Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 07.11.2023, Az. 3 C 8/22

3. Senat | REWIS RS 2023, 10064

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Gegenstand

Versagung einer Erlaubnis zum Erwerb von Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung


Leitsatz

1. Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG schützt im Ausgangspunkt nicht nur die Freiheit des Einzelnen, selbstbestimmt zu entscheiden, ob er sein Leben beenden möchte, sondern auch, wann und wie das geschehen soll.

2. Der Erlaubnisvorbehalt für den Erwerb von Betäubungsmitteln gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG in Verbindung mit der zwingenden Versagung einer solchen Erlaubnis für den Erwerb zum Zweck der Selbsttötung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG schränkt diese Freiheit ein. Menschen, die freiverantwortlich entschieden haben, sich mithilfe von Natrium-Pentobarbital töten zu wollen, können ihren Entschluss ohne Zugang zu diesem Betäubungsmittel nicht in der gewünschten Weise umsetzen.

3. Das Betäubungsmittelgesetz verfolgt mit dem Verbot, Betäubungsmittel zum Zweck der Selbsttötung zu erwerben, u. a. das legitime Ziel, Miss- und Fehlgebrauch von tödlich wirkenden Mitteln zu verhindern. Das Verbot ist zur Erreichung dieses Ziels geeignet, erforderlich und angesichts der Möglichkeit, das eigene Leben ärztlich begleitet durch Anwendung verschreibungspflichtiger Arzneimittel zu beenden, auch angemessen.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] für das [X.] vom 2. Februar 2022 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erlaubnis zum Erwerb des Betäubungsmittels [X.] zum Zweck der Selbsttötung.

2

Der 1944 geborene Kläger leidet seit Jahren u. a. unter arterieller Hypertonie und koronarer Herzkrankheit (3-Gefäß-KHK). 2009 unterzog er sich einer Bypass-Operation. Im November 2015 wurde bei ihm eine bösartige Tumorerkrankung - ein [X.] im [X.] - diagnostiziert. Die Behandlung mit einer Chemotherapie, die mit zahlreichen Nebenwirkungen einherging, führte zur vollständigen Remission des Tumors.

3

Im November 2017 beantragte der Kläger beim [X.] ([X.]) die Erteilung einer Erlaubnis nach dem [X.] (BtMG) zum Erwerb von 15 g [X.] zur Selbsttötung. Zur Begründung führte er aus, nach dem Urteil des [X.] vom 2. März 2017 - 3 C 19.15 - (BVerwGE 158, 142) seien die Vorschriften des [X.]es verfassungskonform dahin auszulegen, dass sie der Erlaubniserteilung nicht entgegenstünden, wenn sich der Antragsteller wegen einer schweren und unheilbaren Erkrankung in einer extremen Notlage befinde. Das sei bei ihm der Fall, vor allem, wenn das Lymphom zurückkehre. Es handele sich um eine schwere, dann unheilbare Erkrankung, die erhebliche, kaum therapierbare Schmerzen und einen unerträglichen Leidensdruck verursache. Er habe sich freiverantwortlich und wohlüberlegt zur Selbsttötung entschlossen. Eine andere zumutbare Möglichkeit zur Verwirklichung seines Sterbewunsches stehe ihm nicht zur Verfügung. Er benötige die Erlaubnis zum jetzigen Zeitpunkt, weil das Erlaubnisverfahren bei einem absehbaren Lebensende zu lange dauere, wie der vom [X.] entschiedene Fall zeige.

4

Durch Bescheid vom 27. August 2018 lehnte das [X.] den [X.] mit der Begründung ab, beim Kläger angeforderte Unterlagen seien nicht vorgelegt worden. Den Widerspruch des [X.] wies das [X.] mit Bescheid vom 26. November 2018 zurück. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG sei eine Erlaubnis für den Erwerb eines Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung ausgeschlossen. Der Kläger habe auch nicht dargelegt, dass er sich wegen einer schweren und unheilbaren Erkrankung in einer extremen Notlage befinde.

5

Seine Klage mit dem Antrag, die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide zu verpflichten, ihm den Erwerb von 15 g [X.] zum Zweck der Durchführung einer Selbsttötung zu gestatten, hat das [X.] durch Urteil vom 24. November 2020 abgewiesen.

6

Die Berufung des [X.] hat das Oberverwaltungsgericht für das [X.] durch Urteil vom 2. Februar 2022 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf die beantragte [X.]. Sie sei gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG zu versagen, weil sie nicht mit dem Zweck des [X.]es vereinbar sei. Unter einer notwendigen medizinischen Versorgung im Sinne der Vorschrift seien nur solche Anwendungen eines Betäubungsmittels zu verstehen, die eine therapeutische Zielrichtung hätten. Das sei beim Erwerb eines Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung nicht der Fall. Das durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete Recht auf selbstbestimmtes Sterben, das auch das Recht auf Selbsttötung einschließe, gebiete keine andere Auslegung des [X.]es. Zwar erschwere die in § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG getroffene Regelung die Grundrechtsausübung. Der Eingriff sei aber gerechtfertigt. Die fehlende Erlaubnisfähigkeit des Erwerbs von Betäubungsmitteln zur Selbsttötung diene der Verhinderung von [X.] und [X.] sowie dem Schutz von Menschen in vulnerabler Position und Verfassung vor Entscheidungen, die sie möglicherweise voreilig oder nur augenblicklich, in einem Zustand mangelnder Einsichtsfähigkeit oder nicht freiverantwortlich träfen. Die gesetzliche Regelung sei zur Erreichung dieser Ziele geeignet, erforderlich und angemessen. Für [X.] bestünden zumutbare Alternativen, ihren Sterbewunsch umzusetzen. Sie könnten in [X.] mit ärztlicher Hilfe Zugang zu verschreibungspflichtigen Arzneimitteln erhalten, mit denen eine Selbsttötung in einer humanen Weise durchgeführt werden könne. Es gebe einen Kreis von Ärzten, die zur Suizidhilfe bereit seien und tödlich wirkende Arzneimittel verschrieben. Nach der Nichtigerklärung des in § 217 StGB normierten Verbots der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung durch die Entscheidung des [X.] vom 26. Februar 2020 - 2 BvR 2347/15 u. a. - ([X.] 153, 182) hätten zudem mehrere Organisationen ihre Tätigkeit wiederaufgenommen und vermittelten ihren Mitgliedern Kontakt zu Ärzten, die bereit seien, Hilfe zur Selbsttötung zu leisten. Diese Alternativen bestünden auch für den Kläger. Aus dem Urteil des [X.] vom 2. März 2017 - 3 C 19.15 - ergebe sich keine andere rechtliche Beurteilung. Die Voraussetzungen einer extremen Notlage seien beim Kläger nicht erfüllt, da ihm eine andere zumutbare Möglichkeit zur Realisierung seines Sterbewunsches zur Verfügung stehe.

7

Zur Begründung seiner vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision macht der Kläger im Wesentlichen geltend: Das angefochtene Urteil verstoße gegen § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 8 [X.]. Das [X.] habe entschieden, dass der Erwerb von [X.] zur Selbsttötung unter bestimmten Voraussetzungen erlaubnisfähig sei. Er erfülle diese Voraussetzungen. Durch das Urteil des [X.] vom 26. Februar 2020 sei außerdem geklärt, dass das Recht auf Selbsttötung in jedem Lebensabschnitt bestehe und nicht auf schwere oder unheilbare Krankheitszustände beschränkt sei. Er widerspreche der Feststellung des Berufungsgerichts, infolge der Entscheidung des [X.] bestehe für ihn nunmehr die reale und zumutbare Möglichkeit, einen Arzt zu finden, der bereit sei, ihm ein tödlich wirkendes Arzneimittel zu verschreiben und gegebenenfalls weitere Unterstützungshandlungen vorzunehmen. Die Feststellung gehe an den tatsächlichen Lebensverhältnissen vorbei. Seine Ärzte hätten dies jedenfalls abgelehnt. Es sei sein Wunsch, ohne fremde Ärzte im [X.] sein Leben zu beenden. Da er weder eine [X.] noch einen ihm fremden Arzt in Anspruch nehmen wolle und er auch keinen Arzt finde, der ihm ein suizidgeeignetes Medikament verschreibe, bleibe nur die Möglichkeit der beantragten [X.]. Das Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben schließe das Recht des Einzelnen ein, sein Leben ohne ärztliche Suizidhilfe zu beenden. [X.] sei das am besten geeignete Mittel zur Umsetzung seines Sterbewunsches. Es ermögliche eine sichere Selbsttötung und sei einfach und komplikationslos einzunehmen. Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gebiete, dass [X.]n die Umsetzung einer freiverantwortlichen Entscheidung, das Leben eigenhändig beenden zu wollen, nicht unverhältnismäßig erschwert werde. Danach dürfe ihm die [X.] nicht versagt werden.

8

Die Beklagte tritt der Revision entgegen und verteidigt das Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des [X.] ist unbegründet und deshalb zurü[X.]kzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das angefo[X.]htene Urteil beruht ni[X.]ht auf einer Verletzung revisiblen Re[X.]hts. Das Oberverwaltungsgeri[X.]ht hat ohne Verstoß gegen Bundesre[X.]ht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) angenommen, dass die Versagung der beantragten Erlaubnis dur[X.]h den Bes[X.]heid des [X.] vom 27. August 2018 in der Gestalt des Widerspru[X.]hsbes[X.]heides vom 26. November 2018 re[X.]htmäßig ist. Der Kläger hat ausgehend von den für das Revisionsverfahren verbindli[X.]hen tatsä[X.]hli[X.]hen Feststellungen des Berufungsgeri[X.]hts (§ 137 Abs. 2 VwGO) keinen Anspru[X.]h auf Erteilung einer Erlaubnis zum Erwerb des Betäubungsmittels [X.] zur Selbsttötung. Seine Klage ist daher unbegründet (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Re[X.]htsgrundlage für die begehrte Erlaubnis ist das Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln ([X.] - BtMG) [X.] der Bekanntma[X.]hung vom 1. März 1994 ([X.]), das zuletzt dur[X.]h Art. 2 des Gesetzes vom 26. Juli 2023 ([X.]) geändert worden ist. Der vom Kläger beabsi[X.]htigte Erwerb von [X.] bedarf einer Erlaubnis na[X.]h § 3 BtMG (a)). § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG s[X.]hließt die Erteilung einer Erwerbserlaubnis zum Zwe[X.]k der Selbsttötung grundsätzli[X.]h aus (b)).

a) Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 letzte Alt. BtMG bedarf einer Erlaubnis des [X.], wer Betäubungsmittel erwerben will. Betäubungsmittel im Sinne dieses Gesetzes sind die in den Anlagen I bis III aufgeführten Stoffe und Zubereitungen (§ 1 Abs. 1 BtMG). Der Stoff Pentobarbital ist in der Anlage III aufgeführt, die die verkehrsfähigen und vers[X.]hreibungsfähigen Betäubungsmittel bezei[X.]hnet. Dessen Salz [X.] ist ebenfalls ein Betäubungsmittel im Sinne des Gesetzes (vgl. am Ende der Anlage III, vorletzter Spiegelstri[X.]h). Eine Ausnahme von der Erlaubnispfli[X.]ht na[X.]h § 4 BtMG liegt ni[X.]ht vor (vgl. [X.], Urteil vom 28. Mai 2019 - 3 C 6.17 - [X.] 418.35 § 5 BtMG Nr. 1 Rn. 10 f.).

b) Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG ist die Erlaubnis na[X.]h § 3 BtMG zu versagen, wenn die Art und der Zwe[X.]k des beantragten Verkehrs ni[X.]ht mit dem Zwe[X.]k dieses Gesetzes, die notwendige medizinis[X.]he Versorgung der Bevölkerung si[X.]herzustellen, daneben aber den Missbrau[X.]h von Betäubungsmitteln oder die missbräu[X.]hli[X.]he Herstellung ausgenommener Zubereitungen sowie das Entstehen oder Erhalten einer Betäubungsmittelabhängigkeit soweit wie mögli[X.]h auszus[X.]hließen, vereinbar ist. Der Erwerb eines Betäubungsmittels zur Selbsttötung ist grundsätzli[X.]h ni[X.]ht mit dem Zwe[X.]k des Gesetzes vereinbar, die notwendige medizinis[X.]he Versorgung der Bevölkerung si[X.]herzustellen. Medizinis[X.]he Versorgung im Sinne der Vors[X.]hrift meint die Anwendung eines Betäubungsmittels zur Heilung oder Linderung von Krankheiten oder krankhaften Bes[X.]hwerden. Eine sol[X.]he therapeutis[X.]he Zielri[X.]htung hat die Beendigung des eigenen Lebens grundsätzli[X.]h ni[X.]ht ([X.], Urteile vom 2. März 2017 - 3 C 19.15 - [X.]E 158, 142 Rn. 20 f. und vom 28. Mai 2019 - 3 C 6.17 - [X.] 418.35 § 5 BtMG Nr. 1 Rn. 13 ff.). Gegen dieses Auslegungsergebnis spri[X.]ht ni[X.]ht, dass das [X.] die Erlaubnisfähigkeit des Erwerbs von Betäubungsmitteln zum Zwe[X.]k der Selbsttötung ni[X.]ht ausdrü[X.]kli[X.]h regelt und § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG na[X.]h seinem Wortlaut kein Erfordernis einer therapeutis[X.]hen Zielri[X.]htung der Betäubungsmittelanwendung enthält. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass der Normgeber mit dem Begriff der medizinis[X.]hen Versorgung ni[X.]ht auf das tradierte Verständnis der ärztli[X.]hen Behandlung abstellen will ([X.], Urteile vom 2. März 2017 - 3 C 19.15 - a. a. [X.] und vom 28. Mai 2019 - 3 C 6.17 - a. a. [X.] Rn. 15 f. m. w. N.; [X.], Bes[X.]hluss vom 19. November 2019 - 7 K 8560/18 - juris Rn. 45).

Aus dem Urteil des [X.] vom 26. Februar 2020 - 2 BvR 2347/15 u. a. -, mit dem es Verfassungsbes[X.]hwerden gegen das in § 217 StGB ([X.] des Gesetzes vom 3. Dezember 2015 <BGBl. [X.] 2177>) normierte Verbot der ges[X.]häftsmäßigen Förderung der Selbsttötung stattgegeben hat, ergibt si[X.]h insoweit ni[X.]hts Abwei[X.]hendes. Das [X.] hat dort festgestellt, dass § 217 StGB das allgemeine Persönli[X.]hkeitsre[X.]ht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) von zur Selbsttötung ents[X.]hlossenen Mens[X.]hen in seiner Ausprägung als Re[X.]ht auf selbstbestimmtes Sterben verletzt ([X.] 153, 182 Rn. 202 ff.). Zu § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG und zur Auslegung des betäubungsmittelre[X.]htli[X.]hen Begriffs der medizinis[X.]hen Versorgung hat si[X.]h das [X.] ni[X.]ht verhalten (vgl. a. a. [X.] Rn. 338 ff.). Das gilt au[X.]h für die Ents[X.]heidung vom 20. Mai 2020 - 1 BvL 2/20 u. a. -, dur[X.]h die die [X.] des [X.] die Unzulässigkeit mehrerer [X.] des [X.] festgestellt hat, die den Zugang zu Betäubungsmitteln ohne ärztli[X.]he Vers[X.]hreibung zum Zwe[X.]k der Selbsttötung betrafen ([X.], [X.] vom 20. Mai 2020 - 1 BvL 2/20 u. a. - NJW 2020, 2394 Rn. 14), und den Bes[X.]hluss vom 10. Dezember 2020, mit dem die Verfassungsbes[X.]hwerde gegen das Urteil des [X.] vom 28. Mai 2019 - 3 C 6.17 - ni[X.]ht zur Ents[X.]heidung angenommen wurde, weil sie infolge des Urteils vom 26. Februar 2020 - 2 BvR 2347/15 u. a. - unzulässig geworden sei ([X.], [X.] vom 10. Dezember 2020 - 1 BvR 1837/19 - NJW 2021, 1086).

2. Die Versagung der Erlaubnis verletzt den Kläger ni[X.]ht in seinen Grundre[X.]hten.

§ 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG ist in der dargelegten Auslegung mit höherrangigem Re[X.]ht vereinbar. Zwar greift das Verbot, Betäubungsmittel eins[X.]hließli[X.]h [X.] zum Zwe[X.]k der Selbsttötung zu erwerben, in das dur[X.]h Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ges[X.]hützte Re[X.]ht auf selbstbestimmtes Sterben ein (a) und b)). Der Grundre[X.]htseingriff ist aber gere[X.]htfertigt ([X.])). In Bezug auf den Kläger ergibt si[X.]h ni[X.]hts Abwei[X.]hendes (d)). Dana[X.]h ist der geltend gema[X.]hte Anspru[X.]h au[X.]h ni[X.]ht ausnahmsweise unter dem Gesi[X.]htspunkt einer extremen Notlage begründet (e)). Diese Bewertung steht im Einklang mit der Europäis[X.]hen Mens[X.]henre[X.]htskonvention (f)).

a) Das allgemeine Persönli[X.]hkeitsre[X.]ht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) in seiner Ausprägung als Re[X.]ht auf selbstbestimmtes Sterben erstre[X.]kt si[X.]h au[X.]h auf die Ents[X.]heidung, sein Leben eigenhändig bewusst und gewollt zu beenden ([X.], Urteil vom 26. Februar 2020 - 2 BvR 2347/15 u. a. - [X.] 153, 182 Rn. 204 ff.). Das Re[X.]ht, si[X.]h selbst zu töten, stellt si[X.]her, dass der Einzelne über si[X.]h entspre[X.]hend dem eigenen Selbstbild autonom bestimmen und damit seine Persönli[X.]hkeit wahren kann. Dieses Re[X.]ht ist ni[X.]ht auf fremddefinierte Situationen bes[X.]hränkt, insbesondere ni[X.]ht auf s[X.]hwere oder unheilbare Krankheitszustände oder bestimmte Lebens- und Krankheitsphasen. Die freiverantwortli[X.]he Ents[X.]heidung des Einzelnen, dem eigenen Leben entspre[X.]hend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz eigenhändig ein Ende zu setzen, bedarf keiner weiteren Begründung oder Re[X.]htfertigung. Sie ist im Ausgangspunkt als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesells[X.]haft zu respektieren ([X.], Urteil vom 26. Februar 2020 - 2 BvR 2347/15 u a. - a. a. [X.] Rn. 209 f.).

Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG s[X.]hützt damit im Ausgangspunkt ni[X.]ht nur die Freiheit des Einzelnen, selbstbestimmt zu ents[X.]heiden, ob er sein Leben beenden mö[X.]hte, sondern au[X.]h, wann und wie das ges[X.]hehen soll. Das s[X.]hließt die Wahl eines Mittels ein, mit dem er seinen Selbsttötungsents[X.]hluss umsetzen mö[X.]hte. Ges[X.]hützt ist daher au[X.]h die Freiheit, hierzu ein tatsä[X.]hli[X.]h verfügbares Betäubungsmittel wie [X.] zu erwerben.

b) Der Erlaubnisvorbehalt für den Erwerb von Betäubungsmitteln gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG in Verbindung mit der zwingenden Versagung einer sol[X.]hen Erlaubnis für den Erwerb zum Zwe[X.]k der Selbsttötung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG s[X.]hränkt diese Freiheit ein. Mens[X.]hen, die freiverantwortli[X.]h ents[X.]hieden haben, si[X.]h mithilfe von [X.] töten zu wollen, können ihren Ents[X.]hluss ohne Zugang zu diesem Betäubungsmittel ni[X.]ht in der gewüns[X.]hten Weise umsetzen (so bereits [X.], Urteil vom 2. März 2017 - 3 C 19.15 - [X.]E 158, 142 Rn. 26). Eine alternative Zugangsmögli[X.]hkeit besteht bei realistis[X.]her Betra[X.]htungsweise ni[X.]ht (vgl. hierzu no[X.]h unter [X.]) [X.][X.]) (2) (a) (aa)).

[X.]) Der von § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG ausgehende Eingriff in das allgemeine Persönli[X.]hkeitsre[X.]ht ist gere[X.]htfertigt. Die gesetzli[X.]he Regelung genügt den verfassungsre[X.]htli[X.]hen Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit (vgl. zum Maßstab [X.], Urteil vom 26. Februar 2020 - 2 BvR 2347/15 u. a. - [X.] 153, 182 Rn. 223); im Übrigen ist ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz ni[X.]ht zweifelhaft. Sie dient legitimen Zwe[X.]ken (aa)), zu deren Errei[X.]hung sie geeignet und erforderli[X.]h ist ([X.])). Sie ist angesi[X.]hts der Mögli[X.]hkeit, das eigene Leben ärztli[X.]h begleitet dur[X.]h Anwendung vers[X.]hreibungspfli[X.]htiger Arzneimittel zu beenden, au[X.]h angemessen und damit verhältnismäßig im engeren Sinne ([X.][X.])).

aa) Das [X.] verfolgt mit dem Verbot, Betäubungsmittel zur Selbsttötung zu erwerben, legitime Zwe[X.]ke.

(1) Das Verbot dient dem Ziel, [X.] und Fehlgebrau[X.]h von tödli[X.]h wirkenden Betäubungsmitteln zu verhindern.

Der Gesetzgeber misst vers[X.]hreibungsfähigen Betäubungsmitteln eine größere Gefährli[X.]hkeit bei als Arzneimitteln (vgl. Entwurf eines [X.] Betäubungsmittelre[X.]hts, [X.]. 8/3551 S. 29) und hat den Verkehr mit ihnen daher jenseits des Arzneimittelre[X.]hts (§ 81 des [X.]es <[X.]>) einer gesonderten Regulierung unterworfen. Die Gefahren für Leben und Gesundheit von Mens[X.]hen dur[X.]h [X.] und Fehlgebrau[X.]h von Betäubungsmitteln mit den Eigens[X.]haften von [X.] sind wegen ihrer tödli[X.]hen Wirkung und einfa[X.]hen Anwendbarkeit besonders groß. Zur Selbsttötung erworbene Betäubungsmittel können, wenn sie ni[X.]ht si[X.]her verwahrt werden, in die Hände Dritter, z. B. anderer Haushaltsangehöriger, gelangen und in der Folge von Personen und für Zwe[X.]ke angewendet werden, für die sie ni[X.]ht bestimmt sind. [X.] wirkt es, wenn Sterbewillige das Betäubungsmittel ni[X.]ht sofort verwenden mö[X.]hten und es längere [X.] zuhause verwahren. Die Gefahr eines Fehlgebrau[X.]hs besteht au[X.]h für die [X.] selbst, etwa aufgrund von Verwe[X.]hslung des Mittels oder - bei längerer Bevorratung - weil si[X.]h tatsä[X.]hli[X.]he Änderungen ergeben haben können, die die Freiverantwortli[X.]hkeit des Selbsttötungsents[X.]hlusses in Frage stellen. Zudem können als Suizidmittel in den Verkehr gebra[X.]hte Betäubungsmittel auf allen Stufen des [X.] in den Besitz unbefugter Personen gelangen. Bei Ermögli[X.]hung des Erwerbs von [X.] zur Selbsttötung entsteht neben dem bestehenden Vertrieb als Mittel zur Eins[X.]hläferung von Tieren in der Veterinärmedizin eine zweite Lieferkette, die zusätzli[X.]he Gefahren s[X.]hafft.

Die angenommene Gefahrenlage hat eine hinrei[X.]hend tragfähige Grundlage. Es ist keine unrealistis[X.]he Eins[X.]hätzung, dass Maßnahmen zur si[X.]heren Verwahrung und gegen unbefugte Entnahme ni[X.]ht stets und zuverlässig ergriffen und eingehalten werden. Ebenso ist es plausibel, dass bei längeren Bevorratungen von zur Selbsttötung erworbenen Betäubungsmitteln Risiken für eine freiverantwortli[X.]he Selbsttötungsents[X.]heidung auftreten können (vgl. zum Risiko einer Depression: [X.], Urteil vom 26. Februar 2020 - 2 BvR 2347/15 u. a. - [X.] 153, 182 Rn. 245).

Mit der Abwehr dieser Gefahren bezwe[X.]kt das [X.], Leben und Gesundheit der Bevölkerung zu s[X.]hützen. Der Lebens- und Gesundheitss[X.]hutz ist ein wi[X.]htiger Gemeinwohlbelang und damit ein legitimer Gesetzeszwe[X.]k (vgl. [X.], Urteil vom 2. März 2017 - 3 C 19.15 - [X.]E 158, 142 Rn. 30; [X.], Bes[X.]hluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u a. - [X.] 159, 223 Rn. 176 m. w. N.).

(2) Das Verbot dient zudem dem Ziel, Mens[X.]hen in vulnerabler Position und Verfassung vor Ents[X.]heidungen zu s[X.]hützen, die sie ni[X.]ht freiverantwortli[X.]h treffen ([X.], Urteil vom 2. März 2017 - 3 C 19.15 - [X.]E 158, 142 Rn. 30).

Zwar ist es kein zulässiges gesetzgeberis[X.]hes Anliegen, den Erwerb von tatsä[X.]hli[X.]h verfügbaren Betäubungsmitteln zur Selbsttötung zu verbieten, um dadur[X.]h die Anzahl freiverantwortli[X.]her Suizide gering zu halten (vgl. [X.], Urteil vom 26. Februar 2020 - 2 BvR 2347/15 u. a. - [X.] 153, 182 Rn. 234 und 277). [X.] ist aber die Zielsetzung, Gefahren für die freie Willensbildung und die Willensfreiheit als Voraussetzungen autonomer Selbstbestimmung über das eigene Leben entgegenzuwirken und hierdur[X.]h Leben zu s[X.]hützen (vgl. [X.], Urteil vom 26. Februar 2020 - 2 BvR 2347/15 u. a. - a. a. [X.] Rn. 232).

Es ist eine vertretbare Annahme des Gesetzgebers, die Ermögli[X.]hung des Erwerbs von Betäubungsmitteln zur Selbsttötung berge Risiken für die autonome Selbstbestimmung von Mens[X.]hen in vulnerabler Position und Verfassung. Es ist ni[X.]ht unplausibel, dass vulnerable Personen, insbesondere betagte oder s[X.]hwer erkrankte Mens[X.]hen, wenn sie ein Mittel wie [X.], mit dem eine Selbsttötung na[X.]h den vorinstanzli[X.]hen Feststellungen auf eine s[X.]hmerzfreie, regelmäßig s[X.]hnelle und verglei[X.]hsweise si[X.]here Weise erfolgen kann (vgl. [X.]), aufgrund einer behördli[X.]hen Erlaubnis erwerben können, mögli[X.]herweise voreilig die Ents[X.]heidung treffen, si[X.]h selbst zu töten, oder si[X.]h zur Selbsttötung gedrängt fühlen können (vgl. [X.], Urteil vom 26. Februar 2020 - 2 BvR 2347/15 u. a. - [X.] 153, 182 Rn. 240 ff., 258 f. <zu Voraussetzungen und Risiken für eine freiverantwortli[X.]he Suizidents[X.]heidung>).

[X.]) [X.] ist zur Errei[X.]hung dieser Ziele geeignet (1) und erforderli[X.]h (2).

(1) Für die Eignung genügt bereits die Mögli[X.]hkeit, dur[X.]h die gesetzli[X.]he Regelung den Gesetzeszwe[X.]k zu errei[X.]hen. Eine Regelung ist erst dann ni[X.]ht mehr geeignet, wenn sie die Errei[X.]hung des Gesetzeszwe[X.]ks in keiner Weise fördern kann. Bei der Beurteilung der Eignung einer Regelung steht dem Gesetzgeber ein Spielraum zu, der si[X.]h auf die Eins[X.]hätzung und Bewertung der tatsä[X.]hli[X.]hen Verhältnisse, auf die etwa erforderli[X.]he Prognose und auf die Wahl der Mittel bezieht, um die Ziele des Gesetzes zu errei[X.]hen (stRspr, vgl. [X.], Bes[X.]hlüsse vom 19. November 2021 - 1 BvR 971/21 u. a. - [X.] 159, 355 Rn. 114 und vom 23. März 2022 - 1 BvR 1187/17 - [X.] 161, 63 Rn. 110, jeweils m. w. N.).

Das Verbot, Betäubungsmittel eins[X.]hließli[X.]h [X.] zum Zwe[X.]k der Selbsttötung zu erwerben, ist ein geeignetes Instrument, um den angestrebten Re[X.]htsgüters[X.]hutz zumindest zu fördern. Die Gefahren von [X.] und Fehlgebrau[X.]h werden reduziert, wenn ein sol[X.]her Erwerb ni[X.]ht erlaubnisfähig ist und die Mittel ni[X.]ht in den Verkehr gelangen. Au[X.]h kann das Verbot den genannten Risiken für eine freie Willensbildung entgegenwirken und so dazu beitragen, die Zahl ni[X.]ht freiverantwortli[X.]her Selbsttötungen zu verringern.

(2) Eine Regelung ist erforderli[X.]h, wenn kein anderes, glei[X.]h wirksames, aber das Grundre[X.]ht ni[X.]ht oder weniger stark eins[X.]hränkendes Mittel zur Verfügung steht. Die sa[X.]hli[X.]he Glei[X.]hwertigkeit der alternativen Maßnahmen zur Zwe[X.]kerrei[X.]hung muss dafür in jeder Hinsi[X.]ht eindeutig feststehen. Bei der Beurteilung der Erforderli[X.]hkeit verfügt der Gesetzgeber über einen Eins[X.]hätzungsspielraum (stRspr, vgl. [X.], Bes[X.]hlüsse vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - [X.] 159, 223 Rn. 203 f. und vom 29. September 2022 - 1 BvR 2380/21 u. a. - [X.] 163, 107 Rn. 115, jeweils m. w. N.).

Na[X.]h diesem Maßstab ist die Verbotsregelung erforderli[X.]h. Ein glei[X.]h wirksames, aber mit geringeren Grundre[X.]htseins[X.]hränkungen verbundenes Mittel zur Errei[X.]hung der verfolgten Zwe[X.]ke steht ni[X.]ht zur Verfügung. Zwar könnte - als freiheitss[X.]honendere Maßnahme - die Erteilung der Erwerbserlaubnis von einem Na[X.]hweis vorhandener Einri[X.]htungen und Vorkehrungen zur si[X.]heren Aufbewahrung des Betäubungsmittels abhängig gema[X.]ht werden. Dies wäre aber keine glei[X.]h wirksame S[X.]hutzmaßnahme zur Verhinderung von [X.] und Fehlgebrau[X.]h. Es bliebe das Risiko, dass Si[X.]herungsmaßnahmen ni[X.]ht stets und zuverlässig eingehalten werden. Die Ermögli[X.]hung des Erwerbs von [X.] zur Selbsttötung aufgrund ärztli[X.]her Vers[X.]hreibung wäre ein weniger belastendes, aber kein glei[X.]hwertiges Mittel zur Zwe[X.]kerrei[X.]hung. Art und Zwe[X.]k des [X.] blieben unverändert und damit au[X.]h die dargelegten Gefahren von [X.] und Fehlgebrau[X.]h, denen mit einer ärztli[X.]hen Vers[X.]hreibung ni[X.]ht glei[X.]h wirksam wie mit einem Erwerbsverbot entgegengewirkt werden könnte. Das Überlassen von [X.] dur[X.]h eine ärztli[X.]he Person zum unmittelbaren Verbrau[X.]h könnte [X.] den Zugang zu dem gewüns[X.]hten Mittel eröffnen und wäre - au[X.]h wenn eine Beendigung des eigenen Lebens ohne ärztli[X.]he Begleitung hierdur[X.]h ni[X.]ht ermögli[X.]ht würde - insofern ein milderes Mittel. Es könnte die Gefahren von [X.] und Fehlgebrau[X.]h reduzieren, weil die Betäubungsmittel ni[X.]ht in den Besitz der [X.] gelangen würden. Das Mittel ist aber ni[X.]ht in jeder Hinsi[X.]ht sa[X.]hli[X.]h glei[X.]hwertig. Zudem verbliebe die Gefahrenlage, die dur[X.]h die Eröffnung eines zweiten [X.] ges[X.]haffen wird.

Der Zwe[X.]k, ni[X.]ht freiverantwortli[X.]he Selbsttötungen zu verhindern, könnte mithilfe gesetzli[X.]h festges[X.]hriebener [X.], Warte- und Na[X.]hweispfli[X.]hten für das behördli[X.]he Erlaubnisverfahren (vgl. [X.], Urteil vom 26. Februar 2020 - 2 BvR 2347/15 u. a. - [X.] 153, 182 Rn. 339 f.) gefördert werden. Die Maßnahme wäre ebenfalls mit Belastungen für Suizidwillige verbunden. Sie würde zwar den Zugang zu dem gewüns[X.]hten Betäubungsmittel bei Einhaltung der [X.] und Wartepfli[X.]hten und bei na[X.]hgewiesener Freiverantwortli[X.]hkeit des Sterbewuns[X.]hes eröffnen. Do[X.]h ist die glei[X.]he Wirksamkeit dieser Maßnahme ni[X.]ht gewährleistet. Bei der Feststellung, ob ein Selbsttötungsents[X.]hluss auf einen autonom gebildeten, freien Willen zurü[X.]kgeht, sind Fehleins[X.]hätzungen mögli[X.]h.

[X.][X.]) Die dur[X.]h § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG bewirkten Eins[X.]hränkungen für die Selbstbestimmung über das eigene Lebensende sind angesi[X.]hts der Mögli[X.]hkeit, das eigene Leben ärztli[X.]h begleitet dur[X.]h Anwendung vers[X.]hreibungspfli[X.]htiger Arzneimittel zu beenden, angemessen und damit verhältnismäßig im engeren Sinne.

(1) Die Angemessenheit und damit die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erfordern, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zwe[X.]k und die zu erwartende Zwe[X.]kerrei[X.]hung ni[X.]ht außer Verhältnis zu der S[X.]hwere des Eingriffs stehen (stRspr, vgl. [X.], Bes[X.]hluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - [X.] 159, 223 Rn. 216 m. w. N.). In einer Abwägung sind Rei[X.]hweite und Gewi[X.]ht des Eingriffs in Grundre[X.]hte einerseits und die Bedeutung der Regelung für die Errei[X.]hung legitimer Ziele andererseits gegenüberzustellen. Angemessen ist eine gesetzli[X.]he Regelung dann, wenn bei der Gesamtabwägung zwis[X.]hen der S[X.]hwere des Eingriffs und dem Gewi[X.]ht sowie der Dringli[X.]hkeit der sie re[X.]htfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit no[X.]h gewahrt wird. Dabei ist ein angemessener Ausglei[X.]h zwis[X.]hen dem Eingriffsgewi[X.]ht der Regelung und dem verfolgten Ziel sowie der zu erwartenden Zielerrei[X.]hung herzustellen (stRspr, vgl. [X.], Bes[X.]hluss vom 29. September 2022 - 1 BvR 2380/21 u. a. - [X.] 163, 107 Rn. 119 m. w. N; [X.], Urteile vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - [X.]E 177, 60 Rn. 75 und vom 21. Juni 2023 - 3 CN 1.22 - NVwZ 2023, 1840 Rn. 44).

(2) Der mit der Verbotsregelung verfolgte Zwe[X.]k und die zu erwartende Zwe[X.]kerrei[X.]hung (b) stehen ni[X.]ht außer Verhältnis ([X.]) zu der S[X.]hwere des Eingriffs in das Re[X.]ht auf Selbsttötung (a).

(a) Die Eins[X.]hränkungen der Selbstbestimmung über das eigene Lebensende dur[X.]h das Verbot, [X.] zum Zwe[X.]k der Selbsttötung zu erwerben, haben Gewi[X.]ht (aa), das allerdings dadur[X.]h gemindert wird, dass es für Sterbewillige andere Mögli[X.]hkeiten gibt, ihren Ents[X.]hluss zur Selbsttötung umzusetzen ([X.]). Diese Alternativen sind für die [X.] mit Belastungen verbunden ([X.][X.]).

(aa) Für Mens[X.]hen, die freiverantwortli[X.]h ents[X.]hieden haben, si[X.]h töten zu wollen, stellt das Verbot, [X.] zu erwerben, eine erhebli[X.]he Belastung dar.

Na[X.]h den für das Revisionsverfahren verbindli[X.]hen tatsä[X.]hli[X.]hen Feststellungen des Oberverwaltungsgeri[X.]hts ermögli[X.]ht [X.] eine s[X.]hmerzfreie, regelmäßig s[X.]hnelle und weitgehend risikofreie Selbsttötung ([X.] und 33). Die Anwendung des Mittels ist verglei[X.]hsweise einfa[X.]h. Mit der Einnahme einer relativ geringen Menge (15 g), die si[X.]h gut in einem Glas Wasser auflösen lässt, können ein Tiefs[X.]hlaf und na[X.]h kurzer [X.] (30 bis 60 Minuten) der Tod dur[X.]h Atemstillstand herbeigeführt werden (vgl. [X.], 33 mit der Bezugnahme auf Feststellungen und Erkenntnismittel des Verwaltungsgeri[X.]hts <s. [X.] mit Verweis auf die Stellungnahmen von Dr. med. [X.] vom 29. Oktober 2020 und des Vereins Sterbehilfe vom 12. Oktober 2020>).

Eine andere Mögli[X.]hkeit, in Deuts[X.]hland Zugang zu [X.] zum Zwe[X.]k der Selbsttötung zu erhalten, als einen vom [X.] erlaubten Erwerb, haben Sterbewillige bei realistis[X.]her Betra[X.]htung ni[X.]ht. Ob gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 BtMG eine ärztli[X.]he Vers[X.]hreibung von [X.] oder ein Überlassen zum unmittelbaren Verbrau[X.]h an Sterbewillige zulässig sein kann, hat der Senat bislang offengelassen. Fragli[X.]h ist insoweit, ob bzw. unter wel[X.]hen Voraussetzungen die Anwendung eines in Anlage III bezei[X.]hneten Betäubungsmittels zur Selbsttötung "begründet" im Sinne der Vors[X.]hrift sein kann (vgl. [X.], Urteil vom 2. März 2017 - 3 C 19.15 - [X.]E 158, 142 Rn. 16 und 35; s. zum Streitstand z. B. Oğlak[X.]ıoğlu, in: Mün[X.]hener Kommentar zum StGB, 4. Aufl. 2022, § 3 BtMG Rn. 35, § 13 BtMG Rn. 31 ff.; [X.], in: ders./Volkmer/​Fabri[X.]ius, BtMG, 10. Aufl. 2022, § 13 Rn. 17 und § 29 Rn. 1137; S[X.]hnorr, NStZ 2021, 76 <77>; [X.], in: ders./Kornprobst/​Maier, BtMG, 6. Aufl. 2021, § 13 Rn. 24). Ungea[X.]htet seiner re[X.]htli[X.]hen Zulässigkeit dürfte der Zugang für die [X.] tatsä[X.]hli[X.]h ni[X.]ht zu errei[X.]hen sein. Eine ärztli[X.]he Person, die entgegen § 13 Abs. 1 BtMG Betäubungsmittel vers[X.]hreibt oder zum unmittelbaren Verbrau[X.]h überlässt, ma[X.]ht si[X.]h strafbar (§ 29 Abs. 1 Nr. 6 BtMG) und gefährdet ihre [X.]. Angesi[X.]hts dieser Risiken kann von einer individuellen ärztli[X.]hen Bereits[X.]haft, an einer Selbsttötung dur[X.]h Vers[X.]hreiben oder Überlassen von [X.] mitzuwirken, bei realistis[X.]her Betra[X.]htungsweise ni[X.]ht ausgegangen werden. Die Fragen müssen hier ni[X.]ht abs[X.]hließend geklärt werden. Au[X.]h bei Annahme einer Eingriffsintensivierung, weil [X.] für die [X.] ni[X.]ht auf anderem Wege erhältli[X.]h ist, liegt - wie na[X.]hstehend dargelegt - keine Grundre[X.]htsverletzung vor.

([X.]) Na[X.]h den im Berufungsurteil getroffenen tatsä[X.]hli[X.]hen Feststellungen besteht für die [X.] die Mögli[X.]hkeit, über eine ärztli[X.]he Person (β) Zugang zu vers[X.]hreibungspfli[X.]htigen Arzneimitteln (α) zu erhalten, mit denen eine Selbsttötung dur[X.]hgeführt werden kann.

(α) Dana[X.]h können die [X.] zur Selbsttötung eine Kombination von vers[X.]hreibungspfli[X.]htigen Arzneimitteln verwenden. Hierbei werden - wie si[X.]h den vom Oberverwaltungsgeri[X.]ht in Bezug genommenen verwaltungsgeri[X.]htli[X.]hen Feststellungen und Erkenntnismitteln entnehmen lässt - ein Arzneimittel gegen Übelkeit und Erbre[X.]hen, ein tödli[X.]h wirkendes Mittel und ein Tiefs[X.]hlafmittel eingenommen. Damit können Sterbewillige ihren Tod dur[X.]h Atem- oder Herzstillstand innerhalb weniger Stunden (eineinhalb bis vier) und im Tiefs[X.]hlaf herbeiführen. Die Tabletten können zermörsert z. B. in Fru[X.]htjoghurt oder Apfelmus eingerührt oder in einer Flüssigkeit aufgelöst werden (Trinkmenge: drei Gläser). Die Mittel ermögli[X.]hen eine s[X.]hmerzfreie Selbsttötung. Ein erhebli[X.]h erhöhtes Risiko von Komplikationen besteht ni[X.]ht (vgl. [X.] f.; zu der in Bezug genommenen Auswertung der eingeholten Auskünfte <[X.]>: [X.] f.; Stellungnahmen von Dr. med. [X.] vom 29. Oktober 2020 und des Vereins Sterbehilfe vom 12. Oktober 2020).

Daneben gibt es - wie das Oberverwaltungsgeri[X.]ht weiter festgestellt hat - mit dem vers[X.]hreibungspfli[X.]htigen Arzneimittel [X.] ein anderes Barbiturat, das zur Selbsttötung eingesetzt werden kann und - teilweise ergänzt um ein muskelrelaxierendes Mittel - intravenös angewendet wird ([X.] f.). [X.] weist hinsi[X.]htli[X.]h Wirkweise und Risiken keine wesentli[X.]hen Unters[X.]hiede zu [X.] auf. Bei den von der Deuts[X.]hen Gesells[X.]haft für Humanes Sterben e. V. vermittelten Sterbebegleitungen war es im [X.]punkt der Ents[X.]heidung des Oberverwaltungsgeri[X.]hts seit dem Frühjahr 2020 in mehr als 120 Fällen verwendet worden ([X.]).

(β) Vers[X.]hreibungspfli[X.]htige Arzneimittel dürfen nur aufgrund einer ärztli[X.]hen Vers[X.]hreibung von Apotheken an Endverbrau[X.]her abgegeben werden (vgl. § 43 Abs. 3, § 48 [X.], § 1 der Arzneimittelvers[X.]hreibungsverordnung) oder ihnen nur von einer ärztli[X.]hen Person zur unmittelbaren Anwendung überlassen werden. Na[X.]h den berufungsgeri[X.]htli[X.]hen Feststellungen haben Sterbewillige die Mögli[X.]hkeit, über eine Ärztin oder einen Arzt Zugang zu den unter (α) bezei[X.]hneten Arzneimitteln zu erhalten. Es gebe in Deuts[X.]hland einen Kreis von ärztli[X.]hen Personen, die bereit seien, an einer Selbsttötung dur[X.]h Vers[X.]hreiben oder Überlassen der benötigten Arzneimittel assistierend mitzuwirken ([X.], 31). Wie das Oberverwaltungsgeri[X.]ht weiter festgestellt hat, haben mehrere Organisationen die Vermittlung von zur Suizidhilfe bereiten Ärztinnen und Ärzten wiederaufgenommen, na[X.]hdem das [X.] mit Urteil vom 26. Februar 2020 das in § 217 StGB normierte Verbot der ges[X.]häftsmäßigen Förderung der Selbsttötung für ni[X.]htig erklärt hatte ([X.] f.). An diese Feststellungen ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden; zulässige und begründete Revisionsgründe hat der Kläger insoweit ni[X.]ht vorgebra[X.]ht. Sein Vortrag, die berufungsgeri[X.]htli[X.]hen Feststellungen zur Mögli[X.]hkeit, eine zur Suizidhilfe bereite ärztli[X.]he Person zu finden, gingen an den tatsä[X.]hli[X.]hen Lebensverhältnissen vorbei, genügt ni[X.]ht den Anforderungen an die Darlegung eines Verfahrensmangels (vgl. § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO).

Das ärztli[X.]he Berufsre[X.]ht sieht kein ausdrü[X.]kli[X.]hes Verbot ärztli[X.]her Suizidhilfe mehr vor. In der von der [X.] erlassenen - ni[X.]ht re[X.]htsverbindli[X.]hen - Musterberufsordnung für die in Deuts[X.]hland tätigen Ärztinnen und Ärzte ([X.]) ist zurü[X.]kgehend auf einen Bes[X.]hluss des 124. Deuts[X.]hen Ärztetags 2021 der Regelungsvors[X.]hlag des § 16 Satz 3 [X.] aufgehoben worden, der ein ausdrü[X.]kli[X.]hes Verbot ärztli[X.]her Suizidhilfe vorgesehen hatte ([X.]). Diejenigen [X.], die ein sol[X.]hes Verbot oder zumindest eine "Soll-Vors[X.]hrift" in ihre als Satzung erlassenen Berufsordnungen aufgenommen hatten (vgl. [X.], Urteil vom 26. Februar 2020 - 2 BvR 2347/15 u. a. - [X.] 153, 182 Rn. 293), sind der Musterberufsordnung gefolgt und haben die Regelung aufgehoben (vgl. [X.] <Berlin, [X.], Sa[X.]hsen, [X.]>; na[X.]h Ergehen des Berufungsurteils: [X.], [X.], [X.], Me[X.]klenburg-Vorpommern, Niedersa[X.]hsen, [X.], [X.]) oder für ni[X.]ht anwendbar erklärt (Nordrhein).

Eine ärztli[X.]he Vers[X.]hreibung oder Überlassung von Arzneimitteln zum Zwe[X.]k der Selbsttötung ist arzneimittelre[X.]htli[X.]h zulässig. Eine Anwendung von Arzneimitteln außerhalb der zugelassenen Indikation und empfohlenen Dosierung ("off-label-use") wird dur[X.]h das [X.] ni[X.]ht verboten (vgl. [X.]; [X.], Urteil vom 11. Mai 2015 - 8 [X.] - juris Rn. 37; S[X.]hnorr, NStZ 2021, 76 <78>).

([X.][X.]) Diese Alternativen sind für die [X.] mit Belastungen verbunden.

(α) Sie müssen eine ärztli[X.]he Person finden, die bereit ist, die notwendige pharmakologis[X.]he und - gegebenenfalls - medizinis[X.]he Unterstützung zu leisten. Das kann s[X.]hwierig sein, weil Ärztinnen und Ärzte ni[X.]ht verpfli[X.]htet sind, Hilfe zur Selbsttötung zu leisten (vgl. [X.], Urteil vom 26. Februar 2020 - 2 BvR 2347/15 u. a. - [X.] 153, 182 Rn. 289), und weil - wie das Oberverwaltungsgeri[X.]ht festgestellt hat - weiterhin die Mehrheit unter ihnen aufgrund ihres Selbstverständnisses ni[X.]ht zur Suizidhilfe bereit sein dürfte ([X.] f.). Die [X.] können si[X.]h bei der Su[X.]he allerdings dur[X.]h Organisationen helfen lassen, die - wie gezeigt - die Vermittlung von zur Suizidhilfe bereiten Ärztinnen und Ärzten wiederaufgenommen haben. Dana[X.]h besteht die realistis[X.]he Aussi[X.]ht, dass sie bei einer aktiven, au[X.]h andere Bundesländer in den Bli[X.]k nehmenden Su[X.]he (vgl. [X.], [X.] vom 10. Dezember 2020 - 1 BvR 1837/19 - NJW 2021, 1086 Rn. 7) eine zur Suizidhilfe bereite ärztli[X.]he Person finden.

(β) Es ist davon auszugehen, dass si[X.]h eine ärztli[X.]he Person im Vorfeld einer Unterstützung zur Selbsttötung vergewissern wird, dass der Ents[X.]hluss des [X.], sein Leben beenden zu wollen, auf eine freiverantwortli[X.]h getroffene Ents[X.]heidung zurü[X.]kgeht. Das kann insbesondere für Sterbewillige belastend sein, die - wie der Kläger - ihren Selbsttötungsents[X.]hluss ohne Hilfe einer fremden ärztli[X.]hen Person umsetzen mö[X.]hten. Sie müssen si[X.]h gegenüber einer ihnen ni[X.]ht oder ni[X.]ht sehr vertrauten Person über eine hö[X.]hstpersönli[X.]he Angelegenheit erklären und Auskunft geben. Besteht die angebotene Unterstützung in einer Arzneimittelüberlassung zum unmittelbaren Verbrau[X.]h und ni[X.]ht in einer Vers[X.]hreibung, erhalten die [X.] die Mittel anders als beim angestrebten Erwerb von [X.] ni[X.]ht zur freien Verfügung; sie müssen mit der ärztli[X.]hen Person einen Termin für die Umsetzung der Selbsttötung vereinbaren. Eine zusätzli[X.]he Ers[X.]hwernis kann für die [X.] entstehen, wenn si[X.]h die ärztli[X.]he Person am festgelegten Termin vergewissern mö[X.]hte, dass die Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit des Selbsttötungswillens fortbestehen. Weitere Ers[X.]hwernisse können si[X.]h bei der Inanspru[X.]hnahme einer Organisation zur Vermittlung von zur Suizidhilfe bereiten Ärztinnen und Ärzten ("Sterbehilfeorganisationen") ergeben. Voraussetzung für die Vermittlung ist in der Regel eine kostenpfli[X.]htige Mitglieds[X.]haft in der Organisation.

(γ) Ers[X.]hwernisse für die [X.] ergeben si[X.]h außerdem bei der oralen Anwendung der Arzneimittelkombination. Es muss eine größere Menge eingenommen werden als bei der [X.] mit [X.]. Das kann für Sterbewillige mit S[X.]hlu[X.]kbes[X.]hwerden s[X.]hwierig sein und erhöht das Risiko von Komplikationen (vgl. Stellungnahme von Dr. med. [X.] vom 29. Oktober 2020 <[X.]>, Antwort zu Frage 6). Zudem tritt der Tod in der Regel langsamer ein als bei der Einnahme von [X.].

Bei der intravenösen Alternative mit dem Arzneimittel [X.] entstehen diese Belastungen ni[X.]ht. Weil bei der Anwendung eine Infusion gelegt oder der Einsatz eines Infusionsautomaten ([X.]) vorbereitet werden muss, erfordert sie aber eine fa[X.]hkundige medizinis[X.]he Begleitung und belastet damit Sterbewillige, die - wie der Kläger - eine sol[X.]he Begleitung ni[X.]ht wüns[X.]hen.

(b) Diesen Grundre[X.]htseins[X.]hränkungen für die [X.] stehen wi[X.]htige Gemeinwohlbelange gegenüber, die dur[X.]h die Ni[X.]hteröffnung des Zugangs zu [X.] ges[X.]hützt werden.

Die Gefahren für Leben und Gesundheit der Bevölkerung dur[X.]h [X.] oder Fehlgebrau[X.]h des Mittels sind angesi[X.]hts seiner s[X.]hnellen und tödli[X.]hen Wirkung sowie der einfa[X.]hen Anwendbarkeit besonders groß. Sie sind die Kehrseite der dargelegten Vorzüge, die Sterbewillige [X.] beimessen. Diese besonderen Gefahren wiegen s[X.]hwer. Die Re[X.]htsgüter Leben und Gesundheit haben hohes Gewi[X.]ht (stRspr, vgl. [X.], Bes[X.]hlüsse vom 8. Juni 2010 - 1 BvR 2011/07 u. a. - [X.] 126, 112 <140 f.> und vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - [X.] 159, 223 Rn. 231). Die Ni[X.]hteröffnung des Zugangs zu [X.] leistet einen relevanten Beitrag zu ihrem S[X.]hutz. Der Gesetzgeber darf au[X.]h annehmen, dass die Maßnahme deutli[X.]h wirksamer ist als eine - freiheitss[X.]honendere - Regelung, die einen Zugang zu [X.] unter Auflagen (s. unter [X.]) (2)) ermögli[X.]ht.

Die Maßnahme fördert zudem den Zwe[X.]k, Mens[X.]hen in vulnerabler Position und Verfassung vor Ents[X.]heidungen über das eigene Lebensende zu s[X.]hützen, die sie ni[X.]ht freiverantwortli[X.]h treffen. Der S[X.]hutz der Autonomie des Einzelnen bei der Ents[X.]heidung über die Beendigung des eigenen Lebens hat hohes Gewi[X.]ht. Allerdings können Gefahren, die von der freien Verfügbarkeit von [X.] zur Selbsttötung für die freie Willensbildung und die Willensfreiheit ausgehen können, dur[X.]h Normierung prozeduraler Si[X.]herungsme[X.]hanismen wie [X.], Warte- und Na[X.]hweispfli[X.]hten (vgl. [X.], Urteil vom 26. Februar 2020 - 2 BvR 2347/15 u. a. - [X.] 153, 182 Rn. 339 f.) reduziert werden. Verbleibende Risiken - wie etwa Fehleins[X.]hätzungen bei der behördli[X.]hen Prüfung, ob der Ents[X.]hluss von [X.] zur Selbsttötung freiverantwortli[X.]h ist - lassen si[X.]h dur[X.]h die Ausgestaltung des Prüfverfahrens mindern.

([X.]) In der Abwägung stehen die mit dem fehlenden Zugang zu [X.] verbundenen Belastungen für Sterbewillige, die selbstbestimmt ents[X.]hieden haben, ihr Leben beenden zu wollen, ni[X.]ht außer Verhältnis zu dem dadur[X.]h errei[X.]hbaren Re[X.]htsgüters[X.]hutz.

(aa) Ob der mit der Maßnahme verfolgte Zwe[X.]k, Mens[X.]hen in vulnerabler Position und Verfassung vor ni[X.]ht freiverantwortli[X.]hen Selbsttötungen zu s[X.]hützen, und die zu erwartende Zwe[X.]kerrei[X.]hung den Eingriff in das Re[X.]ht auf selbstbestimmtes Sterben re[X.]htfertigen können, kann offen bleiben. Auf der Stufe der Angemessenheit sind unters[X.]hiedli[X.]he Lösungsmögli[X.]hkeiten au[X.]h darauf zu überprüfen, wel[X.]he aus beiden Si[X.]htwinkeln zur größtmögli[X.]hen Si[X.]herung des S[X.]hutzes der kollidierenden Re[X.]htsgüter führt. Es kann daher an der Angemessenheit fehlen, wenn bei einem milderen Mittel die Wirksamkeit nur wenig geringer ist ([X.], Bes[X.]hluss vom 29. September 2022 - 1 BvR 2380/21 u. a. - [X.] 163, 107 Rn. 135). Der errei[X.]hbare Re[X.]htsgüters[X.]hutz dur[X.]h eine - freiheitss[X.]honendere - Regelung eines prozeduralen Si[X.]herungskonzepts wäre - wie dargelegt - mögli[X.]herweise nur wenig geringer. Einem unwiderlegli[X.]hen Generalverda[X.]ht mangelnder Freiheit und Reflexion darf das Gesetz den Ents[X.]hluss zur Selbsttötung ni[X.]ht unterstellen; dadur[X.]h würde die verfassungsprägende Grundvorstellung des Mens[X.]hen als eines in Freiheit zur Selbstbestimmung und Selbstentfaltung fähigen Wesens in ihr Gegenteil verkehrt (vgl. [X.], Urteil vom 26. Februar 2020 - 2 BvR 2347/15 u. a. - [X.] 153, 182 Rn. 279).

([X.]) Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist jedenfalls mit Bli[X.]k auf das mit der Regelung verfolgte Ziel, [X.] und Fehlgebrau[X.]h zu verhindern, und den in dieser Hinsi[X.]ht errei[X.]hbaren Re[X.]htsgüters[X.]hutz gewahrt.

Dem Gesetzgeber kommt bei der Gewi[X.]htung der Gefahren des [X.] und der Ausgestaltung des S[X.]hutzkonzepts zur Verhinderung von [X.] und Fehlgebrau[X.]h ein Spielraum zu (vgl. [X.], Urteile vom 30. Juli 2008 - 1 BvR 3262/07 u. a. - [X.] 121, 317 <356 f.> und vom 26. Februar 2020 - 2 BvR 2347/15 u. a. - [X.] 153, 182 Rn. 224; Bes[X.]hluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - [X.] 159, 223 Rn. 217). Dessen Grenzen sind mit dem Verbot des Erwerbs von [X.] zur Selbsttötung ni[X.]ht übers[X.]hritten. Die Eins[X.]hränkung der Selbstbestimmung bei der Wahl des Mittels zur Selbsttötung hat zwar Gewi[X.]ht; es geht um die Gestaltung des eigenen [X.]. Die Gefahren, die dur[X.]h den Erwerb von [X.] und die Aufbewahrung des Mittels dur[X.]h die [X.] entstehen können, sind jedo[X.]h - wie gezeigt - besonders groß und wiegen s[X.]hwer. Angesi[X.]hts dieser Gefahren und der bestehenden Alternativen zum Einsatz des gewüns[X.]hten Mittels ist es ni[X.]ht zu beanstanden, dass das Gesetz seinen Erwerb zum Zwe[X.]k der Selbsttötung ni[X.]ht zulässt.

Die bestehenden Alternativen zum Einsatz von [X.] sind für die [X.] zumutbar und stellen einen angemessenen Ausglei[X.]h zwis[X.]hen den kollidierenden Individual- und Gemeinwohlbelangen her. Die [X.] werden dur[X.]h die Inanspru[X.]hnahme der Hilfe einer ärztli[X.]hen Person und gegebenenfalls einer Organisation bei der Umsetzung der Selbsttötung ni[X.]ht unangemessen belastet (vgl. [X.], [X.] vom 10. Dezember 2020 - 1 BvR 1837/19 - NJW 2021, 1086 Rn. 4 und 7). Dass der Zugang zu einem Mittel zur Selbsttötung die Feststellung der Freiverantwortli[X.]hkeit des Sterbewuns[X.]hes dur[X.]h eine ärztli[X.]he Person oder andere fa[X.]hkundige Stelle voraussetzt, ist ni[X.]ht zu beanstanden (vgl. [X.], Urteil vom 26. Februar 2020 - 2 BvR 2347/15 u. a. - [X.] 153, 182 Rn. 339 f.; [X.], Urteil vom 2. März 2017 - 3 C 19.15 - [X.]E 158, 142 Rn. 31 und 40); das dient dem S[X.]hutz der Autonomie der [X.]. Anhaltspunkte, dass die Inanspru[X.]hnahme von Hilfe der im angegriffenen Urteil genannten Organisationen unzumutbar sein könnte, etwa im Hinbli[X.]k auf die entstehenden Kosten, hat das Oberverwaltungsgeri[X.]ht ni[X.]ht festgestellt. Dagegen hat der Kläger keinen zulässigen und begründeten Revisionsgrund vorgebra[X.]ht (§ 137 Abs. 2 VwGO). Au[X.]h die Ers[X.]hwernisse, die si[X.]h für die [X.] bei Verwendung vers[X.]hreibungspfli[X.]htiger Arzneimittel ergeben, stellen keine unzumutbaren Belastungen dar. Sterbewillige, die eine orale Anwendung ni[X.]ht wüns[X.]hen oder für die sie - etwa wegen S[X.]hlu[X.]kbes[X.]hwerden - ni[X.]ht mögli[X.]h ist, können ein Arzneimittel intravenös einsetzen, das si[X.]h hinsi[X.]htli[X.]h Wirkweise und Risiken ni[X.]ht wesentli[X.]h von [X.] unters[X.]heidet. Eine erforderli[X.]he medizinis[X.]he Begleitung kann so gestaltet werden, dass dem Wuns[X.]h der [X.] na[X.]h Privatheit so weit wie mögli[X.]h entspro[X.]hen und die Beeinträ[X.]htigung dadur[X.]h gemindert wird.

d) Für den Kläger ergibt si[X.]h ni[X.]hts Abwei[X.]hendes. Na[X.]h den für das Revisionsverfahren verbindli[X.]hen Feststellungen des Oberverwaltungsgeri[X.]hts (§ 137 Abs. 2 VwGO) besteht au[X.]h für ihn die Mögli[X.]hkeit, über eine ärztli[X.]he Person Zugang zu Arzneimitteln zu erhalten, mit denen eine Selbsttötung dur[X.]hgeführt werden kann. Es sei ni[X.]ht ersi[X.]htli[X.]h, dass er die Arzneimittelkombination ni[X.]ht oral anwenden könne. Darüber hinaus stehe ihm ein intravenös einsetzbares Mittel zur Verfügung ([X.]). Anhaltspunkte, dass die Su[X.]he na[X.]h einer zur Suizidhilfe bereiten ärztli[X.]hen Person oder die Mitglieds[X.]haft in einer Organisation für ihn unzumutbar wären, bestehen ausgehend von den berufungsgeri[X.]htli[X.]hen Feststellungen ebenfalls ni[X.]ht (vgl. [X.] 32).

e) Ein Anspru[X.]h auf die beantragte Erwerbserlaubnis ergibt si[X.]h au[X.]h ni[X.]ht ausnahmsweise unter dem Gesi[X.]htspunkt einer extremen Notlage im Sinne des [X.] vom 2. März 2017 - 3 C 19.15 - ([X.]E 158, 142). Das Vorliegen einer sol[X.]hen Notlage setzt unter anderem voraus, dass dem [X.] keine andere zumutbare Mögli[X.]hkeit zur Verwirkli[X.]hung des Selbsttötungswuns[X.]hes zur Verfügung steht ([X.], Urteil vom 2. März 2017 - 3 C 19.15 - a. a. [X.] Rn. 31). Das ist beim Kläger - wie dargelegt - ni[X.]ht der Fall.

f) Die re[X.]htli[X.]he Bewertung steht im Einklang mit der Europäis[X.]hen Mens[X.]henre[X.]htskonvention. Zur weiteren Begründung nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Urteil ([X.] 39).

Die Kostenents[X.]heidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwG[X.]

Meta

3 C 8/22

07.11.2023

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 2. Februar 2022, Az: 9 A 148/21, Urteil

Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, § 3 Abs 1 Nr 1 BtMG, § 5 Abs 1 Nr 6 BtMG, § 13 Abs 1 S 1 BtMG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 07.11.2023, Az. 3 C 8/22 (REWIS RS 2023, 10064)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 10064

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7 L 2074/23 (Verwaltungsgericht Köln)


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1 BvR 1187/17

1 BvR 781/21

1 BvR 1837/19

2 BvR 2347/15

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