Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.04.2012, Az. IV ZR 193/10

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 7189

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 193/10

Verkündet am:

18. April 2012

Heinekamp

Justizhauptsekretär

als Urkundsbeamter

der Ges[X.]häftsstelle

in dem Re[X.]htsstreit

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat dur[X.]h die [X.] Ri[X.]hterin [X.], [X.], [X.], die Ri[X.]hterin
[X.] und
den Ri[X.]hter Dr.
Kar[X.]zewski
auf die mündli[X.]he Verhandlung vom 18.
April 2012

für Re[X.]ht erkannt:

Auf die Revision der
Kläger
wird das Urteil des 14. Zivil-senats
in [X.]
des Oberlandesgeri[X.]hts Frankfurt am Main vom 8. Juni 2010 aufgehoben.

Die Sa[X.]he wird zur neuen Verhandlung und Ents[X.]heidung, au[X.]h über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgeri[X.]ht zurü[X.]kverwiesen.

Von Re[X.]hts wegen

Tatbestand:

Die Kläger ma[X.]hen
gegen die Beklagte S[X.]hadensersatzansprü[X.]he anlässli[X.]h des Abs[X.]hlusses einer [X.] Rentenversi[X.]herung mit Übers[X.]hussbeteiligung geltend.

Die Beklagte, ein [X.] Versi[X.]herungsunternehmen, vertrieb bis 2001 über Mitarbeiter ihrer [X.] Niederlassung Lebens-
und Rentenversi[X.]herungen mit Übers[X.]husssystem. Bei der Vermarktung ihrer 1
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Produkte stellte sie ihre hohen Übers[X.]hüsse aus der Vergangenheit mit Werten deutli[X.]h über denen ihrer [X.] Mitbewerber heraus.

Mit Wirkung zum 31.
Juli 2000 s[X.]hlossen die Kläger bei der [X.] einen Versi[X.]herungsvertrag über eine
"Sofort beginnende Ren-tenversi[X.]herung" ab. Hierna[X.]h war gegen Zahlung eines [X.] von 500.000
DM eine Jahresrente von 41.415
DM zu zahlen, wobei si[X.]h dieser Betrag jährli[X.]h um 8% verringerte. Der Vertrag unterfällt gemäß den ihm zu Grunde liegenden Versi[X.]herungsbedingungen [X.] Re[X.]ht. Na[X.]h den Bestimmungen zur Übers[X.]hussbeteiligung in Nr.
2 der "weiteren Vereinbarungen" werden zunä[X.]hst jährli[X.]h festgesetzte Über-s[X.]hussbeteiligungen dem jeweiligen Vertrag zugeordnet und Teil der ver-tragli[X.]h garantierten Leistung. Ferner kann bei vertragsgemäßer Fällig-keit von Versi[X.]herungsleistungen eine weitere Beteiligung an den Über-s[X.]hüssen in Form einer S[X.]hlussübers[X.]hussbeteiligung in Betra[X.]ht kom-men. Die Kläger finanzierten den zu leistenden Einmalbeitrag über ein Bankdarlehen zu 6,2% Zinsen jährli[X.]h.
Ab 2003 bra[X.]hen die Über-s[X.]husszuteilungen der [X.] ein.

Mitte der 1990er Jahre bekam die Beklagte S[X.]hwierigkeiten mit Verträgen [X.] Bestandskunden. Seit 1957 hatte sie in Großbritan-nien Versi[X.]herungsverträge mit garantierter Ablaufleistung (sog. "[X.] Annuity Rate", abgekürzt "[X.]") abges[X.]hlossen. Hierna[X.]h [X.] die Versi[X.]herungsnehmer bei Fälligkeit der Versi[X.]herung das [X.] zwis[X.]hen einer bestimmten garantierten Rente und der zum Zeit-punkt der Fälligkeit geltenden Übers[X.]hussrate, d.h. der am Kapitalmarkt dur[X.]h die Beklagte erwirts[X.]hafteten Rente. Ferner enthielten zahlrei[X.]he Verträge au[X.]h garantierte [X.] (sog. "Guaranteed Interest Ra-te", abgekürzt "[X.]"), die dem jeweiligen Versi[X.]herungsnehmer einen 3
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jährli[X.]hen Mindestwertzuwa[X.]hs gewährleisteten. Ab 1993 fielen die Zinssätze am Kapitalmarkt unter die Rentensätze bei garantierter [X.], woraufhin Versi[X.]herungsnehmer die vertragli[X.]h zugesagte hö-here Rente wählten. Den hieraus resultierenden finanziellen Belastungen begegnete die Beklagte dadur[X.]h, dass sie bei Inanspru[X.]hnahme einer im [X.] einen geringeren S[X.]hlussübers[X.]hussanteil zuteilte als bei Wahl der am Kapitalmarkt erwirts[X.]hafteten Rente (sog. "differentielle S[X.]hlussübers[X.]husspolitik"). Diese Praxis wurde der [X.] im sogenannten
"Hyman-Urteil" des [X.] [X.] vom 20.
Juli 2000 letztinstanzli[X.]h untersagt. Ihr wurde darin weiterhin verboten, den erforderli[X.]hen Mittelausglei[X.]h allein zwis[X.]hen den [X.] mit garantierter Ablaufleistung [X.] vorzunehmen. Die Auszahlung der höheren garantierten Renten war deshalb nur zu Lasten der Über-s[X.]hussbeteiligungen au[X.]h der übrigen Verträge ohne garantierte Rente mögli[X.]h.

Im August 2000 unterri[X.]htete die Beklagte die
Kläger über die Er-gebnisse des "[X.]". In dem Runds[X.]hreiben heißt es u.a.:

"Es war s[X.]hon immer die Unternehmensphilosophie der E.

L.

, die Gewinne in mögli[X.]hst hohem Umfang in Form von zeitnahen Übers[X.]hüssen an die Versi[X.]he-rungsnehmer weiterzugeben, anstatt hohe Reserven zu bilden, was zu geringeren Renditen für die Versi[X.]he-rungsnehmer führen würde. Im Gegensatz zu anderen [X.] Versi[X.]herungsunternehmen, die ebenfalls [X.]-Poli[X.]en vertrieben haben, hat E.

L.

daher keine zusätzli[X.]hen Reserven, die zur Abde[X.]kung der nun höheren Leistungen der [X.]-Verträge
herangezogen werden könnten. ..."

Die Beklagte führte in der Folgezeit ein sogenanntes
Verglei[X.]hs-planverfahren ("S[X.]heme of Arrangement") na[X.]h §
425 des [X.] 5

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Companies A[X.]t 1985 dur[X.]h. Dieses sieht im Ergebnis vor, dass die Ver-si[X.]herungsnehmer auf
Ansprü[X.]he, die in Zusammenhang mit den [X.] mit garantierter Ablaufleistung [X.] stehen, verzi[X.]hten und dafür ihr Versi[X.]herungswert um 2,5% erhöht wird. Der [X.] bestimmt insoweit:

"4.1 Am und mit Wirkung vom [X.]:

...

([X.]) werden alle mit [X.] zusammenhängenden Ansprü[X.]he, die ein unter die Regelung f[X.]der Versi[X.]herungsnehmer in Verbindung mit dem übers[X.]hussbeteiligten [X.]-
und/oder Ni[X.]ht-[X.]-Fonds unter Umständen oder mit Si-[X.]herheit hat, aufgehoben und vollständig, endgültig und unwiderrufli[X.]h erledigt; und

(d) werden vorbehaltli[X.]h Klausel 5, 8 und 12:

...

ii) die Ni[X.]ht-[X.]-Versi[X.]herungswerte und die Ni[X.]ht-[X.]-Garantiewerte einer unter die Regelung f[X.]den Versi-[X.]herung jeweils in Übereinstimmung mit den Vorkehrun-gen in Teil B des Anhangs erhöht."

Im Zuge dieses Verfahrens versandte die Beklagte umfangrei[X.]hes Informationsmaterial an die
Kläger. Hierzu gehörte eine im Dezember 2001 übermittelte Bros[X.]hüre mit dem Titel "Antworten auf Ihre Fragen", in der es
auszugsweise heißt:

"Die Zahlung der Leistungen aus Rentenversi[X.]herungen mit einem garantierten Rentensatz ([X.]), die die So[X.]iety bis 1988 abges[X.]hlossen hat, kostet heutzutage und viel-lei[X.]ht au[X.]h in Zukunft mehr, als die So[X.]iety erwartet hatte; und die So[X.]iety kann ni[X.]ht wissen, wie viel die [X.]-Leistungen in den nä[X.]hsten 40 Jahren tatsä[X.]hli[X.]h kosten n-

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tensatz (Ni[X.]ht-[X.]-Versi[X.]herungsnehmer) können unter Umständen Ansprü[X.]he gegenüber der So[X.]iety geltend ma[X.]hen, weil sie über das Bestehen oder die potentielle kostenmäßige Auswirkung der [X.] ni[X.]ht informiert oder ni[X.]ht ri[X.]htig informiert wurden. Diese Ansprü[X.]he sind in der Bes[X.]hreibung der mit [X.] zusammenhängen Ansprü-[X.]he inbegriffen. Sämtli[X.]he Kosten werden von den über-s[X.]hussbeteiligten Versi[X.]herungsnehmern der So[X.]iety ge-tragen. Wenn die vers[X.]hiedenen Ansprü[X.]he ni[X.]ht erledigt werden, könnten die zu ihrer Beilegung erforderli[X.]hen Maßnahmen die Übers[X.]hussanteile auf Jahre hinaus be-lasten. Dies bedeutet, dass der Wert Ihres übers[X.]hussbe-teiligten Vertrages gefährdet ist. Er ist bereits beeinträ[X.]h-tigt worden und wird mögli[X.]herweise ni[X.]ht mehr so s[X.]hnell steigen, wie er ohne diese Probleme gestiegen wäre."

Im "Vors[X.]hlag einer Verglei[X.]hsregelung", den die Kläger erhielten, ist weiterhin ausgeführt:

"Der historis[X.]he Ansatz der So[X.]iety hinsi[X.]htli[X.]h des [X.] zei[X.]hnete si[X.]h dur[X.]h die folgenden zwei Merkmale aus:

(i) dem sehr geringen Eigenkapital (falls überhaupt vor-handen)

Da die [X.] geglättet wurden, entspri[X.]ht der Betrag, um den die Versi[X.]herungswerte angehoben [X.], ni[X.]ht genau der Rendite, die tatsä[X.]hli[X.]h aus dem an-gelegten Vermögen erzielt wird. Das heißt, dass die Ge-samtsumme aller Versi[X.]herungswerte größer sein kann als der Gesamtwert des Vermögens. ...

Am 31.
Dezember 2000 überstieg die Gesamtsumme der Versi[X.]herungswerte den Vermögenswert um rund 10%. ..."

An anderer Stelle heißt es:

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"Darüber hinaus ist die Sterbli[X.]hkeitstabelle, die für die Versi[X.]herungen mit [X.]-Re[X.]hten verwendet wurde, über-holt, da die mens[X.]hli[X.]he Lebenserwartung gestiegen ist und Renten demzufolge länger ausgezahlt werden. Im Gegensatz zu den [X.] der So[X.]iety werden die aktuellen von der So[X.]iety und anderen Rentenanbietern [X.] unter Bezugnahme auf aktuelle Sterb-li[X.]hkeitstabellen bere[X.]hnet, bei denen davon ausgegan-gen wird, dass Rentenempfänger erhebli[X.]h länger leben als zu dem Zeitpunkt angenommen wurde, als die [X.] für die Versi[X.]herungen mit Übers[X.]hussbeteiligung mit [X.]-Re[X.]hten bere[X.]hnet wurden."

Die
Kläger sehen zahlrei[X.]he Aufklärungspfli[X.]htverletzungen der [X.]. Diese habe ihnen
folgende Umstände ni[X.]ht offenbart: riskan-tes Übers[X.]hussmodell, unzurei[X.]hend gebildetes De[X.]kungskapital, über-höhte Zuteilung von Übers[X.]hüssen in
der Vergangenheit, unzurei[X.]hende Sterbli[X.]hkeitsrü[X.]kstellungen, Garantieverspre[X.]hen in Verträgen [X.] Bestandskunden und Quersubventionierung von Altverbindli[X.]hkeiten dur[X.]h neue Versi[X.]herungsnehmer. Außerdem sei ihre Werbung mit Übers[X.]hüssen irreführend gewesen. Bei korrekter Aufklärung hätten sie keine Rentenversi[X.]herung mit Übers[X.]hussbeteiligung bei der [X.] abges[X.]hlossen und infolgedessen au[X.]h kein Bankdarlehen zur Finanzie-rung des [X.]
der Versi[X.]herung
aufgenommen.

Die Beklagte
meint, die
Kläger seien
an der Geltendma[X.]hung von Ansprü[X.]hen gehindert, da der [X.] na[X.]h englis[X.]hem Gesell-s[X.]haftsre[X.]ht dur[X.]h die erteilte geri[X.]htli[X.]he Genehmigung [X.] vom Ver-glei[X.]hsplan betroffenen Versi[X.]herungsnehmern gegenüber wirksam ge-worden sei. Hilfsweise erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung, weil sie in den Jahren 2000 und 2001 im Zuge der Information über die Ergebnisse des [X.] und den Vors[X.]hlag eines Verglei[X.]hs-plans die Kläger umfassend über die von ihnen
behaupteten Unregelmä-10
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8
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ßigkeiten informiert habe und daher Verjährung spätestens Ende 2004 eingetreten sei.

Das Landgeri[X.]ht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hierge-gen ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr
Be-gehren weiter.

Ents[X.]heidungsgründe:

Das Re[X.]htsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurü[X.]kverweisung der Sa[X.]he an das Berufungsgeri[X.]ht.

[X.] Das Berufungsgeri[X.]ht hat dem [X.] [X.]verfah-ren keine Sperrwirkung zugebilligt. Alle geltend gema[X.]hten Ansprü[X.]he seien aber na[X.]h §§
195, 199 Abs.
1 BGB verjährt. Dies gelte au[X.]h be-zügli[X.]h der Aufklärungspfli[X.]htverletzung, die auf die Verwendung [X.] gestützt worden sei. Aus den von der [X.] über-sandten Unterlagen habe si[X.]h ers[X.]hlossen, dass neben den vorgeworfe-nen strukturellen Defiziten (Übers[X.]hussmodell, Bildung von Reserven, De[X.]kungskapital) au[X.]h kalkulatoris[X.]he Versäumnisse vorgelegen hätten. Den
Klägern
sei weiterhin der einheitli[X.]he Haftungspool bekannt gewe-sen. Für die Kenntnis der behaupteten Aufklärungspfli[X.]htverletzung be-zügli[X.]h unzurei[X.]hender Sterbli[X.]hkeitsrü[X.]kstellungen sei ausrei[X.]hend ge-wesen, dass die Beklagte versi[X.]herungsmathematis[X.]he Fehler hinsi[X.]ht-li[X.]h der Gesamtheit der Verbindli[X.]hkeiten aufgezeigt habe.

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I[X.] Das hält re[X.]htli[X.]her Na[X.]hprüfung ni[X.]ht in jeder Hinsi[X.]ht stand.

1. Die Klage ist

wie das Berufungsgeri[X.]ht ri[X.]htig gesehen hat

zulässig. Die geri[X.]htli[X.]he Genehmigung ("[X.]ourt order") eines Verglei[X.]hs-plans ("S[X.]heme of Arrangement") na[X.]h
englis[X.]hem Gesells[X.]haftsre[X.]ht (Se[X.]t.
425 Companies A[X.]t 1985) steht der Zulässigkeit der Klage ni[X.]ht entgegen.

Wie der Senat in seinem Urteil vom 15.
Februar 2012 ([X.], juris Rn.
19
ff.)
ausgeführt hat, ist das [X.]verfahren kein anerkennungsfähiges ausländis[X.]hes Insolvenzverfahren. Eine Aner-kennung na[X.]h der Verordnung ([X.]) Nr.
44/2001 vom 22.
Dezember 2000 über die geri[X.]htli[X.]he Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstre-[X.]kung von Ents[X.]heidungen in Zivil-
und Handelssa[X.]hen (EuGVVO) findet ni[X.]ht statt. Ihr stehen bei einem [X.], der wie hier eine private Rentenversi[X.]herung betrifft, jedenfalls die Vors[X.]hriften über die Zustän-digkeit in Versi[X.]herungssa[X.]hen gemäß Artt.
8, 12
Abs.
1, 35 EuGVVO entgegen. Art. 8

EuGVVO ist in autonomer Weise weit auszulegen und erfasst
alle Streitigkeiten, die si[X.]h auf den Abs[X.]hluss, die Auslegung, die Dur[X.]hführung und die Beendigung eines Versi[X.]herungsvertrages bezie-hen ([X.] in [X.]/S[X.]hütze, Europäis[X.]hes Zivilverfahrensre[X.]ht, 3.
Aufl. Art.
8 EuGVVO Rn.
15). Mit dem S[X.]hutzgedanken des
Art.
8 EuGVVO ist es ni[X.]ht zu vereinbaren, dass -
wie dur[X.]h den geri[X.]htli[X.]h genehmigten [X.] vorgesehen -
Re[X.]hte eines Versi[X.]herungs-nehmers grundlegend umgestaltet werden, ohne hierbei den Geri[X.]hts-stand des Art.
12 Abs.
1 EuGVVO einhalten zu müssen (Senatsurteil vom 15.
Februar 2012 aaO
Rn.
27).
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2. Die Mehrzahl, jedo[X.]h ni[X.]ht alle der von den Klägern geltend gema[X.]hten S[X.]hadenersatzansprü[X.]he sind verjährt.

a) Wie das Berufungsgeri[X.]ht zutreffend ausgeführt hat,
ri[X.]htet si[X.]h die Verjährung der auf das negative Interesse geri[X.]hteten S[X.]hadenser-satzansprü[X.]he aus vorvertragli[X.]hem Vers[X.]hulden ni[X.]ht na[X.]h §
12 Abs.
1 [X.], sondern na[X.]h den §§
195, 199 BGB (Senatsurteil vom 15.
Februar 2012 aaO
Rn.
29; Senatsbes[X.]hluss vom 16.
Dezember 2009 -
IV ZR 195/08, [X.], 373 Rn.
12).
Diese beginnt gemäß §
199 Abs.
1 BGB mit dem S[X.]hluss des Jahres, in dem der Anspru[X.]h entstan-den ist und in dem der Gläubiger von den anspru[X.]hsbegründenden Um-ständen Kenntnis
erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müss-te.

b) Die von den Klägern vorgetragenen vers[X.]hiedenen Aufklärungs-pfli[X.]htverletzungen sind kein einheitli[X.]her Vorgang und daher getrennt darauf zu untersu[X.]hen, ob Verjährung eingetreten ist. Mehrere
Handlun-gen sind au[X.]h dann, wenn sie glei[X.]hartig sind und auf einem einheitli-[X.]hen Vorsatz des S[X.]hädigers beruhen, ni[X.]ht unter dem Gesi[X.]htspunkt eines zusammenhängenden Gesamtverhaltens als Einheit zu betra[X.]hten. Vielmehr stellt jede Handlung, die eigene S[X.]hadenfolgen zeitigt und dadur[X.]h zu dem Gesamts[X.]haden beiträgt, verjährungsre[X.]htli[X.]h eine neue selbständige S[X.]hädigung dar und erzeugt daher einen neuen Ersatzan-spru[X.]h mit eigenem Lauf der Verjährungsfrist (Senatsurteil vom 15.
Februar 2012 aaO Rn.
30; [X.],
Urteile vom 19.
November 2009 -
III ZR 169/08, juris Rn.
15 und vom 9.
November 2007 -
V [X.], [X.], 506 Rn.
16
f.).
18
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11
-

[X.]) Mangelnde Fälligkeit steht dem Beginn der Verjährung ni[X.]ht

anders als die Kläger meinen

entgegen. Zwar ist der hierfür maßgeb-li[X.]he Eintritt eines S[X.]hadens regelmäßig erst dann anzunehmen, wenn es zu einer konkreten Vers[X.]hle[X.]hterung der Vermögenslage des [X.] gekommen ist; der Eintritt einer risikobehafteten Situation rei[X.]ht [X.] regelmäßig ni[X.]ht aus. Jedo[X.]h kann der auf einer Aufklärungs-
oder Beratungspfli[X.]htverletzung beruhende Erwerb einer für den Anlageinte-ressenten na[X.]hteiligen, weil seinen konkreten Anlagezielen und [X.] ni[X.]ht entspre[X.]henden Kapitalanlage bereits für si[X.]h ge-nommen einen S[X.]haden darstellen und ihn deshalb -
unabhängig von der ursprüngli[X.]hen Werthaltigkeit der Anlage
-
dazu bere[X.]htigen, im Wege des S[X.]hadensersatzes die Rü[X.]kabwi[X.]klung zu verlangen; der Anspru[X.]h entsteht hierbei s[X.]hon mit dem (unwiderrufli[X.]hen und vollzogenen) Er-werb der Anlage (Senatsurteil vom 15.
Februar 2012 aaO Rn.
31; [X.], Urteile vom 22.
Juli 2010 -
III ZR 203/09, NJW-RR 2010, 1623 Rn.
10; vom 8.
Juli 2010 -
III ZR 249/09, [X.]Z 186, 152, Rn.
24;
vom 10. No-vember 2009 -
XI [X.], [X.]Z 183, 112 Rn.
46
und vom 8.
März 2005 -
XI ZR 170/04, [X.]Z 162, 306, 309
f.; jeweils m.w.N.). So liegt der Fall hier.

d) Die Feststellung, ob und wann Gläubiger positiv Kenntnis von bestimmten Umständen hatten oder ob ihre Unkenntnis auf grober Fahr-lässigkeit beruht, unterliegt als Ergebnis tatri[X.]hterli[X.]her Würdigung zwar nur einer einges[X.]hränkten Überprüfung dur[X.]h das Revisionsgeri[X.]ht [X.], ob der Streitstoff umfassend, widerspru[X.]hsfrei und ohne Verstoß gegen Denk-
und Erfahrungssätze gewürdigt worden ist, und ob der Tatri[X.]hter den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Grades der Fahrlässigkeit wesentli[X.]he Umstände außer 21
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12
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Betra[X.]ht gelassen hat (Senatsurteil vom 15.
Februar 2012 aaO Rn.
32; [X.], Urteile vom 15.
Juni 2010 -
XI [X.], NJW-RR 2010, 1574, Rn.
13; vom 23.
September 2008 -
XI [X.], [X.], 2155, Rn.
17). Die Frage, wann eine für den Beginn der Verjährung hinrei[X.]hen-de Kenntnis vorhanden ist, ist jedo[X.]h ni[X.]ht auss[X.]hließli[X.]h Tatfrage, son-dern wird maßgebli[X.]h dur[X.]h den der Beurteilung des Revisionsgeri[X.]hts unterliegenden Begriff der Zumutbarkeit der Klageerhebung geprägt ([X.] aaO). Na[X.]h diesen Grundsätzen können die behaupteten Ansprü-[X.]he wegen angebli[X.]her Aufklärungspfli[X.]htverletzungen nur teilweise als verjährt angesehen werden.

aa) Das Berufungsgeri[X.]ht hat ohne Re[X.]htsfehler Verjährung von Ansprü[X.]hen aus Aufklärungspfli[X.]htverletzungen angenommen, die im Zusammenhang mit den [X.]-
und [X.]-Verträgen, der differentiellen S[X.]hlussübers[X.]husspolitik, dem "Hyman-Urteil", dem angebli[X.]hen riskan-ten Übers[X.]hussmodell sowie dem behaupteten unzurei[X.]henden De-[X.]kungskapital stehen. Insoweit hatte die Beklagte im S[X.]hreiben vom [X.] und den Informationsunterlagen vom Dezember 2001 alle kenntnisbegründenden Umstände mitgeteilt. Den Klägern war entgegen ihrer Ansi[X.]ht bereits zu diesem Zeitpunkt bekannt, dass die abges[X.]hlos-sene Versi[X.]herung ni[X.]ht ihren Anlagezielen entspra[X.]h. Aus dem "Vor-s[X.]hlag einer Verglei[X.]hsregelung" ergibt si[X.]h,
dass die "Sofort beginnen-de Rentenversi[X.]herung"
der Kläger aufgrund ihrer Versi[X.]herungsnummer ni[X.]ht zu den sogenannten
"Deuts[X.]hen Sonderversi[X.]herungen" gehört, die vom [X.] ni[X.]ht betroffen waren. Daher gehörten die Kläger zum Adressatenkreis der S[X.]hreiben
der [X.]. Auf Grund der
von der [X.]
in ihren Mitteilungen offenbarten
Vermögenslage konnten die Kläger ni[X.]ht damit re[X.]hnen, dass die jährli[X.]h um 8% f[X.]den [X.] Auszahlungen aus ihrem Vertrag dur[X.]h jährli[X.]h entspre[X.]hend [X.]
-
13
-

mer weiter steigende Übers[X.]husszahlungen kompensiert werden, um dauerhaft pro Jahr das -
im Hinbli[X.]k auf die Fremdfinanzierung der Ein-malzahlung
-
bei der Anlageents[X.]heidung der Kläger von diesen zu Grunde gelegte [X.] zu errei[X.]hen.

bb) Ebenso verjährt ist der Anspru[X.]h aus
Aufklärungspfli[X.]htverlet-zung wegen angebli[X.]h überhöhter Übers[X.]husszahlungen.
Das Beru-fungsgeri[X.]ht hat die Passage aus dem "Vors[X.]hlag eines [X.]s" berü[X.]ksi[X.]htigt, in der die Beklagte offenbart, dass si[X.]h der historis[X.]he Ansatz ihres Finanzmanagements u.a. dur[X.]h das "sehr geringe Eigenka-pital (falls überhaupt vorhanden)" auszei[X.]hnete und Ende 2000 die Ge-samtsumme der Versi[X.]herungswerte den Vermögenswert um rund 10% überstieg, mit anderen Worten eine gravierende Unterde[X.]kung vorlag. Damit wurde offen gelegt, dass die Übers[X.]hussbeteiligungen in der [X.] zu ho[X.]h waren, weil Versi[X.]herungswerte wie die Übers[X.]hüs-se ohne Rü[X.]ksi[X.]ht auf die vorhandenen Vermögenswerte und ein hinrei-[X.]hendes Eigenkapital ausgewiesen worden waren.

[X.][X.]) Dagegen ist Verjährung ni[X.]ht eingetreten,
soweit die
Kläger behaupten, über unzurei[X.]hende Sterbli[X.]hkeitsrü[X.]kstellungen der [X.] ni[X.]ht aufgeklärt worden zu sein.

Zwar muss der Versi[X.]herer grundsätzli[X.]h keine Einzelauskünfte über seine Ges[X.]häftspolitik erteilen. [X.] er jedo[X.]h wie hier mit Über-s[X.]hussanteilen aus der Vergangenheit, so muss er den Interessenten darüber aufklären, wenn si[X.]h bei Vertragss[X.]hluss abzei[X.]hnet, dass die in der Vergangenheit erzielten Übers[X.]hüsse z.B. aufgrund veränderter dur[X.]hs[X.]hnittli[X.]her Lebenserwartung unwahrs[X.]heinli[X.]h bis ausges[X.]hlos-sen sind (Senatsurteil vom 15.
Februar 2012 aaO Rn.
38; [X.] Düssel-24
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14
-

dorf VersR 2001, 705; vgl. au[X.]h [X.] Koblenz VersR 2000, 1357; Mün[X.]hKomm-VVG/[X.], Vorb. §§
6,
7 Rn.
50). Der Hinweis, dass Übers[X.]hüsse aus der Vergangenheit ni[X.]ht garantiert werden könnten
oder Prognosen über die künftige Entwi[X.]klung unverbindli[X.]h seien, rei[X.]ht hierfür ni[X.]ht aus.

Entgegen der Ansi[X.]ht des Berufungsgeri[X.]hts haben die Mitteilun-gen der [X.] den Klägern keine hinrei[X.]hende Kenntnis der an-spru[X.]hsbegründenden Tatsa[X.]hen vers[X.]hafft. Die daraus vom Berufungs-geri[X.]ht herangezogenen Textpassagen offenbaren nur mangelnde Sterb-li[X.]hkeitsrü[X.]kstellungen von [X.]-Verträgen und betreffen ni[X.]ht den Vor-trag der Kläger, ihr Vertrag ohne [X.]-Re[X.]hte weise unzurei[X.]hende Sterbli[X.]hkeitsrü[X.]kstellungen auf. Soweit si[X.]h die Kläger weitergehend darauf berufen, dass es au[X.]h bei anderen Versi[X.]herungstarifen unzu-rei[X.]hende Sterbli[X.]hkeitsrü[X.]kstellungen gegeben habe, die Beklagte des-halb zu Sonderrü[X.]kstellungen gezwungen gewesen sei und dies wegen des einheitli[X.]hen [X.] zu Lasten der Übers[X.]hussbeteiligung ih-res
Vertrages gehe, ist hinrei[X.]hende Tatsa[X.]henkenntnis ni[X.]ht gegeben. In den vom Berufungsgeri[X.]ht herangezogenen Unterlagen wurde ni[X.]ht offenbart, dass erhöhte Rü[X.]kstellungen in Folge geänderter Sterbli[X.]h-keitsannahmen notwendig waren und diese wirts[X.]haftli[X.]h zu Lasten des [X.] gingen. Angesi[X.]hts der Komplexität der Materie und der Informationsmaterialien ist kein Raum für eine
grob fahrlässige Un-kenntnis
gemäß
§
199 Abs.
1 Nr.
2 BGB.

II[X.] Die Sa[X.]he ist no[X.]h ni[X.]ht ents[X.]heidungsreif, weil Feststellungen zu dem ni[X.]ht verjährten Anspru[X.]h fehlen. Im weiteren Verfahren wird das Berufungsgeri[X.]ht zu bea[X.]hten haben, dass es bei der Frage der Kausali-27
28
-
15
-

tät der behaupteten Aufklärungspfli[X.]htverletzung bezügli[X.]h der Verwen-dung veralteter Sterbetafeln für das Zustandekommen des Vertrages ni[X.]ht erforderli[X.]h ist, dass gerade die unzurei[X.]henden Sterbli[X.]hkeits-rü[X.]kstellungen zu dem Wertverfall der Versi[X.]herung geführt haben (vgl. Senatsurteil vom 15.
Februar 2012 aaO Rn.
40; [X.], Urteil vom 5. Juli 1993 -
II ZR 194/92, [X.]Z 123, 106, 111).

[X.] [X.] [X.]

[X.]

Dr. Kar[X.]zewski

Vorinstanzen:
[X.], Ents[X.]heidung vom 27.05.2009 -
4 O 2562/07 -

[X.] Frankfurt in [X.], Ents[X.]heidung vom 08.06.2010 -
14 U 129/09 -

Meta

IV ZR 193/10

18.04.2012

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.04.2012, Az. IV ZR 193/10 (REWIS RS 2012, 7189)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7189

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