Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.06.2011, Az. 1 StR 90/11

1. Strafsenat | REWIS RS 2011, 5776

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Gegenstand

Beihilfe zum Vorenthalten von Arbeitsentgelt: Besonderes persönliches Merkmal der Arbeitgebereigenschaft


Tenor

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 11. Oktober 2010 werden als unbegründet verworfen.

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten A.     wegen Steuerhinterziehung in 123 Fällen (86 Fälle der Hinterziehung von Lohnsteuer, 34 Fälle der Hinterziehung von Umsatzsteuer und drei Fälle der Hinterziehung von Einkommensteuer) sowie wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 86 Fällen und den Angeklagten [X.]     wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in drei Fällen jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.

2

Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten sind unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Erörterung bedarf lediglich folgendes:

I.

3

1. Der Angeklagte A.     beschäftigte mehrere Arbeitnehmer, für die er [X.] nach § 41a EStG abgab. Allerdings wurde nur ein Teil des Lohns der Berechnung der angemeldeten Lohnsteuer zu Grunde gelegt (Teilschwarzlohnzahlungen). Ein darüber hinausgehender Teil des Lohns, der den Arbeitnehmern des Angeklagten A.     bar ausgezahlt wurde, wurde in den monatlichen [X.] ebenso wie in den gegenüber den Sozialversicherungsträgern abgegebenen monatlichen Beitragsnachweisen verschwiegen.

4

Die inkriminierten Erklärungen gegenüber der Finanzverwaltung und den Sozialversicherungsträgern wurden dabei durch gutgläubige Mitarbeiter des [X.] abgegeben. Der Angeklagte selbst war bei der Erstellung der einzelnen Erklärungen nicht beteiligt, die Mitarbeiter des [X.] erhielten die erforderlichen Informationen aufgrund genereller Anordnung des Angeklagten von den gesondert verfolgten [X.]und [X.]      . Der Angeklagte war indes nicht nur durch diese generelle Anweisung an den Taten beteiligt. Vielmehr besorgte er in jedem einzelnen Tatmonat durch eigenständige Handlungen die für die Zahlung der [X.] erforderlichen Bargeldmittel.

5

2. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch. Näher ist dies nur zu den Konkurrenzen hinsichtlich der monatlich abgegebenen unrichtigen [X.] auszuführen.

6

a) Freilich spräche gegen die Annahme der [X.], für jeden Monat läge eine rechtliche selbstständige Tat vor, wenn sich der Tatbeitrag des Angeklagten im Aufbau und in der Aufrechterhaltung eines auf Straftaten ausgerichteten Geschäftsbetriebs erschöpft hätte („[X.]“, vgl. hierzu [X.], Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 [X.], [X.]St 49, 177, 184; [X.], Beschluss vom 26. August 2003 - 5 [X.], [X.]St 48, 331, 343; [X.], Urteil vom 11. Dezember 1997 - 4 StR 323/97, [X.]R StGB § 263 Täterschaft 1).

7

Hier war der Angeklagte jedoch durch die Beschaffung der jeweils „schwarz“ ausgezahlten Lohnanteile jedenfalls im Bereich der Vorbereitungshandlungen an jeder einzelnen Tat beteiligt. Unter diesen Umständen hält die Annahme von Tatmehrheit unter revisionsrechtlichen Gesichtspunkten rechtlicher Nachprüfung stand (zum Maßstab revisionsrechtlicher Überprüfung bei der vergleichbaren Abgrenzung zwischen natürlicher Handlungseinheit und Tatmehrheit vgl. [X.], Urteil vom 25. September 1997 - 1 StR 481/97, [X.], 68).

8

b) Gleiches gilt hinsichtlich der Konkurrenzen, soweit der Angeklagte wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt verurteilt wurde.

9

3. Auch der der Strafzumessung zu Grunde gelegte [X.] ist rechtsfehlerfrei bestimmt.

a) Für die Berechnung der in den einzelnen Tatmonaten hinterzogenen Lohnsteuer musste die [X.] die erforderlichen Bemessungsgrundlagen schätzen, da mangels ausreichender Buchführung des Angeklagten eine konkrete Berechnung der Bemessungsgrundlage nicht vorgenommen werden konnte. Insoweit kam dem Tatgericht bei der Entscheidung, welche Schätzungsmethode dem vorgegebenen Ziel, der Wirklichkeit durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen möglichst nahe zu kommen, am besten gerecht wird, ein Beurteilungsspielraum zu. Die revisionsgerichtliche Überprüfung beschränkt sich hier darauf, ob das Tatgericht nachvollziehbar dargelegt hat, warum es sich der gewählten Schätzungsmethode bedient hat und weshalb diese dafür geeignet ist ([X.], Beschluss vom 11. November 2009 - 1 [X.], [X.], 148).

Hieran gemessen ist auch der [X.] nicht in einer den Angeklagten beschwerenden Weise durch das [X.] bestimmt worden.

aa) Die Mindesthöhe der monatlichen [X.] hat das [X.] dabei auf Grundlage von noch vorhandenen Aufzeichnungen über [X.] in vier der 86 Tatmonate und von Angaben verschiedener, in die Straftaten eingebundener Mitarbeiter der Unternehmen des Angeklagten geschätzt. Im Rahmen seines umfassenden Geständnisses hat der Angeklagte die Richtigkeit der tatsächlichen Grundlagen dieser Schätzung bestätigt. Dies war ihm auch möglich (vgl. [X.], Urteil vom 12. Mai 2009 - 1 [X.], [X.], 2546, 2547). Bei der Schätzung der Höhe der gezahlten [X.] sind daher Rechtsfehler nicht ersichtlich und im Übrigen auch nicht geltend gemacht.

bb) Zu schätzen war auch der in den einzelnen Tatmonaten anzuwendende Lohnsteuersatz. Auch insoweit weist das Urteil keinen Rechtsfehler auf.

Eine Schadensberechnung auf Grundlage des einheitlichen Eingangssteuersatzes der [X.] konnte nicht erfolgen, da es sich um Teilschwarzlohnzahlungen handelte, mithin Lohnsteuerkarten der einzelnen Arbeitnehmer vorlagen. Zu Grunde zu legen waren daher die individuellen Steuermerkmale der Arbeitnehmer, wobei allerdings für die überwiegende Zahl der Taten nicht zu ermitteln war, an welche konkreten Arbeitnehmer Teilschwarzlohnzahlungen geleistet wurden. Die Bestimmung eines nach Maßgabe der §§ 39b, 32a EStG eindeutigen Steuersatzes war daher nicht möglich.

Die [X.] hat deshalb auf Grundlage der noch vorhandenen Aufzeichnungen über [X.] in vier Tatmonaten den auf die Teilschwarzlohnzahlungen anfallenden Anteil der aus dem [X.] berechneten Lohnsteuer ermittelt. Den sich daraus ergebenden Durchschnittsprozentsatz hat sie - vermindert um einen Sicherheitsabschlag - der Berechnung der hinterzogenen Lohnsteuer zu Grunde gelegt.

Die Revision meint, dass hierdurch ein zu hoher durchschnittlicher Lohnsteuersatz zu Grunde gelegt worden sei. Der Senat teilt diese Bedenken nicht. Der von der [X.] der Schadensberechnung zu Grunde gelegte Prozentsatz ist nämlich nicht identisch mit dem durchschnittlichen Lohnsteuersatz. Er ist vielmehr von der Höhe des [X.] und dem darauf anfallenden Anteil der Teilschwarzlohnzahlungen abhängig. Hier wurden die für die Berechnung dieses Satzes erforderlichen Parameter zutreffend geschätzt (vgl. oben I. 3. a] aa]). Fehler bei der Berechnung selbst zeigt die Revision nicht auf und sind auch sonst nicht ersichtlich.

b) Zutreffend hat das [X.] zur Berechnung der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge die Teilschwarzlohnzahlungen gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV auf ein sozialversicherungspflichtiges Bruttoentgelt hochgerechnet. Auch in Fällen teilweiser [X.] findet § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV Anwendung ([X.], Beschluss vom 7. Oktober 2009 - 1 [X.], [X.], 29). Der Senat teilt die einfach- und verfassungsrechtlichen Bedenken, die seitens der Revision hiergegen erhoben werden, nicht. Namentlich steht der [X.]. Art. 103 Abs. 2 GG der Anwendung der Vorschrift nicht entgegen. Der Wortlaut der Vorschrift deckt deren Anwendung auch in Fällen von Teilschwarzlohnzahlungen. Angesichts des mit Einführung des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV vom Gesetzgeber verfolgten Zwecks, ist dessen Anwendung auch in Fällen der vorliegenden Art geboten ([X.] aaO).

Soweit bei der demnach zulässigen Hochrechnung [X.] vorliegen, kann der Senat ausschließen, dass sich diese im Ergebnis zu Lasten des Angeklagten ausgewirkt haben, zumal es sich ohnehin nur um Schätzungen handelt.

II.

1. Der Angeklagte [X.]     ermöglichte dem Angeklagten A.     die Auszahlung des [X.], indem er ihm sog. [X.] zur Verfügung stellte, denen tatsächlich erbrachte Leistungen nicht zu Grunde lagen. Aufgrund dieser Scheinrechnungen konnte der Angeklagte A.     einerseits die für die [X.] erforderlichen Barabhebungen von den Konten der Unternehmen in deren Buchhaltung verschleiern. Soweit die in den Scheinrechnungen ausgewiesenen Beträge die erforderliche Lohnsumme überstiegen, nutzte der Angeklagte A.     die Scheinrechnungen, um Barabhebungen für private Zwecke zu verschleiern. Die dadurch im Wege der verdeckten Gewinnausschüttung erzielten Einkünfte verschwieg er in seinen Einkommensteuererklärungen. Darüber hinaus machte der Angeklagte [X.]die in den Scheinrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend. Durch das Überlassen der [X.] förderte der Angeklagte [X.]    die durch den Angeklagten A.     insoweit verwirklichten Taten.

2. Die Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten [X.]   wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt.

a) Die durch die [X.] verkürzten Steuern, insbesondere die verkürzte Lohnsteuer, hat das [X.] zutreffend bestimmt (vgl. oben I. 1. b). Auch soweit hier bei der zulässigen Hochrechnung [X.] vorliegen, kann der Senat ausschließen, dass sich diese im Ergebnis zu Lasten des Angeklagten ausgewirkt haben.

b) Im Übrigen ist die Strafzumessung frei von durchgreifenden [X.] zum Nachteil des Angeklagten [X.]    .

Allerdings meint die [X.], die Strafrahmen für Beihilfe zur Steuerhinterziehung einerseits und zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt andererseits seien identisch. Dies trifft hier nicht zu. Die Strafe hinsichtlich der Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt wäre auch gemäß § 28 Abs. 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB zu mildern gewesen, da beim Angeklagten [X.]     das besondere persönliche Merkmal der Arbeitgebereigenschaft fehlt (vgl. auch [X.], Beschluss vom 8. Februar 2011 - 1 [X.], [X.], 972 mwN).

Dieser Fehler hat sich jedoch bei der Strafrahmenbestimmung im Ergebnis nicht ausgewirkt, da bei tateinheitlicher Erfüllung mehrerer Tatbestände die Strafe dem höheren Strafrahmen zu entnehmen ist (§ 52 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 StGB). Dies ist hier der gemilderte Strafrahmen wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 [X.], § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB, vgl. [X.] aaO).

Es ist nicht ersichtlich, dass sich der aufgezeigte Mangel bei der Strafzumessung ausgewirkt hat. Die von der [X.] zutreffend angeführten strafzumessungsrelevanten Gründe bleiben vom aufgezeigten Mangel unberührt.

[X.]                                  Wahl                                  Graf

                  Jäger                                   Sander

Meta

1 StR 90/11

14.06.2011

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Münster, 11. Oktober 2010, Az: 7 KLs 45 Js 397/09 - 9/10, Urteil

§ 27 StGB, § 28 Abs 1 StGB, § 49 Abs 1 StGB, § 266a Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.06.2011, Az. 1 StR 90/11 (REWIS RS 2011, 5776)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5776

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