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Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Beschwerdebegründung in einer Familiensache: Entschuldigung einer Fristversäumung infolge Arbeitsüberlastung des Rechtsanwalts
Eine erhebliche Arbeitsüberlastung des Rechtsanwalts kann eine Wiedereinsetzung nur dann ausnahmsweise rechtfertigen, wenn sie plötzlich und unvorhersehbar eingetreten ist und durch sie die Fähigkeit zu konzentrierter Arbeit erheblich eingeschränkt wird (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 1. Februar 2012, XII ZB 298/11, FamRZ 2012, 621).
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 4. [X.] des [X.] in [X.] vom 11. Juni 2012 wird auf Kosten der Antragstellerin verworfen.
[X.]: 32.238 €
I.
Die Antragstellerin wendet sich mit der Rechtsbeschwerde gegen die Zurückweisung ihres Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Das Amtsgericht hat im Scheidungsverbund den Antrag der Antragstellerin auf nachehelichen Unterhalt und auf Verteilung der Haushaltsgegenstände zurückgewiesen und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Insoweit hat die Antragstellerin gegen den ihr am 27. Februar 2012 zugestellten Beschluss Beschwerde beim Amtsgericht eingelegt. Nach einem am 4. Mai 2012 eingegangenen Hinweis des [X.], dass bislang noch keine Beschwerdebegründung eingegangen sei, hat die Antragstellerin am 11. Mai 2012 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Verlängerung der bereits abgelaufenen [X.] beantragt. Nach einem weiteren Hinweis des [X.] hat die Antragstellerin am 4. Juni 2012 weiter zu ihrem Wiedereinsetzungsbegehren vorgetragen und die Beschwerde zum nachehelichen Unterhalt begründet.
Den Antrag auf Wiedereinsetzung hat die Antragstellerin damit begründet, dass am letzten Tag der [X.] aufgrund des unmittelbar bevorstehenden Urlaubsantritts ihres [X.]n in dessen Kanzlei eine erheblich verstärkte Arbeitsbelastung bestanden habe. Außerdem sei ihm an diesem Vormittag telefonisch mitgeteilt worden, dass sein ehemaliger Sozius verstorben sei. Durch diese Nachricht sei ihr [X.]r persönlich stark betroffen gewesen, weshalb ihm die Konzentration auf die an diesem Tage ohnehin massenhaft zu erledigenden Arbeiten schwer gefallen sei. Zudem hätten aufgrund des Todes des ehemaligen Sozius in der Kanzlei eine Reihe organisatorischer Maßnahmen besprochen und geregelt werden müssen.
Das [X.] hat der Antragstellerin die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Beschwerde versagt. Dagegen richtet sich ihre Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG iVm §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig, weil es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Eine Entscheidung des [X.] ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
1. Das [X.] hat der Antragstellerin zu Recht die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt, weil auf der Grundlage ihres Vortrags ein ihr nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes [X.] nicht ausgeräumt ist. Es entlastet den [X.]n der Antragstellerin nicht, dass er den Ablauf der [X.] infolge der an diesem Tag bestehenden Arbeitsbelastung und der Kenntniserlangung vom plötzlichen Tode seines ehemaligen Sozius versäumt hat.
a) Grundsätzlich trägt der [X.] einer [X.] die Verantwortung dafür, dass die [X.] rechtzeitig bei dem zuständigen Gericht eingeht (Senatsbeschluss vom 1. Februar 2012 - [X.] 298/11 - FamRZ 2012, 621 Rn. 11). Insbesondere wenn ein Rechtsanwalt die Frist zur Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels bis zum letzten Tag ausschöpft, hat er wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos erhöhte Sorgfalt aufzuwenden, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen (vgl. [X.] Beschlüsse vom 23. April 1998 - [X.] - NJW 1998, 2677, 2678; vom 23. Juni 2004 - [X.] - FamRZ 2004, 1481 und vom 9. Mai 2006 - [X.]/04 - [X.], 1191). Zudem muss ein Rechtsanwalt nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] allgemeine Vorkehrungen dafür treffen, dass das zur Wahrung von Fristen Erforderliche auch dann unternommen wird, wenn er unvorhergesehen ausfällt (vgl. [X.] Beschluss vom 18. September 2008 - [X.]/08 - [X.], 2271 Rn. 9 mwN).
Eine erhebliche Arbeitsüberlastung des Rechtsanwalts kann eine Wiedereinsetzung nur dann ausnahmsweise rechtfertigen, wenn sie plötzlich und unvorhersehbar eingetreten ist und durch sie die Fähigkeit zu konzentrierter Arbeit erheblich eingeschränkt wird (vgl. Senatsbeschluss vom 1. Februar 2012 - [X.] 298/11 - FamRZ 2012, 621 Rn. 16 mwN).
b) Auf dieser Grundlage ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der [X.] abgelehnt hat.
Zwar ist der Rechtsbeschwerde einzuräumen, dass die erhöhte Arbeitsbelastung kurz vor seinem Urlaub und die Nachricht vom plötzlichen Tod seines ehemaligen Sozius für den [X.]n der Antragstellerin eine besondere Belastung dargestellt haben dürften. Gleichwohl handelte es sich nicht um eine Situation, die ihn von seiner anwaltlichen Pflicht, die Einhaltung von [X.] sorgfältig zu überwachen, entbinden konnte. Insbesondere ist der erhöhte Arbeitsanfall an diesem Tag nicht plötzlich und unvorhersehbar eingetreten. Der [X.] der Antragstellerin wollte am nächsten Morgen eine mehrtägige Urlaubsreise antreten. Am letzten Arbeitstag vor einem Urlaub ist es nicht ungewöhnlich, dass ein besonders großer Arbeitsanfall besteht. Die im Rahmen der Fristenüberwachung einzuhaltende Sorgfalt eines Rechtsanwalts hätte es daher erfordert, dass der [X.] seine Tätigkeit an diesem Tag so organisiert, dass vor seiner Abreise die notwendigen fristwahrenden Maßnahmen getroffen werden, zumal für diesen Tag nur noch die Rechtsmittelbegründungsfrist des vorliegenden Verfahrens in der [X.] notiert war. Hinzu kommt, dass nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin die Fristenkontrolle in der Kanzlei des [X.]n so organisiert ist, dass jeder Anwalt eigenverantwortlich [X.] überwacht. Auch deshalb wäre der [X.] der Antragstellerin verpflichtet gewesen, vor dem Verlassen der Kanzlei an diesem Abend zu prüfen, ob sämtliche Fristsachen erledigt sind.
Im vorliegenden Fall hätte es zur Fristwahrung sogar ausgereicht, beim Beschwerdegericht einen Antrag auf Verlängerung der [X.] einzureichen, der mit der Arbeitsüberlastung hätte begründet werden können. Bei einem ersten Antrag auf Verlängerung einer Rechtsmittelbegründungsfrist sind nach der Rechtsprechung des [X.] keine hohen Anforderungen an die erforderliche Darlegung der erheblichen Gründe für die Notwendigkeit der Fristverlängerung zu stellen. Der Anwalt kann vielmehr grundsätzlich erwarten, dass seinem Antrag entsprochen wird, wenn er einen der im Gesetz genannten Gründe vorträgt. Auf diese höchstrichterliche Rechtsprechung darf der Anwalt vertrauen; die unteren Instanzen dürfen aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit nicht zum Nachteil der betroffenen [X.]en strengere Maßstäbe anlegen ([X.] Beschluss vom 10. Juni 2010 - [X.]/10 - NJW-RR 2011, 285 Rn. 8 mwN).
Von dieser Verpflichtung, beim zuständigen [X.] zumindest eine Verlängerung der [X.] zu beantragen, war der [X.] vorliegend auch nicht deshalb entbunden, weil er an diesem Tag von dem Tode seines ehemaligen Sozius erfahren hat. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Beschwerdegericht diesen Gesichtspunkt auch nicht übergangen. Es hat vielmehr zutreffend darauf hingewiesen, dass der [X.] trotz dieser Nachricht, die ihn sicherlich persönlich betroffen machte, in der Lage war, bis 23.00 Uhr an diesem Tag zu arbeiten und daher auch nicht soweit in seiner Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt war, dass er keinen Fristverlängerungsantrag mehr stellen konnte.
2. Weil die Antragstellerin sich das Verschulden ihres [X.]n zurechnen lassen muss (§ 117 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 85 Abs. 2 ZPO), hat sie die Frist zur Begründung ihrer Beschwerde nicht schuldlos versäumt. Das [X.] hat ihr die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 113 Abs. 1 FamFG iVm § 233 ZPO daher zu Recht versagt.
Dose [X.] [X.]
[X.]
Meta
08.05.2013
Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat
Beschluss
Sachgebiet: ZB
vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 11. Juni 2012, Az: 13 UF 32/12
§ 113 Abs 1 S 2 FamFG, § 117 Abs 1 S 4 FamFG, § 85 Abs 2 ZPO, § 233 ZPO, § 234 ZPO
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.05.2013, Az. XII ZB 396/12 (REWIS RS 2013, 6011)
Papierfundstellen: REWIS RS 2013, 6011
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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