Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.10.2011, Az. V ZR 253/10

5. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 1825

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Gegenstand

Wohnungseigentum: Abbedingung des Kopfprinzips zugunsten des Objekt- und Wertprinzips bei der Verwalterbestellung bzw. -abberufung


Leitsatz

Auch nach dem Wohnungseigentumsgesetz in der ab dem 1. Juli 2007 geltenden Fassung stellt es keine unzulässige Beschränkung der Bestellung oder Abberufung des Verwalters dar, wenn das Kopfprinzip durch Vereinbarung zugunsten des Objekt- oder des Wertprinzips abbedungen worden ist (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 19. September 2002, V ZB 30/02, BGHZ 152, 46 ff.).

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des [X.] vom 24. November 2010 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Klägerin ist Eigentümerin von 27 der insgesamt 45 Wohnungen, was einem Miteigentumsanteil von 580/1.000stel entspricht. In der Teilungserklärung vom 20. November 1996 ist die Beschlussfassung für Abstimmungen in der Eigentümerversammlung geregelt. § 13 Nr. 4 Satz 1 lautet "Jeder Eigentümer einer der 45 Wohnungen hat für jede in seinem Eigentum stehende Wohnung eine Stimme." In ihrer Versammlung vom 7. August 2009 stimmte die nach [X.] gemessene Mehrheit der Eigentümer dafür, die Beigeladene für die [X.] vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2014 weiterhin zur Verwalterin zu bestellen und den Verwaltungsbeirat zum Abschluss des [X.] zu bevollmächtigen. Die Klägerin befürwortete nur eine Bestellung für ein Jahr und stimmte dagegen. Weil die Verwalterin sich an § 13 Nr. 4 Satz 1 der Teilungserklärung nicht gebunden sah, stellte sie das Zustandekommen des Beschlusses fest und verkündete das Beschlussergebnis. Auf die Anfechtungsklage der Klägerin hin hat das Amtsgericht den Beschluss für ungültig erklärt. Die Berufung der Beklagten hat das [X.] in der Hauptsache zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, wollen die Beklagten die Aufhebung des angefochtenen Urteils und Abweisung der Klage erreichen.

Entscheidungsgründe

I.

2

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in [X.] 2011, 121 f. abgedruckt ist, hält die Abstimmung nach [X.] für unzulässig, weshalb die erforderliche Mehrheit nicht erreicht sei. Das gesetzlich vorgesehene Kopfprinzip sei durch § 13 Nr. 4 Satz 1 der Teilungserklärung auch für die Verwalterbestellung wirksam abbedungen. § 26 Abs. 1 Satz 5 [X.] stehe dem nicht entgegen. Diese Vorschrift betreffe materielle Beschränkungen der Bestellung oder Abberufung des Verwalters, nicht aber die Stimmengewichtung. Die Anfechtungsklage biete einen ausreichenden Schutz gegen die mit dem Objektprinzip verbundene Gefahr der Majorisierung einer Mehrheit durch einen oder eine kleine Gruppe von Wohnungseigentümern.

II.

3

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung stand.

4

1. Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass der Beschluss über die Verwalterbestellung nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Das gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 [X.] vorgesehene Kopfprinzip ist durch die in der Teilungserklärung enthaltene Regelung der Abstimmung nach dem Objektprinzip wirksam abbedungen worden mit der Folge, dass die erforderliche Stimmenmehrheit nicht zustande gekommen ist. Darin liegt keine Beschränkung im Sinne von § 26 Abs. 1 Satz 5 [X.]. Der [X.] hat für die gleichlautende Vorschrift des § 26 Abs. 1 Satz 4 [X.] in der bis zum 30. Juni 2007 geltenden Fassung entschieden, dass sie einer von dem Kopfstimmrecht abweichenden Vereinbarung des Objektprinzips (Stimmrecht nach der Anzahl der Wohnungseigentumsrechte) oder des Wert- bzw. Anteilsstimmrechts (Stimmrecht nach der Größe der Miteigentumsanteile) nicht entgegensteht ([X.], Beschluss vom 19. September 2002 - [X.], [X.], 46, 53 f.).

5

2. Allerdings ist umstritten, ob daran auch nach dem Wohnungseigentumsgesetz in der ab dem 1. Juli 2007 geltenden Fassung festzuhalten ist.

6

a) Teils wird mit Blick auf die in § 12 Abs. 4 Satz 2, § 16 Abs. 5 [X.] und § 22 Abs. 2 Satz 2 [X.] enthaltenen Bestimmungen geltend gemacht, zur Vermeidung von Wertungswi[X.]prüchen müsse § 26 Abs. 1 Satz 5 [X.] dahingehend ausgelegt werden, dass die Vereinbarung eines von dem Kopfprinzip abweichenden Stimmprinzips unzulässig sei (so insbesondere [X.] in [X.], [X.], 11. Aufl., § 25 Rn. 32, § 26 Rn. 39; [X.]., [X.] 2009, 15, 19 ff.). Dagegen sieht die überwiegende Ansicht dies weiterhin als zulässig an ([X.]/Pick, [X.], 19. Aufl., § 26 Rn. 8; Rüscher, in: [X.]/[X.], Praxis des Wohnungseigentums, 5. Aufl., Rn. 750 f.; [X.] in Hügel/[X.], [X.], 3. Aufl., Teil 9, Rn. 20; [X.] in [X.], [X.], 2. Aufl., § 26 Rn. 37; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 26 [X.] Rn. 8; [X.], [X.] 2011, 118, 120; Häublein, [X.], 805, 806).

7

b) Der [X.] hält für § 26 Abs. 1 Satz 5 [X.] in der seit dem 1. Juli 2007 geltenden Fassung daran fest, dass diese Vorschrift einer Vereinbarung des Objekt- oder Wertprinzips nicht entgegensteht. Die für eine Unabdingbarkeit des [X.] angeführten Argumente überzeugen nicht.

8

aa) Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 5 [X.] sind solche Beschränkungen der Bestellung oder Abberufung des Verwalters unzulässig, die nicht in § 26 Abs. 1 Satz 1 bis 4 [X.] vorgesehen sind. § 26 Abs. 1 Satz 1 [X.] schreibt lediglich das Mehrheitsprinzip als solches fest mit der Folge, dass die Bestellung oder Abberufung des Verwalters nicht durch Vereinbarung etwa von dem Erreichen einer qualifizierten Mehrheit oder von einem einstimmigen Beschluss abhängig gemacht werden kann. Der Regelungsgehalt von § 26 Abs. 1 Satz 1 und 5 [X.] erstreckt sich dagegen nicht auf die Frage, ob die erforderliche Mehrheit nach [X.], Objekten oder Miteigentumsanteilen zusammengesetzt sein muss. Dies kann zwar - wie auch hier - entscheidende Auswirkung auf das Abstimmungsergebnis haben. Es handelt sich aber nicht um eine "Beschränkung" im Sinne von § 26 Abs. 1 Satz 5 [X.], sondern um die Definition der Stimmenmehrheit (unzutreffend daher [X.], [X.] 2009, 15, 16). Insoweit verweist § 26 Abs. 1 Satz 1 [X.] auf § 25 Abs. 2 Satz 1 [X.]. Das dort im Grundsatz vorgesehene Kopfprinzip ist gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 [X.] abdingbar ([X.], Beschluss vom 19. September 2002 - [X.], [X.], 46, 53; [X.] in [X.], aaO, § 25 Rn. 12 jeweils mwN). Den dispositiven Charakter verliert § 25 Abs. 2 Satz 1 [X.] aufgrund der Verweisung nicht.

9

bb) Die von der Gegenauffassung herangezogenen, in § 12 Abs. 4 Satz 2, § 16 Abs. 5 [X.] und § 22 Abs. 2 Satz 2 [X.] enthaltenen Bestimmungen sind für die Auslegung von § 26 Abs. 1 Satz 5 [X.] unergiebig.

(1) In diesen Vorschriften ist seit der am 1. Juli 2007 in [X.] getretenen Reform des Wohnungseigentumsrechts jeweils vorgesehen, dass bestimmte Befugnisse der Wohnungseigentümer durch Vereinbarung "nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen" werden können, wie beispielsweise die Aufhebung einer Veräußerungsbeschränkung durch Stimmenmehrheit (§ 12 Abs. 4 Satz 1 [X.]) oder die Beschlussfassung über bestimmte Modernisierungsmaßnahmen durch qualifizierte Mehrheit (§ 22 Abs. 2 Satz 1 [X.]). Damit bezweckte der Gesetzgeber eine Hinwendung zum Mehrheitsprinzip in Abkehr von dem Prinzip der Einstimmigkeit (vgl. BT-Drucks. 16/887 S. 10 f., 22, 25, 32). Ob damit allerdings nur das Mehrheitsprinzip als solches oder - wovon das Berufungsgericht ausgeht - auch die Unabdingbarkeit des [X.] verankert worden ist, ist ohnehin unklar und umstritten. Während eine verbreitete Ansicht letzteres annimmt ([X.] in [X.], aaO, § 16 Rn. 136; [X.] in [X.] aaO, § 22 Rn. 349, § 25 Rn. 31; [X.]/[X.], [X.], § 16 Rn. 228; [X.]/Hogenschurz, [X.], § 12 Rn. 65; [X.], [X.] 2007, 264, 265; Häublein, [X.] (2007) [X.], 118 ff.; [X.]., [X.], 409, 410 ff.), hält die Gegenauffassung die Vereinbarung des Objekt- oder Wertprinzips für zulässig [X.] in [X.], aaO, § 12 Rn. 52; [X.] in [X.], aaO, § 12 Rn. 43; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 12 Rn. 68 c; Hügel/[X.], [X.], 457, 463). Andere nehmen nur für die eine qualifizierte Mehrheit erfordernden Beschlüsse nach § 16 Abs. 4 [X.] und § 22 Abs. 2 Satz 1 [X.] einen gesetzlich angeordneten Vorrang des [X.] an (Rüscher, in: [X.]/[X.], Praxis des Wohnungseigentums, 5. Aufl., Rn. 751; [X.], [X.] 2008, 253, 256 f.; [X.], [X.] 2011, 118, 120). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts enthält die Gesetzesbegründung insoweit keine Vorgaben. Dort heißt es zwar, dass die "[X.] einschließlich der Mehrheitsmacht" nicht abbedungen werden kann (BT-Drucks. 16/887 S. 25, [X.], vgl. auch [X.]). Vorgaben zu der Stimmkraft sind damit aber gerade nicht gemacht worden (so zutreffend [X.], [X.] 2008, 253, 256; [X.], [X.] 2011, 118, 120).

(2) Ob die in § 12 Abs. 4 Satz 2, § 16 Abs. 5 [X.] und § 22 Abs. 2 Satz 2 [X.] enthaltenen Bestimmungen dahingehend auszulegen sind, dass das Kopfprinzip unabdingbar ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn schon dem Wortlaut nach hat § 26 Abs. 1 Satz 5 [X.] nicht zwingend den gleichen Regelungsgehalt wie die genannten Vorschriften. Zudem verweist die Revisionserwiderung zutreffend darauf, dass die Bestimmung gegenüber § 26 Abs. 1 Satz 4 [X.] aF unverändert geblieben ist. Dies erlaubt den Schluss, dass der Gesetzgeber sich in Kenntnis der gefestigten Rechtsprechung und nahezu einhelligen Auffassung in der Literatur nicht veranlasst gesehen hat, das Kopfprinzip bei der Bestellung oder Abberufung des Verwalters nunmehr gesetzlich für unabdingbar zu erklären. Einer solchen ausdrücklichen Anordnung des Gesetzgebers bedürfte es schon aus praktischen Gründen, weil der Verwalter die Bestimmungen der Teilungserklärung und der Gemeinschaftsordnung beachten muss, solange gesetzliche Vorgaben nicht entgegenstehen ([X.], [X.] 2011, 118, 120). Zudem zielt die Vorschrift ihrem Zweck nach nicht darauf ab, über die Festlegung des Mehrheitsprinzips hinausgehende Vorgaben für die interne Willensbildung zu machen, sondern soll in erster Linie die Einflussnahme Dritter - etwa Kreditgeber oder Bauträger - auf die Verwalterbestellung oder -abberufung verhindern ([X.], Beschluss vom 20. Juni 2002 - [X.], [X.], 164, 177 f. mwN).

cc) Schließlich ist der Sache nach die unbedingte Durchsetzung des [X.] nicht geboten, weil es dem Objekt- oder Wertprinzip nicht generell überlegen ist (vgl. [X.], [X.] 2008, 253, 256; Hügel/[X.], [X.], 457, 463). Immerhin bestimmen sich die mit der Verwaltung verbundenen wirtschaftlichen Lasten im Regelfall nach den Miteigentumsanteilen und nicht nach [X.]. Nicht zu verkennen ist zwar die Gefahr der Majorisierung durch einzelne Eigentümer zu Lasten einer rechnerischen Mehrheit nach [X.]. Den erforderlichen Minderheitenschutz gewährleistet aber das Prinzip ordnungsmäßiger, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechender Verwaltung (§ 21 Abs. 5 [X.]) und dessen gerichtliche Kontrolle im Wege der Anfechtungsklage. Daraufhin sind Beschlüsse sorgfältig zu überprüfen (vgl. [X.], Beschluss vom 19. September 2002 - [X.], [X.], 46, 53 f.; [X.] in [X.], aaO, § 26 Rn. 40 bis 42; [X.], [X.] 2008, 253, 256).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Krüger                                                [X.]t-Räntsch                                                 Roth

                          Brückner                                                              Weinland

Meta

V ZR 253/10

28.10.2011

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Dresden, 24. November 2010, Az: 2 S 293/10, Urteil

§ 26 Abs 1 S 5 WoEigG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.10.2011, Az. V ZR 253/10 (REWIS RS 2011, 1825)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1825

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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