Bundespatentgericht, Beschluss vom 23.10.2014, Az. 17 W (pat) 15/11

17. Senat | REWIS RS 2014, 1895

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Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren – „Verfahren zur Zustandsermittlung eines Körpers“ – zur Patentfähigkeit – keine erfinderische Tätigkeit - Nichtberücksichtigung der Merkmale, die nicht zur Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln beitragen


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2007 002 672.4-53

hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 23. Oktober 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Dipl.-Phys. [X.], der Richterin [X.] sowie [X.] und Dipl.-Phys. Dr. Forkel

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die vorliegende Patentanmeldung wurde am 18. Januar 2007 beim [X.] eingereicht. Sie trägt die Bezeichnung

2

„Verfahren zur Zustandsermittlung eines Körpers“.

3

Die Anmeldung wurde von der Prüfungsstelle für [X.] des [X.]es mit Beschluss vom 8. Februar 2011 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegenstand des geltenden Patentanspruches 1 unter das [X.] des § 1 [X.] falle, da die einzelnen Schritte des beanspruchten Verfahrens einen Algorithmus und somit eine mathematische Methode als solche darstellten.

4

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet.

5

Die Anmelderin stellte den Antrag,

6

den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

7

gemäß Hauptantrag mit

8

Patentansprüchen 1-6 vom 21.10.2014,

9

noch [X.] Beschreibung Seiten 1, 4 vom 27.11.2007, eingegangen am 29.11.2007,

Seite 3 vom [X.], eingegangen am 29.07.2009,

Seiten 2, 5-7 und

3 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1-5b, jeweils vom Anmeldetag;

gemäß Hilfsantrag mit

Patentansprüchen 1-3 vom 21.10.2014,

im Übrigen wie Hauptantrag.

Die Anmelderin beantragte die Zulassung der Rechtsbeschwerde mit folgender Frage: Ist es die Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln, wenn die von einer Rechenvorrichtung zu verarbeitenden Daten vor deren Verarbeitung so aufbereitet werden, dass durch deren Aufbereitung auf die technischen Gegebenheiten der Rechenvorrichtung Rücksicht genommen wird?

Im Prüfungsverfahren vor dem [X.] ist die Druckschrift

D1: [X.], D.; [X.], M. R.: Gate Volume Estimation for Target Tracking. In: [X.], [X.] 2004 [online]. [X.], [X.]; [X.], 2004 [recherchiert am 25.07.2007], S. 455-462.

ISBN: 91-7056-115-X. Im [X.]: URL:[X.]/papers/[X.]-0455.pdf

genannt worden.

Vom Senat wurden zusätzlich noch die Druckschriften

[X.]: [X.] 2004/0012522 [X.]

sowie

D3: [X.], [X.], 2004 [online]. [X.] 741, Spring 2004 [recherchiert am 09.09.2014]. Im [X.]: <URL: [X.]>

eingeführt.

Hauptantrag, hier mit einer möglichen Gliederung versehen, lautet (nach Korrektur eines offensichtlichen Schreibfehlers):

(a) Verfahren zur Ermittlung eines [X.], nämlich der Position, Geschwindigkeit und Lage des Flugzeugs, umfassend die Schritte:

(b) Bestimmung einer Anzahl Abbildung von Messwerten <[X.] SRC="$BINLADEN_PFAD$/r/bilder/juris/[X.]/[X.]"> mit Abbildung einer Trägheitsanlage, welche den Flugzeugzustand bestimmt, wobei die Messwerte Abbildung Punkte im Abbildung-dimensionalen Raum darstellen,
(c) Verarbeiten der Messwerte Abbildung in einem [X.] zur Schätzung des [X.],

dadurch gekennzeichnet, dass

(d) für jede Anzahl  von Messwerten Abbildung der Trägheitsanlage eine erste Größe Abbildung und eine zweite Größe Abbildung berechnet wird werden und

(e) diese berechneten Größen dem [X.] zur Weiterverarbeitung zugeführt werden, wobei
(f) die Größe Abbildung der Mittelpunktsvektor und die Größe Abbildung der Radius einer Abbildung-dimensionalen Kugel Abbildung sind, innerhalb welcher alle Punkte Abbildung mit Abbildung liegen;
(g) wobei die Kugel Abbildung eine möglichst kleine Abbildung-dimensionale Kugel ist, welche ausnahmslos alle Punkte Abbildung mit Abbildung der Anzahl Abbildung von Messwerten enthält.

Zum nebengeordneten Patentanspruch 5 sowie zu den [X.] 2 bis 4 und 6 wird auf die Akte verwiesen.

Hilfsantrag umfasst neben den Merkmalen (a) bis (g) noch die folgenden Merkmale (nach redaktioneller Änderung):

(h) wobei der Mittelpunkt AbbildungAbbildungAbbildungAbbildung

(h1) Angenommen, die Beziehung AbbildungAbbildung

([X.]) Wenn hingegen AbbildungAbbildungAbbildungAbbildungAbbildung

(i) wobei die Startwerte AbbildungAbbildung

(i1) Bestimmung eines AbbildungAbbildungAbbildungAbbildungAbbildungAbbildung

(i2) Bestimmen einer AbbildungAbbildungAbbildungAbbildungAbbildungAbbildungAbbildungAbbildung

Zum nebengeordneten Patentanspruch 2 sowie zum [X.] wird wieder auf die Akte verwiesen.

Die Anmelderin trägt vor, dass der Gegenstand der Anmeldung ein Verfahren zur Ermittlung eines [X.], nämlich der Position, Geschwindigkeit und Lage des Flugzeugs, darstelle, welches zur Flugzeugsteuerung genutzt werden könne. Der Vorteil der Erfindung bestehe in der Art der Aufbereitung von Messwerten, bevor diese einem [X.], das mittels eines Fehlermodells aus der Vielzahl von Messwerten einen Schätzwert für den Zustand bestimme, zur weiteren Verarbeitung zugeführt würden. Die Aufbereitung der Messwerte führe insbesondere zu einer drastischen Reduktion der vom [X.] zu verarbeitenden Datenmengen, was eine Echtzeitverarbeitung erst möglich mache, und erhöhe gleichzeitig die Flugsicherheit. Damit löse die Erfindung ein konkretes technisches Problem mit technischen Mitteln und sei dem Patentschutz grundsätzlich zugänglich.

Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 sei darüber hinaus neu und beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit.

[X.]

Die Beschwerde wurde rechtzeitig eingelegt und ist auch sonst zulässig. Sie hat jedoch keinen Erfolg, da die jeweiligen Verfahren des Patentanspruchs 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen, wobei diejenigen Merkmale, die zu einer technischen Problemlösung nichts beitragen, nicht zu berücksichtigen sind, gemäß [X.] 2011, 125 -

1. Die vorliegende Patentanmeldung betrifft ein Verfahren zur Ermittlung eines [X.].

Laut Beschreibung würden für die Kontrolle von Fahrzeugen, z. B. Kraftfahrzeugen oder Flugzeugen in zunehmendem Maße elektronische Systeme eingesetzt, welche die direkte Steuerung durch den Fahrer bzw. Piloten entweder ergänzten oder sogar teilweise ersetzten. Beispiele hierfür seien Antiblockiersysteme (ABS) sowie die elektronische Fahrzeugstabilisierung (ESP).

Ebenso würden in Fertigungsprozessen, z. B. in der Automobilindustrie oder bei der Bestückung von Leiterplatten Roboter eingesetzt, deren Steuerung immer mehr von elektronischen Systemen übernommen werde ([X.], [0001]-[0003]).

Derartige Systeme benötigten eine möglichst genaue und zuverlässige Kenntnis des aktuellen Systemzustandes. So sei z. B. der Zustand eines Flugzeugs im einfachsten Fall durch Messgrößen wie Position, Geschwindigkeit und Lagewinkel gekennzeichnet. Der Zustand eines [X.] könne im einfachsten Fall durch die Position des Roboterarms beschrieben werden. Je nach [X.] könne der Zustand eines Körpers aber noch eine Reihe anderer Größen umfassen. Da nicht alle relevanten Zustandsgrößen einer einfachen Messung zugänglich seien, müssten sie zum Teil mit Hilfe von Modellen abgeschätzt werden, wobei die Schätzungen durch einen Vergleich mit den Messwerten beobachtbarer Größen abgeglichen werden könnten. Problematisch sei dabei, dass sowohl die modellierten Prozesse innerhalb des Fahrzeugs oder die Position eines Roboterarms als auch die Messung der Kontroll- bzw. Steuergrößen einem Rauschen unterlägen. Außerdem würden manche Prozesse innerhalb des zu beobachtenden Systems oftmals durch nichtlineare Funktionen beschrieben, so dass deren Modellierung einen erheblichen Rechenaufwand mit sich bringe ([X.], [0004]).

Bekanntlich lieferten die für eine Zustandsermittlung angewandten Messverfahren als Messergebnisse Punktmengen in einem mehrdimensionalen (Zustands-)Raum (wobei jede Messgröße durch eine Dimension repräsentiert wird: Position, Geschwindigkeit u. a.). Eine Vielzahl von Messergebnissen, wie sie z. B. im Laufe einer Messreihe entstehe, werde dann durch eine Punktwolke in einem mehrdimensionalen Raum dargestellt. Ein Beispiel für solche Zustandsmessungen sei die hochfrequente Aufzeichnung von Luftdaten eines Flugzeugs, die aus statischem Druck und Staudruck oder aber aus Anstellwinkel und Schiebewinkel bestehen. Jede Messung ergebe hier für sich gesehen einen Punkt in einem zweidimensionalen Raum. Weitere Luftdaten könnten hinzugenommen werden, wodurch sich aber auch die Dimension des betrachteten (Zustands-)Raumes erhöhe.

Zur Schätzung des Zustandes aus den Messergebnissen werde die ermittelte [X.] an ein [X.] weitergeleitet. Dabei bestehe allerdings der Nachteil, dass die Einzelmessungen, die durch die [X.]n repräsentiert würden, gewöhnlich stark verrauscht seien, und dass aufgrund der vom [X.] zu verarbeitenden großen Datenmenge eine zeitnahe Ausgabe des geschätzten Zustandes nicht möglich sei ([X.], [0006]-[0011]).

Aufgabe sieht der Senat darin, aus den relevanten physikalischen Messgrößen, die gewöhnlich einem Rauschen unterliegen, in Echtzeit einen wahren Systemzustand für ein Flugzeug zu ermitteln.

Fachmann, der mit der Aufgabe betraut wird, ein Verfahren zur Ermittlung eines [X.] zu verbessern, dürfte ein berufserfahrener Maschinenbauingenieur anzusehen sein, welcher über fundierte Kenntnisse in der Messtechnik, insbesondere im Flugzeugbau verfügt.

2. Zum Hauptantrag

Der Hauptantrag ist nicht gewährbar, weil der Gegenstand seines Patentanspruchs 1 bei Berücksichtigung nur derjenigen Merkmale, die die Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (§ 4 Satz 1 [X.]).

2.1 Der Patentanspruch 1 bedarf der Auslegung.

(a) bis (g) vor.

(a)). Laut Beschreibung werden die für die Zustandsermittlung erforderlichen Messgrößen mit Hilfe einer Trägheitsanlage aus Beschleunigungs- und Drehgeschwindigkeitsdaten bestimmt, die von Inertialsensoren (Beschleunigungs- und Drehratensensoren) kontinuierlich gemessen werden ([X.], [0036]).

(b) wird eine Anzahl AbbildungAbbildung

Abbildung(c)). In der Beschreibung wird hierzu ausgeführt, dass das [X.] mit Hilfe eines Fehlermodells aus den vorliegenden Daten einen optimalen Schätzwert errechnet, der im Allgemeinen genauer ist als das Ergebnis der Einzelsensoren ([X.], [0039]).

AbbildungAbbildung n berechnet (Merkmal (d)) und nur diese beiden zur Weiterverarbeitung dem [X.] zugeführt, um [X.] zu erzeugen (Merkmal (e)).

(f) besagt, dass die Größe Abbildung n den Radius einer mehrdimensionalen (AbbildungAbbildung

(g) soll die mehrdimensionale Kugel AbbildungAbbildungAbbildungAbbildungAbbildungAbbildung

2.2 Zur Beurteilung der beanspruchten Lehre ist die Druckschrift [X.] von besonderer Bedeutung. Sie beschreibt insbesondere ein Verfahren nach den Merkmalen (a) bis (c) des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag.

[X.] offenbart ein anpassungsfähiges, integriertes System aus Trägheitsanlage („Inertial Navigation System“ [X.]) und satellitengestütztem Navigationssystem („Global Positioning System“ GPS). Die Druckschrift lehrt außerdem ein Verfahren zur Integration von GPS und [X.] Daten mit dem Ziel, eine genauere Navigationslösung bereitzustellen. Das vorgestellte System bzw. Verfahren beruht auf einem gekoppelten [X.] und GPS-System, wobei der GPS Empfänger Nachlaufschleifen („Tracking Loops“) mit anpassungsfähigen Bandbreiten aufweist (Abstract; [0006]; [0007]).

[X.] damit ein Verfahren zur Ermittlung des Zustandes eines Flugzeugs (Seite 1, [0001], [0002]; siehe „military aircraft and missiles“).

(a)).

(b)).

[X.] werden die Messwerte zur Bildung von [X.]n einem [X.] zugeführt, das den „wahren“ Systemzustand abschätzt (Seite 3, [0033], [0034] – Merkmal (c)).

[X.] ist außerdem bekannt, Messwerte über das Iterationsintervall des [X.]s zu mitteln und anstatt der Einzeldaten nur den zugehörigen Mittelwert dem [X.] zuzuführen (Seite 2, [0020]; Seite 3, rechte Spalte; siehe Anspruch 5). Außerdem ist für den Fachmann im gegebenen Zusammenhang selbstverständlich, dass die in der Druckschrift [X.] zur Bestimmung des [X.] Gains genannte [X.] (Seite 2, [0028]) auf der Angabe einer Messunsicherheit beruht, die in Gestalt einer geeigneten statistischen Größe, z. B. als Varianz bzw. Standardabweichung dem Filter notwendigerweise bereitgestellt werden muss. Aus der Druckschrift [X.] ist somit bekannt, dass das [X.] anstelle einer großen Menge von Messwerten lediglich zwei repräsentative statistische Größen, nämlich Mittelwert und Messunsicherheit, für eine Navigation verarbeitet (teilweise Merkmal (e)). Dass es sich bei den zwei statistischen Größen um den Mittelpunkt und den Radius einer mehrdimensionalen Kugel im Rahmen eines speziellen [X.] handelt, geht aus der Druckschrift allerdings nicht hervor (restlicher Teil von Merkmal (e)).

2.3 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist durch die Druckschrift [X.] nahegelegt, da die [X.] (d), (f) und (g) sowie der Rest von Merkmal (e) zu einer technischen Problemlösung nicht beitragen und daher bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen sind ([X.] -

[X.] eine Mittelung von Messwerten vor dem [X.] vor (Seite 2, [0020]). Die Anmeldung unterscheidet sich hiervon durch den Vorschlag eines speziellen [X.], nämlich eines „[X.]“ Algorithmus, nach dem die Vielzahl der von der Trägheitsanlage erfassten Messwerte in einer Messreihe ersetzt werden durch den Mittelpunkt und den Radius einer mehrdimensionalen Kugel, innerhalb der alle Messwerte (die ja durch mehrdimensionale Zustandsvektoren repräsentiert werden) liegen sollen (Merkmale (d) bis (g)). Lediglich Mittelpunkt und Radius werden dann an das [X.] weitergeleitet. Die [X.] zeigen, dass sich die beanspruchte Lehre von dem aus der Druckschrift [X.] bekannten Stand der Technik lediglich in Merkmalen eines speziellen [X.] unterscheidet, welches auf rein mathematische Weise abweichende Messwerte stärker berücksichtigt. Die Entscheidung darüber, ob für eine Messwertaufbereitung vor dem [X.] z. B. eine arithmetische Mittelung oder aber ein „[X.]“ Rechenverfahren gewählt wird, orientiert sich aus fachmännischer Sicht in erster Linie an der gewünschten Genauigkeit der Ergebnisse sowie dem Konvergenzverhalten des zugrundeliegenden Rechenverfahrens, demnach also an Eigenschaften numerischer Lösungsansätze ohne jeglichen technischen Bezug. Eine technische Leistung, wie sie möglicherweise für die Umsetzung des beanspruchten [X.] bei Gebrauch von technischen Mitteln zu erbringen war, ist ersichtlich nicht Gegenstand des Patentanspruchs 1.

(d), (f), (g), restlicher Teil von Merkmal (e)).

technische Daten sein sollen, allein keine Grundlage dafür liefern, den [X.]n einen Teilaspekt zuzubilligen, der ein technisches Problem bewältigt (vgl. [X.] 2005, 143 -

2.4 Die Anmelderin argumentiert, das technische Problem der Anmeldung bestehe darin, den Aufwand für die Ermittlung der Position eines Flugzeugs zu reduzieren und gleichzeitig die Genauigkeit der Positionsermittlung nicht zu verfälschen. Indem die Mehrzahl von Messwerten durch Angabe eines Mittelwertes und eines Radius beschrieben werde, werde die Menge der Messwerte reduziert, also auch ein benötigter Aufwand für Übertragung und Verarbeitung dieser Messwerte verringert, wobei mit dieser Datenreduktion kein Informationsverlust einhergehe, weil auch Extremwerte berücksichtigt würden.

[X.] gelöst. Indem dort die Messwerte der Sensoren über das Iterationsintervall des [X.]s gemittelt werden, werden dem [X.] für eine Weiterverarbeitung anstatt einer größeren Datenmenge immer nur Mittelwert und Messunsicherheit zugeführt (siehe oben), um daraus einen Zustand des Flugkörpers vorauszusagen. Daher braucht die Frage, ob es sich bei einer solchen Datenreduktion um einen Teilaspekt handelt, der ein technisches Problem bewältigt, nicht entschieden zu werden.

Die Anmelderin führt ferner aus, ein wesentlicher Vorteil des beanspruchten Verfahrens bestehe darin, dass der Einfluss von [X.], also stark abweichenden Messwerten, durch das vorgeschlagene spezielle Mittelungsverfahren nicht so stark verringert werde, wie dies bei einer einfachen Mittelwertbildung über alle Messwerte in Abhängigkeit von der Anzahl der Messwerte der Fall sei. Gerade weil bei einer Menge von Messwerten von vornherein nicht klar sei, ob es sich bei einem Extremwert um einen Messfehler handle oder ob die übrigen Messwerte durch einen Messfehler zu Stande gekommen seien, dürfe der Einfluss eines [X.] rechnerisch nicht zu stark unterdrückt werden, z. B. dürften drastische Entfernungsänderungen zu Hindernissen oder Flughöhenänderungen durch eine falsche Gewichtung im Rechenverfahren nicht verlorengehen. In diesem Sinne eigne sich das beanspruchte Verfahren für sicherheitskritische Anwendungen in Flugzeugen und beruhe daher auch auf technischen Überlegungen.

Ein solcher Vorteil ist aber weder nachvollziehbar noch in den [X.] ursprünglich offenbart, so dass er als Beweisanzeichen für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht herangezogen werden kann.

Zwar kann der Anmelderin darin gefolgt werden, dass im beanspruchten Rechenverfahren eine andere Art der Mittelwertbildung erfolgt, was sich u. a. in unterschiedlichen relevanten statistischen Größen wiederspiegelt (statt Mittelwert und Standardabweichung hier: Kugelmittelpunkt und Kugelradius) und eine stärkere Berücksichtigung der Extremwerte zur Folge hat, als es bei üblicher Mittelwertbildung der Fall wäre. Jedoch kann daraus, dass Extremwerte relativ zu den übrigen Messwerten stärker berücksichtigt werden, angesichts der Messunsicherheit von Sensoren oder des Auftretens von äußeren Störeinflüssen (z. B. Störimpulse, unerwünschte Reflexionen von Schall- und elektromagnetischen Wellen, Wettereinflüsse) eine Erhöhung der Sicherheit allein nicht abgeleitet werden. Die Frage, ob es sich bei festgestellten [X.] um Artefakte, also unechte Ergebnisse, deren stärkere Berücksichtigung die Sicherheit eher beeinträchtigt, oder aber um „reale Messwerte“ handelt, die eine stärkere Gewichtung rechtfertigen, ist vielmehr eng verknüpft mit Erwägungen aus der Statistik und daher nicht eindeutig zu beantworten. Eine verlässliche Aussage über einen etwaigen Beitrag des geschilderten [X.] zu Navigations- und Flugsicherheit kann definitiv nicht getroffen werden.

Davon abgesehen, ist die konkrete Lehre, dass eine stärkere Berücksichtigung der Extremwerte sich in irgendeiner Weise insbesondere für Navigations- und Flugsicherheit vorteilhaft auswirken könnte, in den ursprünglichen Unterlagen nirgendwo erwähnt. Es erscheint fraglich, ob der von der Anmelderin nachträglich herangezogene und in den [X.] nicht offenbarte Vorteil einer Unterstützung sicherheitskritischer Anwendungen durch das spezielle Mittelungsverfahren als Anzeichen für die erfinderische Tätigkeit und für das Vorliegen von auf technischen Überlegungen beruhenden Erkenntnissen herangezogen werden kann (vgl. [X.] 1971, 403 -

2.5 Da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann, sind auch die abhängigen Patentansprüche 2 bis 4 und 6 sowie der nebengeordnete Patentansprüche 5 nicht gewährbar ([X.] 1997, 120 -

3. Zum Hilfsantrag

Der Hilfsantrag kann nicht günstiger beurteilt werden, da die zusätzlichen Merkmale nicht zu berücksichtigen sind.

3.1 Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag durch die [X.] (h) und (i):

(h) wobei der Mittelpunkt AbbildungAbbildungAbbildungAbbildung

(h1) Angenommen, die Beziehung AbbildungAbbildung

([X.]) Wenn hingegen AbbildungAbbildungAbbildungAbbildungAbbildung

und

(i) wobei die Startwerte AbbildungAbbildung

(i1) Bestimmung eines AbbildungAbbildungAbbildungAbbildungAbbildungAbbildung

(i2) Bestimmen einer AbbildungAbbildungAbbildungAbbildungAbbildungAbbildungAbbildungAbbildung

(h) beschreibt die [X.] zur Ermittlung des minimalen Kugelvolumens, welches gerade noch alle Messpunkte umfasst, sowie des zugehörigen Mittelpunktsvektors und des Radius. Über geeignete Fallunterscheidungen werden Mittelpunktsvektor und Radius durch die Hinzunahme neuer Messwerte sukzessive solange neu bestimmt, bis alle Messwerte der jeweils betrachteten Datenmenge in der Rechnung berücksichtigt worden sind ([X.]e (h1) und ([X.])).

(i) werden in Hinblick auf die [X.] geeignete Startwerte für Mittelpunktsvektor und Radius festgelegt. Hierfür wird im Wesentlichen ein mehrdimensionaler Quader bestimmt, der alle Messpunkte enthält ([X.] (i1)). Die Startwerte für Mittelpunktsvektor bzw. Radius sollen dann durch den Mittelpunkt des mehrdimensionalen Quaders bzw. durch die Hälfte der maximalen Kantenlänge des Quaders gegeben sein ([X.] (i2)).

(h) und (i) beinhalten damit allenfalls Maßnahmen aus der algorithmischen Geometrie, die die für das spezielle Mittelungsverfahren notwendigen [X.] inklusive der Angabe von [X.] wiedergeben. Die jeweiligen Merkmale beinhalten keinerlei auf technischen Überlegungen beruhende Erkenntnisse und sind demnach bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen.

Daher ist für den Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag eine andere Beurteilung als für den Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht gerechtfertigt.

3.2 Mit dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag sind auch der nebengeordnete Patentanspruch 2 sowie der abhängige Patentanspruch 3 nicht gewährbar.

I[X.]

Nachdem keiner der gestellten Anträge Erfolg hatte, war die Beschwerde der Anmelderin gegen den Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle für [X.] des [X.]es zurückzuweisen.

Der Senat hat die Rechtsbeschwerde gemäß § 100 Abs. 2 [X.] zugelassen, weil die Frage, ob ein durch Anwendung einer rein mathematischen Methode begründeter, aber nicht vorhersagbarer Vorteil (d. i. ein Vorteil, der eintreten kann oder auch nicht) als Indiz für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit berücksichtigt werden muss, bislang noch nicht beantwortet worden ist.

Meta

17 W (pat) 15/11

23.10.2014

Bundespatentgericht 17. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 23.10.2014, Az. 17 W (pat) 15/11 (REWIS RS 2014, 1895)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1895


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 17 W (pat) 15/11

Bundespatentgericht, 17 W (pat) 15/11, 30.11.2015.

Bundespatentgericht, 17 W (pat) 15/11, 23.10.2014.


Az. X ZB 1/15

Bundesgerichtshof, X ZB 1/15, 30.06.2015.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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