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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Sozialhilfe - Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - Mehrbedarf bei Nachweis der Feststellung des Merkzeichens G - rückwirkende Feststellung - maßgeblicher Zeitpunkt für die Leistungsbewilligung
Die Gewährung eines pauschalierten Mehrbedarfs wegen Zuerkennung des Merkzeichens "G" ist nach der ab 7.12.2006 geltenden Rechtslage frühestens mit dem Zeitpunkt der bescheidmäßigen Feststellung des Merkzeichens durch das Versorgungsamt möglich.
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 26. Februar 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
[X.] ist die Zahlung eines pauschalierten Mehrbedarfs wegen der Zuerkennung des Merkzeichens "[X.]" auch für die [X.] vom 21.10.2013 bis 31.3.2014.
Die 1946 geborene Klägerin bezieht neben ihrer Altersrente ergänzend [X.]rundsicherungsleistungen nach dem [X.] - ([X.]). Für die [X.] vom 1.7. bis 31.12.2013 bewilligte der Beklagte Leistungen in Höhe von 623,67 Euro (Bescheid vom [X.]), ab 1.1.2014 in Höhe von monatlich 636,87 Euro (Bescheid vom 20.12.2013) unter Berücksichtigung des Regelsatzes für Alleinstehende.
Auf Antrag der Klägerin (21.10.2013) stellte das Versorgungsamt rückwirkend ab 21.10.2013 die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "[X.]" fest (Bescheid vom 24.4.2014). Der Beklagte hob im Hinblick auf die Feststellung des Merkzeichens "[X.]" den Bescheid vom 20.12.2013 für die [X.] ab 1.4.2014 auf und bewilligte höhere [X.]rundsicherungsleistungen (monatlich 703,34 Euro) unter Berücksichtigung eines pauschalierten Mehrbedarfs gemäß § 30 Abs 1 [X.] (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom 16.9.2014).
Die Klage, gerichtet auf Berücksichtigung eines pauschalierten Mehrbedarfs bereits ab 21.10.2013, ist erfolgreich gewesen (Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 26.2.2016). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das S[X.] ausgeführt, Sinn und Zweck der Regelung, dem behinderten Menschen einen Mehrbedarf zuzuerkennen, damit behinderungsbedingte Mehrausgaben ausgeglichen werden könnten, verlange, dass die finanziellen Mittel ab dem [X.]punkt zur Verfügung stünden, ab dem das Vorliegen der Einschränkung festgestellt sei. Es könne damit nicht erst auf den [X.]punkt des Nachweises abgestellt werden.
Mit seiner vom S[X.] nachträglich zugelassenen Sprungrevision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 30 Abs 1 [X.]. Weder Wortlaut noch die Entstehungsgeschichte der Regelung oder systematische Erwägungen würden die vom S[X.] gefundene Auslegung stützen. Abzustellen sei auf den [X.]punkt des Nachweises des Nachteilsausgleichs durch Vorlage des Feststellungsbescheids des Versorgungsamts.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 26. Februar 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Sprungrevision des [X.] ist zulässig. [X.] ist, dass die Klägerin in ihrer Erklärung vom [X.] nicht ausdrücklich der Einlegung einer Sprungrevision, sondern nur pauschal "der beabsichtigten Sprungrevision" zugestimmt hat. Denn eine derartige Erklärung ist jedenfalls dann als Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision zu verstehen, wenn - wie vorliegend - im Zeitpunkt der Abgabe der Zustimmungserklärung Tenor und schriftliche Entscheidungsgründe des [X.] dem Erklärenden bekannt waren ([X.], 56 ff = [X.] 4-3500 § 98 [X.] 1; B[X.] [X.] 3-1500 § 161 [X.] 13 S 31 mwN).
Die Revision ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <[X.][X.]>). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des pauschalierten Mehrbedarfs bereits ab 21.10.2013.
[X.]egenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom [X.] in der [X.]estalt des Widerspruchsbescheids vom 16.9.2014 (§ 95 [X.][X.]), mit dem der Beklagte den Bescheid vom 20.12.2013 nach § 48 Zehntes [X.] - ([X.]) mit Wirkung vom 1.4.2014 zugunsten der Klägerin geändert hat; darin liegt aber zugleich die Ablehnung der beantragten [X.]ewährung des pauschalierten Mehrbedarfs nach § 30 Abs 1 [X.]II bereits ab 21.10.2013 (unter Änderung des Bescheids vom 9.7.2013).
Der Streitgegenstand des Verfahrens ist wirksam beschränkt auf die Zuerkennung des pauschalierten Mehrbedarfs nach § 30 Abs 1 [X.]II (zur Abtrennbarkeit als eigener Streitgegenstand vgl nur [X.], 181 = [X.] 4-3500 § 42 [X.] 2; [X.] [X.] 4-3500 § 29 [X.] 3; [X.] 4-3500 § 30 [X.] 4), dh im Streit steht nicht die Zuerkennung höherer [X.]rundsicherungsleistungen unter jedem denkbaren [X.]esichtspunkt, insbesondere nach § 27a Abs 4 [X.]II (anders im Verfahren B[X.] [X.] 4-3500 § 30 [X.] 4 Rd[X.] 10 f). Weder der allein auf die [X.]ewährung eines pauschalen Mehrbedarfs gerichtete Antrag der Klägerin im Verwaltungsverfahren, noch ihr weiterer Vortrag im Klage- bzw Revisionsverfahren oder die Aktenlage lassen einen anderen Schluss zu. Konkrete Mehraufwendungen wegen ihrer [X.]ehbehinderung oder [X.]esichtspunkte, die die [X.]ewährung höherer Leistungen aus anderen [X.]ründen rechtfertigen könnten, hat sie auch nie behauptet. Ihr Klagebegehren verfolgt die Klägerin zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1, 4, § 56 [X.][X.]; B[X.], aaO, Rd[X.] 12).
Ob der Beklagte der für die [X.]ewährung von [X.]rundsicherungsleistungen nach den §§ 3 Abs 2, 97 Abs 1, 98 Abs 1 [X.]II in Verbindung mit dem Landesrecht örtlich und sachlich zuständiger Träger der Sozialhilfe ist, konnte der [X.] nicht abschließend prüfen. Nach Art 81 Abs 1 des [X.] zur Ausführung der Sozialgesetze ([X.]) vom 8.12.2006 - [X.]esetz- und Verordnungsblatt 942 - ist für Leistungen nach dem 4. Kapitel der örtliche Träger zuständig; örtlich zuständig ist der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich der gewöhnliche Aufenthalt der leistungsberechtigten Person liegt. Es liegt zwar nahe, dass die Klägerin im maßgebenden Zeitraum ihren gewöhnlichen Aufenthalt in [X.] und damit im Landkreis des [X.] hatte; zu den hierfür notwendigen Anknüpfungstatsachen hat das [X.] aber keine Feststellungen (§ 163 [X.][X.]) getroffen. Der Klägerin steht jedoch - sei es gegen den [X.] oder einen anderen Leistungsträger - ohnedies kein Anspruch auf Zuerkennung des pauschalierten Mehrbedarfs bereits ab 21.10.2013 zu, sodass die fehlenden Feststellungen einer abschließenden Entscheidung des [X.]s nicht entgegenstehen.
Materiell-rechtlich misst sich die Begründetheit der Revision an § 48 Abs 1 Satz 2 [X.] 1 [X.]. Danach soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bei einer Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorlagen, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Eine Änderung der Verhältnisse ist unter Berücksichtigung der die Regelung des § 48 Abs 1 Satz 2 [X.] 1 [X.] hinsichtlich des Leistungsbeginns modifizierenden Norm (B[X.] [X.] 4-3500 § 44 [X.] 2 Rd[X.] 16) des § 44 Abs 1 Satz 2 [X.]II (in der bis 31.12.2015 geltenden Normfassung des [X.]esetzes zur Änderung des [X.]II vom 20.12.2012, [X.] 2783) erst mit Wirkung vom 1.4.2014 eingetreten (Beginn des Monats, in dem der Feststellungsbescheid des Versorgungsamts ergangen ist). Ab diesem Zeitpunkt hat die Klägerin Anspruch auf den im Streit stehenden Mehrbedarf.
Nach § 30 Abs 1 [X.]II in der hier maßgeblichen Normfassung des [X.]esetzes zur Ermittlung von [X.] und zur Änderung des [X.] und [X.] (vom [X.], [X.] 453) wird ein Mehrbedarf ua für Personen, die - wie die Klägerin - die Altersgrenze nach § 41 Abs 2 [X.]II erreicht haben und durch einen Bescheid der nach § 69 Abs 4 des [X.] zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 69 Abs 5 des [X.] die Feststellung des Merkzeichens "[X.]" nachweisen, ein Mehrbedarf von [X.] der maßgebenden Regelbedarfsstufe anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.
Zu der bis zum 6.12.2006 maßgeblichen Rechtslage, nach der die [X.]ewährung eines Mehrbedarfs allein an den Besitz eines Ausweises mit dem Merkzeichen "[X.]" geknüpft war, hat der [X.] entschieden, dass nach dem Wortlaut der Regelung sowie ihrem Sinn und Zweck ein Normverständnis nicht zu begründen ist, welches die Zuerkennung des pauschalierten Mehrbedarfs bereits ab dem Zeitpunkt des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "[X.]" erlaubt (B[X.] [X.] 4-3500 § 30 [X.] 4). Dabei hat der [X.] darauf hingewiesen, dass es den Betroffenen unbenommen bleibt, bis zum formalen Feststellungsakt durch das Versorgungsamt einen behinderungsbedingten Mehrbedarf im Wege des § 28 Abs 1 Satz 2 [X.]II (nunmehr § 27a Abs 4 Satz 1 [X.]II) durch Nachweis konkreter höherer Aufwendungen geltend zu machen.
Auch unter der ab [X.] geltenden Normfassung des § 30 Abs 1 [X.]II (insoweit geändert durch das [X.]esetz zur Änderung des [X.] und anderer [X.]esetze vom 2.12.2006 - [X.] 2670) ist für die [X.]ewährung eines Mehrbedarfs wegen Zuerkennung des Merkzeichens "[X.]" nicht der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens nach den Feststellungen des Versorgungsamts vorliegen (noch offengelassen in B[X.] [X.] 4-3500 § 30 [X.] 4), sondern der Zeitpunkt des Feststellungsbescheids als Nachweis (§ 21 Abs 2 [X.]) gegenüber dem Sozialhilfeträger für das Vorliegen des Nachteilsausgleichs. Dies ist dem Wortlaut der Regelung, ihrem Sinn und Zweck sowie der [X.]esetzesentwicklung zu entnehmen.
Nach wie vor stellt der Wortlaut der Regelung auf einen "Bescheid" oder (wie bisher) einen "Ausweis" ab. Nach dem Tatbestand des § 30 Abs 1 [X.]II scheidet ein Anspruch auf den Mehrbedarf deshalb für Zeiten, in denen weder ein Feststellungsbescheid ergangen noch ein Ausweis ausgestellt worden ist, aus. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung sowie den hergebrachten Strukturen des Sozialhilferechts, wonach Sozialhilfe einen aktuellen Bedarf decken soll (so genanntes [X.]egenwärtigkeitsprinzip, vgl nur B[X.]E 104, 213 = [X.] 4-1300 § 44 [X.] 20, Rd[X.] 13) und nicht für vergangene Zeiträume zu erbringen ist, in denen ein etwa bestehender (Mehr-)Bedarf nicht gedeckt wurde (grundlegend dazu B[X.], aaO, Rd[X.] 17 ff). Der Auffassung, dass der [X.]esetzgeber mit der Erweiterung der Nachweismöglichkeit zugleich eine Feststellungswirkung bezogen auf den Zeitpunkt begründen wollte, zu dem der Nachteilsausgleich vom Versorgungsamt rückwirkend anerkannt worden ist (so [X.] in jurisPK-[X.]II, 2. Aufl 2014, § 30 [X.]II Rd[X.] 44; [X.] in Lehr- und Praxiskommentar, [X.]II, 10. Aufl 2015, § 30 Rd[X.] 6; [X.]rube in [X.]rube/[X.], [X.]II, 5. Aufl 2014, § 30 [X.]II Rd[X.] 8, allerdings mit dem nicht zutreffenden
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 [X.][X.].
Meta
25.04.2018
Urteil
Sachgebiet: SO
vorgehend SG Landshut, 26. Februar 2016, Az: S 5 SO 70/14, Urteil
§ 41 SGB 12, §§ 41ff SGB 12, § 30 Abs 1 Nr 1 SGB 12
Zitiervorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 25.04.2018, Az. B 8 SO 25/16 R (REWIS RS 2018, 10120)
Papierfundstellen: REWIS RS 2018, 10120
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
B 8 SO 12/10 R (Bundessozialgericht)
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