Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26.10.2021, Az. 8 C 34/20

8. Senat | REWIS RS 2021, 1605

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Gegenstand

Zuordnung zu zulassungsfreiem Handwerk; handwerksmäßige Betriebsform


Leitsatz

1. Ein Gewerbe ist unabhängig von seiner Bezeichnung durch den Betriebsinhaber auch dann als zulassungsfreies Handwerk in Anlage B Abschnitt 1 zur Handwerksordnung aufgeführt (§ 18 Abs. 2 Satz 1 HwO), wenn die in seinem Rahmen ausgeübte Tätigkeit einem dort genannten Gewerbe inhaltlich zuzuordnen ist. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn für dieses Handwerk wesentliche Tätigkeiten ausgeübt werden.

2. Der handwerksmäßige Betrieb eines zulassungsfreien Handwerks setzt einen mindestens mittleren Schwierigkeitsgrad der Kenntnisse und Fertigkeiten voraus, die für die fachgerechte und einwandfreie Ausführung der zum Betriebsgegenstand gehörenden Tätigkeiten erforderlich sind. Daran fehlt es, wenn eine Anlernzeit von weniger als drei Monaten genügt, diese Kenntnisse und Fertigkeiten zu erwerben.

Tenor

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen hat.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Mitteilung der beklagten Handwerkskammer, sie von Amts wegen in das Gewerbeverzeichnis einzutragen.

2

Sie absolvierte im [X.] bei einer privaten Einrichtung [X.], der mit einem "Diplom" als "Make-up Artist" abschloss. Anschließend meldete sie eine gewerbliche Tätigkeit als "Make-up Artist" im Nebenerwerb mit [X.]etriebsstätte an ihrem Wohnsitz an. Die [X.]eklagte forderte sie erfolglos dazu auf, die Eintragung ihres [X.]etriebes in das Gewerbeverzeichnis zu beantragen, und teilte ihr anschließend mit [X.]escheid vom 22. November 2016 die Absicht zur Eintragung von Amts wegen mit. Den Widerspruch der Klägerin wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2016 zurück. Die Klägerin übe in einem handwerksähnlichen [X.]etrieb Tätigkeiten aus, die dem in Anlage [X.] zu § 18 Abs. 2 der Handwerksordnung (HwO) aufgeführten Kosmetiker-Gewerbe zuzuordnen seien.

3

Das Verwaltungsgericht hat die [X.]escheide aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof hat die [X.]erufung der [X.]eklagten dagegen zurückgewiesen. Die Klägerin betreibe zwar ein stehendes Gewerbe, weil sie nicht eigeninitiativ mit ihren Kunden in Kontakt trete. Es fehle jedoch eine handwerksähnliche [X.]etriebsform. Die ausgeübte Tätigkeit werde in der Anlage [X.] zur Handwerksordnung nicht ausdrücklich genannt und umfasse nur einen kleinen Teilausschnitt des [X.]erufsbildes der Kosmetikerin nach der dafür geltenden [X.]erufsausbildungsverordnung. Eine Eintragungspflicht setze in einem solchen Fall voraus, dass die Tätigkeit die typische Erscheinungsform eines in Anlage [X.] zur Handwerksordnung genannten Gewerbes erfülle. Die zudem erforderliche handwerksähnliche [X.]etriebsform sei nur gegeben, wenn die Tätigkeit ein Mindestmaß an Fachkenntnissen erfordere und einen gewissen Schwierigkeitsgrad aufweise.

4

Die Tätigkeit der Klägerin sei kein handwerksähnliches Gewerbe, weil sie leicht und ohne größeren Zeitaufwand erlernbar sei und sich nur auf wenige Verrichtungen aus dem sehr viel umfassenderen Tätigkeitsgebiet einer Kosmetikerin beschränke. Sie bestehe ausschließlich in der dekorativen Gesichtskosmetik, die nur einen kleinen Teil der dreijährigen Ausbildung zur Kosmetikerin ausmache. Die von der Klägerin absolvierte Schulung bleibe nach Umfang und Qualifikationsniveau deutlich hinter der Ausbildung zur Kosmetikerin zurück und konzentriere sich überdies nicht auf die dekorative Kosmetik, sondern vermittle auch Kenntnisse für Verkaufsgespräche.

5

Die [X.]eklagte macht zur [X.]egründung ihrer Revision geltend, das [X.]erufungsgericht habe ihre [X.]eweisanträge zu Unrecht abgelehnt. Außerdem gehe es von zu strengen Anforderungen an die Handwerksähnlichkeit eines Gewerbes nach § 18 Abs. 2 HwO als Voraussetzung für dessen Eintragungspflicht aus. Nach dem Zweck dieser Norm sei dafür allein maßgeblich, ob die [X.]eratung und [X.]etreuung des Gewerbes durch die Handwerkskammer fachlich geboten sei. Eine Tätigkeit könne einem in Anlage [X.] zur Handwerksordnung genannten [X.]erufsbild zugeordnet werden, wenn sie mindestens einen Ausschnitt der davon erfassten Tätigkeiten abdecke. Dieser müsse weder für das betreffende Handwerk wesentliche Tätigkeiten enthalten noch die typische Erscheinungsform des genannten [X.]erufsbildes darstellen. Eine handwerksähnliche [X.]etriebsform setze keine bestimmte berufliche Qualifikation des Gewerbetreibenden voraus. Danach sei die Tätigkeit der Klägerin dem [X.]erufsbild einer Kosmetikerin zuzuordnen.

6

Die [X.]eklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs [X.]aden-Württemberg vom 27. Februar 2020 und das Urteil des [X.] vom 12. April 2018 zu ändern und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie verteidigt das [X.]erufungsurteil.

9

Die [X.]eigeladene schließt sich dem Vorbringen der [X.]eklagten an, ohne einen Antrag zu stellen.

Der Vertreter des [X.]undesinteresses beim [X.]undesverwaltungsgericht hält die Eintragungsmitteilung ebenfalls für rechtmäßig. Eine Tätigkeit sei einem in Anlage [X.] zur Handwerksordnung genannten Gewerbe zuzuordnen, wenn sie in quantitativer Hinsicht einen nach der Verkehrsauffassung maßgeblichen Ausschnitt abdecke. Eine [X.]etriebsform sei handwerksmäßig oder ähnlich, wenn das technische und wirtschaftliche Gesamtbild des [X.]etriebes - vor allem nach der Verkehrsauffassung - dem [X.] oder dem [X.] eines in Anlage [X.] genannten Gewerbes entspreche. Die Tätigkeit der Klägerin erfülle beide Tatbestandsvoraussetzungen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der [X.]eklagten ist zulässig, aber unbegründet. Die Klage ist zulässig (1.). Das angegriffene [X.]erufungsurteil leidet nicht an den geltend gemachten Verfahrensmängeln (2.). Es verstößt zwar gegen [X.] (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), weil es die angefochtene Eintragungsmitteilung nicht an der erst während des Revisionsverfahrens in [X.] getretenen und seither für ihre [X.]ewertung maßgeblichen Fassung der Handwerksordnung gemessen hat (3.). Das Urteil erweist sich aber aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO) (4.). Die Eintragungsmitteilung ist rechtswidrig. Die Tätigkeit der Klägerin ist zwar einem zulassungsfreien Handwerk zuzuordnen (a), wird jedoch nicht handwerksmäßig betrieben (b).

1. Die Klage ist zulässig. Die Klägerin kann die Eintragungsmitteilung der [X.]eklagten als Einzelfallregelung ihrer Eintragungspflicht anfechten (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 14. November 2018 - 8 [X.] 15.17 - [X.]VerwGE 163, 351 Rn. 9 m.w.N.). Die Klage ist rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO erhoben worden, die wegen der gesetzlichen Fiktion der Zustellung des Widerspruchsbescheides durch Übergabeeinschreiben am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post (§ 4 Abs. 2 Satz 2 [X.]) am 4. Dezember 2016 begann.

2. Das [X.]erufungsurteil leidet nicht unter den von der [X.]eklagten geltend gemachten Verfahrensmängeln. Die Ablehnung ihrer [X.]eweisanträge verletzte weder ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) noch die Aufklärungspflicht des [X.]erufungsgerichts (§ 86 Abs. 1 VwGO). Gegen diese Gewährleistungen verstößt die Ablehnung eines [X.]eweisantrags, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. § 86 Abs. 2 VwGO, § 244 StPO). Das ist hier nicht der Fall.

Eine [X.]eweiserhebung ist unter anderem dann nicht erforderlich, wenn das [X.]eweismittel ungeeignet ist, weil es auf die zu beweisende Tatsache nach der für die Feststellung eines [X.] maßgeblichen materiell-rechtlichen Rechtsansicht des Gerichts nicht ankommt (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO entsprechend; vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 17. September 2014 - 8 [X.] 15.14 - [X.] 2014, 268 Rn. 8). Danach durfte das [X.]erufungsgericht den ersten [X.]eweisantrag der [X.]eklagten, der auf die sachverständige Ermittlung des der Klägerin vermittelten Maßes an Fachkenntnissen gerichtet war, ablehnen. Nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs kam es nicht auf die der Klägerin tatsächlich vermittelten, sondern allein auf die für ihre Tätigkeit erforderlichen Fachkenntnisse an.

Der Verwaltungsgerichtshof durfte auch den weiteren, auf die sachverständige Ermittlung des Schwierigkeitsgrades der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit gerichteten [X.]eweisantrag der [X.]eklagten ablehnen und sich die erforderliche Sachkunde zur [X.]ewertung des nach seiner Auffassung für eine handwerksähnliche [X.]etriebsform erforderlichen gewissen Schwierigkeitsgrades der Tätigkeit selbst beimessen. Es steht im Ermessen des [X.]s, darüber zu befinden, ob es zur Entscheidung des Rechtsstreits die Hilfe eines Sachverständigen benötigt. Die [X.] kann nur dann als [X.] beanstandet werden, wenn das Gericht für sich eine Sachkunde in Anspruch nimmt, die ihm unmöglich zur Verfügung stehen kann, oder wenn es sich in einer Frage für sachkundig hält, in der seine Sachkunde ernstlich zweifelhaft ist, ohne dass es für die [X.]eteiligten und für das zur Nachprüfung berufene Revisionsgericht überzeugend darlegt, dass ihm das erforderliche Fachwissen in genügendem Maße zur Verfügung steht (vgl. nur [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 18. Juni 2012 - 5 [X.] 5.12 - [X.] 2012, 289 Rn. 7). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen legt die [X.]eklagte nicht dar. Für die Frage der Schwierigkeit einer beruflichen Tätigkeit im [X.]ereich der Kosmetik ist nach dem [X.]erufungsurteil maßgeblich, ob sie leicht zu erlernen ist und welche Zahl an Verrichtungen aus dem Tätigkeitsfeld einer Kosmetikerin durchgeführt wird. Dafür stellt es auf die Dauer des Unterrichts und den Umfang des [X.] sowie auf den Ausbildungsrahmenplan für Kosmetiker ab. Diese objektiven Kriterien und ihre Anwendung auf den vorliegenden Fall erfordern keine Sachkunde, die über die Lebens- und Erkenntnisbereiche hinausginge, die [X.] allgemein zugänglich sind (vgl. dazu [X.]VerwG, Urteil vom 10. November 1983 - 3 [X.] 56.82 - [X.]VerwGE 68, 177 <182>).

3. Das [X.]erufungsurteil verstößt gegen [X.], weil es nicht auf die Rechtsvorschriften gestützt ist, die für die [X.]eurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen [X.]escheides maßgeblich sind. Für die [X.]eurteilung der Rechtmäßigkeit einer Mitteilung nach § 11 HwO, mit der die künftige Eintragung in die Handwerksrolle angekündigt wird, kommt es zwar grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem [X.] an. Rechtsänderungen bis zum Zeitpunkt der Revisionsentscheidung sind allerdings zu berücksichtigen, sofern das [X.]erufungsgericht das neue Recht hätte anwenden müssen, wenn es nach dessen Inkrafttreten entschieden hätte (stRspr, vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 14. November 2018 - 8 [X.] 15.17 - [X.]VerwGE 163, 351 Rn. 12; [X.]eschluss vom 9. August 2018 - 6 [X.] 11.17 - DV[X.]l 2019, 372 Rn. 3 m.w.N.). Das ist hier der Fall.

Danach ist die Rechtmäßigkeit des angefochtenen [X.]escheides an § 19 Satz 1, § 18 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 HwO i.V.m. Anlage [X.] zur Handwerksordnung in der am 1. Juli 2021 in [X.] getretenen Fassung des [X.] und anderer handwerksrechtlicher Vorschriften vom 9. Juni 2021 ([X.]G[X.]l. I S. 1654, 1660, 1662) zu messen. Sie führt das Gewerbe der Kosmetiker nicht mehr in Abschnitt 2 der Anlage [X.] als handwerksähnliches Gewerbe im Sinne von § 18 Abs. 2 Satz 2 HwO, sondern in Abschnitt 1 Nr. 56 als zulassungsfreies Handwerk im Sinne von § 18 Abs. 2 Satz 1 HwO auf. Das [X.]erufungsurteil ist nicht auf diese - nach seinem Ergehen erlassene - Vorschrift gestützt und verletzt daher [X.].

4. Das Urteil erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die angefochtenen [X.]escheide sind rechtswidrig, weil die Voraussetzungen einer Eintragung in das nach § 19 HwO zu führende Verzeichnis nach § 18 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Anlage [X.] Abschnitt 1 Nr. 56 HwO bei dem [X.]etrieb der Klägerin nicht vorliegen. Die Tätigkeit der Klägerin als "Make-up Artist" ist zwar nach § 18 Abs. 2 Satz 1 HwO dem in Anlage [X.] Abschnitt 1 Nr. 56 zur Handwerksordnung aufgeführten zulassungsfreien Handwerk der Kosmetiker zuzuordnen, sie wird aber nicht handwerksmäßig betrieben.

a) Für die Zuordnung zu einem Handwerk des Abschnitts 1 der Anlage [X.] zur Handwerksordnung ist unerheblich, dass das Gewerbe eines "Make-up Artist" dort nicht genannt wird. Ein Gewerbe ist nicht erst dann in dieser Anlage im Sinne von § 18 Abs. 2 HwO aufgeführt, wenn seine durch den [X.]etriebsinhaber gewählte [X.]ezeichnung mit einer der in Anlage [X.] ausdrücklich aufgelisteten [X.]ezeichnungen übereinstimmt. Maßgeblich ist vielmehr, ob die ausgeübte Tätigkeit einem der in Anlage [X.] genannten Gewerbe inhaltlich zuzuordnen ist. Dafür kommt hier unstreitig allein das Gewerbe der Kosmetiker in [X.]etracht.

Die inhaltliche Zuordnung zu einem in Anlage [X.] zur Handwerksordnung aufgeführten Gewerbe ist nach der insoweit zutreffenden Auslegung des [X.]erufungsgerichts auch nicht ausgeschlossen, wenn die im Rahmen des [X.]etriebes ausgeübten Tätigkeiten lediglich einen Teilausschnitt dieses Gewerbes abdecken. Anders als § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 HwO fordert schon der Wortlaut des § 18 Abs. 2 HwO nicht, dass der [X.]etrieb des Gewerbes das in Anlage [X.] aufgeführte zulassungsfreie Handwerk vollständig umfasst. Die Entstehungsgeschichte der Handwerksordnung belegt zudem, dass der Gesetzgeber an die damalige Rechtsprechung und Verwaltungspraxis angeknüpft hat, wonach der [X.]etrieb eines Handwerks im Sinne der Handwerksordnung nicht die Ausführung aller nach dessen [X.]erufsbild zum jeweiligen Gewerbe gehörenden Tätigkeiten voraussetzt (vgl. den Schriftlichen [X.]ericht des [X.] vom 2. Juni 1965 über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung, [X.]T-Drs. 4/3461 S. 9). Auch [X.]etriebe, die sich auf bestimmte Arbeiten im Tätigkeitsbereich eines Handwerks spezialisieren, können deshalb diesem Handwerk zuzuordnen sein (vgl. bereits [X.]VerwG, Urteil vom 6. Dezember 1963 - 7 [X.] 18.63 - [X.]VerwGE 17, 230 <232>). Dass die Überführung eines Teils der vormals zulassungspflichtigen Handwerke aus Anlage A als künftig zulassungsfreie Handwerke in den Abschnitt 1 der Anlage [X.] daran etwas ändern sollte, lässt sich weder dem Wortlaut der Norm noch den Erwägungen des Gesetzentwurfes zur [X.] entnehmen (vgl. [X.]T-Drs. 15/1206 S. 33).

Das vorliegende Verfahren bietet keinen Anlass, abschließend zu erörtern, wie der Teilausschnitt eines [X.]erufsbildes eines ausdrücklich in Anlage [X.] zur Handwerksordnung aufgeführten zulassungsfreien Handwerks beschaffen sein muss, um eine Zuordnung zu diesem Handwerk nach § 18 Abs. 2 Satz 1 HwO vornehmen zu können. Ein Gewerbe ist jedenfalls dann einem in Anlage [X.] genannten zulassungsfreien Handwerk zuzuordnen, wenn es mindestens eine für dieses Gewerbe wesentliche Tätigkeit umfasst. Diese Tätigkeiten gehören zu den für das jeweilige Handwerk charakteristischen Elementen des [X.]erufsbildes. Weil für ein Handwerk wesentliche Tätigkeiten dadurch definiert sind, dass sie ihm nicht nur fachlich zugehören, sondern gerade seinen Kernbereich ausmachen und ihm sein essentielles Gepräge verleihen (stRspr, vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 9. April 2014 - 8 [X.] 50.12 - [X.]VerwGE 149, 265 Rn. 21 f. m.w.N.), rechtfertigt schon die Verwirklichung einer dieser eine Zuordnung zum jeweiligen in der Anlage [X.] zur Handwerksordnung aufgeführten Gewerbe. Übt ein Gewerbetreibender wesentliche Tätigkeiten eines solchen Handwerks aus, spricht auch der Zweck der Eintragungspflicht nach § 18 Abs. 2 HwO dafür, das Gewerbe als in Anlage [X.] Abschnitt 1 zur Handwerksordnung aufgeführt anzusehen. Die zulassungsfreien Handwerke und handwerksähnlichen Gewerbe sind den Handwerkskammern zugeordnet, weil diese für ihre [X.]etreuung und [X.]eratung nach der Einschätzung des Gesetzgebers fachlich besser geeignet erscheinen als die Industrie- und Handelskammern (stRspr, vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 17. Dezember 1998 - 1 [X.] 7.98 - [X.]VerwGE 108, 169 <171>). Diese fachliche Nähe zu den Handwerkskammern ist ohne weiteres jedenfalls dann anzunehmen, wenn wesentliche Tätigkeiten eines zulassungsfreien Handwerks ausgeübt werden.

Diese Auslegung ist mit dem Wortlaut des § 18 Abs. 2 Satz 1 HwO vereinbar und steht im Einklang mit der Systematik und der Entstehungsgeschichte der Norm. Danach wollte der Gesetzgeber die Ausübung einer wesentlichen Tätigkeit nicht zur notwendigen Voraussetzung der Zuordnung zu einem zulassungsfreien Handwerk des Abschnitts 1 der Anlage [X.] zur Handwerksordnung machen. § 1 Abs. 2 HwO wird in § 20 HwO nicht genannt. Der Vorschlag, seine entsprechende Anwendung auf zulassungsfreie Handwerke in § 18 Abs. 2 HwO anzuordnen, scheiterte im Vermittlungsausschuss ([X.]T-Drs. 15/1481 S. 22; [X.]T-Drs. 15/2083 S. 13 u. 48; [X.]T-Drs. 15/2246 S. 3). Daraus folgt, dass für die Ausübung eines zulassungsfreien Handwerks nicht die Ausübung einer wesentlichen Tätigkeit gefordert werden darf. Dies schließt jedoch nicht aus, die Ausübung einer solchen Tätigkeit für ausreichend zu halten, eine Zuordnung zu begründen.

Nach den revisionsrechtlich bindenden Tatsachenfeststellungen des [X.]erufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) hat der [X.]etrieb der Klägerin wesentliche Tätigkeiten des [X.] zum Gegenstand. Danach arbeitet die Klägerin im [X.]ereich der dekorativen Kosmetik des Gesichts als einer Pflichtqualifikation der Ausbildung zum Kosmetiker/zur Kosmetikerin (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 10 i.V.m. Abschnitt 1 Nr. 1.10 der Anlage zu § 5 der Verordnung über die [X.]erufsausbildung zum Kosmetiker/zur Kosmetikerin vom 9. Januar 2002 - [X.] - [X.]G[X.]l. [X.]). Tätigkeiten aus dem [X.]ereich einer Pflichtqualifikation für das [X.]erufsbild eines Handwerks sind für dieses wesentlich und rechtfertigen deshalb jedenfalls eine Zuordnung zu ihm. Darüber hinaus weist die Tätigkeit der Klägerin nach den Feststellungen des [X.]erufungsgerichts auch [X.]ezüge zu den Wahlqualifikationen "Visagismus" und "Permanentes Make-up" (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 und 4 [X.]) auf.

b) Die Klägerin betreibt ihr Gewerbe jedoch nicht handwerksmäßig im Sinne von § 18 Abs. 2 Satz 1 HwO.

Unter welchen Voraussetzungen ein [X.]etrieb handwerksmäßig ist (vgl. auch § 1 Abs. 2 Satz 1 HwO), wird in der Handwerksordnung nicht definiert und richtet sich nach dem Gesamtbild des einzelnen [X.]etriebes (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 6. Dezember 1963 - 7 [X.] 18.63 - [X.]VerwGE 17, 230 <232>). Die handwerksmäßige [X.]etriebsform ist im Wesentlichen in der Abgrenzung zum Industriebetrieb einerseits und zum Kleingewerbe oder zum Minderhandwerk andererseits zu bestimmen (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 12. Juli 1979 - 5 [X.] 10.79 - [X.]VerwGE 58, 217 <223>; [X.]eschluss vom 1. April 2004 - 6 [X.] 5.04 - [X.] 2004, 488). Für sie ist kennzeichnend, dass die Arbeitsleistung im [X.]etrieb durch - ggf. mit Hilfsmitteln unterstützte - qualifizierte Handarbeit erzielt wird und fachgerecht und einwandfrei nur bei [X.]eherrschung der in handwerklicher Schulung erworbenen Kenntnisse und Handfertigkeit erzielt werden kann (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 6. Dezember 1963 - 7 [X.] 18.63 - [X.]VerwGE 17, 230 <233>; dazu [X.]VerfG, [X.]eschluss vom 13. Oktober 1971 - 1 [X.]vR 280/66 - [X.]VerfGE 32, 54 <67>; [X.]VerwG, Urteil vom 12. Juli 1979 - 5 [X.] 10.79 - [X.]VerwGE 58, 217 <224>; vgl. [X.], in: [X.], [X.], § 18 Rn. 7; [X.], in: [X.], ebd. § 1 Rn. 63; [X.], in: [X.], [X.]eckOK zur Handwerksordnung, Stand: 1. August 2021, § 1 Rn. 23, 25; [X.], in: Honig/[X.]/[X.], Handwerksordnung, 5. Aufl. 2017, § 1 Rn. 39). Die für die ausgeübte Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse und die dafür nötige Handfertigkeit müssen - wie schon für handwerksähnliche [X.]etriebe anerkannt ist - mindestens einen mittleren Schwierigkeitsgrad aufweisen (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 13. März 1973 - 1 [X.] 10.70 - [X.]uchholz 451.45 § 18 HwO Nr. 2 S. 4; vgl. auch den Schriftlichen [X.]ericht des [X.] vom 2. Juni 1965 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung, [X.]T-Drs. 4/3461 S. 8). Zur Konkretisierung des Erfordernisses eines mindestens mittleren Schwierigkeitsgrades kann die Dauer der Anlernzeit für eine einwandfreie Ausübung der Tätigkeiten des jeweiligen [X.]etriebes herangezogen werden. Anknüpfend an die Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts hat der Gesetzgeber bei der Einführung von § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 HwO Tätigkeiten als lediglich einfach angesehen, die in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten erlernt werden können (vgl. [X.]T-Drs. 15/1089 S. 6 unter Verweis auf [X.]VerwG, Urteil vom 25. Februar 1992 - 1 [X.] 27.89 - [X.]uchholz 451.45 § 1 HwO Nr. 23 S. 16).

Gemessen hieran wird die Tätigkeit der Klägerin als "Make-up Artist" nicht handwerksmäßig betrieben, weil sie nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.]erufungsgerichts leicht und ohne größeren Zeitaufwand erlernbar ist, danach setzt sie lediglich eine Anlernzeit von 220 Stunden oder etwa vier Wochen voraus. Dies bleibt deutlich hinter der für Tätigkeiten mittleren Schwierigkeitsgrades erforderlichen Anlernzeit von mindestens drei Monaten zurück.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO.

Meta

8 C 34/20

26.10.2021

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 27. Februar 2020, Az: 6 S 2901/18, Urteil

§ 1 Abs 2 HwO, § 11 HwO, § 18 Abs 1 S 1 HwO, § 18 Abs 2 HwO, Anl B Abschn 1 Nr 56 HwO, § 19 S 1 HwO, § 20 HwO, § 244 Abs 3 S 2 StPO, § 86 Abs 2 VwGO, § 108 Abs 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26.10.2021, Az. 8 C 34/20 (REWIS RS 2021, 1605)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 1605

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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