Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.12.2007, Az. 3 StR 318/07

3. Strafsenat | REWIS RS 2007, 87

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 [X.] vom 20. Dezember 2007 Nachschlagewerk: ja [X.]St: ja [X.]: ja ___________________________________ [X.] Art. 36 Abs. 1 Buchst. [X.] Zu den Folgen einer verspätet erteilten Belehrung eines ausländischen [X.] über sein Recht auf Unterrichtung der konsularischen Vertretung seines Heimat-staates (in Abgrenzung zu [X.]St [1 [X.] und 5 [X.] und 5 [X.]]). [X.], [X.]. vom 20. Dezember 2007 - 3 [X.] - [X.] in der Strafsache gegen - 2 - 1. 2. wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - 3 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 20. Dezember 2007, an der teilgenommen haben: [X.] am [X.] [X.]als Vorsitzender, die [X.] am [X.] [X.], [X.], [X.], Dr. Schäfer als beisitzende [X.], Oberstaatsanwalt beim [X.] als Vertreter der [X.], Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 4 - [X.] gegen das [X.]eil des [X.] vom 2. April 2007 werden verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat die Angeklagten jeweils wegen Beihilfe zum [X.] mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es die Einziehung sichergestell-ten Kokains und zweier Mobiltelefone sowie den Verfall eines Geldbetrages [X.]. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten bleiben erfolglos. 1 I. Das [X.] hat folgende Feststellungen getroffen: 2 Die beiden Angeklagten reisten am 8. Oktober 2006 im Pkw des [X.]von Oslo nach [X.], trafen dort den aus [X.] kommenden Betäubungsmittelkurier [X.] , der 1.485,4 Gramm Kokain mit einem Wirk-stoffgehalt von 341,5 Gramm [X.] mit sich führte, und fuhren sodann mit [X.]3 - 5 - nach [X.], um mit ihm über den dortigen Fährhafen wieder nach [X.] auszureisen. Vor der Ausreise wurde das Betäubungsmittel im [X.] des Fahrzeugs entdeckt. Die Angeklagten und [X.] wurden vorläufig festgenommen. [X.]Die Überprüfung des landgerichtlichen [X.]eils hat weder in [X.] noch in verfahrensrechtlicher Hinsicht einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. [X.] Erörterung bedarf nur die von [X.] Angeklagten erhobene Verfahrensrüge, das [X.] habe bei der [X.] rechtsfehlerhaft ihre Aussagen bei ihrer zollbehördlichen Beschul-digtenvernehmung und ihrer Vernehmung durch den Ermittlungsrichter verwer-tet, obwohl sie als Ausländer zuvor nicht über ihr Recht auf konsularischen Bei-stand nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. [X.] des [X.] über konsularische Beziehungen ([X.]) vom 24. April 1963 ([X.] 1969, 1585) belehrt worden seien. 4 1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde: 5 Der Angeklagte [X.] hat die [X.], der Angeklagte [X.]die [X.] Staatsangehörigkeit. Weder nach ihrer Festnahme am 8. Oktober 2006 noch anlässlich ihrer am Folgetag unter Zuziehung eines Dolmetschers von Zollbeamten durchgeführten Vernehmung wurden sie über ihr Recht auf Benachrichtigung der konsularischen Vertretung ihres jeweiligen Heimatstaates gemäß Art. 36 Abs. 1 Buchst. [X.] [X.] belehrt; vor der Vernehmung am 9. Oktober 2006 wurden sie lediglich über ihr Recht zu schweigen und auf Be-fragung eines Verteidigers hingewiesen (§ 136 Abs. 1 Satz 2 StPO). Beide [X.] - 6 - geklagte machten sodann Angaben zur Sache. Im [X.] daran äußerten sie sich auch gegenüber dem Ermittlungsrichter, der Haftbefehl gegen sie [X.]. Gegen Ende des Vorführungstermins wurden sie belehrt, dass sie die [X.] ihres jeweiligen Heimatstaates verlangen könnten. Dies lehnten sie ab. In der Hauptverhandlung haben sich die beiden Angeklagten nicht zum Tatvorwurf eingelassen. Das [X.] hat die Angaben der Angeklagten im Ermittlungsverfahren durch Vernehmung der Verhörspersonen in die [X.] eingeführt. Die Verteidigung hat der Verwertung dieser Aussagen un-ter Hinweis auf die unterbliebene Belehrung der Angeklagten über ihr Recht auf Benachrichtigung des jeweiligen Konsulats widersprochen. Das [X.] hat die Angaben der Angeklagten bei ihren Vernehmungen durch die Zollbeamten gleichwohl im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt. Es hat sie unge-achtet der unterbliebenen Belehrung nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. [X.] [X.] für verwertbar erachtet, weil die Angeklagten bei ihrer Vorführung vor dem Er-mittlungsrichter zu erkennen gegeben hatten, kein Interesse an der [X.] durch das Konsulat ihres jeweiligen Heimatstaats zu haben. 7 2. Die zulässig erhobene (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) Verfahrensrüge ist nicht begründet. Zwar liegt ein Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 Buchst. [X.] [X.] vor (a), den die Angeklagten im Revisionsverfahren gelten machen kön-nen (b). Der [X.] führt jedoch nicht dazu, dass das [X.] die Angaben der Angeklagten anlässlich ihrer Vernehmungen im [X.] nicht verwerten durfte (c). Auch sonst beruht das [X.]eil nicht auf der unterlassenen Belehrung (d). Dieser ist auch nicht im Wege einer Kompensati-on Rechnung zu tragen (e). 8 - 7 - a) Der Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 Buchst. [X.] [X.] liegt darin, dass die beiden Angeklagten nicht unverzüglich nach ihrer Festnahme über ihr Konsultationsrecht belehrt worden sind. 9 aa) Sowohl der Angeklagte [X.]als [X.]r als auch der An-geklagte [X.]als [X.]r Staatsangehöriger unterfallen dem Schutzbereich des [X.]. Beide [X.] sind ebenso wie die [X.] dieses Übereinkommens. Dieses gilt in der [X.] Rechtsordnung im Range eines Bundesgesetzes und ist von den Strafverfolgungsbehörden unmittelbar anzuwenden ([X.] [1. Kammer des Zweiten [X.]s] NJW 2007, 499, 501, 503). 10 [X.]) Um ausländischen konsularischen Vertretungen die Wahrnehmung ihrer Aufgaben in Bezug auf ihre Staatsangehörigen zu erleichtern, verpflichtet Art. 36 Abs. 1 Buchst. [X.] 1 [X.] die zuständigen Behörden der [X.] dazu, die konsularische Vertretung des [X.] unverzüglich zu unterrichten, wenn im [X.] ein Angehöriger dieses Staates festge-nommen, in Straf- oder Untersuchungshaft genommen oder ihm anderweitig die Freiheit entzogen ist und der Betroffene dies verlangt. Dieser Pflicht des [X.] zur Unterrichtung der betreffenden konsularischen Vertretung steht nicht nur ein Recht des [X.] gegenüber; Art. 36 [X.] schafft zugleich ein subjektives Recht des einzelnen Staatsangehörigen, über das er nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. [X.] [X.] von den zuständigen Behörden zu belehren (un-terrichten) ist. Diese [X.] knüpft - standardisiert - an die fremde Staatsangehörigkeit des Betroffenen an. Sie gilt auch für den Fall, dass dieser seinen Lebensmittelpunkt in der [X.] hat, und setzt keine ausländerspezifische oder situationsbedingte Hilflosigkeit voraus ([X.], 11 - 8 - [X.]. vom 25. September 2007 - 5 [X.] und 5 [X.], zur [X.] in [X.]St bestimmt). cc) Die Belehrung der Angeklagten durch den Ermittlungsrichter war ver-spätet und damit nicht ausreichend. 12 [X.]. 36 Abs. 1 Buchst. [X.] [X.] entsteht in dem Augenblick, in welchem dem ausländischen Betroffenen die Freiheit ent-zogen worden ist, sofern die zuständige Behörde Kenntnis von dessen Staats-angehörigkeit hat oder sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass es sich bei dem Betroffenen wahrscheinlich um einen Ausländer handelt (vgl. [X.] NJW 2007, 499, 503 unter Berufung auf das "[X.]"-[X.]eil des [X.]] vom 31. März 2004, [X.] [2004], 581, 602 f.; [X.] GA 2007, 296, 301). Zur Belehrung ist daher nicht erst der [X.] verpflichtet. Die Beleh-rungspflicht obliegt vielmehr allen zuständigen Strafverfolgungsorganen des Empfangsstaates einschließlich der festnehmenden Polizeibeamten ([X.] NJW 2007, 499, 503 unter Berufung auf [X.], [X.]. vom 27. Juni 2001, [X.] 2001, 464 - "[X.]" [nichtamtliche Übersetzung in [X.], 287] sowie vom 31. März 2004, [X.] [2004], 581 - "[X.]"). 13 Nach diesen Grundsätzen waren bereits die festnehmenden Zollbeamten verpflichtet, die Angeklagten über ihr Konsultationsrecht zu belehren. Dass es sich aus Sicht der Beamten bei den Angeklagten zumindest wahrscheinlich um Ausländer handelte, ergibt sich nicht nur aus den [X.] Kennzeichen des vom Angeklagten [X.]geführten Fahrzeugs, sondern wird auch daraus deutlich, dass die Beamten den Angeklagten die Belehrung gemäß § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO auf [X.] erteilten. 14 - 9 - [X.]) Der Umstand, dass die Angeklagten, nachdem sie vom Ermittlungs-richter auf ihr Recht auf Benachrichtigung des zuständigen Konsulats hingewie-sen worden waren, eine konsularische Hilfe abgelehnt haben, macht den [X.] nicht ungeschehen. Dieser ist unabhängig davon gegeben, ob der Betrof-fene die Hilfe seines Staates in Anspruch nehmen will (vgl. [X.], [X.]. vom 27. Juni 2001 [nichtamtliche Übersetzung in [X.], 287, 290]). 15 b) Die Angeklagten können die Verletzung der [X.] mit der Revision geltend machen. Sie haben sie vor dem [X.] im [X.] mit der Vernehmung der Verhörspersonen vor dem in § 257 StPO be-stimmten Zeitpunkt geltend gemacht und hierauf gestützt der Verwertung ihrer durch diese Zeugen in die Hauptverhandlung eingeführten Angaben aus den Vernehmungen im Ermittlungsverfahren widersprochen. Damit liegt ein "spezifi-zierter Widerspruch" vor, von dem nach der - seine Entscheidung nicht tragen-den - Auffassung des 1. Strafsenats jedenfalls in Fällen einer nachgeholten Be-lehrung die zulässige Geltendmachung eines Verstoßes gegen Art. 36 Abs. 1 Buchst. [X.] [X.] im Revisionsverfahren abhängig sein soll ([X.] NJW 2007, 3587, 3588 f., zum Abdruck in [X.]St bestimmt; vgl. [X.], [X.]. vom 25. September 2007 - 5 [X.] und 5 [X.]: Notwendigkeit eines spezifizierten Widerspruchs offengelassen für den Fall völligen Unterlassens der Belehrung; s. auch [X.] NJW 2007, 499, 504). Ob dieser Ansicht zu [X.] ist, kann hier daher offen bleiben. Doch weist der [X.] darauf hin, dass das Erfordernis eines derartigen Widerspruchs ohnehin nur dann zu erwägen wäre, wenn der Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 Buchst. [X.] [X.] überhaupt zu einem Verwertungsverbot für Angaben des Beschuldigten im Ermittlungsver-fahren zum Tatvorwurf führen könnte; dies ist indessen gerade nicht der Fall (s. unten c). Für die eventuelle Rüge, das [X.]eil beruhe unabhängig von einem derartigen Verwertungsverbot auf dem Unterlassen der Belehrung, weil der [X.] - 10 - geklagte hierdurch in sonstiger Weise in seinen Verteidigungsrechten einge-schränkt gewesen sei (s. unten d), ist ein derartiger Widerspruch nach Ansicht des [X.]s jedenfalls nicht [X.]. c) Die Verletzung von Art. 36 Abs. 1 Buchst. [X.] [X.] hat kein [X.] zur Folge. Die Annahme eines solchen Verwertungs-verbots ist völker- und verfassungsrechtlich nicht geboten und auch sonst der Sache nach nicht gerechtfertigt (ebenso [X.], [X.]. vom 25. September 2007 - 5 [X.] und 5 [X.]). 17 aa) Die Annahme eines [X.] in Fällen einer unter-lassenen Belehrung über das Konsultationsrecht ergibt sich nicht aus der Rechtsprechung des [X.]. In den von ihm zu Art. 36 Abs. 1 Buchst. [X.] [X.] entschiedenen Fällen (siehe dazu [X.]/Pröpstl, [X.] Über-einkommen über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963, S. 258 f.), in denen eine Belehrung nach dieser Vorschrift jeweils gänzlich unterblieben war, beanstandete der [X.], dass den Beschuldigten dort aufgrund des nationalen Verfahrensrechts des [X.] schon gar keine Möglichkeit zur Verfü-gung gestanden habe, die unterbliebene Belehrung zu rügen. Dem [X.] müsse aber ein Verfahren offen stehen, in welchem er die Verletzung der [X.] geltend machen und deren Auswirkung auf das Strafverfah-ren überprüfen lassen könne. Nach der Rechtsprechung des [X.] ist die not-wendige Konsequenz eines Verstoßes gegen die [X.] nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. [X.] [X.] somit, dass das Strafurteil im Schuld- und Straf-ausspruch unter Berücksichtigung des Verstoßes gegen die Rechte aus dem [X.] überprüfbar sein müsse. Der [X.] hat dazu in der [X.]-Entscheidung ausgeführt, dass nach Verletzung der Belehrungs-pflicht "eine Entschuldigung in den Fällen nicht ausreichen würde, in denen die 18 - 11 - Betroffenen langjährigen Haftstrafen unterworfen oder verurteilt und mit schwe-ren Strafen bestraft werden. In Fällen einer derartigen Verurteilung und Bestra-fung würde es" dem Empfangsstaat (im Fall der [X.]-Entscheidung: den Vereinigten [X.]) "obliegen, die Überprüfung und erneute Behandlung der Verurteilung und Bestrafung unter Berücksichtigung der Verletzung der [X.] zu ermöglichen. Diese Verpflichtung kann in unterschiedlicher Art und Weise erfüllt werden. Die Wahl der Mittel bleibt" dem Empfangsstaat "über-lassen" ([X.], [X.]. vom 27. Juni 2001 [nichtamtliche Übersetzung in [X.], 287, 294]; im amtlichen Text: "[X.], [X.] in the Convention. [X.] in various ways. [X.]" [[X.] , Judgement, [X.] 2001, 466, 514]). Konkrete Vorgaben, zu welchem Ergebnis diese Überprüfung des [X.]eils führen müsse, macht der [X.] nicht und fordert dementsprechend insbesondere auch kein Beweisverwertungsverbot für Äußerungen des Beschuldigten im Falle unterlassener Belehrung nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. [X.] [X.] (so auch [X.], 891, 893; [X.] GA 2007, 296, 304; [X.] StV 2003, 57, 58 f.). [X.]) Auch verfassungsrechtlich ist die Annahme eines Beweisverwer-tungsverbots nicht geboten. So hat das [X.] klargestellt, die Rechtsprechung des [X.] sei nicht dahin zu verstehen, dass im Falle eines Belehrungsfehlers nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. [X.] [X.] zwingend von der Unverwertbarkeit der zustande gekommenen Beweisergebnisse auszugehen sei; im Übrigen obliege es dem [X.] festzustellen, ob ein Verwer-19 - 12 - tungsverbot anzunehmen sei oder welche Konsequenzen aus dem Verfahrens-fehler sonst zu ziehen seien ([X.] NJW 2007, 499, 503). cc) Die Annahme eines [X.] ist auch in der Sache nicht gerechtfertigt. Insbesondere lässt sich die Rechtsprechung des [X.] zu Verstößen gegen die in § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO geregelten [X.] nicht auf einen Verstoß gegen die [X.] nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. [X.] [X.] übertragen. 20 Nicht jeder Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift, die eine Beleh-rungspflicht vorsieht, zieht ein Beweisverwertungsverbot nach sich. Die Ent-scheidung für oder gegen ein Verwertungsverbot ist vielmehr aufgrund einer Abwägung der im Rechtsstaatsprinzip angelegten gegenläufigen Gebote und Ziele zu treffen (vgl. [X.] NJW 2007, 499, 503). Der [X.] geht in Überein-stimmung mit dem 5. Strafsenat des [X.] ([X.], [X.]. vom 25. September 2007 - 5 [X.] und 5 [X.]; vgl. auch [X.] GA 2007, 296, 304 f.) davon aus, dass sich bei einem Verstoß gegen die Belehrungs-pflicht nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. [X.] [X.] die Rechtslage in Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich unter Berücksichtigung von Art und Gewicht des Verstoßes und der wesentlichen Belange der [X.]eilsfindung im Strafverfahren, anders darstellt als bei der in § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO vorge-schriebenen Belehrung über das Schweigerecht und das Verteidigerkonsultati-onsrecht. Die beiden [X.]en sind einander nicht ausreichend ähn-lich; sie unterscheiden sich sowohl im Hinblick auf ihre Voraussetzungen als auch auf ihre Bedeutung für ein mögliches Beweisergebnis zu Lasten des [X.]. So setzt die Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO eine [X.] voraus, kommt jedem Beschuldigten unabhängig von [X.] Staatsangehörigkeit zugute und betrifft inhaltlich mit den Rechten des [X.] - 13 - schuldigten auf [X.] und auf effektive Verteidigung dessen zentrale Schutzrechte. Demgegenüber knüpft die Belehrung nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. [X.] [X.] an eine freiheitsentziehende Maßnahme und damit einen Umstand an, durch den die Aussagefreiheit des Beschuldigten jedenfalls dann nicht berührt wird, wenn die Festnahme erst erfolgt, nachdem der Beschuldigte vernommen worden ist. Eine [X.] vor Beginn einer Vernehmung, an deren Ende möglicherweise eine Festnahme des Beschuldigten erfolgen wird, sieht der Wortlaut von Art. 36 [X.] nicht vor. Zudem kommt die Beleh-rungspflicht über das Konsultationsrecht nur Beschuldigten mit einer fremden Staatsangehörigkeit zugute. Schließlich handelt es sich bei dieser Belehrung inhaltlich lediglich um einen zusätzlichen Schutz; den betroffenen ausländi-schen Beschuldigten kommen jedoch alle sonstigen rechtsstaatlichen Verteidi-gungsstandards unvermindert zugute. Das angefochtene [X.]eil erweist sich somit nicht deswegen als rechtsfeh-lerhaft, weil das [X.] bei seiner Beweiswürdigung die Angaben der [X.] bei ihren Vernehmungen im Ermittlungsverfahren berücksichtigt hat. 22 d) Im Schrifttum wird darüber hinaus die Möglichkeit erörtert, dass sich der Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 Buchst. [X.] [X.] selbst bei Verneinung eines Verwertungsverbots in anderer Weise zu Lasten des Beschuldigten und seiner Verteidigungsmöglichkeiten auswirken und als Folge hiervon das gegen ihn ergehende [X.]eil im Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch nachteilig beein-flussen könne ([X.] GA 2007, 296, 306; möglicherweise aA - Beruhensprüfung nur bei Annahme eines [X.] - [X.] NJW 2007, 499, 504 [Rdn. 76]; siehe auch [X.], 891, 893; [X.] StV 2003, 57, 60). Dem ist hier indessen nicht weiter nachzugehen. Dass sie durch die [X.] unterlassene Belehrung in ihren Verteidigungsmöglichkeiten in [X.] - 14 - ner Hinsicht entscheidungserheblich eingeschränkt gewesen wären, behaupten die Beschwerdeführer in ihrem [X.] schon selbst nicht. Im Übrigen wäre hier ohne weiteres auszuschließen, dass sich das Unterbleiben der Beleh-rung unmittelbar nach der vorläufigen Festnahme im Sinne des § 337 Abs. 1 StPO auf das [X.]eil ausgewirkt haben könnte; denn die Angeklagten haben nach der Belehrung durch den Ermittlungsrichter über ihr Recht, die konsulari-sche Vertretung ihrer Heimatstaaten benachrichtigen zu lassen, auf eine solche Benachrichtigung ausdrücklich verzichtet. Hieraus ist zu schließen, dass ein rechtsfehlerfreies Verfahren, bei dem die Angeklagten bereits bei ihrer Fest-nahme durch die Zollbeamten über ihr Recht aus Art. 36 Abs. 1 Buchst. [X.] [X.] belehrt worden wären, zu keinem anderen Entschluss der Ange-klagten geführt hätte und daher auch in diesem Falle eine Unterrichtung der zuständigen Konsulate unterblieben wäre. e) [X.] sind daher zu verwerfen. 24 Allerdings hat es der 5. Strafsenat in seinem [X.]uss vom [X.] 2007 (5 [X.] und 5 [X.]) für angezeigt erachtet, in Fällen, in denen die Belehrung nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. [X.] [X.] völlig unterblie-ben ist, diesem Verstoß im Wege einer Kompensation dadurch Rechnung zu tragen, dass ein Teil der gegen den Angeklagten verhängten Strafe für voll-streckt erklärt wird. Dieser Ansicht vermag sich der [X.] nicht anzuschließen. Die Folgen, die Verstöße gegen das Verfahrensrecht (gleich, ob dieses nationa-len oder völkervertragsrechtlichen Ursprungs ist) in der Revisionsinstanz nach sich ziehen, sind in den §§ 337, 338, 353, 354 StPO abschließend geregelt: Beruht ein [X.]eil ganz oder teilweise auf einem Verfahrensfehler, so ist es in dem entsprechenden Umfang aufzuheben; ist ein Beruhen dagegen [X.], so ist die Revision zu verwerfen. Andere Möglichkeiten bestehen 25 - 15 - nicht. Insbesondere ist es dem Staat verwehrt, dem Angeklagten [X.], die sich auf das [X.]eil ausgewirkt haben, durch einen Vollstreckungs-rabatt gewissermaßen "abzuhandeln"; denn dies würde auf die Dauer zu einer nicht hinnehmbaren Relativierung des Verfahrensrechts führen. Aus der Rechtsprechung zur Kompensation konventions- und damit gleichzeitig rechtsstaatswidriger Verstöße insbesondere gegen das [X.] Durchführung von Strafverfahren (Art. 5 Abs. 3 Satz 1, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.]), kann nichts Gegenteiliges abgeleitet werden. Diese Rechtsprechung be-ruht auf den Besonderheiten der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, insbesondere dem Verständnis, das Art. 34 [X.] in der Spruchpraxis des [X.] gefunden hat; den dort formulierten Grundsatz, dass der Angeklagte für die besonderen immateriellen Belastungen, die er durch die Verfahrensverzögerung erlitten hat, durch eine ausdrückliche und bezifferte Kompensation zu entschädigen ist, hat das [X.] als auch aus der Rechtsstaatsgarantie verfas-sungsrechtlich abzuleitendes Erfordernis bestätigt (s. näher den Vorlagebe-schluss des [X.]s NJW 2007, 3294 [X.]). Hieran haben sich die Strafgerichte auszurichten. Dies ändert indes nichts daran, dass es sich bei dieser [X.] um ein mit dem sonstigen Straf- und Strafverfahrensrecht nur schwerlich in Einklang zu bringendes [X.] handelt. Es ist daher nicht auf Bereiche auszudehnen, in denen seine Anwendung durch entsprechende völkervertrags- oder verfassungsrechtliche Vorgaben nicht geboten ist. So liegt es bei [X.] gegen Art. 36 Abs. 1 Buchst. [X.] [X.]. Weder das Konsularüberein-kommen noch das [X.] schreiben vor, dass der Angeklagte für ein (zeitweiliges) Unterbleiben der Belehrung über das Konsultationsrecht zu entschädigen ist. Vielmehr muss allein gewährleistet sein, dass er den Verstoß im Strafverfahren geltend machen und dort zur Überprüfung stellen kann, ob 26 - 16 - dieser sich in maßgeblicher Weise auf seine Verteidigungsrechte und damit ge-gebenenfalls auf seine Verurteilung ausgewirkt hat (s. oben). Die Auffassung des [X.]s weicht nicht in entscheidungserheblicher Weise von der Rechtsansicht des 5. Strafsenats ab; denn dieser hat ausdrück-lich offen gelassen, ob im Falle einer alsbald nachgeholten Belehrung, wie sie hier durch den Ermittlungsrichter vorgenommen wurde, eine Kompensation nicht gänzlich entbehrlich ist ([X.]. vom 25. September 2007 - 5 [X.] und 5 [X.], Rdn. 30). 27 [X.] Miebach [X.] [X.] Schäfer

Meta

3 StR 318/07

20.12.2007

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.12.2007, Az. 3 StR 318/07 (REWIS RS 2007, 87)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 87

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 643/10 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren: Rechtsfolgen der unterbliebenen Belehrung eines ausländischen Festgenommenen über sein Recht auf unverzügliche Benachrichtigung seiner …


4 StR 643/10 (Bundesgerichtshof)


2 BvR 1579/11 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: Zu den Folgen einer Verletzung der Belehrungspflicht nach Art 36 Abs 1 KonsÜbk Wien …


5 StR 116/01 (Bundesgerichtshof)


1 StR 273/07 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.