Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.04.2023, Az. 4 StR 368/22

4. Strafsenat | REWIS RS 2023, 2867

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Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 31. März 2022 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist.

In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die hiergegen gerichtete, auf die [X.] der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

2

1. Die Revision macht zu Recht als Verstoß gegen § 261 StPO geltend, dass das [X.] seine Überzeugung teilweise nicht aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung gewonnen hat.

3

a) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

4

Die Strafkammer hatte mit einem von der [X.] verlesenen Gerichtsbeschluss das Selbstleseverfahren unter anderem in Bezug auf eine Vielzahl von Protokollen über den Inhalt von [X.], die über so genannte [X.] geführt worden waren, angeordnet. Die Selbstleseanordnung wurde nicht zurückgenommen. Im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung wurde nicht festgestellt, dass die [X.] und Schöffen vom Wortlaut der im Selbstleseverfahren einzuführenden Urkunden Kenntnis genommen und die anderen Verfahrensbeteiligten dazu Gelegenheit hatten. Die Urkunden wurden auch nicht in anderer Weise in die Hauptverhandlung eingeführt.

5

b) Die [X.] ist zulässig erhoben. Der [X.] genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.

6

Der Vorlage des Hauptverhandlungsprotokolls, aus dem sich – entsprechend dem Vortrag der Revision – das Fehlen der Feststellung über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu (§ 249 Abs. 2 Satz 3 StPO) ergibt, bedurfte es nicht. Der [X.] beweist lediglich die Richtigkeit des Revisionsvorbringens und betrifft somit die Begründetheit des Rechtsmittels.

7

Ob im Einzelfall der Vortrag, dass die Urkunden auch nicht in anderer Weise in die Hauptverhandlung eingeführt wurden, näher konkretisiert werden muss, namentlich dahin, dass dies auch nicht durch einen (nicht protokollierungspflichtigen) Vorhalt des [X.] im Rahmen einer Vernehmung geschehen sei (so wohl [X.], Urteil vom 9. März 2017 – 3 [X.], [X.], 722, 723), kann hier offenbleiben. Denn im Hinblick auf den erheblichen Umfang der im angefochtenen Urteil teils wörtlich wiedergegebenen Urkunden (Chatprotokolle), war ein solcher Vortrag hier jedenfalls entbehrlich (vgl. [X.], aaO).

8

c) Der [X.] liegt vor. Wie das Fehlen des Vermerks nach § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO beweist, sind die Urkunden, die Gegenstand der Selbstleseanordnung der Kammer waren, nicht Inbegriff der landgerichtlichen Hauptverhandlung geworden (vgl. [X.], aaO; Beschluss vom 20. Juli 2010 – 3 [X.], [X.], 712, 713). Das Urteil beruht auch auf dem Verfahrensfehler, denn das [X.] hat seine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten ausdrücklich auf die Urkunden, insbesondere die teilweise wörtlich wiedergegebenen Inhalte der Chatprotokolle, gestützt.

9

2. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung, ohne dass es noch eines [X.] auf die weitere Verfahrensrüge und die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts bedürfte.

3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat allerdings auf Folgendes hin: Sollte das neue Tatgericht erneut zu einer Verurteilung des Angeklagten kommen, wird es bei seiner Strafzumessung auch die dienstrechtlichen Folgen für den Angeklagten in den Blick zu nehmen haben, insbesondere auch etwaige Einbußen bei dem Ruhegehaltsanspruch des Angeklagten aus seinem Dienstverhältnis als Soldat auf Zeit. Hinsichtlich einer etwaigen erneuten Einziehungsentscheidung nimmt der Senat zudem auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des [X.] Bezug.

[X.]     

      

[X.]     

      

Maatsch

      

Messing     

      

Momsen-Pflanz     

      

Meta

4 StR 368/22

26.04.2023

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Dortmund, 31. März 2022, Az: 33 KLs 12/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.04.2023, Az. 4 StR 368/22 (REWIS RS 2023, 2867)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 2867

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Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 70/23

Zitiert

3 StR 76/10

3 StR 424/16

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x

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