Bundesfinanzhof, Urteil vom 01.10.2014, Az. II R 43/14

2. Senat | REWIS RS 2014, 2474

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Gegenstand

Übertragung einer Kommanditbeteiligung als freigebige Zuwendung - Schenkungsteuerrechtliche Unbeachtlichkeit einer nach dinglichem Vollzug erfolgten Vertragsneufassung


Leitsatz

NV: Bei Anteilen an Personengesellschaften ist Gegenstand der Zuwendung die sich aufgrund der Übertragung der Kapitalbeteiligung ergebende Vermögensverschiebung zwischen Schenker und Beschenktem. Dies setzt voraus, dass der Schenker dem Beschenkten das Mitgliedschaftsrecht zivilrechtlich wirksam überträgt .

Tatbestand

1

I. Die Eltern der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) waren Kommanditisten der [X.] ([X.]). Die Mutter der Klägerin hielt einen Kommanditanteil in Höhe von 450.000 DM, der Vater einen in Höhe von 1.050.000 DM. Komplementärin ohne Anteil am Gesellschaftsvermögen war die [X.] (GmbH), an der der Bruder der Klägerin und die Eltern der Klägerin zu jeweils 1/3 beteiligt waren. [X.] Geschäftsführer der GmbH waren der Bruder der Klägerin und ihr Vater.

2

Nach § 6 des notariell beurkundeten [X.] trat die Mutter ihren Kommanditanteil an der [X.] in Höhe von 375.000 DM an [X.], eine Schwester der Klägerin, und in Höhe von 75.000 DM an den Bruder der Klägerin ab. Der Vater trat seinen Anteil in Höhe von 300.000 DM an den Bruder der Klägerin und in Höhe von jeweils 375.000 DM an die Klägerin und deren [X.] ab. Die Übertragung erfolgte jeweils unter dem Vorbehalt des lebenslänglichen Nießbrauchs für die Übertragenden bzw. den jeweils Letztversterbenden. Weiter war vereinbart, dass die Erwerber die [X.] und von Todes wegen nur auf Mitgesellschafter oder Abkömmlinge übertragen konnten.

3

Ebenfalls am 29. Dezember 2006, aber noch vor der Übertragung der Kommanditanteile, schlossen die Eltern als Kommanditisten und die GmbH als Komplementärin einen neuen Kommanditvertrag. Darin ist unter § 9 Nr. 6 geregelt, dass das Stimmrecht der Gesellschafter dem Anteil am Gesellschaftskapital entspricht und im Falle eines Nießbrauchs dem Nießbraucher zustehen soll.

4

Mit notariell beurkundetem [X.] vereinbarten die Klägerin, ihre Geschwister und ihre Eltern eine Ergänzung der Bestimmung in § 6 des [X.]. Danach übertragen die Eltern ihre Kommanditanteile jeder zu je 1/4 auf jedes Kind, so dass die Kinder im Ergebnis mit Kommanditanteilen in Höhe von jeweils 375.000 DM beteiligt sein sollten.

5

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) folgte den Schenkungsteuererklärungen der Klägerin und deren Geschwister und setzte mit gleichlautenden Bescheiden vom 4. August 2008 die Schenkungsteuer unter Ansatz des anteiligen Wertes der [X.] in Höhe von jeweils 555.764 € (25 % des Wertes des gesamten [X.] der Mutter) und unter Berücksichtigung der Freibeträge nach § 16 des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes in der im Streitjahr gültigen Fassung ([X.]) und der Steuerbegünstigungen des § 13a [X.] auf jeweils 13.156 € fest. Die Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung). In den geänderten Bescheiden vom 27. August 2008 wurde die unverändert festgesetzte Steuer mit einem höheren Betrag gestundet.

6

Im [X.] an eine bei der Klägerin und deren Geschwistern durchgeführte Außenprüfung vertrat das [X.] die Auffassung, dass es im vorliegenden Fall an einer Mitunternehmerinitiative der Beschenkten fehle, und setzte mit gleichlautenden Bescheiden vom 22. April 2010 die Schenkungsteuer ohne Berücksichtigung des Freibetrags nach § 13a Abs. 1 [X.] und des [X.]s nach § 13a Abs. 2 [X.] auf jeweils 52.605 € fest.

7

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren von der Klägerin und ihren Geschwistern gemeinsam erhobene, auf Aufhebung aller Bescheide, hilfsweise auf Aufhebung der [X.] vom 22. April 2010 gerichtete Klage wies das Finanzgericht ([X.]) mit der Begründung ab, der Freibetrag und der [X.] könnten mangels Mitunternehmerstellung der Klägerin und ihrer Geschwister nicht berücksichtigt werden. Die Entscheidung des [X.] ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 2033 veröffentlicht.

8

Dagegen richtet sich die von den Geschwistern zunächst gemeinsam erhobene, nach Abtrennung der Verfahren ihrer Geschwister von der Klägerin allein betriebene Revision. Sie vertritt die Ansicht, die Übertragung des [X.] erfülle schon nicht den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 [X.]. In jedem Fall seien jedoch der Freibetrag nach § 13a Abs. 1 [X.] und der [X.] nach § 13a Abs. 2 [X.] zu berücksichtigen, denn sie habe durch die Übertragung eine Mitunternehmerstellung erlangt.

9

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung vom 18. April 2011 aufzuheben und die Schenkungsteuer unter Abänderung der Bescheide vom 4. August 2008, vom 27. August 2008 und vom 22. April 2010 auf 0 € herabzusetzen, hilfsweise, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung vom 18. April 2011 und den Bescheid vom 22. April 2010 aufzuheben.

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung und der angefochtenen Bescheide (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). [X.] und [X.] sind zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin von ihrer Mutter [X.] übertragen bekommen hat.

1. Das [X.] hat in den angefochtenen Schenkungsteuerbescheiden einen Rechtsvorgang besteuert, der keine freigebige Zuwendung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) der Mutter an die Klägerin begründet.

a) Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Sie setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass die Leistung zu einer Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führt und die Zuwendung (objektiv) unentgeltlich ist. Dies erfordert, dass der Empfänger über das [X.] im Verhältnis zum Leistenden tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann. Dafür, ob dies der Fall ist, kommt es ausschließlich auf die Zivilrechtslage an (vgl. Urteile des [X.] --BFH-- vom 22. August 2007 II R 33/06, [X.], 403, [X.], 28; vom 28. Juni 2007 II R 21/05, [X.], 254, [X.], 669, und vom 18. September 2013 II R 63/11, [X.] 2014, 349, Rz 11; jeweils m.w.N.).

b) Bei Anteilen an Personengesellschaften ist Gegenstand der Zuwendung die sich aufgrund der Übertragung der Kapitalbeteiligung ergebende Vermögensverschiebung zwischen [X.] und [X.] (BFH-Urteil vom 30. November 2009 II R 70/06, [X.] 2010, 900). Dies setzt voraus, dass der [X.] dem Beschenkten das Mitgliedschaftsrecht zivilrechtlich wirksam überträgt, andernfalls erlangt er keinen Anteil am Gesellschaftsvermögen (BFH-Urteil vom 1. Juli 1992 II R 108/88, [X.], 386, [X.] 1992, 923).

c) [X.] hat der Klägerin keinen Kommanditanteil an der [X.] zivilrechtlich wirksam übertragen. Nach § 6 des [X.] trat sie ihren Kommanditanteil lediglich an die Schwester der Klägerin und deren Bruder ab. Die Klägerin selbst hat von ihrem Vater [X.] in Höhe von 375.000 DM übertragen bekommen. Diese Übertragung ist jedoch nicht Gegenstand der angefochtenen Bescheide.

Die Vereinbarung der Klägerin mit ihren Eltern und Geschwistern vom 30. März 2007 führt zu keinem anderen Ergebnis. Danach übertragen die Eltern zwar jeweils 1/4 ihrer [X.] auf jedes ihrer vier Kinder. Diese Vereinbarung ging jedoch ins Leere, da die Eltern bereits zuvor, durch [X.], ihre [X.] abgetreten und damit die Übertragung dinglich vollzogen hatten. Es handelt sich bei der Regelung im [X.] als betitelt-- auch nicht um eine "Ergänzung" der entsprechenden Regelung im [X.], denn die [X.] haben die Regelung in § 6 des Vertrags mit einem anderen Inhalt neu gefasst. Dieser Neufassung kommt keine schenkungsteuerrechtliche Bedeutung zu.

2. Da das [X.] dies nicht erkannt hat, war die Entscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die angefochtenen Schenkungsteuerbescheide sind mangels freigebiger Zuwendung rechtswidrig, verletzen die Klägerin in ihren Rechten und sind daher aufzuheben. Der Antrag der Klägerin auf Herabsetzung der Schenkungsteuer auf 0 € umfasst auch die vollständige Aufhebung der Bescheide.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

II R 43/14

01.10.2014

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 24. Mai 2012, Az: 3 K 1771/11 Erb, Urteil

§ 7 Abs 1 Nr 1 ErbStG 1997, § 161 HGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 01.10.2014, Az. II R 43/14 (REWIS RS 2014, 2474)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2474

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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