Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.06.2011, Az. V ZR 146/10

5. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 5783

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Gegenstand

Wohnungseigentumsverfahren: Anspruch auf Abberufung eines untauglichen Verwalters und auf Bestellung eines tauglichen Verwalters; Erlass einer einstweiligen Verfügung


Leitsatz

1. Jeder Wohnungseigentümer kann nach § 21 Abs. 4 WEG die Abberufung eines untauglichen Verwalters und die Bestellung eines tauglichen Verwalters verlangen .

2. Im Rahmen eines anhängigen Hauptsacheverfahrens über den Anspruch kann eine einstweilige Regelung zwar infolge der Aufhebung von § 44 Abs. 3 WEG a.F. nicht mehr von Amts wegen getroffen, wohl aber weiterhin beantragt und unter den Voraussetzungen des § 940 ZPO getroffen werden .

Tenor

Die Revision des Beklagten zu 1 gegen das Urteil der 29. Zivilkammer des [X.] vom 1. Juli 2010 wird als unzulässig verworfen.

Der Beklagte zu 1 trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der Gerichtskosten, die nicht erhoben werden.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Beklagten zu 1 und die Kläger sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Diese befindet sich in einer finanziell schwierigen Lage, die durch hohe Hausgeldrückstände von Wohnungseigentümern einerseits und durch unbezahlte Lieferungen und Abgaben sowie ausstehende Wohngeldabrechnungen andererseits gekennzeichnet ist. Die Kläger führen diese Situation auf Defizite bei der früheren Hausverwaltung, der Firma [X.] (fortan: [X.]), zurück. Auf ihre Klage hat das Amtsgericht die bisherige Verwalterin abberufen und die Firma [X.] (fortan: [X.]) als Notverwalterin für die Dauer von zwei Jahren, längstens bis zur Abänderung des Urteils durch das Rechtsmittelgericht, bestellt. Die Berufung des Beklagten zu 1 und der [X.]    gegen die Bestellung der [X.]  zur Notverwalterin hat das [X.] mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die [X.] auch bei der - inzwischen erfolgten - Neuwahl des Verwalters endet. Dagegen wendet sich der Revisionskläger mit der zugelassenen Revision. Die [X.] beantragen, das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen.

Entscheidungsgründe

I.

2

Das Berufungsgericht meint, das Amtsgericht habe mit der Bestellung der [X.] der Sache nach eine einstweilige Verfügung in der Form einer Regelungsverfügung getroffen. Diese sei im Wesentlichen nicht zu beanstanden. Die klagenden Wohnungseigentümer könnten auf der Grundlage von § 21 Abs. 4 und 8 [X.] nicht nur die Abberufung eines ungeeigneten und die Einsetzung eines neuen geeigneten Verwalters verlangen. Bei einem dringenden Bedürfnis könne der neue Verwalter auch im Wege einer einstweiligen Verfügung sofort als [X.] eingesetzt werden. Von dieser Möglichkeit habe das Amtsgericht hier Gebrauch gemacht. Das dafür erforderliche dringende Bedürfnis habe vorgelegen. Der Einsetzung einer [X.] stehe die Aufhebung von § 26 Abs. 3 [X.] aF nicht entgegen.

II.

3

Die Revision ist unzulässig.

4

1. Ob das schon daraus folgt, dass die Zulassung der Revision auch von dem eigenen Standpunkt des Berufungsgerichts aus im Gesetz keine Stütze findet, bedarf keiner Entscheidung.

5

2. Nach § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist die Revision gegen Urteile, durch die über die Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Verfügung entschieden worden ist, nicht statthaft. Daran ändert die gleichwohl erfolgte Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht nichts (vgl. [X.], Beschluss vom 27. Februar 2003 - [X.], [X.]Z 154, 102).

6

3. Das angefochtene Berufungsurteil ist ein solches Urteil.

7

a) Gegenstand des Berufungsverfahrens war nicht die Abberufung der bisherigen Verwalterin, sondern allein der Ausspruch zu Nummer 2 des amtsgerichtlichen Urteils, durch den die [X.]  zur [X.]in bestellt worden ist. Dabei handelt es sich, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, um eine einstweilige Verfügung zur Regelung eines einstweiligen Zustands nach § 940 ZPO. Das Amtsgericht hat den angefochtenen Teil seiner Entscheidung zwar nicht ausdrücklich als einstweilige Verfügung bezeichnet und sich auch nicht (ausdrücklich) auf § 940 ZPO gestützt. Seine Entscheidung sollte aber die ordnungsmäßige Verwaltung der Wohnungseigentümergemeinschaft der Parteien einstweilen sicherstellen und ist deshalb insoweit eine einstweilige (Regelungs-) Verfügung.

8

b) Das ergibt sich schon aus der Urteilsformel. Darin wird die [X.]  nicht zur regulären Verwalterin der Anlage bestellt, sondern ausdrücklich als [X.]in. Schon das zeigt den vorläufigen Charakter ihrer Bestellung. Dieser wird, worauf das Berufungsgericht zutreffend abgestellt hat, weiter darin deutlich, dass die Bestellung der [X.]    nicht erst mit der Rechtskraft des Urteils wirksam werden soll, sondern sofort nach der Verkündung. Das ist bei einer Regelungsverfügung unverzichtbar, weil sie sonst ihr Ziel verfehlte. Demgegenüber träte die mit einer Klage nach § 21 Abs. 8 [X.] angestrebte Gestaltungswirkung erst mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens ein ([X.], [X.], 11. Aufl., § 21 Rn. 193; [X.]/[X.], [X.], § 21 Rn. 419).

9

c) Die Bestellung der [X.]   zur [X.]in sollte auch nach den Urteilsgründen eine einstweilige Verfügung sein.

(1) Deren Erlass hatten die [X.] in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht angeregt. Das Amtsgericht hat angesichts des schlechten Zustands der Verwaltung und der Größe der Anlage das dringende Bedürfnis für die Bestellung eines [X.]s gesehen. Es wollte, der Anregung der [X.] teilweise folgend, mit der Bestellung einer [X.] verhindern, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft der Parteien durch die (sofortige) Abberufung der bisherigen Verwalterin bis zur Bestellung eines neuen Verwalters verwalterlos wird.

(2) Das entspricht inhaltlich den Voraussetzungen, unter denen nach § 26 Abs. 3 [X.] aF ein [X.] bestellt werden konnte. Diese Vorschrift ist zwar mit der [X.]-Novelle von 2007 (Gesetz vom 26. März 2007, [X.]) aufgehoben worden. Das bedeutet aber nicht, dass die Bestellung eines [X.]s nach geltender Rechtslage nicht mehr möglich wäre. Die Wohnungseigentümer haben vielmehr nach § 21 Abs. 4 [X.] einen Anspruch auf eine Verwaltung ihrer Gemeinschaft, die den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Das schließt einen Anspruch auf Abberufung eines untauglichen Verwalters und auf Bestellung eines tauglichen Verwalters ein. Dieser Anspruch kann, wovon auch der Gesetzgeber ausgegangen ist (Begründung der [X.]-Novelle 2007 in BT-Drucks. 16/887 S. 35 zu Nr. 12 b), durch eine einstweilige Verfügung nach § 940 ZPO gesichert werden ([X.], aaO, § 21 Rn. 193 [X.]; [X.]/Suilmann, [X.] 2. Aufl., § 21 Rn. 159; Spielbauer/Then, [X.], § 21 Rn. 90 [X.]; [X.]/[X.], aaO, § 21 Rn. 419). In diesem Rahmen ist die Bestellung eines [X.]s weiterhin möglich ([X.]/Suilmann und Spielbauer/Then, jeweils aaO). Von dieser Möglichkeit hat das Amtsgericht Gebrauch gemacht. Das setzte kein eigenständiges Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung voraus. Eine einstweilige Regelung kann zwar infolge der Aufhebung von § 44 Abs. 3 [X.] aF nicht mehr von Amts wegen getroffen, im Rahmen eines anhängigen Hauptsacheverfahrens über den Anspruch nach § 21 Abs. 4 und 8 [X.] aber weiterhin beantragt ([X.]/[X.] aaO) und unter den Voraussetzungen des § 940 ZPO angeordnet werden. In diesem Sinne hat das Amtsgericht den Antrag der Kläger ausgelegt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Gerichtskosten für das Revisionsverfahren sind nach § 21 Abs. 1 GKG nicht zu erheben, weil sie durch die fehlerhafte Zulassung der Revision in dem Berufungsurteil veranlasst sind.

[X.]                                       Schmidt-Räntsch                                        Roth

                     Brückner                                                   Weinland

Meta

V ZR 146/10

10.06.2011

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Köln, 1. Juli 2010, Az: 29 S 208/09, Urteil

§ 21 Abs 4 WoEigG, § 21 Abs 8 WoEigG, § 44 Abs 3 aF WoEigG, § 542 Abs 2 S 1 ZPO, § 940 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.06.2011, Az. V ZR 146/10 (REWIS RS 2011, 5783)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5783

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