Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.07.2013, Az. XI ZR 363/11

11. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 4131

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Gegenstand

Bankenhaftung bei Kapitalanlageberatung: Aufklärungspflicht für Rückvergütungen aus offen ausgewiesenen Vertriebskosten eines geschlossenen Immobilienfonds


Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 3. Zivilsenats des [X.] vom 15. Juli 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als im Verhältnis zur [X.] zu 1) hinsichtlich des Vorwurfs der unterbliebenen Aufklärung über die von der [X.] zu 1) vereinnahmten Rückvergütungen zum Nachteil des [X.] entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger macht in der Revisionsinstanz nur noch gegenüber der [X.] zu 1) (nachfolgend: Beklagte) Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit der Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds geltend.

2

Bei einem Treffen am 29. Oktober 1998 mit dem Mitarbeiter [X.]der [X.] zeichnete der Kläger eine Kommanditbeteiligung an dem geschlossenen Immobilienfonds L.                                                (nachfolgend: Fonds).

3

Der Fonds investierte in sechs eigenständige Büro- und Verwaltungsgebäude am S.                . Hauptmieter der Fondsgebäude war der [X.]          , mit dem ein Mietvertrag mit einer Vertragslaufzeit von zehn Jahren, der eine Verlängerungsoption enthielt, geschlossen worden war. Der Kläger beteiligte sich mit einer Beteiligungssumme von 1 Mio. DM, wobei, wie im Prospekt vorgesehen, das Beteiligungskapital zu 73,1% aus Eigenmitteln des Anlegers und zu 26,9% über eine obligatorische Anteilsfinanzierung aufgebracht wurde. Neben seiner Beitrittserklärung unterzeichnete der Kläger einen Übernahme-/Darlehensvertrag über 269.000 DM. Mittels dieses Vertrages übernahm der Kläger entsprechend dem Konzept des Fonds anteilig ein von der M.                                                 bei der früheren [X.] zu 2) aufgenommenes Darlehen. Mit der früheren [X.] zu 3) wurde vereinbart, dass diese die aus der Beteiligung erwachsenen Rechte des [X.] treuhänderisch für diesen wahrnehmen sollte.

4

Die mit dem [X.] geschlossenen Mietverträge liefen im [X.] aus und wurden von diesem nicht verlängert. Infolge der ausbleibenden Mietzahlungen in Höhe von mehr als 1 Mio. DM monatlich kam die [X.] in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Da eine Neuvermietung nur nach umfassenden baulichen Maßnahmen möglich gewesen wäre, wurden die Fondsobjekte im [X.] veräußert. Der Erlös von gut 37 Mio. € reichte nicht aus, um die Restverbindlichkeiten aus der Immobilienfinanzierung vollständig zu decken.

5

Die Ausschüttungen des Fonds kamen in Höhe von 47.396,30 € dem Kläger direkt zugute. In Höhe von 79.107,07 € wurden die Ausschüttungen dazu verwendet, das Darlehen des [X.] bei der früheren [X.] zu 2) zu bedienen. Das Darlehen war tilgungsfrei. [X.] wurden nur Zinsen und Auslagen.

6

Der Kläger hat die Beklagte unter anderem deswegen auf Schadensersatz in Anspruch genommen, weil deren Mitarbeiter nicht über vereinnahmte Rückvergütungen informiert habe. Das [X.] hat unter vollständiger Abweisung der Klage gegen die früheren [X.] zu 2) und zu 3) der Klage des [X.] gegen die Beklagte zu 1) unter Abweisung im Übrigen in Höhe von 326.358,17 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Abtretung der Kommanditanteile sowie wegen vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 4.890,66 € nebst Zinsen stattgegeben. Ebenso hat es den gegen die Beklagte zu 1) gerichteten Anträgen auf Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden und des Annahmeverzuges stattgegeben. Auf die Widerklage der früheren [X.] zu 2) hat das [X.] den Kläger verurteilt, an diese den noch offenen Darlehensbetrag in Höhe von 140.288,27 € nebst 2,5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2008 zu zahlen. Gegen dieses Urteil haben der Kläger und die Beklagte zu 1) Berufung eingelegt. Das landgerichtliche Urteil ist wegen Berufungsrücknahme des [X.] im Verhältnis zu den früheren [X.] zu 2) und 3) (Klageabweisung und Widerklageverurteilung) rechtskräftig geworden. In der Berufungsinstanz hat die Beklagte zu 1) die vollständige Klageabweisung begehrt. Der Kläger hat demgegenüber neben seinem Schaden in voller Höhe von 450.775,37 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Abtretung seiner Kommanditanteile, den vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 4.890,66 € und den beiden Feststellungsanträgen auch die Freistellung von dem Darlehensrückzahlungsanspruch der früheren [X.] zu 2) in Höhe von 140.288,27 € nebst Zinsen geltend gemacht. Das Berufungsgericht hat unter Zurückweisung der Berufung des [X.] auf die Berufung der [X.] zu 1) die gegen sie gerichtete Klage abgewiesen. Der Senat hat die Revision des [X.] gegen das Berufungsurteil nur zugelassen, soweit es um den Vorwurf der unterbliebenen oder fehlerhaften Aufklärung über die von der [X.] zu 1) vereinnahmten Provisionen oder Rückvergütungen geht. In diesem Umfang verfolgt der Kläger sein Klagebegehren gegenüber der [X.] zu 1) weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung.

I.

8

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe ihre aus einem [X.] fließende Pflicht, über Rückvergütungen aufzuklären, nicht verletzt. Die Beklagte habe eine Innenprovision erhalten, keine Rückvergütung. Der Umstand, dass die Provision aus den offen im Prospekt ausgewiesenen Eigenkapitalvermittlungskosten geflossen sei, ändere an dieser Einordnung nichts, da die offen ausgewiesenen Eigenkapitalvermittlungskosten nicht aus offen ausgewiesenen Provisionen, sondern aus dem Anlagevermögen gezahlt worden seien.

II.

9

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.

1. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist zwischen dem Kläger und der [X.] stillschweigend ein [X.] zustande gekommen.

2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht eine [X.] aus diesem Beratungsvertrag in Bezug auf die von der [X.] vereinnahmte Provision verneint.

a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats ist eine Bank aus dem [X.] verpflichtet, über die von ihr vereinnahmte [X.] aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen ungefragt aufzuklären. [X.] Rückvergütungen in diesem Sinne sind - regelmäßig umsatzabhängige - Provisionen, die im Gegensatz zu versteckten Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie zum Beispiel [X.] und [X.] gezahlt werden, deren Rückfluss an die [X.] aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt. Hierdurch kann beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage entstehen, er kann jedoch das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erkennen (vgl. nur Senatsbeschluss vom 9. März 2011 - [X.], [X.], 925 Rn. 25 und Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - [X.], [X.], 159 Rn. 17). Danach handelt es sich, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, auch dann um aufklärungspflichtige Rückvergütungen, wenn diese nicht aus einem Agio oder aus Verwaltungsgebühren, sondern aus sonstigen offen ausgewiesenen Vertriebskosten fließen, wobei es auch nicht darauf ankommt, ob die Zahlung des Anlegers "über die Bank" oder direkt an die Fondsgesellschaft erfolgt (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - [X.], [X.], 159 Rn. 18 mwN).

bb) Die Beklagte hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sowie den von ihm in Bezug genommenen Feststellungen des [X.] eine Provision in Höhe von 50.000 DM aus den im Prospekt in Höhe von ca. 7,9 Mio. DM ausgewiesenen Kosten für die [X.] erhalten. Dabei handelt es sich - wie der erkennende Senat zum selben Fonds bereits entschieden hat (Senatsurteil vom 11. September 2012 - [X.], [X.], 513 Rn. 17) - um eine Rückvergütung im Sinne der Senatsrechtsprechung, über die die Beklagte den Kläger ungefragt hätte aufklären müssen. Das hat der Mitarbeiter der [X.] nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bzw. des [X.] unstreitig nicht getan. Auch aus dem Prospekt war nicht zu ersehen, dass die Beklagte einen Teil der [X.]skosten erhalten sollte.

III.

Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Sollte es im weiteren Verfahren auf die Frage der Kausalität oder der Verjährung ankommen, weist der Senat auf die Ausführungen in seinen Urteilen vom 8. Mai 2012 ([X.], [X.], 159 Rn. 28 ff.) und vom 26. Februar 2013 ([X.], [X.], 609 Rn. 26 ff.) hin. Ferner weist der Senat darauf hin, dass wegen der Rücknahme der Berufung des [X.] gegen die frühere Beklagte zu 2) am 6. Juni 2011 die auf die Widerklage der [X.] zu 2) erfolgte Verurteilung des [X.] vor Erlass des Berufungsurteils rechtskräftig geworden ist und daher die Änderung des landgerichtlichen Tenors im Berufungsurteil insofern ins Leere ging, was bei der erneuter Tenorierung zu beachten sein wird.

[X.]                          Joeres                            Ellenberger

                   [X.]

Meta

XI ZR 363/11

16.07.2013

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Koblenz, 15. Juli 2011, Az: 3 U 578/10

§ 280 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.07.2013, Az. XI ZR 363/11 (REWIS RS 2013, 4131)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4131

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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