Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.08.2011, Az. 3 StR 199/11

3. Strafsenat | REWIS RS 2011, 4256

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Gegenstand

Verurteilung wegen Betäubungsmitteldelikten: Teilbarkeit der Schuldfähigkeitsbeurteilung; geminderte Schuldfähigkeit wegen Angst vor Entzugserscheinungen


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 26. Januar 2011 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

In Ergänzung der Antragsschrift des [X.] bemerkt der Senat:

Nach den Feststellungen erwarb der Angeklagte 350 Gramm Kokain (116 Gramm Kokainhydrochlorid), verkaufte plangemäß die Hälfte davon in mehreren Handlungen gewinnbringend an einen [X.] und konsumierte die andere Hälfte selbst. Das [X.] hat ihn deshalb wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Es ist, soweit der Angeklagte Handel getrieben hat, von uneingeschränkter Schuldfähigkeit ausgegangen, da er "infolge seiner guten finanziellen Situation … der aus den [X.] erzielten Gewinne nicht (bedurfte), um seinen eigenen Drogenkonsum zu sichern". Im Hinblick auf (Erwerb und) Besitz von Rauschgift zum Eigenkonsum hat das [X.] indes erheblich verminderte Schuldfähigkeit angenommen, da "die Hemmungsfähigkeit des Angeklagten durch die Angst vor Entzugserscheinungen herabgesetzt war". Die Strafe hat es wegen des uneingeschränkt schuldfähig begangenen [X.] aus dem nicht gemilderten Strafrahmen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG entnommen.

1. Der Senat hat gegen eine geteilte Beurteilung der Schuldfähigkeit, wie sie das [X.] bezüglich des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln einerseits und des (Erwerbs und) Besitzes von Betäubungsmitteln andererseits vorgenommen hat, rechtliche Bedenken.

Es kommt für die Schuldfähigkeitsbeurteilung darauf an, ob der Täter aufgrund einer bestimmten psychischen Verfassung in der Lage war, einer konkreten Tat Unrechtseinsicht und [X.] entgegenzusetzen (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Februar 1984 - 3 StR 22/84, [X.], 419 mwN). Die Antwort darauf bezieht sich jeweils auf einen konkreten Rechtsverstoß. Dabei ist in der Rechtsprechung seit jeher anerkannt, dass ein bestimmtes psychisches Störungsbild sich bei Begehung verschiedenartiger Straftaten jeweils unterschiedlich auswirken kann. "So kann ein Betrunkener, der seinen Geschlechtstrieb nicht mehr zu beherrschen vermag und deshalb im Rausch einen Notzuchtsversuch begeht, möglicherweise sehr wohl noch fähig sein, Hemmungen gegenüber einem Raubmotiv einzuschalten; wer sich infolge seines Rausches schuldlos zu einer Beleidigung hinreißen lässt, kann für eine gefährliche Körperverletzung noch verantwortlich sein" ([X.], Urteil vom 3. Februar 1960 - 2 StR 640/59, [X.]St 14, 114, 116). Auch mag eine "neurotische Überempfindlichkeit" eines Angeklagten "bei typischen Querulantendelikten (Verleumdungen, Beleidigungen, falschen Anschuldigungen) einen im Rechtssinne erheblichen Einfluss auf seine Hemmungsfähigkeit haben", was bei einem Mordversuch gegenüber Beamten nicht der Fall ist (vgl. [X.], Urteil vom 7. Juni 1966 - 5 [X.], NJW 1966, 1871). Ein Angeklagter, der wegen sexueller Abartigkeit und Alkoholisierung bei Vornahme der - nach § 154 Abs. 1 StPO aus dem Verfahren ausgeschiedenen - sexuellen Handlungen an einem Kind nachweislich oder nicht ausschließbar vermindert schuldfähig war, könnte wegen der insoweit höheren Hemmschwelle gleichwohl bei der nachfolgenden Tötung des Opfers voll schuldfähig sein (vgl. [X.], Urteil vom 13. Dezember 1989 - 3 [X.], [X.], 231).

Verwirklicht der Täter hingegen - wie hier der Angeklagte durch den Erwerb des Betäubungsmittels in der Absicht des teilweisen Weiterverkaufs - durch eine einheitliche Handlung zwei Tatbestände, so scheint dem Senat die Schuldfähigkeitsbeurteilung nicht teilbar zu sein. Es kann für diese Entscheidung nicht auf die jeweils unterschiedliche rechtliche Einordnung der Handlung ankommen. Soweit ersichtlich, hat sich der [X.] mit dieser Frage noch nicht befasst. Die in der Literatur [X.], StGB, 58. Aufl., § 20 Rn. 5; LK-Schöch, 12. Aufl., § 20 Rn. 184) für die gegenteilige Auffassung in Anspruch genommenen Judikate behandeln eine solche Teilbarkeit jedenfalls nicht.

2. Der Senat braucht die Frage nicht zu entscheiden, denn der Angeklagte ist durch die Beurteilung der Schuldfähigkeit durch das [X.] nicht beschwert.

Die Feststellungen belegen in keiner Weise, dass eine der Voraussetzungen vorgelegen hat, unter denen nach der ständigen Rechtsprechung [X.] zur Annahme verminderter Schuldfähigkeit führen kann (vgl. hierzu [X.], StGB, 58. Aufl., § 21 Rn. 13 mwN). Das gilt auch für eine vom [X.] zur Begründung herangezogene Angst vor Entzugserscheinungen. Eine solche käme als Ursache für eine relevante Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nur in Betracht, wenn der Angeklagte Angst vor Entzugserscheinungen, die er schon als äußerst unangenehm erlebt und als nahe bevorstehend eingeschätzt hat, gehabt hätte. Nach den Feststellungen des [X.]s hatte der Angeklagte aber stets Geld, um seinen Bedarf an Betäubungsmitteln zu decken. Nach seiner kurzzeitigen Inhaftierung konnte er ohne gesundheitliche Probleme den [X.] einstellen. Dass er jemals Entzugserscheinungen gehabt hätte, ist nicht festgestellt und nach allem äußerst fernliegend.

VRi[X.] [X.] befindet
sich im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.

[X.]

von Lienen     

[X.]

     Schäfer     

[X.]     

Meta

3 StR 199/11

02.08.2011

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Düsseldorf, 26. Januar 2011, Az: 11 KLs - 60 Js 4942/08 - 39/09, Urteil

§ 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 21 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.08.2011, Az. 3 StR 199/11 (REWIS RS 2011, 4256)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4256

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Referenzen
Wird zitiert von

1 StR 416/17

3 StR 48/14

3 StR 48/14

3 StR 199/11

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