Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.06.2017, Az. IX ZR 48/15

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 10066

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:010617UIXZR48.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL

IX ZR 48/15

Verkündet am:

1. Juni 2017

Preuß

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 133 Abs. 1
a)
Eine vom [X.] durch Zwangsvollstreckung bewirkte [X.] kann nur dann auch als Rechtshandlung des Schuldners gewertet werden, wenn der Schuldner einen Beitrag zum Erfolg der Zwangsvollstreckung geleistet hat, der ein der Vollstreckungstätigkeit des Gläubigers vergleichbares Gewicht hat.
b)
Die vom [X.] durch eine Vollstreckungsmaßnahme bewirkte [X.] gilt nicht zugleich als Rechtshandlung des Schuldners, wenn sich der Schuldner angesichts einer bevorstehenden oder bereits eingeleiteten be-rechtigten Vollstreckungsmaßnahme nicht anders verhält als ohne die Vollstre-ckung und sich damit darauf beschränkt, die Vollstreckung des Gläubigers hinzu-nehmen.

[X.], Urteil vom 1. Juni 2017 -
IX ZR 48/15 -
O[X.]

LG [X.]

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Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
2. März 2017
durch [X.] Dr. [X.],
den
Richter Prof. Dr. Gehrlein, die Richterin [X.], [X.] und
Dr.
Schoppmeyer

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 23. Zivilsenats des [X.] vom 16. Februar 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom 13. Oktober 2009 am 30.
März 2010 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der G.

GmbH (nachfolgend: Schuldnerin).

i-nanzamt H.

mit Verfügung vom 15. Januar 2007 das Ge-schäftskonto der Schuldnerin, die damals noch unter K.

GmbH fir-mierte, bei der P.

. Zum Zeitpunkt der Zustellung der Pfändung 1
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weitere Zahlungen von Kunden der Schuldnerin auf dem Konto ein. Deshalb konnte die Bank bis zum 14. Mai 2007 über das anfangs vorhandene Guthaben .

auskehren. Bereits am [X.] hatte das Finanzamt W.

wegen Steuerrückständen der Nachdem die Pfändung des Finanzamts H.

vollständig bedient war, [X.] die Bank zwischen dem 15. Mai 2007 und dem 21. Mai 2007 insgesamt .

. Eine dritte Kontenpfändung [X.] mit Verfügung des Finanzamts H.

vom 23. Juli 2007 wegen Steuer-vorhandene Guthaben hinaus kehrte die Bank aufgrund nachfolgender Geld-.

aus.

Der Kläger hat das beklagte Land unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung zunächst auf Rückzahlung des Betrags von 50.523,92

.

vorprozessual bereits den von ihm vereinnahmten Betrag von 22.bst Zinsen in Höhe von 7.465,36

Kläger seine Klage in Höhe von
[X.].

Das [X.] hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattge-geben. Die Berufung des [X.] hat keinen Erfolg gehabt. Mit seiner vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

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Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat gemeint, die Voraussetzungen des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs nach § 143 Abs. 1, § 133 Abs. 1 [X.] seien nicht erfüllt. Infolgedessen erweise sich die Widerklage
wegen ungerechtfertig-ter Bereicherung des [X.] als begründet. Dabei könne dahinstehen, ob
die angefochtene Vermögensverlagerung als Rechtshandlung der Schuldnerin zu qualifizieren
sei. Eine nach der Rechtsprechung genügende mitwirkende Rechtshandlung durch [X.] könne vorliegen, wenn der unter Beweis gestellte Vortrag des [X.] zutreffe, dass die Schuldnerin nach Kenntnis der Kontenpfändungen zurückdatierte Rechnungen unter
Angabe des gepfändeten Kontos versandt habe. Die Unterlassung, ein neues Konto zu eröffnen oder die Kunden anzuweisen, bar oder per Scheck zu zahlen, sei einer Rechtshandlung hingegen nicht gleichzustellen.
Jedenfalls habe die Schuldnerin nach dem Vor-trag
des [X.] nicht mit dem nach § 133 Abs. 1 [X.] erforderlichen Benach-teiligungsvorsatz gehandelt. Zwar sei die Schuldnerin unstreitig zahlungsunfä-hig gewesen. Nehme der Schuldner eine Deckungshandlung in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit vor, sei dies ein wichtiger Anhaltspunkt dafür, dass er eine Benachteiligung seiner übrigen Gläubiger zumindest billigend in Kauf nehme. Es sei jedoch zu berücksichtigen, dass die Schuldnerin das gepfändete Konto deshalb auf den Rechnungen angegeben habe, weil sie die Pfändung nicht ha-be offenlegen wollen und das Anschreiben eines jeden Kunden ein zu großer 5
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Verwaltungsaufwand gewesen wäre. Angesichts der Kongruenz der gewährten Deckung lasse diese Motivation das Bewusstsein der Zahlungsunfähigkeit in den Hintergrund treten.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Ein Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin lässt sich mit der vom Berufungsge-richt gegebenen Begründung nicht verneinen.

1. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 [X.] hat der Tatrichter gemäß § 286 ZPO unter Würdigung aller maß-geblichen Umstände des Einzelfalls zu prüfen ([X.], Urteil vom 13. August 2009 -
IX ZR 159/06, [X.], 1943 Rn. 8). Die revisionsgerichtliche Kontrolle der getroffenen Feststellungen beschränkt sich darauf, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen
Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt ([X.], Urteil vom 14. Juli 2016 -
IX [X.], [X.], 1701 Rn. 12 mwN).

2. Die Würdigung des Berufungsgerichts, die Schuldnerin habe nicht den Vorsatz gehabt, ihre Gläubiger zu benachteiligen, beruht auf einem solchen Rechtsfehler.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats genügt für den in §
133 Abs. 1 [X.] vorausgesetzten Benachteiligungsvorsatz des Schuldners 7
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bedingter Vorsatz. Ein Benachteiligungsvorsatz ist deshalb nicht nur dann ge-geben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 [X.]) die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshand-lung gewollt hat, sondern auch dann, wenn er lediglich die Benachteiligung als mutmaßliche Folge -
sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Vorteils
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erkannt und gebilligt hat. Ein Schuldner, der zah-lungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in der Regel mit Benachteiligungsvorsatz, denn er
weiß, dass sein Vermögen nicht
ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen. Dies gilt auch dann, wenn eine kongru-ente Leistung angefochten wird ([X.], Urteil vom 10. Juli 2014 -
IX ZR 280/13, [X.], 1868 Rn. 17 mwN).

b) Von diesen Grundsätzen geht auch das Berufungsgericht aus. Seine Annahme, das Bewusstsein der Schuldnerin von ihrer Zahlungsunfähigkeit trete angesichts der kongruenten Deckung in den Hintergrund, weil die weitere Rechnungsstellung unter Angabe des gepfändeten Kontos dadurch motiviert gewesen sei, dass die Schuldnerin die Pfändung nicht habe offenlegen wollen und das Anschreiben eines jeden Kunden ein zu großer Verwaltungsaufwand gewesen wäre, ist jedoch denkgesetzwidrig. Die beschriebene Motivation der Schuldnerin mindert das Gewicht des [X.] der erkannten Zah-lungsunfähigkeit nicht. Das Ziel eines Schuldners, Zahlungsschwierigkeiten ge-genüber seinen Kunden zu verheimlichen und sich selbst Arbeitsaufwand zu ersparen, ändert nichts daran, dass er regelmäßig eine Benachteiligung seiner Gläubiger erkennt und in Kauf nimmt, wenn er sich trotz erkannter [X.] für ein Verhalten entscheidet, das zur Befriedigung eines einzelnen Gläubigers beiträgt.

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III.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

1. Ob eine Anfechtung
wegen vorsätzlicher Benachteiligung nach § 133 Abs.
1 [X.] am Erfordernis einer Rechtshandlung der Schuldnerin
scheitert, kann auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht abschlie-ßend beurteilt werden.

a) [X.] gemäß § 133 Abs. 1 [X.] setzt eine Rechtshandlung des Schuldners und damit dessen [X.], [X.] voraus. Der Schuldner muss darüber entscheiden können, ob er eine Leistung erbringt oder verweigert. Grundsätzlich fehlt es an einer solchen Rechtshandlung des Schuldners, wenn der Gläubiger eine Befriedigung im We-ge der Zwangsvollstreckung erlangt.

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats kann eine im Rahmen oder aus Anlass einer Zwangsvollstreckung erfolgte Vermögensverlagerung aber dann
anfechtbar sein, wenn dazu zumindest auch eine selbstbestimmte Rechtshandlung des Schuldners beigetragen hat. Fördert der Schuldner eine Vollstreckungsmaßnahme, kann dies die Qualifizierung der [X.] als Rechtshandlung des Schuldners rechtfertigen (vgl. [X.], Urteil vom 27.
Mai 2003 -
IX ZR 169/02, [X.]Z 155, 75, 79; vom 10. Februar 2005 -
IX ZR 211/02, [X.]Z 162, 143, 147 ff; vom 3. Februar 2011 -
IX ZR 213/09, [X.], 501 Rn. 5, 12; vom 19. September 2013 -
IX ZR 4/13, [X.], 2074, Rn. 9; vom 21.
November 2013 -
IX ZR 128/13, [X.], 44 Rn. 7; vom 16. Januar 2014 -
IX ZR 31/12, [X.], 272 Rn. 7). Eine durch Zwangsvollstreckungs-12
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maßnahmen des Gläubigers erlangte Zahlung kann daher der Vorsatzanfech-tung unterliegen, wenn eine [X.] oder eine der Handlung [X.] Unterlassung zum Erfolg der Vollstreckungsmaßnahme beigetragen hat. Ausreichend ist eine mitwirkende Rechtshandlung des Schuldners, ohne dass sie die einzige Ursache für die Gläubigerbenachteiligung bilden muss ([X.], Urteil vom 16. Januar 2014, aaO mwN).

bb) Für Fälle, in denen der Gläubiger Vermögen des Schuldners durch eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung erlangt, hält der Senat an dieser Rechtsprechung nicht uneingeschränkt fest. Nicht jeder auch nur entfernte [X.] des Schuldners
rechtfertigt es, die vom Gläubiger durch eine Vollstreckungsmaßnahme erwirkte Vermögensverlagerung auch als [X.] zu werten. Andernfalls wäre
für die Pfändung künfti-ger Forderungen, die selten
ohne eine Mitwirkung des Schuldners entstehen, regelmäßig der Anwendungsbereich des § 133 Abs. 1 [X.] eröffnet. Dies [X.] nicht im Einklang mit dem Zweck dieser Norm, außerhalb des Zeitraums von drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung
des Insolvenzverfahrens
(§§ 130, 131 [X.]) die prinzipiell gleichen
Befriedigungsmöglichkeiten der Gläubiger auch durch Maßnahmen der Zwangsvollstreckung
zu gewährleisten
(vgl. [X.], Urteil vom 10. Februar 2005 -
IX ZR 211/02, [X.]Z 162, 143, 150).

Angefochten und nach § 143 Abs. 1 [X.] rückgängig gemacht wird nicht die Rechtshandlung selbst, sondern ihre gläubigerbenachteiligende Wirkung (vgl. [X.], Urteil vom 13. Februar 2014 -
IX ZR 133/13, [X.], 516 Rn. 10; vom 12. Januar 2017 -
IX ZR 130/16, [X.], 439 Rn. 15; MünchKomm-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 129 Rn. 6; HK-[X.]/[X.], 8. Aufl., § 129 Rn. 7; jeweils mwN).
Gegenstand der Anfechtung ist deshalb in [X.] die vom Gläubiger mit Zwangsmitteln bewirkte Verlagerung von Schuldnervermögen
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und nicht lediglich ein dabei mitwirkender Verursachungsbeitrag des [X.]. Die Mitwirkung des Schuldners kann es aber rechtfertigen, die Vollstre-ckung auch als Handlung des Schuldners anzusehen und sie einer freiwillig gewährten Befriedigung gleichzustellen ([X.], 223, 224 f; [X.], 163, 164
ff; [X.], Urteil vom 25. November 1964 -
VIII ZR 289/62, [X.], 14, 15; vom 3. Februar 2011 -
IX ZR 213/09, WM
2011, 501
Rn. 11 f; vom 21.
Novem-ber 2013
-
IX ZR 128/13, [X.], 44 Rn. 7, 9; vom 16.
Januar 2014
-
IX ZR 31/12, WM
2014, 272
Rn. 7). Eine solche Gleichstellung setzt voraus, dass der Beitrag des Schuldners bei wertender Betrachtung dazu führt, dass die Voll-streckungstätigkeit zumindest auch als eigene, willensgeleitete Entscheidung des Schuldners anzusehen ist. In dieser Hinsicht muss der Beitrag des [X.] ein der Vollstreckungstätigkeit des Gläubigers zumindest vergleichbares Gewicht erreichen.

Daran fehlt es, wenn der Schuldner sich darauf beschränkt, die berech-tigte Vollstreckung eines Gläubigers hinzunehmen, und sich angesichts einer bevorstehenden oder bereits eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahme nicht [X.] verhält, als er dies ohne
die Vollstreckungsmaßnahme
getan hätte. Dies ist in aller Regel anzunehmen, wenn sich der Schuldner in Kenntnis der Vollstre-ckungsmaßnahme nicht anders verhält als zuvor und seinen
Geschäftsbetrieb in der bisher geübten Weise fortsetzt (vgl. [X.], Urteil vom 16. Januar 2014, aaO Rn.
9
f). Mit Recht ist deshalb entschieden worden, dass die Pfändung und Einziehung von Arbeitslohn nicht deshalb als Rechtshandlung des Schuldners gelten kann, weil der Schuldner nach der Pfändung seine Arbeit fortsetzt (vgl. [X.], Z[X.] 2016, 1215). Ebenso kann es an einer Rechtshandlung des Schuldners fehlen, wenn dieser nach der Pfändung seines [X.] in gleicher Weise wie zuvor Leistungen an seine Kunden erbringt und er sich zum Einzug der ihm daraus erwachsenen Forderungen des auch in der [X.]
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heit hierfür verwendeten, nunmehr gepfändeten Kontos bedient
(vgl. [X.], Ur-teil vom 16.
Januar 2014, aaO). Weder die Leistungserbringung noch die
Ab-rechnung oder die Rechnungsstellung können in diesem Fall die [X.] als Rechtshandlung des Schuldners qualifizieren.
Beschränkt sich der Schuldner darauf, seine Geschäftstätigkeit in der bisher
geübten
Weise fortzusetzen, kommt es im Übrigen auch nicht darauf an, ob der Erfolg einer Kontenpfändung durch Einzahlungen von [X.] oder durch Einzah-lungen des Schuldners selbst gefördert wird.

cc) Entsprechendes gilt, soweit an ein Unterlassen des Schuldners [X.] werden soll. Nach § 129 Abs. 2 [X.] steht dieses einer Rechtshand-lung gleich. Voraussetzung ist nur, dass die Unterlassung auf einer Willensbetä-tigung beruht, also bewusst und gewollt erfolgt. Nötig ist das Bewusstsein, dass das Nichthandeln irgendwelche Rechtsfolgen haben wird
([X.], Urteil vom 22.
Dezember 2005 -
IX ZR 190/02, [X.]Z 165, 343, 348; vom 3. Februar 2011
-
IX ZR 213/09, [X.], 501 Rn. 8; vom 16. Januar 2014 -
IX ZR 31/12, [X.], 272 Rn. 12). Auch ein solches Unterlassen rechtfertigt
nicht
die Gleich-stellung einer Vollstreckungsmaßnahme mit einer Rechtshandlung des [X.], wenn es sich in der bloßen
Hinnahme einer berechtigten Vollstreckung erschöpft. Daher fehlt es an einer [X.], wenn der Schuldner es lediglich unterlässt, seinen Forderungseinzug nach der Pfändung seines Ge-schäftskontos umzustellen, etwa auf einen Einzug über
ein bestehendes oder neu zu [X.] anderes Bankkonto oder durch Bar-
oder Scheckzahlung
(vgl. [X.], Urteil vom 16.
Januar 2014, aaO Rn.
14).

dd) Bewirkt der Schuldner hingegen eine Vermögensverlagerung außer-halb der vom Gläubiger angedrohten oder bereits eingeleiteten Zwangsvollstre-ckung, sei es auch
zu deren Abwendung, steht das Vorliegen einer Schuldner-19
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handlung außer Frage. So liegt es etwa, wenn der Schuldner dem Vollstre-ckungsbeamten einen Scheck überreicht ([X.], Urteil vom 14. Juni 2012
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IX [X.], [X.], 1401 Rn. 9 f) oder nach Einleitung
der [X.] Überweisungen veranlasst ([X.], Urteil vom 10. Dezember 2009
-
IX ZR 128/08, [X.], 360 Rn. 11 ff, 16). Letzteres gilt selbst dann, wenn die Überweisung zu Lasten eines gepfändeten Kontos erfolgt ([X.], Urteil vom 10. Dezember 2009, aaO Rn. 16; vom 9. Juni 2011 -
IX [X.], [X.], 1343 Rn. 10; vom 22. November 2012 -
IX [X.], [X.], 48 Rn. 8 f).

b) Nach diesen Maßstäben kann es im Streitfall an einer Schuldnerhand-lung als Bezugspunkt der Anfechtung nach § 133 Abs. 1 [X.] fehlen. Eine ei-gene Entscheidung ist dem Senat jedoch nicht möglich, weil es an den [X.] tatsächlichen Feststellungen fehlt.

aa) Der Kläger hat behauptet und unter Beweis gestellt, dass die Schuldnerin auf Veranlassung ihres Geschäftsführers in Kenntnis der Pfändun-gen in ihr Geschäftskonto ihren Kunden im Zeitraum zwischen Anfang März 2007 und Ende Mai 2007 umfangreich Rechnungen, insbesondere für im Jahr 2006 abgearbeitete Aufträge, unter Angabe des gepfändeten Kontos geschrie-ben und auf den 29. Dezember 2006 datiert habe. Das Berufungsgericht hat dies offen gelassen. Sollte der Vortrag des [X.] zutreffen, kam
auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Senats eine Qualifizierung der angefochtenen Vermögensverlagerung als eine Rechtshandlung der Schuldne-rin in Betracht,
weil deren Verhalten
dazu beigetragen haben kann, dass die Rechnungsempfänger Zahlungen auf das gepfändete Konto leisteten und die Bank entsprechende Auszahlungen an den Pfändungsgläubiger erbrachte.
Dass die Schuldnerin später weitere Sollbuchungen zu Lasten des gepfändeten 21
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Kontos veranlasste, änderte
daran entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nichts.

bb) Nach den vorstehend dargestellten, teilweise von der bisherigen Rechtsprechung des Senats
abweichenden Grundsätzen kann die Beurteilung, ob eine Rechtshandlung der Schuldnerin vorliegt, anders ausfallen. Die [X.], ob die Schuldnerin nach erfolgter Kontenpfändung ihre Geschäftstätigkeit unverändert fortgeführt und sich damit auf die Hinnahme der berechtigten Zwangsvollstreckung des Beklagten beschränkt hat, konnte der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung jedoch nicht entnommen werden. Den Parteien ist deshalb Gelegenheit zu geben, sich hierzu zu äußern und ihren Vortrag zu ergänzen (§ 139 Abs. 2 ZPO).

2. Die angefochtenen Vermögensverlagerungen können die Insolvenz-gläubiger benachteiligt haben (§ 129 Abs. 1 [X.]), weil die Auszahlungen an den Beklagten das Vermögen der Schuldnerin verringert haben. Eine Gläubi-gerbenachteiligung läge nur dann nicht vor, wenn der Beklagte aufgrund eines Pfändungspfandrechts zur abgesonderten Befriedigung an dem jeweiligen [X.] berechtigt war. Ein Pfandrecht des
Beklagten entstand, soweit sich die Pfändungsverfügung auf künftige Guthaben bezog, jedoch erst mit dem Entstehen des Guthabens.
Falls die Auszahlung des gepfändeten Guthabens wegen der Mitwirkung durch die Schuldnerin, sei es durch [X.] oder durch ein gleichstehendes Unterlassen, als
Rechtshandlung der Schuldnerin anzusehen sein sollte, gilt dies in gleicher Weise für das Entstehen des Pfand-rechts mit der Folge, dass auch das Pfandrecht der Vorsatzanfechtung unterlie-gen kann (vgl. [X.], Urteil vom 22. November 2012
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IX [X.], [X.], 48 Rn. 10 ff).

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3. Die nach § 133 Abs. 1 Satz 1 [X.] erforderliche Kenntnis des [X.] des Schuldners muss sich, da [X.] dieses Vorsatzes die vom Schuldner veranlasste gläubigerbenachtei-ligende Rechtshandlung ist, auch darauf erstrecken, dass die Gläubigerbenach-teiligung durch eine vom Schuldner ausgehende Rechtshandlung verursacht worden ist.
Die Voraussetzungen einer solchen Kenntnis dürfen nicht über-spannt werden. Der [X.] muss nicht alle Einzelheiten kennen, aus denen sich das Vorliegen einer [X.] ergibt. Es genügt, dass er einen solchen Sachverhalt im Allgemeinen erkannt hat. Dies ist der Fall, wenn er sich der Kenntnis nicht verschließen konnte, dass sein Vermögenser-werb
auf einer die Gläubigergesamtheit benachteiligenden Rechtshandlung der Schuldnerin beruhte (vgl. [X.], Urteil vom 19. September 2013 -
IX ZR 4/13, [X.], 2074 Rn. 17 ff). Auf der Grundlage der bisher getroffenen [X.] kann dies nicht verneint werden.

Ebenso
wenig ist auszuschließen, dass die Kenntnis des Beklagten die Umstände umfasste, welche die Anfechtbarkeit des Pfandrechts und damit eine Benachteiligung der Gläubiger durch die erfolgten Auszahlungen der Bank be-gründen.

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14
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IV.

Das angefochtene Urteil war danach aufzuheben und zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO).

[X.]
Gehrlein
[X.]

[X.]
Schoppmeyer

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 30.06.2014 -
2-4 O 502/13 -

O[X.], Entscheidung vom 16.02.2015 -
23 [X.] -

27

Meta

IX ZR 48/15

01.06.2017

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.06.2017, Az. IX ZR 48/15 (REWIS RS 2017, 10066)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10066

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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