Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.08.2011, Az. 3 StR 199/11

3. Strafsenat | REWIS RS 2011, 4248

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 199/11
vom
2. August 2011
in der Strafsache
gegen

wegen
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 2. August 2011 ein-stimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.]s
Düsseldorf vom 26.
Januar 2011 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtferti-gung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§
349 Abs.
2 StPO).

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tra-gen.

In Ergänzung der Antragsschrift des [X.] bemerkt der Senat:

Nach den Feststellungen erwarb der Angeklagte 350 Gramm Kokain (116 Gramm Kokainhydrochlorid), verkaufte plangemäß die Hälfte davon in mehreren Handlungen gewinnbringend an einen [X.] und konsumierte die andere Hälfte selbst. Das [X.] hat ihn deshalb wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von [X.] in nicht geringer Menge verurteilt. Es ist, soweit der Angeklagte Handel getrieben hat, von uneingeschränkter Schuldfähigkeit ausgegangen, da er "infr-zielten Gewinne nicht (bedurfte), um seinen eigenen Drogenkonsum zu si-chern". Im Hinblick auf (Erwerb und) Besitz von Rauschgift zum Eigenkonsum hat das [X.] indes erheblich verminderte Schuldfähigkeit angenommen, -
3
-
da "die Hemmungsfähigkeit des Angeklagten durch die Angst vor [X.] herabgesetzt war". Die Strafe hat es wegen des uneingeschränkt schuldfähig begangenen [X.] aus dem nicht gemilderten Strafrahmen des §
29a Abs.
1 Nr.
2 BtMG entnommen.

1. Der Senat hat gegen eine geteilte Beurteilung der Schuldfähigkeit, wie sie das [X.] bezüglich des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln einer-seits und des (Erwerbs und) Besitzes von Betäubungsmitteln andererseits vor-genommen hat, rechtliche Bedenken.

Es kommt für die Schuldfähigkeitsbeurteilung darauf an, ob der Täter aufgrund einer bestimmten psychischen Verfassung in der Lage war, einer konkreten Tat Unrechtseinsicht und [X.] entgegenzusetzen (vgl. [X.], Beschluss vom 17.
Februar 1984 -
3 StR 22/84, [X.], 419 mwN). Die Antwort darauf bezieht sich jeweils auf einen konkreten Rechtsver-stoß. Dabei ist in der Rechtsprechung seit jeher anerkannt, dass ein bestimm-tes psychisches Störungsbild sich bei Begehung verschiedenartiger Straftaten jeweils unterschiedlich auswirken kann. "So kann ein Betrunkener, der seinen Geschlechtstrieb nicht mehr zu beherrschen vermag und deshalb im Rausch einen Notzuchtsversuch begeht, möglicherweise sehr wohl noch fähig sein, Hemmungen gegenüber einem Raubmotiv einzuschalten; wer sich infolge sei-nes Rausches schuldlos zu einer Beleidigung hinreißen lässt, kann für eine ge-fährliche Körperverletzung noch verantwortlich sein" ([X.], Urteil vom 3.
Februar 1960 -
2 StR 640/59, [X.]St 14, 114, 116). Auch mag eine "neuroti-sche Überempfindlichkeit" eines Angeklagten "bei typischen Querulantendelik-ten (Verleumdungen, Beleidigungen, falschen Anschuldigungen) einen im Rechtssinne erheblichen Einfluss auf seine Hemmungsfähigkeit haben", was bei einem Mordversuch gegenüber Beamten
nicht der Fall ist (vgl. [X.],
Urteil -
4
-
vom 7.
Juni 1966 -
5 [X.], NJW 1966, 1871). Ein Angeklagter, der we-gen sexueller Abartigkeit und Alkoholisierung bei Vornahme der -
nach § 154 Abs. 1 StPO aus dem Verfahren ausgeschiedenen -
sexuellen Handlungen an einem Kind
nachweislich oder nicht ausschließbar vermindert schuldfähig war, könnte wegen der insoweit höheren Hemmschwelle gleichwohl bei der [X.] Tötung des Opfers voll schuldfähig sein (vgl. [X.], Urteil vom 13.
Dezember 1989 -
3 [X.], [X.], 231).

Verwirklicht der Täter hingegen -
wie hier der Angeklagte durch den Er-werb des Betäubungsmittels in der Absicht des teilweisen Weiterverkaufs -
durch eine einheitliche Handlung zwei Tatbestände, so scheint dem Senat die Schuldfähigkeitsbeurteilung nicht teilbar zu sein. Es kann für diese Entschei-dung nicht auf
die
jeweils unterschiedliche rechtliche
Einordnung der Handlung ankommen. Soweit ersichtlich, hat sich der [X.] mit dieser Frage noch nicht befasst. Die in der Literatur [X.], StGB, 58.
Aufl., § 20 Rn.
5; LK-Schöch, 12.
Aufl., § 20 Rn.
184) für die gegenteilige Auffassung in [X.] genommenen Judikate behandeln eine solche Teilbarkeit jedenfalls nicht.

2.
Der Senat braucht die Frage nicht zu entscheiden, denn der Ange-klagte ist durch die Beurteilung der Schuldfähigkeit durch das [X.] nicht beschwert.

Die Feststellungen belegen in keiner Weise, dass eine der Vorausset-zungen vorgelegen hat, unter denen nach der ständigen Rechtsprechung Be-täubungsmittelabhängigkeit zur Annahme verminderter Schuldfähigkeit führen kann (vgl. hierzu [X.], StGB, 58. Aufl.,
§ 21 Rn. 13 mwN). Das gilt auch für eine vom [X.] zur Begründung herangezogene Angst vor Entzugser--
5
-
scheinungen. Eine solche käme als Ursache für eine relevante Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nur in Betracht, wenn der Angeklagte Angst vor [X.], die er schon als äußerst unangenehm erlebt und als nahe bevorstehend eingeschätzt hat, gehabt hätte. Nach den Feststellungen des [X.]s hatte der Angeklagte aber stets Geld, um seinen Bedarf an [X.] zu decken. Nach seiner kurzzeitigen Inhaftierung konnte er ohne gesundheitliche Probleme den [X.] einstellen. Dass er jemals Entzugserscheinungen gehabt hätte, ist nicht festgestellt und nach allem
äußerst fernliegend.

VRi[X.] [X.] befindet
sich im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben. [X.]

von Lienen

[X.]

Schäfer Menges

Meta

3 StR 199/11

02.08.2011

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.08.2011, Az. 3 StR 199/11 (REWIS RS 2011, 4248)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4248

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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