Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.11.2006, Az. 4 StR 426/06

4. Strafsenat | REWIS RS 2006, 893

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[X.] 4 StR 426/06 vom 9. November 2006 in der Strafsache gegen wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes - 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 9. November 2006 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 12. Juni 2006 mit den Feststellungen auf-gehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugend-schutzkammer des [X.] zurückverwiesen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs ei-nes Kindes in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sein Rechtsmittel hat mit der Sachrüge [X.]. 1 1. Nach den Feststellungen kam es in der [X.] ab Anfang 1997 bis Som-mer 2001 insgesamt sechsmal jeweils in gleicher Weise zu sexuellen Handlun-gen zwischen dem Angeklagten und der am 30. Juni 1992 geborenen Neben-klägerin, der Stieftochter seines Bruders. Der Angeklagte hat die Tatvorwürfe bestritten. Das [X.] hat seine Überzeugung allein aufgrund der Angaben der zum [X.]punkt der Hauptverhandlung 14jährigen Nebenklägerin gewonnen, an deren Glaubwürdigkeit es keine Zweifel hat. 2 Die Beweiswürdigung leidet an durchgreifenden Darlegungsmängeln. 3 - 3 - In einem Fall, in dem, wie hier, Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung allein davon abhängt, welcher Aussage das Tatgericht Glauben schenkt, müssen alle Umstände, die die Entscheidung zu beeinflussen geeignet sind, in die Überlegungen des Tatrichters einbezogen werden (st. Rspr., vgl. nur [X.]R StPO § 261, Beweiswürdigung 23). Diesen Grundsatz hat die [X.] zwar beachtet, sie hat allerdings gewichtige Umstände, die für die Beurtei-lung der Glaubhaftigkeit der Aussage der Nebenklägerin von Bedeutung gewe-sen sind, nur unzureichend erörtert. 4 Nach dem Inhalt des Urteils zeigte die Nebenklägerin ab Ende des [X.] 2001 zunehmend Verhaltensauffälligkeiten, die im Januar 2005 eine [X.] in eine längere stationäre Behandlung erforderlich machten. Dort schil-derte die Nebenklägerin im Juli 2005 einer Mitpatientin erstmals Einzelheiten der sexuellen Übergriffe des Angeklagten, was schließlich zur [X.] führte. Das [X.] ist zu der Auffassung gelangt, dass die [X.] und die nach wie vor bestehende psychologische und psy-chiatrische Behandlungsbedürftigkeit der Nebenklägerin nicht gegen die Glaub-haftigkeit ihrer Aussage sprächen. Zur Begründung führt die Strafkammer ledig-lich aus, dass die Geschädigte die Taten "exakt" geschildert habe. In [X.] der geringen Differenziertheit der festgestellten Tatgeschehen vermag der Senat dieser Begründung keine Aussagekraft beizumessen. Um eine Relevanz der ersichtlich nicht unerheblichen psychischen Auffälligkeiten der Nebenkläge-rin für die Beurteilung ihrer Glaubwürdigkeit nachprüfen zu können, hätte es vielmehr der Mitteilung der Art und des Schweregrads der Auffälligkeiten, ins-besondere im [X.]raum der [X.] während des stationären [X.], sowie der Darlegung der Umstände der [X.] gegenüber ihrer Mitpatientin bedurft. Zu alledem verhält sich das Urteil nicht. 5 - 4 - Nicht ausreichend nachprüfbar ist darüber hinaus die Würdigung der Aussagen des Bruders und der Schwester des Angeklagten, die während des Tatzeitraums mit ihm in Hausgemeinschaft lebten. Den wesentlichen Inhalt die-ser Aussagen teilt das Urteil nicht mit, so dass auch insoweit die Wertung der Strafkammer, diese - ihn möglicherweise entlastenden - Aussagen seien von der Sympathie zum Angeklagten getragen und "subjektiv gefärbt" gewesen, sie stünden deshalb der Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin ebenfalls nicht entgegen, nicht überprüft werden kann. 6 In der vorliegenden Form erweist sich deshalb die Beweiswürdigung des [X.] als nicht tragfähig. 7 2. Soweit das [X.] im Rahmen der Strafzumessung lediglich [X.] darauf verweist, "strafschärfend (sei) – das gesamte [X.] zu be-rücksichtigen", ohne einzelne straferschwerende Umstände anzuführen, [X.] dies ebenfalls rechtlichen Bedenken. Die Strafkammer hat das [X.] nämlich maßgeblich auch zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, indem es die Intensität der sexuellen Übergriffe gerade nicht als besonders schwer be-wertet hat. Der lediglich pauschale Hinweis auf das [X.] ist hier deshalb schon nicht aussagekräftig (vgl. hierzu bereits [X.], [X.]. vom 5. Januar 2005 - 4 StR 518/04). 8 3. Den Urteilsgründen ist zu entnehmen, dass ein aussagepsychologi-sches Gutachten zur Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin eingeholt worden ist. In Anbetracht des Umstandes, dass die Nebenklägerin bei den ersten Taten erst fünf bzw. sechs Jahre alt war und in psychischer Hinsicht [X.] Auffälligkeiten zeigt, hat die Hinzuziehung eines entsprechenden Sach-verständigen hier auch nahe gelegen. Der neue Tatrichter wird deshalb, anders 9 - 5 - als im angefochtenen Urteil geschehen, Gelegenheit haben, sich mit dem Inhalt des Gutachtens auseinanderzusetzen. Tepperwien Maatz Athing Ernemann Sost-Scheible

Meta

4 StR 426/06

09.11.2006

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.11.2006, Az. 4 StR 426/06 (REWIS RS 2006, 893)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 893

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