlage der folgenden Unterlagen erteilt:

- Patentansprüche 1 bis 16 nach Hauptantrag, eingegangen am 15. Oktober 2015,

- Beschreibung, Seiten 1 bis 15 und 17, eingegangen am 30. Juli 2008 und Seite 16, eingegangen am 16. Oktober 2015,

- Figuren 1 bis 11, eingegangen am 29. Mai 2007 und Figur 12, eingegangen am 15. Oktober 2015.

Gründe

I.

1

Die am 28. Februar 2007 beim [X.] eingereichte Patentanmeldung 10 2007 009 909.8-53 mit der geltenden Bezeichnung

2

„Timestamp-Markieren von Transaktionen

3

zum Validieren von atomaren [X.]en in Multiprozessor-Systemen“

4

und mit den jeweiligen [X.] gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1 wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des [X.]es vom 23. Dezember 2009 zurückgewiesen. Die Prüfungsstelle hat ihren Zurückweisungsbeschluss damit begründet, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe, wobei auf folgende Druckschrift verwiesen wurde

5

[X.]: [X.] 6 658 519 B1,

6

und wobei vermeintlich nichttechnische Merkmale bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit unberücksichtigt gelassen wurden.

7

Zugleich hat die Prüfungsstelle ein Patent mit den Ansprüchen gemäß Hilfsantrag 2 erteilt.

8

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet.

9

Die Anmelderin stellt sinngemäß den Antrag, zuletzt mit [X.] vom 16. Oktober 2015, den Beschluss der Prüfungsstelle aufzuheben und das Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen:

gemäß Hauptantrag mit

Patentansprüchen 1 bis 16, eingegangen am 15. Oktober 2015,

Beschreibung Seiten 1 bis 15 und 17, eingegangen am 30. Juli 2008 und Seite 16, eingegangen am 16. Oktober 2015 und

[X.]uren 1 bis 11, eingegangen am 29. Mai 2007 und [X.]ur 12, eingegangen am 15. Oktober 2015,

gemäß Hilfsantrag 1 mit

Patentansprüchen 1 bis 13, eingegangen am 5. Oktober 2009,

Beschreibung, Seiten 1 bis 17, eingegangen am 30. Juli 2008 und

[X.]uren 1 bis 12, eingegangen am 29. Mai 2007.

Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:

[X.] „[X.] mit mehreren Prozessorkernen (105), die mit einem Brückenelement (110) verbunden sind, wobei das Brückenelement Transaktionen zu den Prozessorkernen sendet und/oder davon empfängt,

[X.] wobei jede Transaktion ein oder mehrere Pakete aufweist und die Transaktionen eine atomare Transaktion enthalten, die einen atomaren Befehl repräsentiert,

[X.] wobei das Brückenelement eine Puffereinheit (115) aufweist, die eine Zeitmarke für jedes Paket speichert, das an die Prozessorkerne gesendet und/oder von ihnen empfangen wird, und

[X.] wobei der [X.] eine Wahrscheinlichkeit eines Fehlers in einer atomaren Transaktion auf der Grundlage der zeitlichen Nähe zwischen Paketen der atomaren Transaktion und Paketen anderer Transaktionen bestimmt.“

Patentanspruch 10 nach Hauptantrag lautet:

[X.] „Multiprozessor-System mit:

mehreren Mikroprozessorknoten (100, 130 bis 165), die jeweils mehrere Mikroprozessorkerne (105) aufweisen, wobei die mehreren Mikroprozessorknoten und -kerne so miteinander verbunden sind, dass ein [X.] für Transaktionen gebildet wird; und

N2 einer [X.] (115), mit der atomare [X.]en validiert werden, wobei die [X.] knoteninterne Transaktionspakete und/oder Transaktionspakete zwischen Knoten empfängt und zeitlich markiert,

[X.] wobei mit der [X.] ferner eine Wahrscheinlichkeit eines Fehlers in einer [X.] atomaren Transaktion auf der Grundlage der zeitlichen Nähe zwischen Paketen der atomaren Transaktion und Paketen anderer Transaktionen bestimmt wird.“

Patentanspruch 12 nach Hauptantrag lautet:

O1 „Verfahren zum Erkennen von Fehlern, die durch eine modifizierende atomare Transaktion in einer Multikernmikroprozessorumgebung hervorgerufen werden, wobei das Verfahren umfasst:

O2 Sammeln (900) von Daten, die sich auf Pakete beziehen, die zu der [X.] atomaren Transaktion und zu anderen Transaktionen gehören, die zwischen [X.] der Umgebung ausgetauscht werden;

O3 Verarbeiten (910) der gesammelten Daten; und

Bewerten (920) von Ergebnissen der Verarbeitung,

wobei die Daten Zeitmarken enthalten, die einen Zeitpunkt angeben, an welchem die entsprechenden Pakete zwischen den entsprechenden [X.] ausgetauscht werden, und

wobei das Verarbeiten der gesammelten Daten umfasst:

[X.] Ermitteln (1000, 1010) von Paketen, die die modifizierende atomare Transaktion betreffen;

Ermitteln (1025) von Paketen, die die anderen Transaktionen betreffen; und

[X.] Berechnen eines [X.]es für jedes Paar aus Paketen, das aus einem einzelnen Paket der [X.] atomaren Transaktion und einem einzelnen Paket der anderen Transaktionen aufgebaut ist, in Abhängigkeit von der Zeitdifferenz zwischen den zugehörigen Zeitmarken,

wobei das Bewerten der Ergebnisse der Verarbeitung umfasst:

[X.] Vergleichen der berechneten [X.]e mit einem Schwellwert; und

[X.] Anzeigen eines Fehlers, wenn zumindest einer der berechneten [X.]e den Schwellwert übersteigt.“

Zum Wortlaut der der auf den Anspruch 1 bzw. die Ansprüche 10 und 12 rückbezogenen Patentansprüche 1 bis 9, 11 und 13 bis 16 wird auf die Akte verwiesen.

Bezüglich der übrigen Unterlagen wird ebenfalls auf die Akte verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Erteilung des nachgesuchten Patents in der Fassung des Hauptantrags.

1. Die Anmeldung betrifft Mikroprozessoren mit mehreren Kernen, Systeme mit mehreren Prozessoren bzw. Multiprozessor-Systeme sowie entsprechende Verfahren und insbesondere die Validierung von atomaren Transaktionen in Umgebungen mit mehreren Prozessoren. Gemäß Beschreibungseinleitung sind [X.], in denen zwei oder mehr zentrale Recheneinheiten (CPUs) in einer einzelnen Plattform verwendet werden. Im Allgemeinen könnten Mehrfachverarbeitungssysteme hergestellt werden, indem mehrere Kerne auf einem einzelnen Chip, mehrere Chips in einem einzelnen Gehäuse, oder mehrere Gehäuse in einer einzelnen Systemeinheit verwendet werden. Multiprozessor-Systeme könnten relativ komplex werden und daher seien leistungsstarke Mittel erforderlich, um die Korrektheit des Gesamtbetriebs zu validieren. Eine derartige Validierung sei sowohl in der Gestaltungsphase als auch in der späteren Phase bei der Simulation oder bei realen [X.]en hilfreich. Beispielsweise könne die Bestimmung von [X.] in atomaren [X.]en einen deutlichen Einfluss auf die Validierung in dem Multiprozessor-System besitzen. [X.] („race condition", „race hazards“) seien fehlerhafte Zustände in einem System oder einem Prozess, die zu einem Ergebnis des Prozesses führe, das unerwartet sei und wesentlich von der Reihenfolge oder dem Zeitablauf anderer Ereignisse abhänge. Atomare [X.]en seien [X.]en, die so kombiniert werden könnten, dass sie für den Rest des Systems als eine einzelne [X.] mit nur zwei möglichen Ergebnissen erscheinen würden: erfolgreich oder nicht erfolgreich. Atomare [X.]en könnten als modifizierende [X.]en und nicht-modifizierende [X.]en eingestuft werden, wobei modifizierende [X.]en verwendet würden, um den Inhalt einer [X.]eicherstelle zu modifizieren, während nicht-modfizierende [X.]en diese Funktion nicht besäßen. Ein Beispiel einer atomaren modifizierenden [X.] sei ein atomarer Lese-Modifizier-Schreib-Befehl, der atomar eine [X.]eicherstelle in ein Register auslese und einen neuen Wert zurückschreibe. Das Einrichten atomarer Lese-Modifizier-Schreib-Befehle in Umgebungen mit mehreren Prozessoren sei eine schwierige Aufgabe, da atomare Lese-Modifizier-Schreib-[X.]en (sowie andere modifizierende und nicht-modifizierende atomare [X.]en) es erforderlich machten, dass keine andere [X.] die Kohärenzzelle während der [X.] aktualisiere. Kohärenzzellen seien Einheiten für [X.]eicherbereiche, z. B. Cache-Zeilen, in die geschrieben werde oder aus denen so gelesen werde, dass sichergestellt sei, dass Daten konsistent zwischen dem Systemspeicher und dem Cache-[X.]eicher ausgetauscht würden. Es zeige sich daher, dass atomare [X.]en und insbesondere atomare Lese-Modifizier-Schreib-Befehle schwer zu validieren seien und eine ausgeprägte und große Bandbreite an Stimuli erforderten. In der Siliziumentwurfsphase könnten derartige [X.]en zu Fehlern führen, die oft durch andere [X.]en maskiert seien und daher nicht als Programmfehler in Erscheinung treten würden. Derartige Fehler seien in einem Multiprozessor-System äußerst schwierig zu korrigieren, insbesondere in einem System mit mehreren Kernen oder sogar mehreren Knoten (vgl. geltende Beschreibung, S. 1, Abs. 1 bis S. 2, Abs. 3).

Aufgabe wird in der geltenden Beschreibung (S. 2, Brückenabs. zu [X.]) angegeben, eine Multiprozessor-Technik bereitzustellen, die das Bereitstellen von Hilfsmitteln (Tools) und Verfahrensabläufen ermöglicht, um die Robustheit von atomaren [X.]en, etwa atomaren [X.] für eine gegebene Systemarchitektur und Einstellungen, zu validieren und/oder zu quantifizieren.

Fachmann, der mit der Lösung der Aufgabenstellung betraut wird, weist eine abgeschlossene Hochschulausbildung auf dem Gebiet der Elektrotechnik bzw. Informationstechnik auf und verfügt über eine mehrjährige Erfahrung im Bereich Entwurf und Design von Prozessoren.

[X.] gerichteten Anspruchs 1 nach Hauptantrag, mit dem die Wahrscheinlichkeit eines Fehlers in einer atomaren Transaktion, die zwischen den Prozessorkernen ausgetauscht wird, bestimmt wird.

Multiprozessor-System gerichteten Anspruchs 10 nach Hauptantrag gelöst, welches mehrere Mikroprozessorknoten mit jeweils mehreren [X.] und eine [X.] aufweist, mit der die Wahrscheinlichkeit eines Fehlers in einer modifizierbaren atomaren Transaktion bestimmt wird.

Verfahrens gemäß Anspruch 12 nach Hauptantrag gelöst, das zur Erkennung von Fehlern, die durch eine modifizierende atomare Transaktion in einer Multikernmikroprozessorumgebung hervorgerufen werden, dient, indem die Fehlerwahrscheinlichkeit auf Basis des zeitlichen Auftretens von Transaktionen berechnet wird, und bei Schwellwertüberschreitung eine Fehleranzeige erfolgt.

2.  Die Patentansprüche 1 bis 16 nach Hauptantrag sowie die Änderungen in der Beschreibung und der [X.]ur 12 sind zulässig (§ 38 [X.]).

Die Merkmale des geltenden Anspruchs 1 nach Hauptantrag sind durch die ursprünglichen Patentansprüche 1 und 4 sowie die ursprünglich eingereichte Beschreibung (Seite 10, erster u. zw. Absatz) in Verbindung mit den [X.]uren 6 und 10 als zur Erfindung zugehörend offenbart. Der nebengeordnete Anspruch 10 nach Hauptantrag basiert auf den ursprünglichen Ansprüchen 11 und 13 unter Korrektur des Begriffs „[X.]“ in „[X.]“ auf Basis der englischsprachigen Anmeldeunterlagen. Der nebengeordnete Anspruch 12 nach Hauptantrag geht auf die Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 14 bis 16 zurück. Die Merkmale der abhängigen Ansprüche 2 bis 9, 11 und 13 bis 16 stützen sich auf die Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 2, 3, 5 bis 10, 12 und 17 bis 20 unter Anpassung der Rückbezüge.

In der Beschreibung wurden sprachliche Korrekturen und redaktionelle Änderungen, insbesondere in der Bezeichnung der Anmeldung und im Abschnitt „Beschreibung des Standes der Technik“ einschließlich der Aufgabenstellung im Rahmen der ursprünglichen Beschreibung vorgenommen. Zudem wurde der im Prüfungsverfahren ermittelte Stand der Technik gewürdigt (vgl. insb. geltende Beschreibung, Seiten 1 und 2). In [X.]ur 12 wurde in der Ja-/Nein-Verzweigung 1210 die gegenüber der ursprünglichen englischsprachigen Fassung der Anmeldeunterlagen offensichtlich fehlerhafte Übersetzung korrigiert. Die Seite 16 der geltenden Beschreibung wurde entsprechend angepasst.

3. Sämtliche Merkmale der Ansprüche nach Hauptantrag sind im vorliegenden Fall bei der Prüfung auf Patentfähigkeit zu berücksichtigen, denn sie dienen der Lösung eines konkreten technischen Problems.

Nach der Rechtsprechung des [X.] dürfen bei der Prüfung, ob der Gegenstand einer Anmeldung auf erfinderischer Tätigkeit beruht, nur diejenigen Anweisungen berücksichtigt werden, die die Lösung des technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen ([X.], Urteil vom 18. Dezember 2012 – [X.], [X.], 275 Rn. 41 - Routenplanung). Nicht berücksichtigt werden daher Anweisungen, die ausschließlich Aspekte betreffen, die nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 [X.] von der Patentierung ausgenommen sind. Für die nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 [X.] als solche von der Patentierung ausgeschlossenen mathematischen Methoden gilt im Grundsatz das Gleiche ([X.], Beschluss vom 30. Juni 2015 – [X.], [X.], 983 – [X.]). Danach kann eine mathematische Methode aber nicht ohne weiteres als nicht-technisch angesehen werden. Als nicht-technisch kann eine mathematische Methode nur dann angesehen werden, wenn sie im Zusammenhang mit der beanspruchten Lehre keinen Bezug zur gezielten Anwendung von Naturkräften aufweist (vgl. a. a. O. Abschnitt [X.] a) und b)).

Sinngemäß argumentierte die Prüfungsstelle in ihrem Beschluss, dass die Berechnung einer Wahrscheinlichkeit eines Fehlers in einer atomaren Transaktion keinen technischen Zweck erkennen lasse und demnach bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht berücksichtigt werden müsse. Wie die Anmelderin aber zu Recht in ihrer Eingabe vom 28. Februar 2009 feststellte, ist dem Fachmann die Bedeutung einer Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Fehlers in einem atomaren Befehl sehr wohl bewusst: Je höher der [X.], desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Fehler auftritt. Überschreitet die Wahrscheinlichkeit einen definierten Schwellwert, soll das Design des [X.]s optimiert werden. Darauf wird auf den Beschreibungsseiten 15 und 16 der Anmeldeunterlagen eingegangen. Insbesondere wird im Brückenabsatz der Seiten 15/16 dargelegt, dass bestimmt wird, ob die Fehlerwahrscheinlichkeit einer atomaren [X.] innerhalb einer höchsten Gruppe liegt. Wenn dies der Fall ist, kann die [X.] analysiert werden, um die Ursache des Fehlers zu ermitteln. Danach kann eine weitere Simulation ausgeführt werden, und die modifizierte, d. h. korrigierte, Gestaltung verifiziert werden. Demnach kommt der Berechnung der Wahrscheinlichkeit eines Fehlers in einer atomaren Transaktion eine Schlüsselrolle bei der anmeldungsgemäßen Validierung des [X.] zu. Ohne Frage wird damit ein technischer Zweck verfolgt. Auf Grundlage von Messwerten und damit auch [X.] (die zeitliche Nähe zwischen zwei [X.]; Merkmale [X.], [X.] und [X.]) erfolgt die Berechnung der Fehlerwahrscheinlichkeit, was letztendlich der Fehlererkennung dient. Das technische Handeln besteht damit im Arbeiten mit den Mitteln der Naturkräfte, die mit Hilfe mathematischer Methoden beschrieben werden. Dass es, wie von der Prüfungsstelle bemängelt, im (damaligen) Anspruch 1 offen bleibe, was mit den zeitlichen Informationen technisch bezweckt werden solle, kann der Senat daher nicht folgen.

Im Übrigen braucht dem Fachmann im Patentanspruch nicht in allen Einzelheiten vorgeschrieben werden, was er zu tun hat. Vielmehr genügt es, wenn sich die Angaben, die der Fachmann zur Ausführung benötigt, aus dem Inhalt der Anmeldeunterlagen insgesamt ergeben (vgl. [X.], Urteil vom 1. Oktober 2002 – [X.], [X.], 235, Amtlicher Leitsatz – [X.]). Das Zurückspeisen des Resultats der Validierung in Testgeneratoren, um neue Stimuli zu erzeugen, ergibt sich aus der ursprünglich eingereichten Beschreibung, Seite 16, letzter Satz im vorletzten Absatz.

4. Die jeweiligen Gegenstände der unabhängigen Patentansprüche 1, 10 und 12 nach Hauptantrag sind gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu (§ 3 [X.]).

a) Zum Anspruch 1 nach Hauptantrag

[X.] beschreibt ein Multiprozessor-System mit einem ersten Prozessor und einem zweiten Prozessor, wobei die Prozessoren über eine als Brückenelement zu verstehende Schnittstelle mit einem Systembus miteinander verbunden sind (vgl. [X.]. 1, Bezugszeichen 110a, 110b, 115). Dabei sendet und/oder empfängt das Brückenelement Transaktionen zu bzw. von den Prozessoren ([X.]. 1 i. V. m. [X.]. 3, [X.] 62 bis [X.]. 4, [X.] 12; teilweise Merkmal [X.]). Des Weiteren sind die Prozessoren über die Host-Brücke 125 und dem zweiten Bus 130 mit einem weiteren Brückenelement (teilweise Merkmal [X.]). Auch wird in der zum Brückenelement gehörenden Ablaufverfolgungssteuerung bestimmt, ob ein Fehler in einer Transaktion auftritt (vgl. [X.]. 4, [X.] 65 bis [X.]. 5, [X.] 1 u. [X.]. 5, [X.] 5 - 12 i. V. m. [X.]. 2 u. 3; teilweise Merkmal [X.]).

kern-Mikroprozessor, wie er in den Merkmalen [X.] bis [X.] aufgeführt ist. Ein weiterer Unterschied liegt in den Eigenschaften der Transaktionen. Druckschrift [X.] ist nicht entnehmbar, dass die Transaktionen eine atomare Transaktion enthalten, welche einen atomaren Befehl entsprechend Merkmal [X.] repräsentiert. Zudem beschreibt Druckschrift [X.] keine Bestimmung einer Fehlerwahrscheinlichkeit in einer atomaren Transaktion auf der Grundlage der zeitlichen Nähe zwischen Paketen der atomaren Transaktion und Paketen anderer Transaktionen entsprechend Merkmal [X.].

Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag ist daher neu gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik.

b) Zum Anspruch 10 nach Hauptantrag

[X.] ist ein Multiprozessor-System offenbart (vgl. [X.]. 1 i. V. m. [X.]. 3, Brückenabs. zu [X.]. 4), das mehrere Mikroprozessorknoten und mehrere Mikroprozessorkerne aufweist, die so miteinander verbunden sind, dass ein [X.] für Transaktionen gebildet wird (vgl. [X.]. 1; teilweise Merkmal [X.]). Eine Transaktionssteuerung bestimmt, ob ein Fehler in einer Transaktion auftritt (vgl. [X.]. 4, [X.] 65 bis [X.]. 5, Zeile 1 u. [X.]. 5, [X.] 5 - 12 i. V. m. [X.]. 2 u. 3). Dabei versteht der Fachmann die in [X.]ur 3 beschriebenen Brückenelemente 370 und 380 (teilweise Merkmal N2, ohne knoteninterne Transaktionspakete).

jeweils mehrere Mikroprozessorkerne aufweisen und somit [X.]en darstellen (Merkmal [X.]). Da Druckschrift [X.] keine Bestimmung einer Fehlerwahrscheinlichkeit in einer atomaren Transaktion auf der Grundlage der zeitlichen Nähe zwischen Paketen der atomaren Transaktion und Paketen anderer Transaktionen vorsieht, wie vorstehend bereits zum Gegenstand gemäß Anspruch 1 nach Hauptantrag dargelegt, offenbart Druckschrift [X.] auch keine [X.] mit der im Merkmal [X.] angegebenen Signalverarbeitung zur Bestimmung einer Fehlerwahrscheinlichkeit.

Somit ist auch der Gegenstand des Anspruchs 10 nach Hauptantrag neu gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik.

c) Zum Anspruch 12 nach Hauptantrag

[X.] keine Bestimmung einer Fehlerwahrscheinlichkeit auf der Grundlage der zeitlichen Nähe zwischen Paketen einer atomaren Transaktion und Paketen anderer Transaktionen in einer [X.]umgebung entnehmbar. Somit sieht Druckschrift [X.] auch kein Verfahren zum Erkennen von Fehlern vor, welches einen [X.] berechnet und mit einem Schwellwert vergleicht (Merkmale [X.], [X.]). Auch das Anzeigen eines Fehlers bei Überschreiten des [X.] gemäß Merkmal [X.] ist demnach nicht offenbart.

Damit ist auch das Verfahren gemäß Anspruch 12 nach Hauptantrag neu gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik.

5. Die jeweiligen Gegenstände der unabhängigen Patentansprüche 1, 10 und 12 nach Hauptantrag ergeben sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik und beruhen auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 [X.]).

a) Zum Anspruch 1 nach Hauptantrag

Druckschrift [X.] legt den Gegenstand gemäß Anspruch 1 nach Hauptantrag nicht nahe. Druckschrift [X.] befasst sich zwar mit der Erkennung eines Fehlers bei einer über den Systembus übertragenen Transaktion ([X.]. 4, [X.] 65 - [X.]. 5, [X.] 1). Dabei wird eine Transaktion überwacht, die zwischen den Knoten zweier Prozessoren übertragen wird. Wie der Fehler im Einzelnen bestimmt wird, ist nicht ersichtlich. Im Unterschied dazu geht die vorliegende Anmeldung vom zeitlichen Verhalten einzelner Transaktionen aus, die in einem kritischen Wettlauf zueinander stehen. Mit derartigen Wettlaufsituationen oder der zeitlichen Abhängigkeit parallel ausgeführter Programmpfade befasst sich Druckschrift [X.] nicht. Der wesentliche Unterschied zu dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik liegt in der Abschätzung einer Fehlerwahrscheinlichkeit in einer atomaren Transaktion. Anspruch 1 nach Hauptantrag sieht vor, dass jedes Paket einer Transaktion mit einer Zeitmarke versehen wird und eine Wahrscheinlichkeit eines Fehlers in einer atomaren Transaktion auf der Grundlage der zeitlichen Nähe zwischen Paketen der atomaren Transaktion und Paketen anderer Transaktionen bestimmt wird (Merkmale [X.] und [X.]). Damit hängt die Wahrscheinlichkeit eines Fehlers in einer atomaren Transaktion von der Anzahl, der Reihenfolge und der Art anderer Transaktionen ab, die zeitlich mit der atomaren überlappend übertragen werden. Im vorliegenden Patentanspruch 1 wird diese Beziehung durch den Begriff der zeitlichen Nähe ausgedrückt.

Für den Fachmann ergibt sich daher keine Veranlassung, das aus Druckschrift [X.] bekannte Verfahren entsprechend zu ändern oder zu ergänzen, um eine Fehlerwahrscheinlichkeit auf der Grundlage der zeitlichen Nähe zwischen zwei [X.] zu bestimmen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag ist somit dem Fachmann aus dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht nahegelegt.

b) Zu den Ansprüchen 10 und 12 nach Hauptantrag

[X.] nicht nahegelegt, eine Wahrscheinlichkeit eines Fehlers in einer atomaren Transaktion auf der Grundlage der zeitlichen Nähe zwischen Paketen der atomaren Transaktion und Paketen anderer Transaktionen zu bestimmen.

Somit ist dem Fachmann auch eine [X.], die im Merkmal [X.] des Patentanspruchs 10 nach Hauptantrag genannt ist, und mit der eine Wahrscheinlichkeit eines Fehlers in einer [X.] atomaren Transaktion auf der Grundlage der zeitlichen Nähe zwischen Paketen der atomaren Transaktion und Paketen anderer Transaktionen bestimmt wird, aus dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht nahegelegt.

Auch der im Patentanspruch 12 nach Hauptantrag genannte Verfahrensschritt [X.], wonach zum Erkennen von Fehlern ein [X.] für jedes Paar aus Paketen, das aus einem einzelnen Paket der [X.] atomaren Transaktion und einem einzelnen Paket der anderen Transaktionen aufgebaut ist, in Abhängigkeit von der Zeitdifferenz zwischen den zugehörigen Zeitmarken berechnet wird, ergibt sich damit nicht aus dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik. Folglich sind auch die zusätzlichen Maßnahmen, die in den Merkmalen [X.] und [X.] genannt sind, die berechneten [X.]e mit einem Schwellwert zu vergleichen und einen Fehler bei Überschreiten des [X.] anzuzeigen, für den Fachmann nicht naheliegend und als auf erfinderische Tätigkeit beruhend zu werten.

Es ist daher anzuerkennen, dass die Gegenstände der Ansprüche 1, 10 und 12 nach Hauptantrag gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und patentfähig sind.

6. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 9, 11 und 13 bis 16 nach Hauptantrag  betreffen über das Selbstverständliche hinausgehende Ausgestaltungen der Gegenstände der Ansprüche 1, 10 und 12 und sind daher ebenfalls patentfähig.

7. Da die vorgelegten geltenden Unterlagen auch den weiteren Voraussetzungen zur Patenterteilung (§ 1, 2, 5, 34 [X.]) genügen, war auf die Beschwerde der Anmelderin der Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des [X.]s aufzuheben.

8. Der Beschluss konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen, da dem Hauptantrag des Anmelders vollumfänglich stattgegeben wurde. Über den Hilfsantrag 1 war nicht mehr zu entscheiden.

Somit ist das Patent antragsgemäß zu erteilen.

Meta

18 W (pat) 68/14

18.12.2015

Bundespatentgericht 18. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 18.12.2015, Az. 18 W (pat) 68/14 (REWIS RS 2015, 288)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 288

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