Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.07.2003, Az. 4 StR 253/03

4. Strafsenat | REWIS RS 2003, 2066

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[X.] [X.]/03vom29. Juli 2003in der Strafsachegegenwegen Vergewaltigung u.a.- 2 -Der 4. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 29. Juli 2003 gemäß § 349 Abs. 4StPO [X.] Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil [X.] vom 22. Januar 2003 mit [X.] aufgehoben, soweit der Angeklagte ver-urteilt worden ist.2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eineandere [X.] des [X.] zurückverwiesen.Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in [X.] mit sexuellem Mißbrauch eines Kindes und wegen Vergewaltigung zueiner Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. [X.] einer weiteren Vergewaltigung hat es ihn aus tatsächlichen [X.]. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung for-mellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge Erfolg; eines Einge-hens auf die Verfahrensrüge bedarf es daher nicht.Die Verurteilung des Angeklagten hat keinen Bestand, weil die Beweis-würdigung durchgreifenden rechtlichen Bedenken [X.] -Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegten Taten zum Nachteil [X.], der am 25. August 1986 geborenen [X.] , bestritten. [X.] sich dahin eingelassen, im Frühjahr oder [X.] 1997 ([X.]) habe [X.] sexuellen Handlungen an dem damals zehn oder elf Jahre alten [X.] vorgenommen. Im September 2001 ([X.]) und kurz vor [X.] ([X.]) habe er zwar mit [X.] den Geschlechtsverkehr vollzo-gen, jedoch sei dies im "gegenseitigen Einvernehmen" geschehen. Im [X.] 2001 habe er [X.] , die Geld gebraucht habe, dafür 70 DM gegeben.Die der Verurteilung zugrundeliegenden Feststellungen (Fälle [X.] und 3)stützt die [X.] auf die Angaben [X.] s. Vom Vorwurf der Verge-waltigung der Nebenklägerin im [X.] hat das [X.] den Angeklag-ten freigesprochen, da die Beweisaufnahme nicht mit der erforderlichen Si-cherheit ergeben habe, daß er sie auch im September 2001 gegen ihren Willenzum Geschlechtsverkehr gezwungen habe. In diesem Fall folgt die [X.] nicht den Angaben der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung. [X.] sie am 18. Februar 2002 zu diesem Vorfall gegenüber der [X.] anderslautende Angaben gemacht, dieser nämlich berichtet, im Sep-tember 2001 den Beischlaf mit dem Angeklagten freiwillig vollzogen zu haben,nachdem er ihr angeboten habe, ihre Schulden aus [X.] zubegleichen, und ihr 50 DM gegeben habe. Es könne deshalb nicht ausge-schlossen werden, daß die Angaben [X.] s insoweit unrichtig sind.Wenn wie hier Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung imwesentlichen davon abhängt, welchen Angaben das Gericht folgt, müssen [X.] in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise er-kennen lassen, daß der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beein-flussen können, erkannt und in seine Überlegung einbezogen hat (st. Rspr.;- 4 -vgl. nur BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 23). Dies gilt besonders, wennsich die Unwahrheit eines Aussageteils herausstellt oder - wie hier - dies [X.] nicht auszuschließen ist. Dann muß der Tatrichter regelmäßig außer-halb der Zeugenaussage liegende gewichtige Gründe nennen, die es ihm er-möglichen, der Zeugenaussage im übrigen dennoch zu glauben (vgl. [X.], 153, 159; 44, 256, 257).Diesen strengen Anforderungen wird die Beweiswürdigung zu den [X.] zugrundeliegenden Fällen in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.Die [X.] folgt insoweit den Angaben [X.] s mit der Begründung,ihre Aussage in der Hauptverhandlung sei "flüssig, detailreich, widerspruchsfreiund insgesamt glaubhaft" ([X.]) gewesen bzw. sie habe den Vorfall "sehrdifferenzierend, detailreich (und) präzise" ([X.]) geschildert. Außerdem seienihre Angaben zu diesen Fällen gegenüber der Sozialarbeiterin [X.] und der siein der psychiatrischen Klinik behandelnden Ärztin, der Zeugin [X.], und inder Hauptverhandlung "inhaltlich zum [X.] konstant geblieben".Vom Vorfall im Jahr 1997 habe die Nebenklägerin einige Monate später über-dies ihrer Mutter und einer Freundin berichtet.Damit hat die [X.] die Beweiswürdigung nicht erschöpft. [X.] bei der Glaubwürdigkeitsprüfung in den Fällen [X.] und 3 auf den Detail-reichtum, die Widerspruchsfreiheit bzw. Differenziertheit der Aussage SarahN. s abstellt, setzt sie sich nicht damit auseinander, daß diese Glaubwürdig-keitskriterien gleichermaßen auf die Angaben zutreffen, die die Zeugin in [X.] zum [X.] gemacht hat, an deren Glaubhaftigkeit das[X.] gleichwohl nicht zu überwindende Zweifel hat. Es ist deshalb nichtauszuschließen, daß die [X.] diesen Glaubwürdigkeitskriterien in den- 5 -Fällen, die der Verurteilung zugrundeliegen, ein zu großes Gewicht beigemes-sen hat. Hinzu kommt, daß die Aussage der Zeugin [X.] im Urteil nur inso-weit wiedergegeben wird, als [X.] ihr über den Vorfall aus dem [X.] berichtet hat ([X.]). Welche Angaben die Geschädigte gegenüber die-ser Zeugin zu dem Vorfall vom Dezember 2001 gemacht hat, ergeben die Ur-teilsgründe nicht. Der [X.] kann die vom [X.] zur Begründung derGlaubwürdigkeit der Belastungszeugin herangezogene inhaltliche Konstanzder Aussage zum [X.] deshalb nicht nachvollziehen. Zur Beurtei-lung der Aussagekonstanz hätte es in einem Fall wie dem vorliegenden über-dies der Mitteilung der Angaben bedurft, die die Geschädigte im Rahmen ihrerpolizeilichen Vernehmung gemacht hat. Hieran fehlt es ebenfalls. [X.] die [X.] nicht dar, in welcher Weise sich die bei [X.] fest-gestellten "psychischen Auffälligkeiten" ausgewirkt haben. In Anbetracht des-sen, daß die Zeugin nur eine Woche, nachdem sie gegenüber der Zeugin [X.] über die sexuellen Übergriffe des Angeklagten berichtet hatte, aufgrund einer"dringlich qualifizierten Einweisungsverfügung" ihres Hausarztes in ein [X.] für Psychiatrie und Psychotherapie eingewiesen und dort fastzwei Monate stationär behandelt wurde, ist die lediglich abstrakte Schilderungdes ersichtlich erheblichen Krankheitsbildes nicht geeignet, nachvollziehbardarzutun, daß die psychischen Auffälligkeiten keine "durchgreifenden Zweifelan ihrer Persönlichkeit und ihren Angaben" ([X.]) zu begründen vermochten.Der [X.] kann daher nicht ausschließen, daß die [X.] bei dergebotenen erschöpfenden Beweiswürdigung die Glaubwürdigkeit der [X.]in den Fällen [X.] und 3 anders beurteilt [X.] der sich nur auf den verurteilenden Teil erstreckenden [X.] Urteils ist der neue Tatrichter nicht gehindert, die Glaubhaftigkeit der An-gaben der Nebenklägerin hinsichtlich des dem in Rechtskraft erwachsenenTeilfreispruchs zugrundeliegenden Sachverhalts anders als bisher geschehenzu würdigen.In Anbetracht der psychischen Auffälligkeiten der Nebenklägerin ist dievom [X.] angenommene eigene Sachkunde zur Beurteilung derGlaubwürdigkeit der Zeugin nicht frei von rechtlichen Bedenken. Die Hinzuzie-hung eines geeigneten Sachverständigen (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 2Sachverständiger 10, 18 und Abs. 4 Satz 1 [X.] 3, 4, 5)in der neuen Hauptverhandlung erscheint deshalb angeraten.[X.] [X.] Sost-Scheible

Meta

4 StR 253/03

29.07.2003

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.07.2003, Az. 4 StR 253/03 (REWIS RS 2003, 2066)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 2066

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