Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.09.2019, Az. 4 StR 348/19

4. Strafsenat | REWIS RS 2019, 3233

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Gegenstand

Vorsatz muss bei Tathandlung vorliegen


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 21. Februar 2019 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a) soweit der Angeklagte im Fall II. 1 der Urteilsgründe verurteilt worden ist;

b) im Gesamtstrafenausspruch;

c) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen, soweit dieser 16.500 Euro übersteigt.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten zweifachen Mordes in Tateinheit mit zweifachem erpresserischen Menschenraub, mit zweifacher besonders schwerer räuberischer Erpressung und mit zweifacher gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Wohnungseinbruchdiebstahls zu „lebenslanger Freiheitsstrafe“ verurteilt und die Einziehung von [X.] in Höhe von 46.500 Euro angeordnet. Seine hiergegen gerichtete Revision hat den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.

I.

2

Die Verurteilung wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub, besonders schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung in jeweils zwei [X.] zusammentreffenden Fällen kann nicht bestehen bleiben, weil die Urteilsgründe unklare und teilweise widersprüchliche Angaben zum Zeitpunkt der Fassung des Tötungsvorsatzes enthalten, die zu einer unterschiedlichen rechtlichen Bewertung führen.

3

1. Nach den zu [X.] 1 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen drang der Angeklagte zusammen mit zwei bisher nicht ermittelten Mittätern am Abend des 26. November 2016 in das Einfamilienhaus der zu diesem Zeitpunkt jeweils 84 Jahre alten Eheleute [X.]ein. Gegen 1.00 Uhr stürmten zwei der Täter in das Schlafzimmer der in ihrem Bett liegenden Geschädigten. Dort schlugen sie jeweils heftig auf die Eheleute ein, um diese einzuschüchtern und erwarteten Widerstand zu brechen. Dabei versetzten sie beiden Geschädigten mehrere wuchtige Schläge gegen den Kopf, insbesondere den Gesichtsbereich, und würgten sie. Etwas später kam der dritte Täter hinzu. Der Angeklagte und seine Mittäter fesselten nun beide Eheleute, indem sie ihnen mitgeführte Kabelbinder um die Hand- und Fußgelenke legten und diese so fest zusammenzogen, dass sie in das Gewebe eindrückten. Sodann forderte der Wortführer der drei Täter    [X.]dazu auf, die Schlüssel zu einem im [X.] des Hauses befindlichen Tresor auszuhändigen oder deren Aufbewahrungsort zu nennen.    [X.]verweigerte sich diesem Ansinnen vehement, weil in [X.] Waffen und Munition lagerten. Der Angeklagte und seine Mittäter wandten daraufhin erneut erhebliche Gewalt gegen    [X.] an, um seinen Willen zu brechen. Dazu versetzten sie ihm Schläge und Tritte gegen den Kopf, den Hals-, Schulter- und Brustbereich sowie die rechte Körperseite. Der verletzte    [X.]gab unter dem Eindruck der Misshandlungen und aus Angst um sein Leben und das Leben seiner Ehefrau den Aufbewahrungsort der Schlüssel preis. Der Angeklagte und seine Mittäter „sicherten“ daraufhin die Fesselung, indem sie die Kabelbinder noch einmal so fest wie möglich nachzogen und um diese herum „großzügig“ und in mehreren Lagen [X.] fest verklebten. Darüber hinaus verklebten sie beiden Geschädigten die [X.] mit [X.], wobei sie den gesamten Kopf im Bereich des [X.] umwickelten. Sodann begaben sich der Angeklagte und seine Mittäter in den [X.], öffneten [X.] mit den erlangten Schlüsseln und entnahmen daraus unter anderem 30.000 Euro Bargeld, verschiedene Wertsachen und die dort gelagerten Kurzwaffen nebst Munition.

4

Anschließend ließen sie die Eheleute [X.]in völlig hilfloser Lage zurück. Dabei war ihnen bewusst, dass die Geschädigten aufgrund der Misshandlungen „potentiell lebensgefährlich verletzt“ und psychisch angegriffen waren. Der Angeklagte und seine Mittäter nahmen zumindest billigend in Kauf, dass die Eheleute [X.]nicht rechtzeitig gefunden werden könnten und infolge ihrer Verletzungen versterben würden. Ihnen war klar, dass die Geschädigten ohne Hilfe Dritter „erbärmlich aus dem Leben scheiden würden“. Dies war ihnen jedoch gleichgültig. Der Tod der Geschädigten kam dem Angeklagten und seinen Mittätern als mögliche Folge der Tat gelegen, um unmittelbare Tatzeugen der vorangegangenen Raubtat auszuschalten und die Entdeckung ihrer Täterschaft zu verhindern ([X.]).

5

Die [X.] hat einen versuchten Mord in zwei [X.]en Fällen (zur Verdeckung einer Straftat und grausam) durch [X.] angenommen. Zur Begründung hat sie in der rechtlichen Würdigung ausgeführt, dass der Angeklagte „entschlossen“ gewesen sei, die Eheleute [X.]zu töten, als er sie gemeinsam mit seinen Mittätern „knebelte und zurückließ“. Dabei habe sein „subjektives Vorstellungsbild“ aufgrund der geschaffenen Lage den „sicheren Todeseintritt" eingeschlossen ([X.]).

6

2. Diese Urteilsgründe bieten keine verlässliche Grundlage für die Verurteilung wegen eines durch [X.] begangenen versuchten Tötungsdeliktes.

7

a) Bei einem [X.] muss der Täter im Zeitpunkt der zum [X.] führenden Handlung einen Vorsatz haben, der auf alle tatsächlichen Umstände bezogen ist, die die Merkmale des gesetzlichen Tatbestands erfüllen (§ 16 Abs. 1 StGB). Ein der erfolgsursächlichen Handlung nachfolgender Vorsatz (sog. dolus subsequens) ist bedeutungslos (vgl. [X.], Urteil vom 24. April 2019 - 2 StR 377/18, [X.], 468, 469; Urteil vom 1. März 2018 - 4 StR 399/17, NJW 2018, 1621, 1622; Beschluss vom 7. September 2017 - 2 StR 18/17, [X.], 27; Beschluss vom 14. Juni 1983 - 4 StR 298/83, [X.], 452 mwN). Sowohl die dazu getroffenen Feststellungen und Wertungen (vgl. [X.], Beschluss vom 5. Dezember 2008 - 2 [X.] Rn. 2; [X.] in [X.], 1. Aufl., § 267 Rn. 86 mwN) als auch die sie tragende Beweiswürdigung müssen dabei in sich widerspruchsfrei sein.

8

b) Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht. Denn sie belegen nicht, dass der Angeklagte zu einem Zeitpunkt, in dem er aktiv auf den Geschädigten einwirkte, mit Tötungsvorsatz handelte. Insoweit bestehen Unklarheiten und nicht auflösbare Widersprüche.

9

Nach den Ausführungen der [X.] in der rechtlichen Würdigung handelte der Angeklagte nicht erst beim Zurücklassen der Geschädigten mit Tötungsvorsatz. Vielmehr soll er auch schon bei deren Knebelung „entschlossen“ gewesen sein, „diese zu töten“ (Tötungsabsicht) und mit einem „sicheren Todeseintritt“ gerechnet haben ([X.]). Dies entspricht aber weder hinsichtlich der Vorsatzart noch in Bezug auf den Vorsatzzeitpunkt den zuvor hierzu getroffenen Feststellungen. Danach knebelten der Angeklagte und seine Mittäter die Eheleute [X.], noch bevor sie [X.] mit dem abgepressten Schlüssel öffneten und dessen Inhalt an sich brachten. Erst als sie die Eheleute ohne weitere aktive Einwirkung in ihrer hilflosen Lage zurückließen, war ihnen bewusst, dass die Geschädigten „potentiell lebensgefährlich verletzt“ waren, wobei sie deren Versterben in Kauf nahmen ([X.]). Dies zugrunde gelegt, hätte der Angeklagte bei der letzten ihm zurechenbaren, gegen die körperliche Integrität der Geschädigten gerichteten aktiven Handlung (Knebelung) noch keinen Tötungsvorsatz gehabt. Erst bei dem Zurücklassen der hilflosen Geschädigten hätte ein lediglich bedingter Tötungsvorsatz vorgelegen. Von dieser Abfolge scheint die [X.] (zunächst) auch in der zugehörigen Beweiswürdigung ausgegangen zu sein, wenn sie hierzu anführt, dass der Angeklagte und seine Mittäter einen Tötungsvorsatz erst später fassten, nachdem sie „in Besitz des Schlüssels gelangt waren und [X.] geöffnet hatten“ ([X.]). Soweit sie allerdings nachfolgend darauf abgehoben hat, dass der Angeklagte und seine Mittäter durch die zusätzliche Knebelung „eine weitere Gefahrenlage für das Leben ihrer Opfer“ geschaffen hätten und darin eine „Betätigung des entsprechenden Tatentschlusses im Sinne eines unmittelbaren Ansetzens“ zu sehen sei ([X.] mit [X.]), steht auch dies in einem nicht auflösbaren Spannungsverhältnis zu der zuvor festgestellten zeitlichen Abfolge (Knebelung vor der Tresoröffnung; [bedingter] Tötungsvorsatz erst danach gefasst). Denn dabei wird erneut vorausgesetzt, dass bereits zum Zeitpunkt der Knebelung ein Tötungsvorsatz vorlag.

Angesichts dieser Widersprüche und Unklarheiten ist eine revisionsrechtliche Überprüfung des Schuldspruchs wegen eines versuchten Tötungsdeliktes durch [X.] nicht möglich. Die hierzu getroffenen Feststellungen tragen allenfalls die Annahme einer versuchten Tötung durch ein Unterlassen von [X.] (vgl. dazu [X.], Urteil vom 9. Februar 2017 - 3 StR 415/16, [X.], 342, 344 f. mwN).

3. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Aufhebung betrifft auch die [X.] erfolgte Verurteilung wegen erpresserischen Menschenraubs, besonders schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung in jeweils zwei [X.]en Fällen. Der damit verbundene Wegfall der [X.] zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Auch konnte die Einziehungsentscheidung, soweit sie sich auf diesen Fall bezieht, nicht bestehen bleiben. Hinsichtlich der Zurückverweisung macht der Senat von § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Fall StPO Gebrauch und verweist die Sache an das [X.] - Schwurgericht - [X.] zurück.

Der neue Tatrichter wird zu beachten haben, dass die strafrechtliche Würdigung eines Unterlassens von [X.] seitens des Angeklagten im [X.] an den verübten Überfall nicht unabhängig von der neu vorzunehmenden tatrichterlichen Bewertung des Überfalls selbst erfolgen kann. Sollte der neue Tatrichter zu der Feststellung eines bei der Vornahme der für die Wegnahme kausalen Verletzungshandlungen bestehenden Tötungsvorsatzes gelangen, wäre insoweit für eine Strafbarkeit wegen versuchten [X.] durch Unterlassen kein Raum mehr, denn in diesem Fall würde es dann an der Verdeckung einer anderen Tat fehlen (vgl. [X.], Urteil vom 9. Februar 2017 - 3 StR 415/16, [X.], 342, 344 f.; Urteil vom 28. April 2016 - 4 StR 563/15 mwN).

II.

Die Verurteilung wegen Wohnungseinbruchdiebstahls im [X.] 2 der Urteilsgründe und die dafür verhängte [X.] sowie der hierauf bezogene Teil der Einziehungsentscheidung weisen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf (§ 349 Abs. 2 StPO).

Sost-Scheible     

        

Roggenbuck     

        

Bender

        

Quentin     

        

Feilcke     

        

Meta

4 StR 348/19

25.09.2019

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Arnsberg, 21. Februar 2019, Az: II 2 Ks 36/18

§ 16 Abs 1 S 1 StGB, § 212 Abs 1 StGB, § 267 Abs 1 S 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.09.2019, Az. 4 StR 348/19 (REWIS RS 2019, 3233)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 3233

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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