Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.05.2013, Az. XII ZB 396/12

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 6035

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 396/12

vom

8.
Mai 2013

in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG §§
113 Abs.
1 Satz
2, 117 Abs.
1 Satz
4; ZPO §§
85 Abs.
2, 233 B, Gc
Eine erhebliche Arbeitsüberlastung des Rechtsanwalts
kann eine Wiedereinsetzung nur dann ausnahmsweise rechtfertigen, wenn sie plötzlich und unvorhersehbar ein-getreten ist und durch sie die Fähigkeit zu konzentrierter Arbeit erheblich einge-schränkt wird (im [X.] an Senatsbeschluss vom 1.
Februar 2012

XII
ZB
298/11
Z 2012, 621).
[X.], Beschluss vom 8. Mai 2013 -
XII ZB 396/12 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-

Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 8.
Mai 2013
durch den
Vorsitzenden
Richter
Dose,
die Richterin [X.] und die Richter
Dr. [X.], [X.] und Dr. Botur
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 4.
Senats für Familiensachen
des [X.]-Holsteinischen [X.] in [X.] vom 11.
Juni 2012 wird auf Kosten der Antragstelle-rin verworfen.
[X.]: 32.238

Gründe:
I.
Die Antragstellerin wendet sich mit der Rechtsbeschwerde gegen die Zu-rückweisung ihres Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Das Amtsgericht hat im Scheidungsverbund den Antrag der Antragstelle-rin auf nachehelichen Unterhalt und auf Verteilung der Haushaltsgegenstände zurückgewiesen und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Insoweit hat die Antragstellerin gegen den ihr am 27.
Februar 2012 zugestellten Beschluss Be-schwerde beim Amtsgericht eingelegt. Nach einem am 4.
Mai 2012 eingegan-genen Hinweis des [X.], dass bislang noch keine Beschwer-debegründung eingegangen sei, hat die Antragstellerin am 11.
Mai 2012 [X.] in den vorigen Stand und die Verlängerung der bereits abgelau-1
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-

fenen [X.] beantragt. Nach einem weiteren Hinweis des [X.] hat die Antragstellerin am 4.
Juni 2012 weiter zu ihrem Wiedereinsetzungsbegehren vorgetragen und die Beschwerde zum nacheheli-chen Unterhalt begründet.
Den Antrag auf Wiedereinsetzung hat die Antragstellerin damit begrün-det, dass am letzten [X.] aufgrund des [X.] bevorstehenden Urlaubsantritts ihres [X.]n in [X.] Kanzlei eine erheblich verstärkte Arbeitsbelastung bestanden habe. [X.] sei ihm an diesem Vormittag telefonisch mitgeteilt worden, dass sein ehe-maliger Sozius verstorben sei. Durch
diese Nachricht sei ihr [X.] persönlich stark betroffen gewesen, weshalb ihm die Konzentration auf die an diesem Tage ohnehin massenhaft zu erledigenden Arbeiten schwer gefallen sei. Zudem hätten aufgrund des Todes des ehemaligen Sozius in der Kanzlei eine Reihe organisatorischer Maßnahmen besprochen und geregelt werden müssen.

Das [X.] hat der Antragstellerin die begehrte Wiederein-setzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Beschwerde versagt. Dagegen richtet sich ihre Rechtsbeschwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach §
117 Abs.
1 Satz
4 FamFG iVm §§
238 Abs.
2 Satz
1, 522 Abs.
1 Satz
4, 574 Abs.
1 Nr.
1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig, weil es an den Voraussetzungen des §
574 Abs.
2 ZPO fehlt. Eine Entscheidung des [X.] ist entgegen der Auffassung 3
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4
-

der Antragstellerin nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung er-forderlich.
1. Das [X.] hat der Antragstellerin zu Recht die begehrte Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand versagt, weil auf der Grundlage ihres Vortrags ein ihr nach §
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG iVm §
85 Abs.
2 ZPO
zuzu-rechnendes [X.] nicht ausgeräumt ist. Es entlastet den [X.] der Antragstellerin nicht, dass er den Ablauf der Be-schwerdebegründungsfrist infolge der an diesem Tag bestehenden Arbeitsbe-lastung und der Kenntniserlangung vom plötzlichen Tode seines ehemaligen Sozius versäumt hat.
a) Grundsätzlich trägt der [X.] einer [X.] die Verantwortung dafür, dass die [X.] rechtzeitig bei dem zuständi-gen Gericht eingeht (Senatsbeschluss vom 1.
Februar 2012

XII
ZB
298/11

FamRZ 2012, 621 Rn.
11). Insbesondere wenn ein Rechtsanwalt die Frist zur Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels bis zum letzten Tag aus-schöpft, hat er wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos erhöh-te Sorgfalt aufzuwenden, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen (vgl. [X.] Beschlüsse vom 23.
April 1998

I
ZB
2/98

NJW 1998, 2677, 2678; vom 23.
Juni 2004

IV
ZB
9/04

FamRZ 2004, 1481 und vom 9.
Mai 2006

XI
ZB
45/04

FamRZ 2006, 1191). Zudem muss ein Rechtsanwalt nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] allgemeine Vorkehrungen dafür treffen, dass das zur Wahrung von Fristen Erforderliche auch dann unter-nommen wird, wenn er unvorhergesehen ausfällt (vgl. [X.] Beschluss vom 18.
September 2008

V
ZB
32/08

FamRZ
2008, 2271 Rn.
9 mwN).
Eine erhebliche Arbeitsüberlastung des Rechtsanwalts kann eine [X.] nur dann ausnahmsweise rechtfertigen, wenn sie plötzlich und 6
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8
-
5
-

unvorhersehbar eingetreten ist und durch sie die Fähigkeit zu konzentrierter Arbeit erheblich eingeschränkt wird (vgl. Senatsbeschluss vom 1.
Februar 2012

XII
ZB
298/11

FamRZ 2012, 621 Rn.
16 mwN).
b) Auf dieser Grundlage ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ge-gen die Versäumung der [X.] abgelehnt hat.
Zwar ist der Rechtsbeschwerde einzuräumen, dass die erhöhte Arbeits-belastung kurz vor seinem Urlaub und die Nachricht vom plötzlichen Tod seines ehemaligen Sozius für den [X.]n der Antragstellerin eine besondere Belastung dargestellt haben dürften. Gleichwohl handelte es sich nicht um eine Situation, die ihn von seiner anwaltlichen Pflicht, die Einhaltung von [X.] sorgfältig zu überwachen, entbinden konnte. [X.] ist der erhöhte Arbeitsanfall an diesem Tag nicht plötzlich und unvorher-sehbar eingetreten. Der [X.] der Antragstellerin wollte am nächsten Morgen
eine mehrtägige Urlaubsreise antreten. Am letzten Ar-beitstag vor einem Urlaub ist es nicht ungewöhnlich, dass ein besonders großer Arbeitsanfall besteht. Die im Rahmen der Fristenüberwachung einzuhaltende Sorgfalt eines Rechtsanwalts hätte es daher erfordert, dass der [X.] seine Tätigkeit an diesem Tag so organisiert, dass vor seiner Ab-reise die notwendigen fristwahrenden Maßnahmen getroffen werden, zumal für diesen Tag nur noch die Rechtsmittelbegründungsfrist des vorliegenden Verfah-rens in der [X.] notiert war. Hinzu kommt, dass nach dem eigenen Vor-trag der Antragstellerin die Fristenkontrolle in der Kanzlei des [X.]n so organisiert ist, dass jeder Anwalt eigenverantwortlich Rechts-mittelfristen überwacht.
Auch deshalb wäre der [X.] der Antragstellerin verpflichtet gewesen, vor dem Verlassen der Kanzlei an diesem Abend zu prüfen, ob sämtliche Fristsachen erledigt sind.
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6
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Im vorliegenden Fall hätte es zur Fristwahrung sogar ausgereicht,
beim Beschwerdegericht einen Antrag auf Verlängerung der Beschwerdebegrün-dungsfrist einzureichen, der mit der Arbeitsüberlastung hätte begründet werden können. Bei einem ersten Antrag auf Verlängerung einer Rechtsmittelbegrün-dungsfrist sind nach der Rechtsprechung des [X.] keine hohen Anforderungen an die erforderliche Darlegung der erheblichen Gründe für die Notwendigkeit der Fristverlängerung zu stellen. Der Anwalt kann vielmehr grundsätzlich erwarten, dass seinem Antrag entsprochen wird, wenn er einen der im Gesetz genannten Gründe vorträgt. Auf diese höchstrichterliche Recht-sprechung darf der Anwalt vertrauen; die unteren Instanzen dürfen aus Grün-den der Rechtsstaatlichkeit nicht zum Nachteil der betroffenen [X.]en stren-gere Maßstäbe anlegen ([X.] Beschluss vom 10.
Juni 2010

V
ZB
42/10

NJW-RR 2011, 285 Rn.
8 mwN).
Von dieser Verpflichtung, beim zuständigen [X.] zumin-dest eine Verlängerung der [X.] zu beantragen, war der [X.] vorliegend auch nicht deshalb entbunden, weil er an diesem Tag von dem Tode seines ehemaligen Sozius erfahren hat. [X.] der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Beschwerdegericht die-sen Gesichtspunkt auch nicht übergangen. Es hat vielmehr zutreffend darauf hingewiesen, dass der [X.] trotz dieser Nachricht, die ihn sicherlich persönlich betroffen machte, in der Lage war, bis 23.00
Uhr an [X.] zu arbeiten und daher auch nicht soweit in seiner Arbeitsfähigkeit be-einträchtigt war, dass er keinen Fristverlängerungsantrag mehr stellen konnte.
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7
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2. Weil die Antragstellerin sich das Verschulden ihres Verfahrensbevoll-mächtigten zurechnen lassen muss (§
117 Abs.
1 Satz
2 FamFG iVm §
85 Abs.
2 ZPO), hat sie die Frist zur Begründung ihrer Beschwerde nicht schuldlos versäumt. Das [X.] hat ihr die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §
113 Abs.
1 FamFG iVm §
233 ZPO daher zu Recht ver-sagt.

Dose

Vézina

[X.]

Günter

Botur

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 15.02.2012 -
47 F 230/00 -

OLG [X.], Entscheidung vom 11.06.2012 -
13 UF 32/12 -

13

Meta

XII ZB 396/12

08.05.2013

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.05.2013, Az. XII ZB 396/12 (REWIS RS 2013, 6035)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6035

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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