Bundesfinanzhof, Beschluss vom 02.03.2011, Az. IX B 88/10

9. Senat | REWIS RS 2011, 8911

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Gegenstand

(Keine Wiedereinsetzungsfähigkeit der Festsetzungsfrist bzw. Feststellungsfrist - § 181 Abs. 5 Satz 1 AO ist keine eigenständige Änderungsvorschrift - Verletzung der Sachaufklärungspflicht als Verfahrensmangel - Feststellungslast für den rechtzeitigen Zugang eines Änderungsantrags)


Leitsatz

1. NV: Die (gesetzliche) Festsetzungsfrist i.S. des § 169 AO gehört nicht zu den wiedereinsetzungsfähigen Fristen gemäß § 110 AO; Gleiches gilt für die (gesetzliche) Feststellungsfrist .

2. NV: § 181 Abs. 5 Satz 1 AO ist keine eigenständige Änderungsvorschrift, sondern nur anwendbar, wenn zusätzlich die Voraussetzungen einer Änderungsvorschrift erfüllt sind .

3. NV: Eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht als Verfahrensmangel in Gestalt des erneuten Übergehens gestellter Beweisanträge (Vernehmung einer Zeugin, Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens bzw. Vernehmung eines sachverständigen Zeugen) ist nicht gegeben, wenn nach der für die Prüfung des Verfahrensverstoßes maßgebenden materiell-rechtlichen Auffassung des FG eine weitere Aufklärung des Sachverhalts mangels Beweiserheblichkeit nicht erforderlich ist .

4. NV: Für den rechtzeitigen Zugang seines Änderungsantrags beim FA trägt grundsätzlich der Steuerpflichtige die Feststellungslast .

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg; die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht gegeben.

2

1. a) Die aufgeworfene Rechtsfrage nach der Wiedereinsetzungsfähigkeit von Feststellungsfristen [X.] von § 169 i.V.m. § 181 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung ([X.]) hat keine grundsätzliche Bedeutung [X.] von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O); denn sie ist durch die Rechtsprechung des [X.] ([X.]) geklärt. Danach gehört die (gesetzliche) Festsetzungsfrist [X.] des § 169 [X.] nicht zu den wiedereinsetzungsfähigen Fristen gemäß § 110 [X.] (vgl. [X.]-Urteile vom 19. August 1999 III R 57/98, [X.]E 191, 198, [X.], 330; vom 24. Januar 2008 [X.], [X.]E 220, 214, [X.], 462, unter [X.], die Verfassungsbeschwerde Az. 1 BvR 1692/08 wurde nicht zur Entscheidung angenommen; vom 12. Mai 2009 [X.], [X.]/NV 2009, 1602, unter [X.], und die h.M.: [X.]/Rätke, [X.], 10. Aufl., § 110 Rz 2; [X.] in [X.], § 110 [X.] Rz 7; [X.]/Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 110 Rz 9, 12; [X.] bzw. [X.] in [X.], [X.], § 110 Rz 5, 7 bzw. § 171 Rz 9a; [X.]/ [X.] --[X.]--, § 110 [X.] Rz 25; Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 110 [X.] Rz 5; a.A. ohne Begründung: [X.] in [X.], § 171 [X.] Rz 19; [X.] in [X.], [X.] § 171 Rz 17). Gleiches gilt für die (gesetzliche) Feststellungsfrist (s.a. § 181 Abs. 1 Satz 1 [X.]).

3

b) Ferner ist eine Entscheidung des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative [X.]O) nicht erforderlich. Denn im Streitfall ist die gerügte Divergenz nicht gegeben. Vielmehr hat das Finanzgericht ([X.]) auf der Basis der auch vom Kläger zitierten [X.]-Rechtsprechung entschieden, dass § 181 Abs. 5 Satz 1 [X.] keine eigenständige Änderungsvorschrift, sondern nur anwendbar ist, wenn zusätzlich die Voraussetzungen einer Änderungsvorschrift erfüllt sind (vgl. [X.]-Urteil vom 31. Oktober 2000 [X.], [X.]E 193, 392, [X.] 2001, 156, unter [X.]; [X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 181 [X.] Rz 19; [X.]/ Ratschow, [X.], 10. Aufl., § 181 Rz 28; [X.] in [X.], § 181 [X.] Rz 113). Zwar reicht eine nur mittelbare Bedeutung des Feststellungsbescheids für spätere Veranlagungen und Feststellungen aus (vgl. [X.]-Urteile vom 12. Juni 2002 [X.], [X.]E 198, 395, [X.] 2002, 681; zuletzt [X.]-Beschluss vom 23. April 2010 [X.], [X.]/NV 2010, 1449, m.w.N.). Aber die Voraussetzungen einer Änderungsnorm, insbesondere des § 10d Abs. 3 Satz 4 EStG, liegen im Streitfall nicht vor. Denn nach den [X.] mit begründeten Verfahrensrügen (nachstehend unter 2.) angegriffenen-- tatsächlichen Feststellungen des [X.] (vgl. § 118 Abs. 2 [X.]O) haben sich die zu berücksichtigenden Beträge [X.] von § 10d Abs. 3 Satz 4 EStG mangels Verwirklichung eines [X.]es nicht geändert. Auch hinsichtlich des Zeitpunkts der Verlustrealisierung ist keine Abweichung gegeben, zumal weder eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen noch die (angeblich) fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalls noch schlichte Subsumtionsfehler des [X.] ausreichen (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 19. November 2007 [X.]/07, [X.]/NV 2008, 380; vom 16. Mai 2006 [X.], [X.]/NV 2006, 1477, m.w.N.). Denn das [X.] ist vorliegend unter Beachtung der einschlägigen [X.]-Rechtsprechung zu dem Ergebnis gelangt, dass der geltend gemachte [X.] jedenfalls "nicht im ([X.] 1997" entstanden ist; dies wäre auch revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Für § 10d Abs. 3 EStG wäre danach im Streitjahr kein Raum.

4

c) Entsprechend ist auch eine Entscheidung des [X.] zur Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 Nr. 2  1. Alt. [X.]O nicht erforderlich.

5

2. Die geltend gemachten Verfahrensfehler liegen nicht vor.

6

a) Soweit der Kläger jeweils eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 [X.]O) als (verzichtbaren) Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O) in Gestalt des erneuten Übergehens der --auch in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] gestellten-- Beweisanträge (Vernehmung einer Zeugin, Einholung eines [X.] bzw. Vernehmung eines sachverständigen Zeugen) rügt, sind diese Verstöße nicht gegeben. Denn nach der für die Prüfung des [X.] maßgebenden materiell-rechtlichen Auffassung des [X.] (z.B. [X.]-Beschlüsse vom 4. Oktober 2010 [X.]/10, [X.]/NV 2011, 38; vom 13. April 2005 IX B 153/04, [X.]/NV 2005, 1356, m.w.N.) zur fehlenden Wiedereinsetzungsfähigkeit von Feststellungsfristen (s. oben unter 1.a) sowie zum Zeitpunkt der Realisierung des [X.]es war eine weitere Aufklärung des Sachverhalts mangels Beweiserheblichkeit nicht erforderlich (s. [X.]-Urteil S. 10 unten, S. 14 Mitte). Nichts anderes ergibt sich aus dem Zurückverweisungsbeschluss des Senats ([X.]/09).

7

b) Soweit eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 [X.]O) als (verzichtbaren) Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O) in Gestalt der unterlassenen Nachforschung nach einer bestimmten Steuerakte im Original bzw. nach einem darin ggf. enthaltenen maßgebenden Änderungsantrag gerügt wird, liegt dieser Verstoß nicht vor. Das [X.] hat insoweit Nachforschungen angestellt und Auskünfte beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt) eingeholt, beides ohne den vom Kläger gewünschten Erfolg. Danach ist das [X.] davon ausgegangen, dass der Kläger den rechtzeitigen Zugang seines [X.] nicht hat nachweisen können (zur Feststellungslast s. [X.]-Urteil vom 2. November 2000 [X.]/00, [X.]/NV 2001, 611; [X.]-Beschluss vom 21. September 2007 IX B 79/07, [X.]/NV 2008, 22, m.w.N.). Im Übrigen hat der in der mündlichen Verhandlung rechtskundig vertretene Kläger ausweislich des [X.] (zu dessen Beweiskraft: § 94 [X.]O i.V.m. § 165 der Zivilprozessordnung) keinen entsprechenden [X.] gestellt noch hat er gerügt, dies sei nicht möglich gewesen. Ein diesbezüglicher evtl. Verfahrensmangel kann daher im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr geltend gemacht werden. Die Grundlagen der Beweiswürdigung sind insoweit nicht tangiert.

Meta

IX B 88/10

02.03.2011

Bundesfinanzhof 9. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht des Saarlandes, 11. Mai 2010, Az: 2 K 2342/05, Urteil

§ 110 AO, § 169 Abs 1 AO, § 181 Abs 1 S 1 AO, § 181 Abs 5 S 1 AO, § 10d Abs 3 S 4 EStG 1997, § 76 Abs 1 S 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 02.03.2011, Az. IX B 88/10 (REWIS RS 2011, 8911)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8911

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