Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.04.2013, Az. II R 17/10

2. Senat | REWIS RS 2013, 6321

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Gegenstand

(Mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG)


Leitsatz

1. Die mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG ist ausschließlich nach wirtschaftlichen Maßstäben zu beurteilen. Kapital- und Personengesellschaften sind hierbei gleichermaßen als transparent zu betrachten.

2. Eine Veränderung der Beteiligungsverhältnisse an einer im maßgeblichen Fünfjahreszeitraum unmittelbar an der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft beteiligt gebliebenen Kapital- oder Personengesellschaft lässt diese nur dann fiktiv zu einer neuen Gesellschafterin werden, wenn sich in diesem Zeitraum deren Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar, d.h. auf den weiteren Beteiligungsebenen, im wirtschaftlichen Ergebnis vollständig geändert hat.

Tatbestand

1

I. Die [X.]lägerin und Revisionsklägerin ([X.]lägerin) ist eine grundstücksbesitzende [X.]. Alleingesellschafterin der mit 6 % an ihrem Gesellschaftsvermögen beteiligten persönlich haftenden Gesellschafterin ([X.]) ist eine weitere GmbH ([X.]), deren alleinige Gesellschafterin zunächst die [X.] war. Die [X.] veräußerte zum 1. Januar 2005 die Hälfte ihrer Beteiligung an der [X.] an die [X.], eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Den restlichen Anteil an der [X.] übertrug die [X.] am 31. März 2006 auf eine 100 %ige Tochtergesellschaft (I-GmbH). Die einzige [X.]ommanditistin der [X.]lägerin, die [X.], übertrug ihre Beteiligung an der [X.]lägerin am 16. März 2006 auf die H-GmbH.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) stellte mit Bescheid vom 3. September 2008 gegenüber der [X.]lägerin fest, dass bei ihr am 31. März 2006 ein Gesellschafterwechsel i.S. des § 1 Abs. 2a des Grunderwerbsteuergesetzes ([X.]) stattgefunden habe. Der Einspruch blieb erfolglos.

3

Das Finanzgericht (FG) wies die [X.]lage durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1240 veröffentlichte Urteil mit der Begründung ab, der Tatbestand des § 1 Abs. 2a [X.] sei erfüllt. Der Gesellschafterbestand der [X.]lägerin habe sich durch die Übertragung der [X.]ommanditbeteiligung der [X.] auf die H-GmbH zu 94 % unmittelbar geändert. Aufgrund der Übertragung der Beteiligung der [X.] an der [X.] auf die [X.] und die I-GmbH je zur Hälfte habe sich der Gesellschafterbestand der [X.]lägerin am 31. März 2006 zu weiteren 6 % mittelbar geändert.

4

Mit der Revision rügt die [X.]lägerin die Verletzung von § 1 Abs. 2a [X.] und Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes. In den Fällen des bloßen Zwischenschaltens einer 100 %igen Tochtergesellschaft eines Gesellschafters der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft finde kein Übergang auf neue Gesellschafter i.S. des § 1 Abs. 2a [X.] statt. Zudem sei [X.] beim Erwerb der Beteiligung an der [X.] als Gesellschafter an der [X.] beteiligt gewesen. Im Übrigen sei § 1 Abs. 2a [X.] im Hinblick auf die Erfassung mittelbarer Gesellschafterwechsel wegen eines strukturellen Vollzugsdefizits verfassungswidrig.

5

Die [X.]lägerin beantragt, die Vorentscheidung und den Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer vom 3. September 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. März 2009 aufzuheben.

6

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

7

Nach der Auffassung des [X.], das dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten ist, ist im Hinblick auf die mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft in Übereinstimmung mit den gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 25. Februar 2010 (BStBl I 2010, 245) danach zu unterscheiden, ob an der Personengesellschaft eine Personen- oder [X.]apitalgesellschaft beteiligt ist. Die Gesellschafter einer [X.]apitalgesellschaft seien nämlich anders als die Gesellschafter einer Personengesellschaft nur an dieser selbst, nicht aber an deren Vermögen beteiligt. Anders als bei einer beteiligten Personengesellschaft könne bei Beteiligung einer [X.]apitalgesellschaft daher nicht durchgerechnet werden. Bei Beteiligung einer [X.]apitalgesellschaft an der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft liege nach dem Sinn und Zweck des § 1 Abs. 2a Satz 1 [X.] ein mittelbarer Gesellschafterwechsel bei der Personengesellschaft dann vor, wenn sich der Gesellschafterbestand der [X.]apitalgesellschaft unmittelbar oder mittelbar um mindestens 95 % der Anteile ändere. Die [X.]apitalgesellschaft sei in einem solchen Fall als neuer Gesellschafter i.S. des § 1 Abs. 2a Satz 1 [X.] anzusehen. Bei den an einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Personengesellschaften sei demgegenüber ein Durchgriff auf deren Gesellschafter möglich, so dass insoweit, wie in den Erlassen in BStBl I 2010, 245 vorgesehen, durchzurechnen sei.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung und des Feststellungsbescheids vom 3. September 2008 (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]O). Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 [X.] wurde entgegen der Ansicht des [X.] nicht verwirklicht. Der [X.]erbestand der [X.]lägerin hat sich nicht, wie von dieser Vorschrift vorausgesetzt, innerhalb von fünf Jahren unmittelbar oder mittelbar dergestalt geändert, dass mindestens 95 % der Anteile am [X.]svermögen auf neue [X.]er übergegangen sind. Die unmittelbare Änderung des [X.]erbestandes durch die Übertragung der [X.]ommanditbeteiligung der [X.] auf die H-GmbH am 16. März 2006 betraf lediglich 94 % der Anteile am [X.]svermögen der [X.]lägerin. Zu weiteren im Rahmen des § 1 Abs. 2a Satz 1 [X.] zu berücksichtigenden Änderungen des [X.]erbestandes der [X.]lägerin ist es nicht gekommen. Die Veränderungen auf den [X.] oberhalb der persönlich haftenden [X.]erin, der [X.], erfüllen nicht das Tatbestandsmerkmal der mittelbaren Änderung des [X.]erbestandes der [X.]lägerin.

9

1. Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von fünf Jahren der [X.]erbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 95 % der Anteile am [X.]svermögen auf neue [X.]er übergehen, gilt dies nach § 1 Abs. 2a Satz 1 [X.] als ein auf die Übereignung dieses Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft.

a) Eine unmittelbare Änderung des [X.]erbestandes einer [X.] Personengesellschaft liegt nach übereinstimmender Auffassung der Finanzverwaltung und des [X.] ([X.]) vor, wenn ein Mitgliedschaftsrecht an der [X.] zivilrechtlich wirksam auf ein neues Mitglied der Personengesellschaft übergeht. Wirtschaftliche Gesichtspunkte spielen dabei keine Rolle ([X.]-Urteile vom 29. Februar 2012 II R 57/09, [X.]E 237, 244, [X.], 917, und vom 16. Januar 2013 II R 66/11, [X.]/NV 2013, 653). Neue Mitglieder einer [X.] Personengesellschaft [X.] 1 Abs. 2a [X.] können natürliche und juristische Personen sowie Personengesellschaften sein. Personen- und [X.]apitalgesellschaften werden dabei auf der Tatbestandsebene dieser Vorschrift (anders als bei der Nichterhebung der Steuer gemäß § 6 [X.]) gleich behandelt ([X.]-Urteil in [X.]E 237, 244, [X.], 917).

Das beruht darauf, dass Personengesellschaften zwar anders als [X.]apitalgesellschaften keine juristischen Personen, aber ebenso wie diese zivilrechtlich selbständige Rechtsträger sind und als solche [X.]er anderer [X.]en sein können (vgl. zur OHG § 124 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs --HGB--, zur [X.]. § 161 Abs. 2 HGB; [X.]-Beschluss vom 25. Februar 1991 GrS 7/89, [X.]E 163, 1, [X.] 1991, 691, unter [X.]; Münch[X.]ommHGB/[X.], 3. Aufl., § 105 Rz 92 f.; zur [X.]] Urteil des [X.] --BGH-- vom 2. Oktober 1997 II ZR 249/96, Neue Juristische Wochenschrift 1998, 376; [X.] vom 16. Juli 2001 II ZB 23/00, [X.], 291; [X.]/Sprau, [X.], 72. Aufl., § 705 Rz 10, 24a). Die [X.]er der Personengesellschaft sind dabei nicht zugleich [X.]er der Beteiligungsgesellschaft ([X.] in [X.], 291, unter [X.]; [X.]-Beschluss in [X.]E 163, 1, [X.] 1991, 691, unter [X.]).

Grunderwerbsteuerrechtlich sind Personengesellschaften ebenfalls selbständige Rechtsträger. Erwerben sie Grundstücke, sind sie selbst Steuerschuldner (§ 13 Nr. 1 [X.]; vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 4. April 2001 II R 57/98, [X.]E 194, 458, [X.] 2001, 587). In den Fällen des § 1 Abs. 2a [X.] ist die Personengesellschaft, deren [X.]erbestand sich ändert, gemäß § 13 Nr. 6 [X.] ebenfalls selbst Steuerschuldner und als solcher gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a [X.] zur Anzeigeerstattung verpflichtet.

b) Die mittelbare Änderung des [X.]erbestandes einer [X.] Personengesellschaft [X.] 1 Abs. 2a [X.] ist nach Auffassung des Senats anders als die unmittelbare Änderung nur nach wirtschaftlichen Maßstäben zu beurteilen. Sie setzt nach dem Wortlaut der Vorschrift voraus, dass ein Anteil am [X.]svermögen der Personengesellschaft mittelbar auf einen neuen [X.]er übergeht.

aa) Eine Anknüpfung an das Zivilrecht scheidet aus, da es zivilrechtlich keine mittelbare Änderung eines [X.]erbestandes gibt und bei der mittelbaren Änderung des [X.]erbestandes [X.] 1 Abs. 2a Satz 1 [X.] zivilrechtlich kein Anteil an der [X.] auf einen neuen [X.]er übergeht. Vielmehr bleibt die unmittelbar an der [X.] Personengesellschaft beteiligte Personen- oder [X.]apitalgesellschaft zivilrechtlich unverändert deren [X.]erin.

bb) Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung ergeben sich auch aus dem [X.] keine allgemeinen Rechtsgrundsätze, die bei der Auslegung des § 1 Abs. 2a [X.] hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals "mittelbare Änderung des [X.]erbestandes" zu einer eindeutigen Bestimmung des [X.] führen. Dies gilt insbesondere für §§ 5 f. [X.], die Vergünstigungen für den Übergang von Grundstücken auf oder von [X.]sgemeinschaften vorsehen. Die diesen Regelungen zugrunde liegenden Gesichtspunkte sind nach Ansicht des Senats insbesondere für [X.] des [X.] des § 1 Abs. 2a [X.] weder verallgemeinerungsfähig noch ergeben sich hieraus Anhaltspunkte dafür, unter welchen Voraussetzungen eine mittelbare Änderung des [X.]erbestandes anzunehmen ist. Denn die §§ 5 f. [X.] ziehen lediglich die Folgerung daraus, dass in den dort geregelten Fällen die Änderung der [X.] in Bezug auf ein Grundstück wirtschaftlich zu keiner Veränderung führt ([X.]-Urteil vom 16. Januar 1991 II R 78/88, [X.]E 163, 249, [X.] 1991, 376). Rückschlüsse für die Auslegung des § 1 Abs. 2a [X.] können aus §§ 5 f. [X.] auch deswegen nicht gezogen werden, weil §§ 5 f. [X.] ausschließlich für Personengesellschaften gelten und nur diese als transparent behandeln. § 1 Abs. 2a [X.] bezieht hingegen bei mittelbaren Änderungen notwendigerweise auch [X.]erwechsel bei [X.]apitalgesellschaften in die Betrachtung ein und behandelt die [X.]apitalgesellschaften insoweit ebenfalls als transparent. Dass sich diese Transparenz von derjenigen von Personengesellschaften, die an einer [X.] Personengesellschaft beteiligt sind, unterscheidet, kann weder § 1 Abs. 2a noch §§ 5 f. [X.] entnommen werden.

cc) [X.]ommt aber eine Anknüpfung an zivilrechtliche [X.]riterien nicht in Betracht, bleibt nur eine am Sinn und Zweck der Regelung und an wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichtete Auslegung, die zugleich den Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit und -klarheit beachtet. Dies erfordert es zum einen, [X.]apital- und Personengesellschaften gleichermaßen über alle [X.] als transparent zu behandeln, und führt zum anderen zur Tatbestandsverwirklichung nur, wenn sich im maßgeblichen Fünfjahreszeitraum der [X.]erbestand einer an der [X.] Personengesellschaft unverändert beteiligt gebliebenen [X.]apital- oder Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar, d.h. auf den weiteren [X.], im wirtschaftlichen Ergebnis vollständig geändert hat.

aaa) Mit der durch Art. 15 Nr. 1 Buchst. a des [X.] 1999/2000/2002 ([X.]) erfolgten Neufassung des § 1 Abs. 2a [X.], durch die mittelbare Änderungen des [X.]erbestandes grundstücksbesitzender Personengesellschaften ausdrücklich in den Tatbestand der Vorschrift aufgenommen wurden, soll verhindert werden, dass [X.]er mittelbar Anteile an Personengesellschaften erwerben und dadurch die Besteuerung nach § 1 Abs. 2a [X.] umgehen (Begründung des [X.], [X.] 910/98, S. 203; vgl. ferner Dritter Bericht des Finanzausschusses des [X.] zum Entwurf eines [X.] 1999/2000/2002, BTDrucks 14/443, S. 42). Nach den danach erkennbaren Vorstellungen des Gesetzgebers sollen mit der Einbeziehung mittelbarer Vorgänge auch Rechtsänderungen hinter oder oberhalb des unmittelbar an der [X.] Personengesellschaft beteiligten Rechtsträgers erfasst werden. Diese sollen --ent-weder für sich allein oder im Zusammenhang mit weiteren [X.] unmittelbaren Änderungen des [X.]erbestandes einer [X.] Personengesellschaft gleichstehen und den zivilrechtlich weiterhin beteiligt gebliebenen Rechtsträger fiktiv als Neugesellschafter qualifizieren.

Die vom Gesetzgeber danach angeordnete Einbeziehung mittelbarer Vorgänge erfordert die Berücksichtigung von Änderungen der Beteiligungsverhältnisse an denjenigen [X.]apital- und Personengesellschaften, die hinter dem unmittelbar an der [X.] Personengesellschaft beteiligten Rechtsträger ([X.]apital- oder Personengesellschaft) stehen. Eine angemessene Berücksichtigung solcher mittelbaren Strukturen kann unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nur erreicht werden, wenn auf allen [X.] durch [X.]apital- und Personengesellschaften gleichermaßen durchgeschaut und dortige Veränderungen der jeweiligen Beteiligungsverhältnisse in die Betrachtung einbezogen werden. Dabei sind nur diejenigen Veränderungen in den [X.] relevant, durch die solche Rechtsträger neu beteiligt werden, an denen keine gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen bestehen können (natürliche und juristische Personen außer [X.]apitalgesellschaften).

Soweit die Finanzverwaltung danach unterscheidet, ob an einer [X.] Personengesellschaft wiederum eine Personengesellschaft oder eine [X.]apitalgesellschaft beteiligt ist (gleich lautende Erlasse in BStBl I 2010, 245, [X.] 2 und 3; ebenso z.B. [X.], [X.], [X.]ommentar, 9. Aufl., § 1 Rz 109 bis 111; [X.] in [X.], [X.], 17. Aufl., § 1 Rz 848 ff.; [X.]/[X.], [X.], [X.]ommentar, 4. Aufl., § 1 Rz 306 bis 308), vermag dem der Senat nicht beizutreten.

Nach der Erlassregelung soll bei Beteiligung einer Personengesellschaft auf deren jeweilige Beteiligungsverhältnisse abzustellen und dementsprechend durchzurechnen sein, und zwar auch bei mehrstöckigen Personengesellschaften. Bei der Beteiligung einer [X.]apitalgesellschaft soll eine mittelbare Änderung des [X.]erbestandes der [X.] Personengesellschaft demgegenüber dann vorliegen, wenn sich die Beteiligungsverhältnisse an der [X.]apitalgesellschaft unmittelbar oder mittelbar um mindestens 95 % ändern. Bei mehrstufigen Beteiligungen von [X.]apitalgesellschaften soll die Prüfung, ob die 95 %-Grenze erreicht ist, für jede Beteiligungsebene gesondert vorgenommen werden. Gehen bei einer [X.]apitalgesellschaft 95 % der Anteile auf neue Anteilseigner über, soll die Beteiligung der [X.]apitalgesellschaft an der [X.] Personengesellschaft in voller Höhe bei der Ermittlung des Prozentsatzes [X.] 1 Abs. 2a Satz 1 [X.] zu berücksichtigen sein (gleich lautende Erlasse in BStBl I 2010, 245, [X.] 2.2, 3. Spiegelstrich, [X.] 3 Abs. 3, Beispiel 3.3).

Für diese Differenzierungen, die zu einer Ungleichbehandlung je nach der Rechtsform der an der [X.] [X.] unmittelbar oder mittelbar beteiligten [X.] führen, gibt das Gesetz keine Rechtsgrundlage. Die unterschiedlichen Ergebnisse erfahren aus dem Sinn und Zweck der Regelung keine Rechtfertigung; sie können mit den Mitteln der herkömmlichen juristischen Methode nicht von der Gesetzesregelung abgeleitet werden, erscheinen angesichts der Vielfalt denkbarer [X.]onstellationen und auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht plausibel und führen zu in sich nicht konsistenten Ergebnissen. Wie z.B. zu verfahren sein soll, wenn sich in einer [X.] sowohl [X.]apital- als auch Personengesellschaften befinden, ist in den Erlassen in BStBl I 2010, 245 nicht geregelt (vgl. dazu [X.], [X.], 777, 781 f.) und lässt sich weder aus dem Gesetzeswortlaut des § 1 Abs. 2a [X.] noch mit den den Erlassen zugrunde liegenden Überlegungen angemessen beantworten.

Zwischen Personen- und [X.]apitalgesellschaften gibt es zwar zivilrechtliche Unterschiede. Wie oben ausgeführt, sind aber Personengesellschaften sowohl zivilrechtlich als auch [X.] selbständige Rechtsträger und werden daher im Hinblick auf einen unmittelbaren [X.]erwechsel [X.] 1 Abs. 2a Satz 1 [X.] gleich behandelt. Diese Gleichbehandlung ist erst recht bei der mittelbaren Änderung des [X.]erbestandes der [X.] Personengesellschaft geboten; denn dabei kommt es auf wirtschaftliche Gesichtspunkte und nicht wie bei der unmittelbaren Änderung des [X.]erbestandes auf die zivilrechtliche Übertragung der Beteiligung an der [X.] Personengesellschaft an.

Die Maßgeblichkeit wirtschaftlicher Gesichtspunkte schließt es ferner entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung auch aus, bei mehrstöckigen Beteiligungsstrukturen die Beurteilung auf bestimmte [X.] zu beschränken und die Beteiligungsverhältnisse auf höheren [X.] unberücksichtigt zu lassen. Die damit verbundenen Anwendungsprobleme des § 1 Abs. 2a Satz 1 [X.] beruhen darauf, dass die Einbeziehung mittelbarer Änderungen des [X.]erbestandes, die zum (fiktiven) Übergang eines Anteils an der [X.] Personengesellschaft auf einen neuen [X.]er führen, in den Tatbestand dieser Vorschrift eine große Vielfalt unterschiedlicher Sachverhalte betrifft, und sind daher hinzunehmen.

bbb) Eine Veränderung der Beteiligungsverhältnisse an einer im maßgeblichen Fünfjahreszeitraum unmittelbar an der [X.] Personengesellschaft beteiligt gebliebenen [X.]apital- oder Personengesellschaft lässt diese nur dann fiktiv zu einer neuen [X.]erin werden, wenn sich in diesem Zeitraum deren [X.]erbestand unmittelbar oder mittelbar, d.h. auf den weiteren [X.], im wirtschaftlichen Ergebnis vollständig geändert hat.

Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Regelung hinsichtlich des für die Tatbestandserfüllung notwendigen Umfangs einer mittelbaren Änderung der Beteiligungsverhältnisse. Dies führt indes anders als bei der bis Ende 1999 geltenden Fassung des § 1 Abs. 2a [X.] (vgl. [X.]-Urteil vom 30. April 2003 II R 79/00, [X.]E 202, 387, [X.] 2003, 890, unter II.2.) nicht dazu, dass § 1 Abs. 2a [X.] bezüglich mittelbarer Änderungen des [X.]erbestandes der [X.] Personengesellschaft nicht hinreichend bestimmt ist und daher insoweit eine nicht anwendbare Rechtsgrundlage darstellt. Im Hinblick auf die notwendige Gesetzesklarheit und im Interesse der Rechtssicherheit bedarf die Norm jedoch einer restriktiven Auslegung.

Der Bestimmtheitsgrundsatz verlangt vom Normgeber, die Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Es genügt, dass die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können ([X.]-Urteil vom 7. Dezember 2011 II R 51/10, [X.]/NV 2012, 790, Rz 48, m.w.N.).

Diese Voraussetzungen erfüllt § 1 Abs. 2a [X.] nur bei einschränkender Auslegung, bei der lediglich die vollständige Änderung des Bestands der Rechtsträger, die wirtschaftlich hinter einer an der [X.] Personengesellschaft als [X.]erin beteiligten Personen- oder [X.]apitalgesellschaft stehen, tatbestandsmäßig ist.

Entscheidend für die Auslegung des § 1 Abs. 2a Satz 1 [X.] ist das aus dem Wortlaut folgende Erfordernis, dass auch bei einer mittelbaren Änderung des [X.]erbestandes der [X.] Personengesellschaft ein Anteil an deren [X.]svermögen zumindest fiktiv auf einen neuen [X.]er übergehen muss. Es muss also ein Sachverhalt gegeben sein, der es rechtfertigt, die zivilrechtlich unverändert an der [X.] Personengesellschaft beteiligt bleibende [X.]apital- oder Personengesellschaft nach den Maßstäben des [X.] wie einen neuen [X.]er zu behandeln.

Ein nicht vollständiger Wechsel im Bestand der Rechtsträger, die wirtschaftlich hinter einer an der [X.] Personengesellschaft als [X.]erin beteiligten Personen- oder [X.]apitalgesellschaft stehen, genügt nicht den Anforderungen des § 1 Abs. 2a Satz 1 [X.] an eine mittelbare Änderung des [X.]erbestandes der [X.] Personengesellschaft. Dass auf [X.] der [X.] Personengesellschaft selbst lediglich ein Übergang von 95 % der Anteile erforderlich ist, lässt ohne gesetzliche Regelung nicht den Schluss zu, dass dies auch für die Frage gilt, unter welchen Voraussetzungen bei einem mittelbaren [X.]erwechsel ein fiktiver Übergang der Beteiligung der zivilrechtlich an der [X.] Personengesellschaft beteiligten [X.] auf einen neuen [X.]er vorliegt. Angesichts der weitreichenden Folgen (Tatbestandsverwirklichung, Erfüllung von Anzeigepflichten) muss der Steuertatbestand so gefasst sein, dass für die Steuerpflichtigen sicher erkennbar ist, wann die Voraussetzungen für den Eintritt der Steuerpflicht vorliegen. Dies trifft hier nur für den Fall zu, dass sich der Bestand der Rechtsträger (natürliche und juristische Personen außer [X.]apitalgesellschaften), die wirtschaftlich hinter einer an der [X.] Personengesellschaft als [X.]erin beteiligten Personen- oder [X.]apitalgesellschaft stehen, vollständig ändert.

Die Rechtsprechung des [X.], nach der der Erwerb einer mittelbaren Beteiligung an einer [X.] [X.] nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 [X.] der Grunderwerbsteuer unterliegt, wenn die Beteiligungsquote von 95 % auf jeder Beteiligungsstufe erreicht wird ([X.]-Urteil vom 25. August 2010 II R 65/08, [X.]E 231, 239, [X.] 2011, 225), lässt sich nicht auf die Frage übertragen, unter welchen Voraussetzungen die mittelbare Änderung des [X.]erbestandes einer [X.] Personengesellschaft dazu führt, dass der Anteil der unmittelbar an dieser [X.] beteiligten [X.] fiktiv auf einen neuen [X.]er übergeht.

Der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 [X.] erfasst die durch den unmittelbaren oder mittelbaren Erwerb von mindestens 95 % der Anteile an einer [X.] [X.] begründete eigenständige Zuordnung der der [X.] gehörenden Grundstücke an den unmittelbaren oder mittelbaren [X.]er. Der Erwerber der Anteile wird so behandelt, als habe er die zum Vermögen der [X.] gehörenden Grundstücke erworben. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass der [X.] mit dem Erreichen der Mindestbeteiligungsquote von 95 % in [X.] erheblicher Weise die rechtliche Möglichkeit hat, seinen Willen --wenn auch über so viele Stufen, wie zumindest 95 %ige Beteiligungen an Zwischengesellschaften vorhanden sind-- bei der [X.] [X.] durchzusetzen, und dass er deshalb die Sachherrschaft über das der [X.] gehörende Grundstück ausüben kann ([X.]-Urteil in [X.]E 231, 239, [X.] 2011, 225).

Bei § 1 Abs. 2a [X.] geht es demgegenüber nicht darum, einem [X.]er der [X.] Personengesellschaft den Grundbesitz [X.] zuzurechnen. Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt, wird vielmehr [X.] ein zivilrechtlich nicht gegebener Erwerb des Grundbesitzes der Personengesellschaft durch eine andere Personengesellschaft fingiert ([X.]-Beschluss vom 11. September 2002 II B 113/02, [X.]E 199, 32, [X.] 2002, 777). Diese Zielsetzung der Vorschrift schließt es wegen fehlender Vergleichbarkeit der Regelungsmaterie aus, die Rechtsprechung zu § 1 Abs. 3 Nr. 3 [X.] auf die Auslegung des § 1 Abs. 2a [X.] zu übertragen.

Die vollständige Änderung des Bestands der Rechtsträger, die wirtschaftlich hinter einer an der [X.] Personengesellschaft als [X.]erin beteiligten Personen- oder [X.]apitalgesellschaft stehen, braucht nicht zu einem einzigen Zeitpunkt zu erfolgen. Sie kann vielmehr auch schrittweise in zeitlichen Abständen geschehen. In einem solchen Fall liegt dann ein fiktiver Übergang der Beteiligung der zivilrechtlich an der [X.] Personengesellschaft beteiligten [X.] auf einen neuen [X.]er vor, wenn die vollständige Änderung insgesamt verwirklicht ist. Die Grunderwerbsteuer ist auf diesen Zeitpunkt festzusetzen.

Die auf einer anderen Rechtsauffassung beruhende Vorentscheidung war aufzuheben.

2. Die Sache ist spruchreif. Der Feststellungsbescheid und die Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und waren daher aufzuheben. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a [X.] wurde durch den im Bescheid mitgeteilten Lebenssachverhalt und zu dem angegebenen Zeitpunkt (31. März 2006) nicht verwirklicht. Über die unmittelbare Änderung des [X.]erbestandes der [X.]lägerin durch die Übertragung des Anteils der [X.] am [X.]svermögen der [X.]lägerin auf die H-GmbH, die nur 94 % der Anteile am [X.]svermögen der [X.]lägerin betraf, hinaus ist es zu keiner (mittelbaren) Änderung des [X.]erbestandes der [X.]lägerin auf den Stichtag 31. März 2006 gekommen. Die zum 1. Januar 2005 erfolgte Übertragung eines Anteils der [X.] an der [X.] und die am 31. März 2006 vorgenommene Übertragung des restlichen Anteils der [X.] an der C-GmbH auf die [X.] haben nicht zu einer mittelbaren Änderung des [X.]erbestandes der [X.]lägerin geführt. Dabei kann dahinstehen, ob die Übertragung eines Anteils an der [X.] deshalb nicht zur Verwirklichung eines mittelbaren [X.]erwechsels beitragen konnte, weil [X.] --wie die [X.]lägerin behauptet [X.] an der [X.] beteiligt war. Denn die [X.] auf die [X.] spielt im Rahmen des Tatbestands des § 1 Abs. 2a Satz 1 [X.] keine Rolle, weil die [X.] und somit auch ihre [X.]er über ihre Tochtergesellschaft [X.] mittelbar an der [X.]lägerin beteiligt geblieben sind. Darauf, dass sich zum 31. März 2006 der Bestand der hinter der [X.] stehenden Rechtsträger, an denen keine gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen bestehen können, vollständig geändert habe, hat das [X.] den angefochtenen Bescheid nicht gestützt. Etwaige Änderungen der Beteiligungsverhältnisse bei der [X.] sind deshalb für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids ohne Bedeutung (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 202, 387, [X.] 2003, 890, unter II.3., m.w.N.).

Auf die von der [X.]lägerin aufgeworfene Frage, ob § 1 Abs. 2a [X.] hinsichtlich mittelbarer Änderungen des [X.]erbestandes einer [X.] Personengesellschaft wegen eines strukturellen Vollzugsdefizits verfassungswidrig ist, braucht nicht eingegangen zu werden.

Meta

II R 17/10

24.04.2013

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 3. Februar 2010, Az: 7 K 1410/09 GE, Urteil

§ 1 Abs 2a GrEStG vom 24.03.1999, § 1 Abs 3 Nr 3 GrEStG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.04.2013, Az. II R 17/10 (REWIS RS 2013, 6321)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6321

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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