Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.09.2020, Az. 6 StR 206/20

6. Strafsenat | REWIS RS 2020, 2002

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Gegenstand

Selbstleseverfahren in Strafsachen: Inbegriffsrüge wegen fehlender Abschlusseintragung im Hauptverhandlungsprotokoll


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 22. Januar 2020 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a) im Fall II. 2 der Urteilsgründe;

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe;

c) im Ausspruch über die Einziehung

aa) der im Tenor unter „laut [X.] vom 08.10.2018 ,[X.] als 1. bis 9. aufgeführten Gegenstände;

bb) der „Ü-Ei-Verpackung mit Anhaftungen [X.], lfd. Nr. 14; ([X.]. 143)“.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie Besitzes von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und [X.] getroffen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Der Schuldspruch betreffend die Tat 2 hält auf die Verfahrensrüge rechtlicher Überprüfung nicht stand.

3

a) Die Revision beanstandet, das [X.] habe unter Verstoß gegen § 261 [X.] m. § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO seine Entscheidung bezüglich dieser Tat auf ein Behördengutachten des [X.] vom 28. November 2018 gestützt, obwohl dieses Gutachten weder verlesen noch - wegen der fehlenden Feststellung nach § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO - im Selbstleseverfahren noch in sonstiger Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden sei.

4

b) Die Inbegriffsrüge dringt aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des [X.] vom 16. Juli 2020 durch. Dieser hat insbesondere ausgeführt:

„Der Vorsitzende hat in der Hauptverhandlung vom 17. Dezember 2019 gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 StPO das Selbstleseverfahren hinsichtlich des [X.]s vom 30. Oktober 2018 und des daktyloskopischen Gutachtens vom 28. November 2018 angeordnet ([X.]. 40; [X.]). Im [X.] am 7. Januar 2020 wurde festgestellt, „dass die Kammermitglieder das [X.] des [X.] vom 30.10.2018 - wie im letzten Termin angeordnet - gelesen und die übrigen Prozessbeteiligten vom Wortlaut und Inhalt der Urkunde Kenntnis genommen haben“ ([X.]. 41; RB S. 31).

Einen Eintrag über den Abschluss des [X.] gemäß § 249 Abs. 2 Satz 2 StPO betreffend das daktyloskopische Gutachten enthält das [X.] hingegen nicht. Auch dem Hinweis auf die Anordnung („wie im letzten Termin angeordnet“) kann hier - im Wege einer grundsätzlich zulässigen Auslegung (vgl. [X.], Urteil vom 9. Januar 2013 - 5 [X.], [X.]R StPO § 249 Abs. 2 Selbstleseverfahren 8) - nicht entnommen werden, dass sich die Abschlussanordnung auch auf das daktyloskopische Gutachten bezogen hat. Denn dem stehen die eindeutig auf das [X.] bezogene Formulierung und der Hinweis auf den Inhalt der Urkunde entgegen.“

5

2. Die Aufhebung des Schuldspruchs betreffend die Tat 2 bedingt die Aufhebung der für diese Tat verhängten [X.] von zwei Jahren, der Gesamtstrafe und der - an diese Tat anknüpfenden - Einziehungsentscheidung hinsichtlich der im Tenor des angefochtenen Urteils unter 1. bis 9. aufgeführten „Gegenstände laut Sicherstellungsprotokollen vom 08.10.2018 ‚EA II‘“.

6

3. Entsprechend dem Antrag des [X.] hält die Einziehungsentscheidung auch insoweit rechtlicher Prüfung nicht stand, als das [X.] die Einziehung der anlässlich der Tat 3 sichergestellten „Ü-Ei-Verpackung mit Anhaftungen aus [X.]“ angeordnet hat. Denn insoweit fehlt es an Feststellungen, aus denen sich ergibt, dass es sich bei diesem Gegenstand um ein Tatmittel (§ 74 Abs. 1 StGB) oder ein Tatobjekt (§ 33 Satz 1 BtMG [X.] m. § 74 Abs. 2 StGB) handelt.

7

4. Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, bei einer erneuten Einziehungsentscheidung auch bezüglich der „Gegenstände laut Sicherstellungsprotokollen vom 08.10.2018 ‚EA II‘“ genauer als bisher geschehen die Voraussetzungen für eine Einziehung der jeweiligen Gegenstände festzustellen.

[X.]     

        

König     

        

Feilcke

        

von Schmettau     

        

Fritsche     

        

Meta

6 StR 206/20

23.09.2020

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Dessau-Roßlau, 22. Januar 2020, Az: 681 Js 4580/17 - 3 KLs

§ 249 Abs 2 S 2 StPO, § 261 StPO, § 337 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.09.2020, Az. 6 StR 206/20 (REWIS RS 2020, 2002)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2002

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