Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.06.2011, Az. AnwZ (Brfg) 11/10

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2011, 5359

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


[X.]UNDESGERICHTSHOF

[X.]ESCHLUSS

AnwZ ([X.]) 11/10
vom

29. Juni 2011

in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
[X.] § 14 Abs 2, § 112c Abs. 1 Satz 2;
VwGO § 113 Abs. 1 Satz 1
Für die [X.]eurteilung der Rechtsmäßigkeit
des Widerrufs einer Zulassung zur Rechts-anwaltschaft ist nach der mit Wirkung ab 1.
September 2009 erfolgten Änderung des Verfahrensrechts allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Wider-rufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder -
wenn das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist
-
auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die [X.]eurteilung danach eingetre-tener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten.

[X.], [X.]eschluss vom 29. Juni 2011 -
AnwZ ([X.]) 11/10 -
[X.]

wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft

-
2
-
Der [X.]undesgerichtshof, Senat für
Anwaltssachen, hat durch die Vorsitzende Richterin [X.], den Richter Prof. Dr. König,
die Richterin [X.] und die Rechtsanwälte Prof. Dr. Stüer und Dr. Martini

am 29.
Juni 2011 beschlossen:

Der Antrag des [X.] auf Zulassung der [X.]erufung gegen das Urteil des 1. Senats des [X.] für das Land [X.] vom 11.
Juni 2010 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Geschäftswert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000

festgesetzt.

Gründe:
I.
Der als Einzelanwalt tätige Kläger wendet sich gegen den Widerruf sei-ner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Die [X.]eklagte hat mit [X.]escheid vom 12.
November 2009 die Zulassung des [X.] wegen [X.] (§
14
Abs. 2 Nr. 7 [X.]) widerrufen. Dessen hierauf erhobene Klage hat der [X.] abgewiesen. Dabei hat der [X.] offen gelas-sen, ob für die [X.]eurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung maßgebend ist oder ob auch eine nachträgli-che Konsolidierung der Vermögensverhältnisse zu berücksichtigen ist. Gegen diese Entscheidung richtet sich der Antrag des [X.] auf Zulassung der [X.]eru-fung.
1
-
3
-
II.
Der nach §
112e Satz
2
[X.], §
124a Abs.
4 VwGO statthafte Antrag des [X.] auf Zulassung der [X.]erufung hat keinen Erfolg. Die geltend [X.] liegen nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§
112e Satz 2 [X.], §
124 Abs.
2 Nr.
1 VwGO) bestehen nicht. Dieser Zulas-sungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird ([X.] 110, 77, 83; [X.], [X.], 1163, 1164; NVwZ-RR 2008,
1; NJW 2009, 3642; [X.], [X.]eschluss vom 23. März 2011 -
AnwZ
([X.]) 9/10, juris Rn. 3; vgl. ferner [X.], NVwZ-RR 2004, 542 f.; [X.]/Göcken, Anwaltliches [X.]erufsrecht, §
112e [X.] Rn. 77;
[X.] in [X.]Prütting, [X.], 3. Aufl., §
112e Rn.
10).
Daran fehlt es hier.
a) Der [X.] hat unter [X.]eachtung der von der höchstrichter-lichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zutreffend ausgeführt, dass beim Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt des [X.]s (ein Wider-spruchsverfahren ist nicht durchgeführt worden) Vermögensverfall eingetreten war. Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. [X.]eweisanzeichen hierfür sind das Erwirken von Schuldtiteln und Vollstre-ckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt (st. [X.].; vgl. etwa [X.], [X.] vom 7. Februar 2011 -
AnwZ
([X.]) 42/10, juris Rn. 4 m.w.[X.]). Diese Vor-aussetzungen lagen zum Zeitpunkt des Widerrufs vor.
2
3
4
-
4
-
aa) Der [X.] ist auf die dem [X.]escheid vom 12. November 2009 beigefügte Aufstellung über gegen den Kläger angestrengte Klageverfah-ren und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gestützt. Die 64 Positionen umfas-sende Aufstellung belegt, dass Gläubiger des [X.] seit dem [X.] in zunehmendem Maße gezwungen waren, zur Durchsetzung ihrer Forderungen Zwangsvollstreckungsverfahren gegen den Kläger zu betreiben. Dies galt auch in Fällen, in denen lediglich kleinere Forderungen betroffen waren.
Zwar hat der Kläger nach Einleitung der Zwangsvollstreckungsverfahren in vielen Fällen die Verbindlichkeiten zur Abwendung weiterer Vollstreckungs-maßnahmen beglichen oder zumindest Ratenzahlungen aufgenommen. Zum Zeitpunkt des Widerrufs standen aber noch -
vollstreckbare
-
Forderungen in beträchtlicher Höhe offen. Hierbei handelt es sich zunächst um die in der [X.] mit Nr. 48 und [X.] bezeichneten Verbindlichkeiten, von denen nach dem Vorbringen des [X.] bei Erlass der Widerrufsverfügung insgesamt 15.000

2009 bis 2. November 2009 fällig gewordene Forderungen des Finanzamts M.

, die sich ausweislich dessen Aufstellung vom 12. November 2009 zum Zeitpunkt des Widerrufs auf 55.727,59

Amtsgericht [X.]

auf vollstreckbaren Antrag des Finanzamts
M.

vom 12. November 2009 mit [X.]eschluss vom 16. November 2009 die Zwangsversteigerung in den auf No.

gelegenen Grundbesitz des [X.] angeordnet. Außerdem war der Kläger seinen Ratenzahlungspflichtungen ge-genüber der W.

nicht mehr nachgekommen, weswegen diese ihr Kreditengagement in Höhe von rund 110.000

Diese Forderung war durch eine Grundschuld gesichert, hinsichtlich derer sich der Kläger der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hatte. Daneben [X.] die Gläubigerin L.

V.V.a.[X.] wegen rückständiger [X.]eiträ-5
6
-
5
-
ge seit [X.]eginn des Jahres 2009 die Zwangsvollstreckung gegen den Kläger. Nach Abzug der vom Kläger über den Gerichtsvollzieher geleisteten [X.] bestand am 30. Oktober 2009 noch ein Rückstand von 2.955,92

die Forderungen des Finanzamts, der W.

und der L.

V.V.a.[X.] nicht im Widerrufsbescheid aufgeführt waren, ist [X.]. Maßgeblich ist allein, dass diese Verbindlichkeiten zu diesem Zeit-punkt bestanden und vom Kläger nicht bedient werden konnten (vgl. [X.], [X.] vom 7. Februar 2011
-
AnwZ
([X.]) 13/10, juris Rn. 9).
In Anbetracht dieser Umstände ist ein Vermögensverfall des [X.] bei Erlass der Widerrufsverfügung zweifelsfrei nachgewiesen.
[X.]) Mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts
ist nach der in §
14 Abs.
2 Nr.
7 [X.] zum Ausdruck gekommenen Wertung des Gesetzgebers grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Diese Annahme ist regelmäßig schon im Hinblick auf den Umgang des Rechts-anwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt (st. [X.].; vgl. etwa [X.], [X.]eschlüsse vom 5. Dezember 2005 -
AnwZ
([X.]) 13/05, NJW-RR 2006, 559 Rn. 8, und vom 25. Juni 2007 -
AnwZ
([X.]) 101/05, NJW 2007, 2924 Rn. 8 m.w.[X.]). Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Gefährdung ausnahmsweise nicht bestand, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Gefahr hat sich im Gegenteil in mehreren Fällen verwirk-licht.
b) Die gegen den Widerrufsbescheid der [X.]eklagten vom 11. November 2009 gerichtete Anfechtungsklage ist auch nicht im Hinblick auf eine nachträgli-che Konsolidierung der wirtschaftlichen Verhältnisse des [X.] begründet. Der [X.] hat in seiner Hinweisverfügung vom 19. Januar 2010
und in der
angefochtenen Entscheidung die Frage aufgeworfen, ob die unter 7
8
9
-
6
-
der Geltung des Verfahrensrechts der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (§
40 Abs.
4, §
42 Abs.
6 Satz 2 [X.] a.F.) aus prozessökonomischen Gründen [X.] Möglichkeit, einen nachträglichen Wegfall des [X.] im gerichtli-chen Verfahren zu berücksichtigen, nach der mit Wirkung ab 1.
September 2009 erfolgten Änderung des Verfahrensrechts unverändert fortbesteht. Diese vom [X.] offen gelassene Frage beantwortet der Senat dahin, dass für die [X.]eurteilung der Rechtmäßigkeit des [X.]s allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder -
wenn das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist (vgl. §
110 Abs.
1 JustG NRW)
-
auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen ist; die [X.]eurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungs-verfahren
vorbehalten.
aa) Der bei [X.] für die gerichtliche Nachprüfung eines Verwaltungsakts maßgebliche [X.]eurteilungszeitraum bestimmt sich nach dem zugrunde liegenden materiellen Recht (st. [X.].; vgl. etwa [X.], NVwZ 1991, 372 m.w.[X.]
aus der [X.].; [X.], NJW 2010, 2901 Rn.
11). Dieses legt nicht nur die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf [X.] eines belastenden Verwaltungsakts fest, sondern bestimmt auch, zu welchem Zeitpunkt sie erfüllt sein müssen (vgl. etwa [X.]E 78, 243, 244). Daher sind tatsächliche oder rechtliche Entwicklungen, die erst nach Abschluss des behördlichen Verwaltungsverfahrens oder gar erst nach [X.]eendigung des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens eintreten und die zu einer abweichenden [X.]eurteilung führen würden, nur dann der jeweiligen gerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legen, wenn das materielle Recht ihre [X.]erücksichtigung zulässt (vgl. etwa [X.], [X.]eschluss vom 30. September 2005 -
6
[X.] 51/05, [X.]eckRS 2005, 30305 unter 2 a; [X.], NVwZ 1991, 372 f. [zum [X.]erufungsverfahren]; 10
-
7
-
NVwZ 2003, 490 unter II 2 [zu neuen Tatsachen im Zulassungsverfahren]; NVwZ 2004, 744 unter II 1 [zu Rechtsänderungen im Zulassungsverfahren]).
(1) Für verwaltungsbehördliche Rücknahme-
oder Widerrufsverfügungen in berufs-
oder gewerberechtlichen Zulassungsverfahren gibt das materielle Recht regelmäßig den Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens als maßgebliche [X.]eurteilungsgrundlage für die gerichtliche Überprüfung vor (vgl. etwa [X.]E 65, 1, 2 ff.; [X.], NVwZ 1991, 372 f. [jeweils zur Ge-werbeuntersagung
nach §
35 Abs.
6 Satz
1 GewO]; [X.]E 105, 214, 220; [X.], [X.]eschluss vom 9. November 2006 -
3
[X.] 7/06, juris Rn.
10 [jeweils zum Widerruf einer ärztlichen [X.]]; [X.], [X.]eschluss vom 30. Sep-tember 2005 -
6
[X.] 51/05, aaO [zur Streichung aus der Architektenliste]; [X.], NJW 2010, 2901, Rn. 10 f. [zum Widerruf des Führens der [X.]erufsbe-zeichnung "Logopäde"]).
Dies folgt vor allem daraus, dass das materielle Recht in den genannten Fällen ein -
wenn auch nicht stets ausdrücklich geregeltes
-
eigenständiges Wiederzulassungsverfahren vorsieht, in dem alle nachträglichen Umstände [X.]erücksichtigung finden (vgl. etwa [X.]E 65, aaO; [X.], NJW 2010, 2901 Rn.
11 m.w.[X.]).

(2) Im Einklang mit dieser verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist der Senat schon bisher davon ausgegangen, dass im anwaltlichen [X.]erufsrecht für die gerichtliche Nachprüfung der Rechtmäßigkeit einer Rücknahme-
oder Widerrufsverfügung grundsätzlich die Sach-
und Rechtslage im Zeitpunkt ihres Erlasses (ein Widerspruchsverfahren war damals nicht vorgesehen) maßge-bend ist, weil
der [X.]etroffene bei nachträglichem Wegfall des Rücknahme-

oder [X.] einen Wiederzulassungsantrag stellen kann (st. [X.].; vgl. etwa [X.], [X.]eschlüsse vom 12. November 1979 -
AnwZ
([X.]) 16/79, [X.]Z 79, 356,
357; vom 17. Mai 1982 -
AnwZ
([X.]) 5/82, [X.]Z 84, 149, 150; vom 25.
März 1991 -
AnwZ
([X.]) 80/90, NJW 1991, 2083 unter 1 a, 2; vom 2. Dezem-11
12
-
8
-
ber 1991 -
AnwZ
([X.]) 40/91, juris Rn. 5, 8). Für die
Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft nach vorangegangenem Verlust der Zulassung gelten die
in §§
6,

7 [X.] genannten Voraussetzungen. Die genannten [X.]estimmungen sind nicht auf die erstmalige Zulassung zur Rechtsanwaltschaft beschränkt, sondern
gelten für alle Zulassungsanträge, wie insbesondere die [X.]estimmung des § 7 Nr. 3 [X.] (Wiederzulassung nach rechtskräftigem Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft) belegt. Außerhalb des in §§ 6,
7 [X.]
geregelten Verfahrens kann eine Wiederzulassung nicht erfolgen (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 18. Oktober 2010 -
AnwZ
([X.]) 22/10, juris Rn.
8).
[X.]) Allerdings hat der Senat es nach bisher geltendem Recht aus [X.] Erwägungen zugelassen, einen zweifelsfrei feststehenden nachträglichen Wegfall des Rücknahme-
oder [X.] bereits im lau-fenden Gerichtsprozess zu berücksichtigen, um eine zeit-
und kostenaufwendi-ge Verdoppelung der Verfahren in den Fällen zu vermeiden, in denen dem Rechtsanwalt zunächst die Zulassung entzogen und anschließend sofort wieder erteilt werden müsste ([X.], [X.]eschlüsse vom 12. November 1979 -
AnwZ
([X.]) 16/79, aaO; vom 17. Mai 1982 -
AnwZ
([X.]) 5/82, aaO). Die Möglichkeit zu sol-chen Verfahrenserleichterungen
war dem Senat deswegen eröffnet, weil das nach §
40 Abs.
4, §
42 Abs.
6 Satz
2 [X.] a.F.
entsprechend anwendbare Recht der Freiwilligen Gerichtsbarkeit ([X.]) das einzuhaltende Verfahren nur in Grundzügen regelte. Es blieb daher der Rechtsprechung überlassen, zu be-stimmen, ob und welche Regelungen
aus anderen Prozessordnungen, zumeist der Zivilprozessordnung, ergänzend herangezogen wurden ([X.]T-Drucks. 16/11385, [X.]). Dabei waren die Gerichte befugt, das Verfahren, soweit nicht ausdrückliche Vorschriften oder allgemeine Grundsätze entgegenstanden, nach den Erfordernissen des konkreten Falles flexibel und sachgemäß zu gestalten (vgl. [X.]T-Drucks. 16/11385, aaO; [X.]assenge/[X.], [X.]/[X.], 11.
Aufl., Einl. [X.] Rn. 67; [X.]umiller/[X.], [X.], 8.
Aufl., §
12 Rn.
35).
13
-
9
-
cc) An dieser
unter der Geltung der Verfahrensordnung der Freiwilligen Gerichtsbarkeit ([X.]) entwickelten
verfahrensökonomischen
Handhabung
hält der Senat im Hinblick auf die Entscheidung des Gesetzgebers, das gerichtliche Verfahren bei verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen mit Wirkung ab 1. Sep-tember 2009 weitgehend den Regeln der Verwaltungsgerichtsordnung (vgl. §
112c Abs.
1 Satz
1 [X.]) zu
unterstellen, nicht mehr fest. Die bisherige [X.] war nicht aufgrund materiell-rechtlicher Vorgaben gebo-ten, sondern beruhte ausschließlich auf verfahrenswirtschaftlichen
Erwägun-gen. Das anwaltliche [X.]erufsrecht sieht in materieller Hinsicht keine [X.]esonder-heiten vor, die es in Abweichung von der Rechtsprechung des [X.]undesverwal-tungsgerichts gebieten würden, bei der gerichtlichen Entscheidung über den [X.] einen zweifelsfreien nachträglichen Wegfall des [X.] zu berücksichtigen. Die [X.]erücksichtigung eines nachträglichen Weg-falls des [X.] im gerichtlichen Verfahren ließe sich daher -
wie schon unter der Geltung des bisherigen Verfahrensrechts
-
nur mit verfahrens-ökonomischen Überlegungen begründen. Dem ist aber durch die gesetzliche Neuordnung des Prozessrechts
die Grundlage entzogen worden.
(1) Wie an anderer Stelle bereits ausgeführt, ist nach den materiell-rechtlichen Regelungen der [X.]undesrechtsanwaltsordnung für die [X.]eurteilung der Rechtsmäßigkeit eines [X.]s der Zeitpunkt der letzten [X.] maßgebend. Ebenso wie zahlreichen anderen [X.]erufs-ordnungen ist der [X.]undesrechtsanwaltsordnung eine Trennung zwischen dem Widerruf der Zulassung (§
14 Abs.
2 [X.]) und der ([X.] (§§
6,
7 [X.]) immanent.
Daher besteht eine mit dem sonstigen [X.]erufszulassungs-recht (vgl. [X.], NJW 2010, aaO) oder dem Gewerberecht (vgl. [X.]E 65, aaO) im [X.] übereinstimmende Sachlage. Der Abschluss des behördli-chen Widerrufsverfahrens bewirkt auch hier eine -
im gerichtlichen Verfahren zu beachtende
-
Zäsur, durch die eine [X.]erücksichtigung danach eintretender Um-14
15
-
10
-
stände einem späteren [X.] zugewiesen wird
(vgl. [X.], NJW 2010, aaO).
Hinzu kommt, dass der Widerruf einer [X.]erufserlaubnis eine auf den [X.] des Verwaltungsverfahrens bezogene rechtsgestaltende Wirkung ent-faltet ([X.], aaO m.w.[X.]). Dies gilt auch im anwaltlichen [X.]erufsrecht. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erlischt zwar nach §
13 [X.] n.F. erst mit der [X.]estandskraft des [X.]s. Die Vorschrift trifft aber keine Aus-sage über den für die gerichtliche Überprüfung des Widerrufs maßgeblichen Zeitpunkt,
sondern regelt nur, ab welchem Zeitpunkt
die mit dem Zulassungswi-derruf verbundenen Rechtswirkungen endgültig eintreten.

(2) Auch aus verfassungsrechtlicher Sicht ist eine Hinausschiebung des Zeitpunkts der [X.]eurteilung einer Widerrufsverfügung nicht geboten. Dass der Rechtsanwalt bei nachträglichen Entwicklungen auf ein Wiederzulassungsver-fahren verwiesen wird, führt nicht zu unverhältnismäßigen oder gar unzumutba-ren Ergebnissen und verstößt auch nicht gegen die nach Art.
12 Abs.
1
GG ga-rantierte Freiheit der [X.]erufswahl.
Die beruflichen Nachteile, die einem Rechtsanwalt durch den Verweis
auf ein erneutes Zulassungsverfahren entstehen, sind vergleichsweise gering, denn der Rechtsanwalt hat bei nachträglichem Wegfall des [X.] einen Anspruch auf sofortige Wiederzulassung und kann jederzeit, das heißt ohne Sperrfrist,
einen entsprechenden Antrag nach §§
6, 7 [X.] stellen
(vgl. [X.], NVwZ 1991, 372 m.w.[X.]). Die Situation stellt sich bei einem Rechts-anwalt daher gänzlich anders dar als bei der Amtsenthebung eines Notars (§
50 Abs. 1 Nr. 6 [X.]NotO). Dort hat es das [X.]undesverfassungsgericht aus verfas-sungsrechtlichen Gründen als
problematisch erachtet, die
gerichtliche Ent-scheidung allein auf die Sach-
und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwal-16
17
18
-
11
-
tungsentscheidung im Amtsenthebungsverfahren zu stützen
und nachträgliche Veränderungen unberücksichtigt zu lassen ([X.], NJW 2005, 3057, 3058). Dies ist indessen allein durch die schwerwiegenden Folgen einer Amtsenthe-bung eines Notars bedingt, der nach dem Verlust seines Amtes nur die Mög-lichkeit hat, bei Vorliegen eines [X.]edürfnisses (§
4 [X.]NotO), nach Ausschreibung der [X.] (§
6b [X.]NotO) und bei [X.]estehen der Konkurrenz mit anderen [X.]ewerbern (§
6 [X.]NotO) erneut bestellt zu werden ([X.], aaO). In Anbetracht dieser besonderen Zugangsbeschränkungen sind an die Amtsenthebung eines Notars und deren gerichtliche Überprüfung andere rechtliche Anforderungen zu stellen als an den Entzug einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (vgl. [X.], aaO).
(3) Die aus dem materiellen Recht abgeleitete [X.]eschränkung der gericht-lichen Nachprüfung von Rücknahme-
und Widerrufsverfügungen in gewerbe-
und berufsrechtlichen Angelegenheiten kann im Anwendungsbereich der Ver-waltungsgerichtsordnung (VwGO) nicht aus prozesswirtschaftlichen Gründen gelockert werden. Denn diese Verfahrensordnung gewährt den Gerichten nicht den Gestaltungsspielraum, eine vom materiellen Recht vorgegebene Trennung zwischen Widerrufsverfahren (Rücknahmeverfahren) und Wiederzulassungs-verfahren aufzuheben.
Nach dem
-
nun auch in verwaltungsrechtlichen An-waltssachen anwendbaren
-
§
113 Abs.
1 Satz
1 VwGO unterliegt ein belasten-der Verwaltungsakt der Aufhebung, wenn er rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Darin kommt zum Ausdruck, dass dem Gericht (nur) die Aufgabe obliegt, die Rechtmäßigkeit einer behördlichen Entscheidung zu überprüfen; es ist dabei im Hinblick auf die Gewaltenteilung und in Anbetracht der Trennung von behördlichem Verwaltungsverfahren und gerichtlichem Ver-fahren regelmäßig nicht dazu berufen, über noch ausstehende Verwaltungsent-scheidungen zu urteilen und diese
vorwegzunehmen.
19
-
12
-
(aa) Eine
für den [X.]ereich des anwaltlichen [X.]erufsrechts abweichende
Handhabung ließe sich mit der vom Gesetzgeber bewusst vollzogenen Abkehr von der Verfahrensordnung der Freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Hinwen-dung zu den "bewährten Grundsätzen des Verwaltungsprozessrechts"
(vgl. [X.]T-Drucks. 16/11385, [X.]) nicht vereinbaren. Der Gesetzgeber sieht in der
Ver-waltungsgerichtsordnung eine "ausgewogene, vollständige und dem Rechtsan-wender geläufige Prozessordnung"
(vgl. [X.]T-Drucks. 16/11385, S.
29). Er war
bestrebt, das Recht der Freiwilligen Gerichtsbarkeit auf seinen klassischen An-wendungsbereich der vorsorgenden Rechtspflege zurückzuführen und zugleich sicherzustellen, dass Verwaltungsentscheidungen im Interesse der Vereinheitli-chung und Vereinfachung von [X.] auf der Grundlage eines [X.] für diese Entscheidungen geltenden Prozessrechts überprüft werden ([X.]T-Drucks. 16/11385, [X.] sowie S.
28).
Dabei gab er dem Verwaltungspro-zessrecht mit seinen strikteren Strukturen bewusst den Vorzug vor der von [X.] geprägten Verfahrensordnung der Freiwilligen Ge-richtsbarkeit.
Hierzu findet sich in den Gesetzesmaterialien folgende [X.]egrün-dung: "Die freie gerichtliche Kompetenz zur Verfahrensgestaltung und die weit-gehende Formlosigkeit des Verfahrens, die die freiwillige Gerichtsbarkeit auch künftig kennzeichnen werden, passen nicht zu den streitigen Verfahren nach der [X.]"
([X.]T-Drucks. 16/11385, [X.]).
Dabei wurde die besondere Problematik der den
Rechtsanwalt existenti-ell betreffenden Entscheidungen über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und deren Widerruf nicht verkannt. Vielmehr befassen sich die Gesetzesmateri-alien an mehreren Stellen mit diesem Gesichtspunkt und verweisen darauf, dass zahlreiche andere verwaltungsrechtliche Verfahren etwa im [X.]eamten-
und Gewerberecht für die [X.]etroffenen von ähnlich existentieller [X.]edeutung seien; eine Abweichung von den bewährten Grundsätzen des [X.] könne daher -
namentlich im [X.]erufungsverfahren
-
nicht mit dem beson-20
21
-
13
-
deren Gewicht der Zulassungsstreitigkeiten für Rechtsanwälte begründet [X.] und würden
auch dem [X.]edürfnis nach Rechtsangleichung widersprechen (vgl. [X.]T-Drucks.
16/11385, S.
31, 42, 28).
Daher sollen neben den fortan für das behördliche und gerichtliche Verfahren geltenden allgemeinen Regeln des Verwaltungsverfahrensgesetzes und der Verwaltungsgerichtsordnung nach dem Willen des Gesetzgebers verfahrens-
oder prozessrechtliche Sonderbe-stimmungen
nur noch insoweit getroffen werden, als sie aufgrund von [X.]eson-derheiten des [X.]erufsrechts unbedingt erforderlich sind ([X.]T-Drucks. 16/11385, S.
28).

([X.]) Darüber hinaus hat sich die [X.]erücksichtigung nachträglich eingetre-tener Umstände unter verfahrensökonomischen Gesichtspunkten nicht bewährt. In vielen Fällen ist es deswegen zu erheblichen Verfahrensverzögerungen
und zudem zu einer Häufung von Prozessen gekommen, weil die Rechtsanwalts-kammern nachträglich den Sofortvollzug des Widerrufsbescheids (§
16 Abs.
6 Satz
2 [X.] a.F.) ausgesprochen und die betroffenen Rechtsanwälte auch diese Verfügung angefochten haben. Die angestrebte Verfahrenserleichterung ist dementsprechend häufig nicht erreicht worden, sondern hat im Gegenteil sogar zu Erschwernissen geführt. Mit einer strikten Trennung von Widerrufs-
und Wiederzulassungsverfahren ist demgegenüber kein nennenswerter zusätz-licher Zeitaufwand verbunden, weil das Anfechtungsverfahren durch die [X.]e-schränkung des gerichtlichen [X.] deutlich beschleunigt wird.
(c) Vorliegend kann sich der Kläger somit
nicht auf einen im gerichtlichen Verfahren nachträglich eingetretenen Wegfall des [X.] berufen. Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen daher un-geachtet dessen nicht, ob er eine nachträgliche Konsolidierung seiner wirt-schaftlichen Verhältnisse nachgewiesen hat.
Im Übrigen ist auch von einer nachträglichen Konsolidierung der Vermögensverhältnisse des [X.] nach 22
23
-
14
-
wie vor nicht auszugehen. Entgegen seinem Vortrag war der Kläger nicht nur im Hinblick auf seine Rolle als allein erziehender Vater zweier Töchter einem vor-übergehenden Liquiditätsengpass ausgesetzt.
Dies zeigt sich bereits darin, dass beide zwischenzeitlich erwachsenen Töchter Titel auf Zahlung [X.] Unterhalts gegen ihn
erwirkt haben und eine Tochter sogar die [X.] gegen ihn betreibt.
2. Die Zulassung der [X.]erufung ist auch nicht wegen eines [X.] (§
112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) geboten. Der Kläger rügt
insoweit, der [X.] habe ihn unter Missachtung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) mit der [X.]ekanntgabe eines von der L.

V.V.a.[X.] nach Erlass der Widerrufsverfügung erwirkten Haftbefehls überrascht. Eine Verletzung dieses Verfahrensgrundrechts liegt jedoch schon deswegen nicht vor, weil der Haftbefehl für die [X.]eurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse des [X.] im maßgeblichen Zeitpunkt des [X.]es des Verwaltungsverfahrens ohne [X.]elang ist. Er wäre
nur für die [X.] einer nachträglichen Konsolidierung der wirtschaftlichen Verhältnisse des [X.] von [X.]edeutung, die nach neuer Rechtslage aber keine [X.]erücksichti-gung finden kann. Überdies
hat der [X.] diesen Gesichtspunkt ohnehin nur als einen von mehreren Aspekten berücksichtigt, so dass er auch im Rahmen der Erwägungen zur nachträglichen Konsolidierung der Vermö-gensverhältnisse des [X.] keine Entscheidungserheblichkeit erlangt hat.

24
-
15
-
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
112c Abs.
1 Satz
1 [X.], §
154 Abs.
2 VwGO, die Festsetzung des [X.] auf §
194 Abs.
2 Satz
1 [X.].
[X.]
König
Fetzer

Stüer
Martini
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 11.06.2010 -
1 [X.] 85/09 -

25

Meta

AnwZ (Brfg) 11/10

29.06.2011

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.06.2011, Az. AnwZ (Brfg) 11/10 (REWIS RS 2011, 5359)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5359

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

AnwZ (Brfg) 11/10 (Bundesgerichtshof)

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft: Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit nach Änderung des …


AnwZ (Brfg) 42/17 (Bundesgerichtshof)


AnwZ (Brfg) 28/11 (Bundesgerichtshof)


AnwZ (Brfg) 58/11 (Bundesgerichtshof)

Anwaltgerichtliches Verfahren: Wirksamkeit der Eigenvertretung eines Rechtsanwalts trotz Anordnung des Sofortvollzugs des Zulassungswiderrufs


AnwZ (Brfg) 58/11 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.